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4.

Neuenbürg, Mittwoch den 8. Januar 1908.

66. Jahrgang.

rtzrmöschau»

In seiner Ansprache an die kommandie­renden Generale am Neujahrstage hat der Kaiser u. a. mitgeteilt, daß in diesem Jahre außer dem 15. (elsässischen) und 16 (lothringischen) Korps auch das 2. bayerische Korps vor ihm üben würde. Teile dieses Korps stehen in den Reichslanden und der Pfalz, nahe den Standorten des 16. Armeekorps.

Das deutsche kronprinzliche Paar ist in dem schweizerischen Kurorte St. Moritz zu einer auf zwei Wochen berechneten Winterkur eingetroffen. Uebrigens ist auch das kronprinzliche Paar von Däne­mark in St. Moritz angekommen.

Berlin, 4. Jan. Die Verteidiger Hardens, Justizrat Bernstein und Kleinholz, werden egen das Verfahren vor der Strafkammer Revi- ion beim Reichsgericht einlegen. Sie soll mit Unzulässigkeit des gesamten Verfahrens begründet werden. Die Kosten des Prozesses, zu deren Trag­ung Harden verurteilt wurde, werden auf 4000 bis 5.000 Mk. geschätzt.

Berlin, 4. Januar. Die Berliner Zeit am Mittag teilt mit: Wie wir erfahren, ist nach der ungeheuren Nervenanspannung der letzten Tage gestern bei Maximilian Harden eine heftige Reaktion ein- getreH,, die sich in geradezu völligem Verfall der Nerven äußert. Die Nacht, bis zu deren Einbruch eine Anzahl Sympathiedepeschen aus allen Teilen der Welt einliefern, hat Harden völlig schlaflos zugebracht.

Berlin, 4. Jan. Eine Art homosexueller Aufklärung bildet, der Militärpolitischen Korres­pondenz, zufolge, seit kurzem ein Teil des Dienst­unterrichts bei Gardetruppenteilen wie bei Provinz­regimentern. In diskreter Form werden gesondert die Rekruten und die älteren Jahrgänge meist von den Kompagnie-, Eskadron- und Batteriechefs selbst auf die Gefahren aufmerksam gemacht, die sich auf diesem Gebiet den Mannschaften in mancherlei Form nähern.

Im deutschen Holzgewerbe sind ernste Differenzen ausgebrochen. Nachdem die Verhand­lungen zwischen den Arbeitgebern und Arbeitnehmern des Holzgewerbes die auf Grund einer kürzlich in Berlin abgehaltenen Konferenz in Stuttgart, sowie in Elberfeld, Osnabrück und Luckenwalde zu führen waren, gescheitert sind, ist auf Veranlassung des Ar­beitgeberschutzverbandes für das deutsche Holzgewerbe der seitherige Tarifvertrag in Stuttgart und weiteren 22 Städten gekündigt worden.

Der Papst hat am Sonntag den bisherigen preußischen Gesandten am Vatikan Freiherrn von Rotenhan, der sein Abberufungsschreiben überreichte, in Audienz empfangen. Der Papst unterhielt sich lange mit dem Gesandten und sprach ihm seine leb­hafte Anerkennung aus.

New-Aork, 7. Jan. Der Mieterstreik ver­ursachte viele Zusammenstöße mit der Polizei. Ein einziges Gericht erließ 600 Exmissionsbefehle.

. Württemberg.

Stuttgart, 7. Jan. Der Gesamtvorstand des württ. Volksschullehrervereins hat in seiner letzten Sitzung eine Eingabe an das Kultusministerium be­schlossen, in der u. a. um eine simultane Gestalt­ung der Lesebücher, um Veröffentlichung der Ent­würfe zu den Lesebüchern und um Zulassung anderer Lesebücher als der amtlichen, gelten werden soll. Außerdem soll in der Eingabe Stellung genommen werden zu dem Antrag der Synode betreffend die Erlaffung einer Dienstvorschrift für Organisten seitens der Kirchenbehörde.

Stuttgart, 6. Jan. Die heutige Landes- Versammlung der Deutschen Volkspartei würde mit einer kleinen Gedächtnisfeier für Friedr. Haußmann eingeleitet. Karl Schickler hielt dabei die Gedenkrede. Zum Beginn der Landesversamm­

lung sagte Professor Hummel-Karlsruhe, die ver­änderte politische Situation tzeute aus das stille Ein­geständnis der Regierung hin, daß man die demo­kratische Grundstimmung des deutschen Volkes nicht länger unberücksichtigt lassen könne. Daß das früher nicht geschehen, daran sei auch die Demokratie mit­schuldig. Man müsse aber unentwegt fortkämpfen gegen den Feudalismus und Klerikalismus. Land­tagsabgeordneter Dr. Elsas erstattete den Partei­bericht. Die wiederholte Behandlung der Organi­sationsfrage habe zur Bildung eines Komitees geführt. Die neuen Statuten könnten erst nach Erledigung des Vereinsgesetzes beratest werden. Redner forderte zu energischer Agitation im Lande auf. Nachdem Stadtrat Fischer den Partei- und Pressebericht er­stattet hatte, sprach v. Payer überReichspolitik". Man befände sich bezüglich der politischen Situation in einem gewissen Stadium des Werdens. Die Arbeitswilligkeit sei auch ein Produkt der neuen Situation im Reichstage. Früher sei alles vom Zentrum abhängig gewesen. Es werde jetzt aber alles mindestens ebenso gut besorgt wie früher. Der Zusammenschluß des Linksliberalismus habe sich recht gut bewährt. Das Zentrum sei nach seiner kirchlich-reaktionären Haltung der allergrimmigste Feind des Liberalismus. Wir sind mit der Er­mächtigung des Konstanzer Parteitags in den Block, eines der interessantesten Gebilde der neuzeitlichen Politik, eingetreten und wir bleiben auch, vorläufig darin, weil uns Keiner eine gescheitere Politik vor- geschlagen hat. Die Explosion im Dezember 1906 sei aus dem Grunde erfolgt, weil das Zentrum als Gläubiger der Reichsregierung aufgetreten sei. Das Resultat der Wahlen ist gegeben, nicht nur für den gegenwärtigen Reichskanzler, sondern auch für dessen Nachfolger. Die Börsenreform werde Gesetz werden. Das Vereinsgesetz wird behandelt werden. Zum neuen Staatssekretär v. Bethmann-Hollweg dürfe man Vertrauen haben. Bezüglich der Reichsfinanz­reform sagte der Redner, daß es gleichgültig sei, ob man die neuen Steuern direkte oder indirekte nenne, es müsse aber darauf hingewirkt werden, daß die leistungsfähigsten Schultern nach dem Maß ihrer Leistungsfähigkeit damit belastet werden. Eine neue Zentrumsherrschaft wäre ein Fluch für das Deutsche Reich. Der allerkritischste Tag sei der Donnerstag dieser Woche, an dem sich die preußische Regierung über die Wahlreform äußern müsse. Wenn man wie wir, viel zu gewinnen, aber nichts zu riskieren hat, dann muß man auch einmal wieder dem Op­timismus den Weg lassen und an ihn glauben. (.Stürmischer Beifall.) Zum Schluß sprachen noch Dr. Elsas über Vereins- und Koalitionsrecht, Land­tagsabgeordneter Staudenmeyer über'die Tätig­keit der Landtagsfraktion.

Landesversammlung der Deutschen Partei. Die Deutsche Partei hält am Sonntag den 12. Januar, vormittags 6 Uhr im Festsaal der Liederhalle ihre Landesversammlung ab. Auf der Tagesordnung steht u. a. eine Rede des Landtags­abgeordneten Kübel-Cannstatt überArbeiten und Aufgaben des Landtags" und eine Rede des Reichs­tagsabgeordneten Heinze-Dresden überFragen der Reichspolitik."

Stuttgart, 4. Jan. Das gestern mitgeteilte vorläufige Ergebnis der Gemeinderatswahl in Stuttgart hat inzwischen noch eine nicht unwesentliche Aenderung erfahren: infolge eines bei der Zusammen­stellung der Bezirkswahlergebnisse durch das städtische Wahlamt unterlaufenen Rechenfehlers sind dem als an letzter (9. Stelle) gewählt.bezeichnten Kandidaten des Zentrums, Rechtsanwalt Dr. Schmidt, rund 4000 Stimmen zuviel angerechnet worden, während nach der jetzt endgültig festgestellten Stimmenzahl der M chlvorschlag des Zentrums leer ausgeht und de^ letzte zu vergebende Sitz der Sozialdemo­kratie zufällt. Die Sozialdemokraten errangen so­mit im ganzen 4 Sitze und als weiterer sozial­

demokratischer Vertreter zieht außer den gestern schon genannten nun auch noch Buchdrucker Kowald ins Rathaus ein.

