Run-schau.
Berlin, 19. Dezbr. Der Kommandeur des Regiments Garde du Korps, Freiherr v. Richthofen, hat seine anfängliche Absicht, das Kommando niederzulegen, aufgegeben. Dieser Entschluß soll auf den speziellen Wunsch des Kaisers zurückzuführen sein, der den tüchtigen und schneidigen Offizier erhalten wissen will. Auch General v. Kessel wird auf seinem Posten verbleiben.
„Untertan" oder „Staatsbürger". In der vorletzten Donnerstagsitzung der Zweiten sächsischen Kammer gab es eine kurze, nicht uninteressante Zwiesprach' zwischen dem nationalliberalen Abgeordneten Zoephel Leipzig und dem Staatsminister Gras Hohental. Elfterer bat nämlich die Regierung, bei ihren Kundgebungen nicht von Untertanen zu sprechen, sondern das Wort „Staatsbürger" zu gebrauchen. Das sächsische Volk werde auswärts wegen des von ihr gebrauchten Wortes „Untertan" lächerlich gemacht. Graf von Hohental erwiderte, daß die Regierung den Ausdruck „Untertan" nicht anwende. Als er vorhin das Wort gebraucht habe, habe er aus der Thronrede zitiert; und so lange im dritten Abschnitt der Verfassung von „allgemeinen Rechten und Pflichten der Untertanen", die Rede sei, müsse er dem König das Recht wahren, von „seinen Untertanen" zu sprechen.
Der Bonner Tierschutzverein hat dem Reichskanzler telegraphisch für die im Reichstage im Interesse des Tierschutzes gesprochene Worte seinen Dank ausgedrückt und zugleich gebeten, diesen Dank auch der Fürstin v. Bülow auszusprechen. Darauf hat der Reichskanzler folgendes Telegramm an den Bonner Tierschutzverein gerichtet: „Für die freundliche Begrüßung meinen und meiner Frau herzlichen Dank. Die Tiere vor Grausamkeit schützen, heißt nicht nur die Natur lieben, sondern bedeutet auch eine Aufgabe sittlicher Menschenerziehung. Wer gegen Tiere roh ist, wird es auch gegen Menschen sein. Reichskanzler Fürst Bülow."
Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt unter der Devise: „Wichtig für Personen, die nach Frankreich reisen." Gemäß den französischen Zoll-, Steuer-, Oktroi- und Verkehrsvorschriften für Branntwein, Liköre und andere Spirituosen, Kirschwasser usw. sind von den Reisenden diejenigen Mengen dieser Getränke, welche sie beim Eintritt nach Frankreich mit sich führen, den Zollbeamten ausdrücklich anzugeben und vorzuzeigen. Es gilt dies auch für noch so kleine Mengen, die zum eigenen Bedarf der Reisenden bestimmt sind und namentlich auch für angebrochene Flaschen und Fläschchen. Zuwiderhandlungen werden mit hohen Geld- und sogar Gefängnisstrafen geahndet. Wer die Strafe nicht sofort zu zahlen vermag, wird festgehalten. Die Vorschriften werden sehr streng gehandhabt, ihre Unkenntnis niemals als Entschuldigungsgrund zugelassen.
Kassel, 17. Dez. Ein merkwürdiger Vorfall trug sich, der „Kass. Allg. Ztg." zufolge, am Altmarkt zu. Dort stand ein vor einen Wagen geschirrtes kleines Pferd. Ein Herr mit einem Voll-
Das Schloß zu Huden Kaden.
Historische Erzählung von Eugen Simson.
10) - (Nachdruck verboten.)
