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Blockhütte wurde heute unter zahlreicher Beteiligung der hiesigen und auswärtigen Bevölkerung eingeweiht. Es ist zu hoffen, daß der Engelberg, nächst der Solitude der schönste Punkt im weitesten Kreise, immer mehr ein Lieblingsausflugsort der Bezirksbewohner und der Stuttgarter Bevölkerung werde.
Stuttgart, 2. Juni. Heute vorm, kurz vor 12 Uhr stürz te auf der Königstraße, nahe dem Kronprinzenpalast, auf einer Straßenbahnschiene das Pferd eines Hofwagens, in dem sich die Königin mit einer Hofdame befand. Einigen rasch herbeieilenden Männern gelang es, das Pferd wieder auf die Füße zu bringen. Die Königin begab sich zu Fuß ins Palais. Das Pferd erlitt keinen Schaden. Der Vorfall rief einen starken Auflauf hervor.
Stuttgart, 2. Juni. Bei einem Athleten-Weitst reit in der Gewerbehalle kam ein Beteiligter beim Ringen zu Fall, zog sich eine Armverrenkung zu und mußte ins Katharinenhospital verbracht werden. Ein anderer am Ringen Beteiligter fiel auf den Hinterkopf und war längere Zeit bewußtlos. Derselbe hat sich, nachdem ihm von einem Mitglied der Sanitätskolonne Hilfe geleistet wurde, wieder erholt und konnte sich in seine Wohnung begeben.
Tübingen, 31. Mai. Heute nacht bald nach zwei Uhr kam im Hotel Bah ha zum Lamm am Markt Feuer aus. Das Hotel war voll besetzt und mußte geräumt werden. Der Betrieb wird für längere Zeit unterbrochen sein, da fast alle Stockwerke sowie der große Speisesaal im Erdgeschoß durch Feuer und Wasser schwer beschädigt worden sind. Ein Defekt in der Feuerungs-Ein-^ richtung soll die Ursache des Brandes sein. DZ^. Windstille herrschte, so wurde weiterer schwerer Schaden verhütet, doch ergriff das Feuer auch das hart neben dem Gasthof zum Lamm stehende Kaufmann Bräuningsche Haus und zerstörte dessen Dachstock, während die übrigen Stockwerke gleichfalls durchs Feuer und die Löscharbeiten beschädigt wurden. Die Feuersbrunst hatte eine ungeheure Menschenmenge zugezogen. Noch gegen 12 Uhr mittags hatte die Feuerwehr im Hotel Bayha mit der Bekämpfung des weiterglimmenden Feuers zu tun.
Reutlingen, 30. Mai. Gestern wurde hier ein 17jähriges Dienstmädchen festgenommen, welches Salmiakgeist in die Suppe schüttete, um die Frau des Hauses zu vergiften, weil diese das Dienstmädchen wegen einer Verfehlung zur Rede gestellt hatte.
Stetten i. R., 1. Juni. Letzten Samstag wurden von hier die ersten Körbe mit reifen Kirschen zu Markt gebracht und sehr teuer bezahlt (42—45 pro Pfund). Leider fällt die Kirschenernte hier und in der Umgebung infolge der kalten Aprilwitterung außerordentlich mager aus, besonders fehlen die Hauptsorten ganz. Auch per Ertrag von Birnen und Aepfeln wird weit
hinter den ursprünglichen Erwartungen Zurückbleiben. Um so günstiger hat die hochsommerliche Hitze der letzten Wochen auf die Entwicklung des Wein- stocks eingewirkt. Die jungen Triebe stehen in strotzender Kraft und zeigen reiche Blütenansätze. Auch die Halmfrüchte und Wiesen stehen im ganzen schön. Doch wäre jetzt reichlicher Regen erwünscht, da die „Winterfeuchte" Heuer fehlt und die Trockenheit bereits e nen solchen Grad erreicht hat, daß eine sonst immer fließende Quelle ausbleibt.
Aalen, 31. Mai. Unterhalb Wasseralfingen überfuhr ein Automobil eine Schafherde, wodurch ein Tier getötet und fünf weitere mehr oder weniger verletzt wurden. Die vier Insassen des Wagens, der, wie man hört, auf dem Wege von Stuttgart nach Berlin begriffen war, bekümmerten sich gar nicht um den Unfall, sondern fuhren weiter.
Ellwangen, 30. Mai. Verlag und Druckerei der Jagstzeitung ist heute in den Besitz der Aktiengesellschaft Deutsches Volksblatt in Stuttgart Ellwangen übergegangen. Die Jagstzeitung und der Jpf werden noch ein Vierteljahr neben einander erscheinen.
Pforzheim, 30. Mai. Der acht Jahre alte Sohn eines hiesigen Fabrikanten schlug ein Pferd, das aus einer Wirtschaft auf die Straße geführt wurde, mit der Hand auf den Hinterschenkel. Das Pfei d schlug aus und traf den Knaben so heftig, daß er fünf Meter weit geschleudert und im Gesicht und am Kopfe schwer verletzt wurde. Der Knabe starb am folgenden Tage.
