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rechnen. Als Preisrichter fungieren Oberlehrer Haasis in Maulbronn, Musikdirektor Epp in Pforzheim und Lehrer Wengert in Stuttgart. Vorstand des Sängerbundes ist Schullehrer Bickel in Stammheim.
* Calw, 24. Mai. Wer gegenwärtig durch Wald und Flur schreitet, ist entzückt über das frische Grün und über die herrlichen Blüten, die uns von den Bäumen entgegenlachen. Auf den Tannen findet sich eine Masse prächtiger roter Blüten, welche auf eine reiche Ernte von Zapfen schließen lassen. Auch die Heidelbeeren, die im vorigen Jahre fast gar keinen Ertrag lieferten, sind über und über mit Beeren behängen und berechtigen zu großen Hoffnungen. Was die Obstaussichten anbelangt, so sind dieselben in unserer Gegend gut. Die Pflaumen und teilweise auch die Zwetschgen sind allerdings erfroren, aber die Spätbirnen und die Aepfel haben fast gar nicht gelitten. Die Birnen haben zum Teil sehr schön angesetzt und bei den Apfelbäumen geht die Blüte vorzüglich vorbei. Die Bäume sind bis jetzt von schädlichen Insekten freigeblieben, so daß alle Aussicht auf ein gutes Obstjahr besteht.
* Calw. Nummer 5 der Blätter „Aus dem Schwarzwald" bringt die Fortsetzung des interessanten Aufsatzes „Aus der Vergangenheit von Merklingen und Hausen a. d. Würm" von Pfarrer E. Gerber, eine von feiner Beobachtung zeugende Schilderung von „Die Langenbrander Höhe und ihr neuer Aussichtsturm" von Pfarrer Millerin Enzklösterle, sehr lesenswerte Mitteilungen „Auf den Heilbronner Bergen" von Volz und fröhliche, anmutende „Waldbilder aus der Rotmurg" von Regelmann in Stuttgart. Außerdem enthält das Blatt eine Photographie und Lebensbeschreibung des 99jährigen Hansenbauern von Wörnersberg und seines 73jährigen Bua's. Der Hansenbauer Joh. G. Kolmbach in Wörnersberg auf der Hochebene zwischen ZinSbach und Nagold feiert am 18. Juli seinen 100. Geburtstag. Mitteilungen aus den Bezirksvereinen bilden den Schluß der Wiedemm sehr reichhaltigen Nummer. Dem Blatt ist eine neue Vereinskarte: Horb—Nagold—Dornstetten beigelegt, die trefflich ausgeführt ist und den Mitgliedern sehr willkommen sein wird.
-im Wildberg, 25. Mai. (Wahlversammlung.) Gestern nachmittag stellte sich der Kandidat der Volkspartei für die Reichstagswahl, Heinrich Schweikhardt aus Tübingen, im Schwarzwaldbräuhaus den Wählern hier vor und entwickelte unter allseitigem Beifall sein Programm. Der Kandidat hat mit seinen Ausführungen den besten Eindruck auf die zahlreichen Anwesenden gemacht.
Leonberg, 23. Mai. Im besten Mannesalter stehend ist gestem hier nach nur 14tägiger Krankheit Kameralverwalter Nothardt gestorben. Ein allgemein beliebter und hochgeachteter Beamter
ist mit ihm aus dem Leben geschieden. Durch seine schriftstellerische Tätigkeit hat er sich auch in weiteren Kreisen bekannt gemacht. Sein Leichnam wird morgen nach Gmünd überführt werden.
Stuttgart, 22. Mai. Die Kammer der Abgeordneten genehmigte heute nachmittag bei Beratung des Etats des Innern die für landwirtschaftliche Zwecke eingesetzten Mittel von jährlich 247400 Anerkennung fand hiebei die Erhöhung des Etatssatzes für Rindviehzucht von 100000 ^ auf 110000 -/L und die Verdoppelung des Satzes für die Schweinezucht (16000 °^L) namentlich zur Prämierung von Mutterschweinen. Während einige Redner die hiefür bestimmte Summe von 7000 als ungenügend bezeichnten, versprachen sich andere, darunter Präsident v. Ow, einen Erfolg hievon für die Schweinezucht, die unseren Bedarf an Schweinefleisch bei weitem noch nicht decke. Eine Bitte des Landesverbandes der Geflügelzucht und Vogelschutzvereine um Einstellung eines Staatsbeitrages von 4000 in den Etat zur Förderung der Geflügelzucht wurde durch Einstellung von 3000 für erledigt erklärt, eine weitere Bitte um Einstellung von 1000 ^ zur Unterstützung der Bestrebungen zum Schutze der landwirtschaftlich nützlichen Vögel wurde der Regierung zur Berücksichtigung übergeben und ein Antrag Liesching, „von den für Förderung der Geflügelzucht geforderten 3000 den Betrag von 500 ^ abzuzweigen und die Bereitwilligkeit auszusprechen, diese 500 ^ zum Schutze der landwirtschaftlich nützlichen Vögel zu verwenden," angenommen. Im weiteren Verlauf der Sitzung wurde sodann noch eine Reihe von Kommissionsanträgen zu den einzelnen Titeln genehmigt.
Stuttgart. Während der Pfingstzcit findet die Jahresversammlung der Deutschen Ornitho- logischen Gesellschaft statt. Der Verein umfaßt die bedeutendsten Namen auf dem Gebiete der Vogelkunde, und eine Anzahl Forscher haben ihr Erscheinen in Stuttgart und Beteiligung durch Vorträge zugesagt; so Frhr. v. