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2.

Neuenbürg, Freitag den 3. Januar 1908.

66. Jahrgang.

Politische Jahres rund schau.

i.

Ern politischer Rückblick auf das Jahr 1907 bleibt für uns Deutsche zunächst an der erlauchten Person unseres allverehrten Kaisers Wilhelm haften. In unermüdlicher Arbeitskraft kommt er den so mancherlei Verpflichtungen seines hohen Herrscher­amtes nach, immerdar ist er bemüht um die Förderung der Wohlfahrt des deutschen Reiches und Volkes, wozu vor allem die erfolgreichen Bestrebungen des Kaisers gehören, Deutschland und weiter Europa die so kostbaren Segnungen des Friedens zu erhalten. Diesem Zwecke galten vornehmlich die Zusammen­künfte, welche der Kaiser kurz hintereinander mit dem König von England in Schloß Wilhelmshöhe und mit dem Zaren Nikolaus von Rußland in Swine­münde hatte. Auch im abgelaufenen Jahre führten größere Reisen den Kaiser wiederholt über die Grenzen hinaus. So unternahm er abermals seine gewohnte allsommerliche Erholungsfahrt nach Norwegen; un­mittelbar vorher hatte er in Begleitung der Kaiserin und des Prinzen Adalbert, seines dritten Sohnes, der dänischen Königsfamilie in Kopenhagen einen mehrtägigen Besuch abgestattet, welcher als ein erneutes Zeichen der eingeleiteten besseren Bezieh­ungen zwischen den Höfen von Berlin und Kopen­hagen registriert werden durste. Im Spätherbst folgte dann eine gemeinschaftliche Reise des Kaiser­paares Nach England nach, bei welcher die Majestäten eine Woche die Gäste des englischen Königspaares waren. Diese jüngste Begegnung Kaiser Wilhelms mit dem Könige Eduard, seinem Oheim, hat zweifel­los der im Zuge befindlichen Wiederherstellung der alten guten Beziehungen zwischen Deutschland und England wesentliche Dienste geleistet, welche Ueber- zeugung durch die geradezu begeisterte Aufnahme Kaiser Wilhelms jenseits des Kanals seitens der ganzen Bevölkerung nur eine Verstärkung erfahren konnte. Freudige Teilnahme in den weitesten Schichten der deutschen Nation rief die Geburt eines zweiten Sohnes des kronprinzlichen Paares des Reichs und von Preußen hervor; der jüngste Sprosse des Hohen- zollernstammes erhielt in der Taufe, bei welcher Prinzregent Luitpold von Bayern, vertreten durch den Thronfolger Prinzen Ludwig, Hauptpate war, den Namen Louis Ferdinand. Aus der Reihe der deutschen Bundesfürsten wurde Großherzog Friedrich I. von Baden, einer der verdienten Mitbegründer des neuen Reiches, durch den Tod abberufen, ihm folgte auf dem Throne sein Sohn Friedrich II. nach. Auch die verwitwete Königin Karola von Sachsen, die hinterlassene Gemahlin König Alberts, mußte der Zeitlichkeit ihren Tribut zollen.

Unter den politischen Ereignissen, welche das Jahr 1907 für Deutschland zeitigte, waren die in­folge der Auflösung des alten Reichstages am 13. Dezember 1906 notwendig gewordenen allgemeinen Neuwahlen zum Reichstage wohl der wichtigste Vor­gang. Die Hauptwahlen fanden am 25. Januar statt, die zahlreichen Stichwahlen wurden im Februar vollzogen. Das Gesamtresultat der Wahlschlacht bestand in der Zertrümmerung der bisherigen un­fruchtbaren Mehrheit, die sich aus dem Zentrum, den Sozialdemokraten, den Polen und Welfen zu­sammengesetzt hatte und in der Bildung einer die Parteien der Rechten, die gemäßigten Liberalen und die drei Gruppen des Linksliberalismus umfassenden regierungsfreundlichen konservativ-liberalen Mehrheit, des sogenannten Blocks. Der Reichstagsbeschluß wegen Errichtung eines selbständigen Reichskolonial­amtes, der gegen die Stimmen der klerikal-sozial­demokratisch-polnischen Opposition gefaßt wurde, stellte die erste Probe für die Lebensfähigkeit desBlocks" dar, trotzdem haben aber bis zur Stunde die Zweifel an einem längeren kräftigen Zusammenhalt der Block­parteien nicht aufgehört, zumal es unter ihnen nicht an mancherlei Dissonanzen fehlt; sie drohten sogar vor den parlamentarischen Weihnachtsferien eine ernste

Krisis herbeizuführen, da der Reichskanzler Fürst Bülow Rücktrittsabsichten äußerte, falls derBlock" nicht einiger auftrete. Doch wurde diese kritische Situation rasch wieder überwunden und es steht zu erwarten, daß über die wichtigeren gesetzgeberischen Beratungsstoffe eine schließliche Verständigung zwischen den Blockparteien und der Regierung erzielt wird.