Hornberg, 1. Juni. Gestern nachmittag brannte das Wohnhaus des Müllers F. Aberle, ein großes, ganz aus Holz bestehendes Gebäude, das zu ebener Erde Tenne und Stall enthielt, vollständig nieder. Nichts konnte gerettet werden, nur was lebend war, konnte entrinnen. Der Besitzer selbst wäre beinahe dabei verunglückt. Nach Ordnen seiner Bücher hatte er sich zu einem Schläfchen auf sein Sofa gelegt, ohne Schlimmes zu ahnen; da wurde er rechtzeitig noch durch Steinwürfe an sein Fenster aufgeweckt und konnte noch schnell seine Bücher und Wertsachen zusammenraffen und sich retten. Nur mit großer Anstrengung konnte die Feuerwehr die Mühle und die angrenzenden Gebäude retten. Schon glaubte man alle Gefahr vorüber und ging ruhig zu Bette, als um Uhr in der Nacht abermals Feuerlärm ertönte; zwei weitere Häuser standen in Flammen und um V- 6 Uhr verfiel ein drittes demselben Schicksal; auch aus diesen konnte nur sehr wenig, aus einem gar nichts gerettet werden. Zwölf Familien und einzelnstehende Frauen sind obdachlos und verschiedene nicht versichert. Bei dem Brand am Nachmittag liegt sicher Brandstiftung vor. — Eine merkwürdige Wirkung hatte der Schreck über den gestrigen Feuerlärm bei einem Mädchen, das schon mehrere Jahre sehr nervös ist, beständig an allen Gliedern zittert und seit einiger Zeit beständig
hmzuknieen und legte den Lockenkopf auf das Buch in ihrem Schoße. „Ach, Tantchen, mir ist so bang."
„Und deshalb hast Du das kostbare Kleid angezogen?"
„Deshalb nicht. Wir bekommen Besuch; einen Herrn." —
Die Leidende fuhr zusammen. „Doch nicht den Herrn Vormund? Denn der andere — wollte sagen unser lieber Herr Baron — ist wieder in Berlin, und für den würdest Du auch den auffallenden Putz nicht anlegen, zumal an einem Gewittertage, und Angst hättest Du auch nicht vor ihm. —, Na, wenn Du den Namen durchaus nicht sagen willst, so wirst Du Deine Gründe dazu haben; aber da muffen wir unser einfaches Mittagessen doch bei Seite stellen und schnell etwas Besseres ersinnen, mit gesottenem Rindfleisch und Beiguß können wir doch einen Gast, den Du in Seide empfängst, unmöglich abspeisen."
Lori sprang lachend auf. „O Du liebes, herziges, dummes Tantchen! Das ist ja alles schon besorgt, punkt zwei Uhr wird ein „Tischlein deck' dich" erscheinen, wie es im Märchen steht, mit Kuchen und Wein und Braten und Blumen und der Bahnhofswirt von der Station wird den Zauberer spielen, der es herschafft — freilich wir hätten uns einen Wagen bestellen und dort speisen können. Daß ich auch nicht daran gedacht habe!"
„Jungfer Holde,mann schüttelte den Kopf. „Nein, über Dich, Kleine! Schön bist Du, das muß ich sagen, wie eine Fee, aber ich bin doch froh, daß er — wollte sagen Herr von Brunneck Dich nicht so sieht. Der würde sich wundern über die arme, einfache Lori Holdermann! Und — obendrein — ob er Dir die seitherige Lüge verzechen würde? Ja, ja, Kleine, nun erschrickst Du und wirst bleich wie eine Kalkwand! Es hat mir nie gefallen, daß Du auch mit chm Komödie gespielt hast, und ich wollte es Dir immer sagen, Kind; spiele nicht mit dem Feuer heißt es, und wenn die Absicht noch so gut ist, Betrug bleibt Betrug.
an das Bett gefesselt war. Bei dem ersten Lärm sprang sie erschreckt aus dem Bett ans Fenster, während sie vorher nie aufstehen konnte — und ihr ^ Gliederzittern war völlig vorüber.
Frankfurt a. M., 2. Juni. Die Reche der festlichen Veranstaltungen, welche der 2. Gesangs-Wettstreit mit sich bringt, wurde am Dienstag mit der Hauptprobe zum Begrüßungskonzert eröffnet. — 1700 Sänger des Sängerbund Frankfurt und der Frankfurter Sänger-Vereinigung sowie das auf 130 Mann verstärkte Orchester des Opernhauses trugen unter der Direktion von Herrn Direktor Maximilian Fleisch die in Betracht kommenden Gesänge vor. Das Publikum, welches die Festhalle bis auf den letzten Platz gefüllt hatte, spendete dem Dirigenten sowie den Herren Solisten und den Sängern für die vorzüglich vorgetragenen, fein ausgearbeiteten Darbietungen reichen Beifall. Nach dem Konzert entwickelte sich auf dem Festplatz bereits ein äußerst reges Festleben, das durch hie und da eintretende Regenschauer nicht im Mindesten beeinträchtigt wurde.