— Schluß. —
Es war ein freundlicher Herbsttag, als Hartmud, von zwei Dienern begleitet, die Höhe von Loffenau herabritt und sich dem Murgtale näherte. Gernsbach wimmelte noch von Ausgewanderten, welche die Besorgnis von einer Rückkehr der Franzosen abhielt, zu den Trümmern ihrer Wohnungen zurückzukehren. Ohne Zweifel war es nicht Zufall oder Laune, was ihn bestimmte, den Weg von da nach Baden über Burg Eberstein nach Beurertal zu nehmen. An der Burg trat Jdas Bild, von welcher er jetzt nur noch zwei Stunden entfernt war, lebendiger vor seine Seele. Es war gegen Mittag als er im Kloster Lichtental ankam, wo seine Erscheinung bei der Aebtissin und den fremden Damen große Freude erregte. Nach Tische bestieg er mit ihnen den Bußberg, der später den Namen Cäcilien- berg erhielt, wo der Blick auf das nahe Baden- Baden ihn tief erschütterte. Traurig sahen die vom Brand noch schwarzen Zinnen und Mauern des alten Schlosses aus den dunklen Tannen hervor und die Ruinen des neuen Schlosses, der Hauptkirche und der Häuser, die man von da sehen konnte, boten einen nicht minder melancholischen Anblick dar.
Auf dem Rückwege in die Abtei traf es sich, daß Hartmud und Jda auf dem schmalen Pfade einige Schritte von den übrigen getrennt wurden. Der
bart ging dicht vorüber. Das Pferd schnappte nach dem Herrn, erfaßte seinen Bart und riß ihm die rechte Bartseite samt der Haut vom Gesicht, um sie dann zur Erde fallen zu lassen. Der Verletzte brach vor Schmerz auf der Stelle ohnmächtig zusammen. Vorübergehende nahmen sich seiner an und brachten ihn zum nächsten Arzt.
Aus Bayern, 19. Dez. Das Bezirksamt in Wasserburg a. I. hat dieser Tage folgende Bekanntmachung erlassen: „In letzter Zeit mehren sich die anonymen Zuschriften und Anzeigen an das Bezirksamt in auffallender Weise. Die Herren Bürgermeister werden angwiesen, in ihren Gemeindebezirken bekanntzugeben, daß derartigen Zuschriften und Anzeigen, die den Stempel der Feigheit an sich tragen, vom unterfertigten Amt eine Berücksichtigung nicht zuteil wird.
Straßburg, 19. Dez. lieber ein soziales Nachtstück berichten hiesige Blätter. In der evang. Oberklasse der Volksschule in Schiltigheim bei Straßburg wurde am Montag vormittag ein Schüler namens Fritsch von einer Ohnmacht befallen. Der untersuchende Arzt stellte allgemeine Schwäche infolge ungenügender Ernährung fest. Die angestellten Erhebungen ergaben, daß der Knabe von seiner Stiefmutter buchstäblich ausgehungert wurde; oft gab es anderthalb Tage nichts zu essen; dagegen waren Schläge sehr wohlfeil. Der vor der Ohnmacht erbrochene Mageninhalt zeigte, daß der arme Junge aus Hunger rohe Kartoffeln gegessen hatte. Es ist bemerkenswert, daß ein Bruder des Knaben bereits auf Kosten eines privaten Wohltäters im Reichswaisenhaus zu Lahr untergebracht ist.
Vom Rhein, 15. Dezbr. (Holz-Wochenbericht.) Markt für geschnittene Tannen- und und Fichtenkanthölzer lag völlig ruhig. Angebot in Bauholz durchweg stattlich, Nachfrage aber durchaus ungenügend. Angebote zu 40—41 Mk. für den Festmeter mit üblicher Waldkante geschnittener Tannen- und Fichtenkanthölzer in regelmäßigen Abmessungen bei freier Lieferung nach Station Mannheim nichts seltenes. Preise für Rundholz auch gedrückt; frei Mannheimer Floßhafen nicht mehr als 27 Mk. für den Kubikmeter Meßholz erzielt. Einkauf von Rundholz im Walde rege. In den meisten Fällen die forstamtlichen Einschätzungen erzielt, ja sogar überschritten. Markt in süddeutschen Brettern ruhig.