In den höheren Reichsbeamtenposten und im preußischen Staatsministerium erfolgten mehrfache Personalveränderungen. Es traten von ihren Posten zurück der sehr verdiente Staatssekretär des Reichs­amtes des Inneren, Graf Posadowsky, der Staats­sekretär des Auswärtigen Freiherr v. Tschirschky, der Statthalter von Elsaß-Lothringen, der betagte Fürst zu Hohenlohe-Langenburg, und der preußische Kultus­minister Dr. v. Studt. Das erledigte Ressort des Reichsamtes des Innern übernahm der bisherige Minister des Inneren v. Bethmann-Hollweg, neuer Staatssekretär des Aeußern wurde der deutsche Bot­schafter in Petersburg, v. Schön, und als Nachfolger des Herrn v. Studt zog der bisherige Unterstaats­sekretär im Eisenbahnministerium, Dr. Holle, in das Kultusministerium ein. Minister des Innern anstelle v. Bethmann-Hollwegs wurde v. Moltke, zuletzt Ober­präsident in Königsberg. Dem in den Ruhestand getretenen Fürsten zu Hohenlohe folgte auf dem Straß­burger Statthalterposten der seitherige deutsche Bot­schafter in Wien, Graf Wedel, nach. Ferner wurde der bisherigestellvertretende" Direktor der Kolonial­abteilung, Dernburg, zum Staatssekretär des neu­geschaffenen Reichskolonialmntes ernannt.

Die seit dem Tode des Prinzregenten Albrecht schwebende braunschweigische Regentschaftsfrage fand ihre Lösung dadurch, daß der braunschweigische Land­tag einhellig den Herzog Johann Albrecht von Meck­lenburg zum neuen Regenten wählte. Am 1. Mai trat eine einschneidende Aenderung im deutschen Eisenbahnwesen in Kraft, die zwischen den Staats­bahnverwaltungen der größeren Einzelstaaten verein­barte Personentarifresorm, sie hat sich allerdings noch nicht in dem wünschenswerten Maße beim reisenden Publikum allgemein beliebt gemacht. Eine schwere Bergwerkskatastrophe ereignete sich im deutschen Westen durch eine Explosion, deren Schauplatz die Grube Reeden war; zahlreiche wackere Bergleute fielen ihr zum Opfer. Von berühmten und angesehenen Deut­schen gingen mit Tode ab der große Chirurg Pro­fessor v. Bergmann in Berlin, der als Aesthetiker hervorragende Universitätslehrer Kuno Fischer in Heidelberg und der ehemalige Reichstagsabgeordnete v. Kardoff, der langjährige Führer der Reichspartei im Reichstage. Der langwierige Eingeborenen­krieg in Deutsch-Südwestafrika wurde durch die Ver­nichtung oder Zersprengung der letzteren größeren Banden der aufständischen Hottentotten beendigt. Ihr letzterer Führer, der gefährliche Morenga, fiel im Kampfe mit einer ihn verfolgenden englischen Polizeitruppe.

wrmSschau»

Berlin, 1. Jan. Die Neujahrsfeier im Schlosse begann wie üblich mit dem großen Wecken. Im Schlosse versammelten sich die Fürstlichkeiten, die Bevollmächtigten des Bundesrats, die Generalität, die Minister, die Präsidien der Parlamente nsw. Um '/-IO Uhr trafen die Majestäten von Potsdam ein, nahmen die Glückwünsche entgegen und begaben sich nach der Schloßkapelle. Der Kaiser, in großer Generalsuniform, führte die Kaiserin, Prinz Rupprecht von Bayern die Kronprinzessin. Es folgten die anderen Fürstlichkeiten, darunter auch Herzog Albrecht von Württemberg. Dem Altar zunächst saßen der Reichskanzler, die Feldmarschälle und die Generale. Oberhofprediger Dryander predigte. Nach Schluß des Gottesdienstes begab sich der Hof zum Weißen Saal, wo die Gratulationsdefiliercour unter dem Salut der im Schloßgarten aufgefahrenen Geschütze stattfand. Der Kaiser und die Kaiserin reichten