Auch in Württemberg sind, wie man hört, zur Zeit mehrere Fälle von Vergehen gegen das Weingesetz anhängig. Allein im Bezirk 4 (Stutt­gart und Umgebung) handelt es sich um vier Fälle. In weiteren Fällen schwebt noch die Untersuchung. Ein Weinhändler soll etwa vier Wochen in Unter­suchungshaft behalten worden sein.

Stuttgart, 4. Jan. Mit Genehmigung des Königs ist dem Württembergischen Rennverein für das Jahr 1908 die Erlaubnis zur Veranstaltung einer Lotterie erteilt worden. Es werden unter Ausgabe von 120000 Losen zu 2 Mk. Geld- und Pferdegewinne verteilt werden. Die Ziehung wird am 1. und 2. Mai 1908 in Stuttgart abgehalten werden.

Stuttgart. 3. Jan. In seinem Neujahrs­artikel schreibt dasWürtt. Wochenblatt für die Landwirtschaft" u. a.:Betrachtet man alles zu­sammen, was das verflossene Jahr unserer Landwirtschaft gebracht hat, so darf man sagen, es war gut und es steht uns wohlan, mit dankbaren Gefühlen von ihm zu scheiden." Am Schlüsse des Artikels wird dem Wunsche Ausdruck gegeben, daß das Gefühl der Zusammengehörigkeit u»ter den Landwirten noch weit mehr Platz greifen möge, als dies heute der Fall sei.

Tübingen, 6. Januar. Die Erstellung einer städt. Badeanstalt, zu welcher die Universität ^incn Beitrag von 50 000 Mk. leisten will, soll demnächst in die Wege geleitet werden.

In Ehingen wurde die Gemeinderatswahl wegen erfolgter Verabreichung von Freibier für un­gültig erklärt.

Freudenstadt, 7. Jan. Wie wir aus zu­verlässiger Quelle hören, besteht bei der württemb. Regierung die Absicht, den Ausbau der Murg­bahn Klosterreichenbach-Landesgrenze so zeitig in Angriff zu nehmen, daß die Inbetriebnahme gleichzeitig mit der Fertigstellung der badischen Strecke Weisenbach - Schönmünzach erfolgen kann. Soviel wir uns erinnern, ist badischerseits hiefür das Jahr 1910 vorgesehen. (Gr.)

DerUnfugdesNeujahrschießens. Ueber- einstimmende Berichte aus vielen württembergischen Orten, namentlich aus den Oberamtsstädten bezeichnen das Neujahrschießen rc. in der letzten Sylvesternacht als ein gegenüber den früheren Jahren besonders stark aufgetretenes Nebel. In der Landeshauptstadt sind, wie gemeldet, 258 Strafanzeigen gegen Exceden- ten erstattet worden (im Vorjahr 172). Aus Ulm wird ähnliches berichtet; dort ist der Spaß nicht harmlos verlaufen. Mit dem Glockenschlag 12 zerriß eine Schrotladung einem harmlosen Zuschauer, dem Lokomotivheizer Dettinger, den Schädel. Zwei arme Familien sind hiedurch in bitteres Elend gestürzt worden. In Deißlingen, OA. Rottweil, hat sich ein 16jähriger Fabrikarbeiter die Hand durchschossen. In Marbach a. N. erhielt der 22jährige Sohn des Schiffwirts Haag vom Vater den geladenen Revolver aus dem Schreibtisch. Bald darauf krachte der erste Schuß und jagte dem in der Nähe stehenden Schwester­chen die Kugel in die Schläfengegend. Das Kind brach mit Hellem "Aufschrei zusammen und ist während der Bemühungen des operierenden Arztes gestorben. Und wie viel Unheil ist nicht oder noch nicht bekannt geworden; aber alles ist jaaus Versehen" geschehen.

Vom Boden see, 6. Jan. In den Nieder­ungen haben wir seit drei Wochen das Nebelmeer. Der Nebel ist manchmal so dicht, daß man kaum auf Hauseslänge einen Gegenstand wahrnimmt. Die Nebelhörner sind in ununterbrochener Tätigkeit. Der See beginnt an den Ufern zuzufrieren. Die um­gebenden Berghöhen haben immer herrlichen Sonnen­schein. Auf dem Säntis wurden dieser Tage bei wolkenlosem Himmel morgens nur 10 Grad Kälte verzeichnet. Die Schneehöhe auf ihm beträgt 130 cm.