Von der revolutionären Bewegung in Lissabon hört man nicht vielmehr. Dafür ist aus Lissabon eine Skandalgeschichte zu verzeichnen. Der Artillerieleutnant Djalmi ist mit zwei Helfershelfern der Fälschung von Stücken der inneren portugiesischen Schuld angeklagt. Cs sollen 2500 gefälschte Stücke verkauft worden sein. Die gerichtliche Verhandlung, zu der etwa 500 Zeugen geladen sind, dürfte zehn Tage dauern.
Palermo, 19. Dez. In einem Waffenladen in der Lazzarinstraße, in dem auch eine Niederlage von Pulver und Dynamit unterhalten wird, ereignete sich eine Explosion, infolgedessen das Haus ein- ftürzte. 25 Personen wurden getötet, ungefähr 100 verletzt. Infolge der Explosion wurden alle
Kavalier fragte das Fräulein, ob sie sich in dem Kloster gefalle?
„Ich gestehe", antwortete Jda, „daß die Ruhe, die ich in diesen stillen Mauern gefunden, in mir bisweilen den Gedanken erweckt, selbst den Schleier zu nehmen."
Hartmud sah sie betroffen an.
„Ich bin achtzehn Jahre alt", fuhr jene fort, und habe den Frieden noch nicht gesehen.
Meine Heimat im. überrheinischen Lande ist jetzt eine Wüste, meine Ellern sind tot, ich habe weder Bruder noch Schwester, und Frau von Sparre, die als Mutter an mir handelt, scheint im Abnehmen ihrer Kräfte; sie kann sterben, und dann stände ich allein in der Welt."
„Allein steht nur, wer keinen Freund hat", ent- gegnete der Kavalier mit bewegter Stimme.
Jda warf einen schüchternen Blick auf ihn, und ein leichtes Rot überhauchte ihre Wangen.
Nach einem kurzen Schweigen nahm Hartmud das Wort:
„Es ist eine Zeit, die viele heilige Bande löst und manches Lebensglück untergräbt. Niemand kann sagen, wie und wohin ihn sein Geschick führen werde. Auch ich weiß nicht, ob wir uns sobald Wiedersehen. Zürnt darum nicht, Fräulein, wenn ich den Augenblick benütze, der vielleicht nie wiederkehrt, und Euch ein Geständnis mache."
Bei diesen Worten ergriff er Jdas Hand, die in der seinigen zitterte.
„Ich liebe Euch, Jda", fuhr er mit leiser, un-
Fensterscheiben in einem Umkreis von 500 Meter zertrümmert.
Pittsburg, 19. Dez. In der der „Pittsburg Coal-Company" gehörigen „Dare"-Kohlenmine fand heute vormittag eine heftige Explosion statt, die in weitem Umkreis vernommen wurde. Unmittelbar nach der Explosion entstieg eine dichte Rauchwolke dem Minenschacht. 400 Minenarbeiter sind verschüttet. Man befürchtet, daß sämtliche umgekommen sind. — Eine von Garfield, dem Sekretär des Innern, eingesetzte Kommission gibt in einer Zusammenstellung die Zahl der durch Unglücksfälle in den Kohlenbergwerken in den letzten 17 Jahren ums Leben gekommenen Menschen auf 22 840 an, wovon die Hälfte der Todesfälle sich in den letzten 6 Jahren ereignet hat.