Bülow die Hand; der Kaiser begrüßte auch die Präsidien der Parlamente. Nach der Cour empfing der Kaiser die Botschafter, den Reichskanzler, die kommandierenden Generale und Admirale mit dem Prinzen Heinrich an der Spitze. Um 1 Uhr begab sich der Kaiser, vom Publikum lebhaft begrüßt, mit seinen Söhnen zu Fuß zum Zeughaus, wo die Paroleausgabe stattfand. Es folgten militärische Meldungen. Der Kriegsminister erhielt das Groß­kreuz des Roten Adlerordens. Abends fand bei den Majestäten Familientafel statt, später IköLtre pnro im Opernhause. Gegeben wurdeMda". In der großen Seitenloge wohnten das Kaiserpaar, die Prinzessinnen Viktoria Luise und Eitel Friedrich, Prinz Rupprecht von Bayern und Prinz Heinrich der Vorstellung bei. Die beiden letzteren nahmen später an einem Diner der kommandierenden Generale teil. Während der Pause hielt das Kaiserpaar Cercle ab. Das Kronprinzenpaar reist am Donnerstag nach Sankt Moritz. Der Kaiser und Prinz Heinrich reisen nach Bielefeld zur Trauerfeier für Geh. Rat Hinzpeter.

Berlin, 1. Jan. Gestern nachmittag hörte der Kaiser einen gemeinsamen Vortrag des Reichs­kanzlers, des Staatssekretärs des Innern und des Ministers des Innern.

Die neuen Steuervorlagen der Reichs­regierung sind nach einer offiziösen Berliner Mit­teilung noch im Ausgange des alten Jahres an den Bundesrat gelangt. Sie bedeuten an sich keine Ueber- raschung, denn es war schon bekannt, daß zunächst versucht werden soll, den leidenden Reichsfinanzen durch ein Spiritusmonopol, eine Zigarrensteuer und eine Abänderung des Systems der Matrikularbeiträge wieder auf die Beine zu helfen. Von einer Ver­öffentlichung der betreffenden Entwürfe ist indessen noch abgesehen worden, woraus wohl der Schluß gezogen werden kann, daß die dem Bundesrate jetzt' unterbreiteten Reichssteuerprojekte in ihrer jetzigen Form überhaupt noch nicht feststehen. Es wird ja auch bereits versichert, daß speziell die Vorlage über die Zigarrenbanderolesteuer von der Regierung wahr­scheinlich wieder zurückgezogen und durch eine Steuer auf bessere Zigarrensorten ersetzt werden würde.

Berlin, 2. Jan. Das neue Motorluftschiff wurde heute mittag von den in Berlin anwesenden kommandierenden Generälen besichtigt. In der Gondel nahmen als Führer Hauptmann v. Sper­ling, ferner Oberingenieur Busenbach und Prinz Rupprecht von Bayern Platz. Das Luftschiff stieg auf, manöverierte über dem Schießplatz, ver­änderte die Höhenlage, beschrieb allerlei Kurven und kam dann wieder zu Boden, worauf an Stelle des Prinzen General v. Bernhardy die Gondel bestieg. Nachdem das Luftschiff vost neuem gelandet war, trat es einen Ausflug über Berlin an, von dem es in den Nachmittagsstunden heimkehrte.

Der Moltke-Hardenprozeß, der zur Zeit der Abfassung dieses Berichts noch nicht beendet ist, hat die Gemüter diesmal nicht so in Wallung ge­bracht, wie bei der ersten Instanz, wo er in allen Schichten der Bevölkerung einen lauten ja stürmischen Widerhall gefunden hatte. Die Ursache davon mag zum großen Teil der konsequent durchgeführte Aus­schluß der Oeffentlichkeit gewesen sein, ferner aber auch das Verhalten des Angeklagten selbst, der den Aufregungen dieses Kampfes zum Opfer gefallen und in seiner Widerstandskraft durch die veränderte Hal­tung seiner Hauptzeugin der Frau v. Elbe, geschie­denen Gräfin Moltke gelähmt worden ist.

Berlin, 31. Dez. Landgerichtsdirektor Leh­mann richtet zum Beginn der heutigen Sitzung an den Grafen Moltke die Frage, ob das Erscheinen der Harden'schen Artikel ihn veranlaßt habe, seinen Abschied zu nehmen. Graf Moltke bejaht die Frage. Hierauf hält der Oberstaatsanwalt Jsen- biel sein Plaidoyer und weist darauf hin, daß nunmehr alle Fäden offen zutage liegen. Harden