Mainz, 2. Juni. Gestern Nachmittag betrank sich ein vom Infanterieregiment Nr. 87 auf Wache befindlicher Soldat und mußte deshalb abgelöst werden. Als der auf Wache befindliche Sergeant dem sich wie rasend geberdenden Soldaten zureden wollte, zog letzterer das Seitengewehr und schlug nach dem Sergeanten. Darauf ergriff er die Flucht. Er wurde in der Stadt wieder aufgegriffen und verhaftet.
Lindau, 1. Juni. Zufolge einem erst am letzten Samstag (30. Mai) in den Besitz der hies. Polizei gelangten Briefs, den der vermißte Student Pagel in der Nacht vom 11./12 Mai aus Bregenz an einen Freund in Straßburg schrieb, steht es außer jedem Zweifel, daß Pagel am 11. Mai nachmittags seine Geliebte Hermine Scheler erschossen hat. In überschwänglicher Weise schreibt er: „Und so geschah denn das Unglaubliche. Ich setzte das kalte Mordinstrument an ihre Stirne und jagte ihr eine Kugel in den Schädel. Jetzt sollte ich daran, aber als ich ihr blutüberströmtes Gesicht im Schoße hielt, ihr die Augen zudrückte und ihren letzten dankbaren (?!) Blick sah, da ging es nicht.... Als es ganz dunkel und spät war, bin ich hier (Bregenz, öfter. Hof) ins Hotel gegangen. Zu einem Entschluß bin ich noch nicht gekommen, ich hatte noch nicht die Kraft dazu. Ob es diese Nacht auf irgend eine Weise enden werde, ich weiß es nicht." Nach dieser Darlegung müßte die Ermordete an irgend einer Stelle deS Pfänderzuges liegen; bis heute jedoch wurde sie noch nicht aufgefunden.
Berlin, 2. Juni. Prinz Julius von Schleswig-Holstein-Glücksburg der Bruder des Königs von Dänemark, ist gestern abend 6'/- Uhr auf Itzehoe gestorben.
Berlin, 2. Juni. Der Lokalanzeiger meldet aus Kiel: Im Prozeß Hüssener hat auch
Nur gut, daß alles so gekommen, und er nun fort ist. Ich glaube, wenn — na, Lorchen, wenn Du ihn hättest haben wollen, um der Lüge willen hätte er Dich nie und nimmer zu seiner Gimah— Gott im Himmel! Was ist Dir denn? Sinkst ja völlig hin Lorchen! Bist etwa zu fest geschnürt? Nein, diese Eitelkeit! Ach, und ich weiß nicht Bescheid mit so einer Modetaille mit meinen lahmen Händen!"
Lori winkte, blaß und erschreckt am Fensterkreuz lehnend, zwar ab, aber Jungfer Holdermann tastete sich doch zu ihr hin, nicht bemerkend, daß Buch und Brille auf der Diele lagen, und zog die Wankende an sich.
„Laß nur, es ist schon vorüber," sagte Lori tonlos, dann zog sie die alten Hände der Treuen an Herz und Lippen und weinte bitterlich.
Die Leidende hielt den Mädchenkopf so fest und zärtlich an sich gedrückt, als es die gewaltsam aufrecht erhaltene Stellung bei ihrem Zustande erlaubte.
Lori schluchzte: „Ach Tante Adel, Du weißt nicht, was Du tust mit Deinen Worten, denn — gestern haben wir uns verlobt, gestern abend im Walde, und heute wollte er um mich anhalten bei Dir, gerade heute wollte ich ihm alles sagen, nun kann ich es nicht mehr I Ich hatte mich so darauf gefreut, aber Du hast recht, er wird mich verachten als eine Intrigantin, und alles, alles ist aus. Da ist es ja, das erträumte Glück, welches zu suchen ich auszog wie eine Abenteurerin!
Ja, ja, Tantchen, wie Schuppen fällt es mir von den Augen; es war die Sehnsucht nach Liebe, nach echter, selbstloser Liebe, die mich hierhertrieb aus dem Chaos von Schmeicheleien und Falschheit» und nun ich den Stern gesehen, geht er mir unter für immer! In einer Stunde spätestens muß er da sein. Gott, ach Gott, was soll ich tun? Soll ich abreisen und ihm alles schreiben, seine Verzeihung anflehen ? Ich kann ja ohne ihn nicht leben! Tantchen, rate, hilf mir doch!"
(Fortsetzung folgt.)