Äus ^taSt, Bezirk uns U^igedungo
ff Neuenbürg, 16. Dez. Die Württemberg. Sparkasse macht die Mitteilung, daß sie statt der bisherigen monatlichen Verzinsung vom 1. Jan. 1908 an halbmonatliche Zinsreichung an die Einleger einführt: Demzufolge werden die Einlagen vom 16. eines Monats ab verzinst, wenn sie den Agenturen bis zum Abend des 14. behändigt werden. Hand in Hand mit dieser Aenderung werden bei sämtlichen Rückzahlungen, die vom 16. eines Monats ab geleistet werden, die Zinsen bis zum 15. vergütet. Betreffs des Einlagen-Zinsfußes von 3,75 0/0 teilt das Institut mit, daß eine Erhöhung zur Zeit nicht in Aussicht genommen ist. Um aus mehr als zu gehen, müßten, da rasche
Schwankungen beim Sparkassenzins nicht wünschenswert erscheinen, die gegenwärtigen Geldverhältnisse sich als nachhaltig erwiesen haben, was doch noch nicht gesagt werden kann, auch müßte die Sparkasse im Falle einer Zinserhöhung für Einlagen den vielen Hypothekenschuldnern im ganzen Lande und den zahlreichen Gemeinden, welche Darlehen von ihr haben, ebenfalls aufschlagen, wovon sie aber womöglich absehen möchte. Ferner wird noch ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Kasse schon seit 1. Januar 1901 3^/i°/o vergütet und daß dieser Zinssatz in der Zwischenzeit zum Teil als ein sehr hoher zu bezeichnen war.
Calw, 20. Dezbr. Die gestern stattgefundene Gemeinderatswahl nahm einen ruhigen Verlauf. Von 596 Wahlberechtigten stimmten 371 — 62"/» der Wähler ab. Ausgegeben waren wieder 2 Wahlzettel, einer vom Bürgerverein und einer vom Volksverein. Die beiden Parteien hatten sich auf den Austausch von je 2 Namen verständigt, so daß auf den beiden Wahlzetteln 4 Namen gemeinschaftlich waren. Gewählt wurden: Fabrikant Hermann Wagner mit 341, Kaufmann Georgii mit 337, Flaschnermeister Karl Feldweg mit 330, Präzeptor Bäuch le mit 322, Privatier G. Schl alter er mit 242 u. Bauunternehmer Geh ring mit 204 Stimmen.
Calw, 17. Dezbr. Der Bau einer Handelsschule durchHandelslehrer Kaufmann Zügelzwischen der „Schwane" und der Altburger-Straße wird verschiedene Arbeiten für die Stadt mit sich bringen.
gewisser Stimme fort, „und 'kann mein Glück nur noch in dem Eurigen finden. Ihr schweigt?"
Jda vermochte keinen Laut hervorzubringen, ihr Herz klopfte und ihre Schritte wankten.
„KeineAntwort Jda?" fragte Hartmud noch einmal.
„Laßt mir Zeit!" lispelte sie jetzt. „Frau von Sparre ist mir seit lange Mutter, ich habe gegen sie die Pflichten einer Tochter."
Das Geständnis, welches in diesen Worten lag, erfüllte Hartmuds Brust mit einer Seligkeit, die er bisher nicht gekannt. Sie standen jetzt am Rande des Oosbachs, wo das Rauschen des Stromes'und das Geklapper der Mühle ihr Gespräch unterbrach. Agnes wartete ihrer, denn sie bangte, allein den schmalen Weg zu betreten, der über das Wasser in die Mühle und von da in den Klosterhof führte. Der Kavalier reichte ihr die Hand. Er ritt nun nach Baden, wo sich bald eine Szene gräßlicher Zerstörung vor ihm ausbreitete und auf einige Zeit die heiteren Bilder verwischte, welche die Unterredung mit Jda vor seine Seele gezaubert, die Mauern waren niedergerissen, doch standen noch die Türme, deren fester Bau den Wirkungen des Feuers widerstanden hatte. Hie und da sah man noch mitten unter den Ruinen eine Wohnung, die von den Flammen verschont geblieben. Von der schönen Stiftskirche war nur das Schiff abgebrannt. Das Schloß glich jetzt dem Torso eines gewaltigen Riesen, dessen Kopf, Arme und Schenkel um ihn her liegen.
Eine düstere Wehmut ergriff ihn bei dem Anblick. Es ist ein schmerzliches Gefühl, den Schau-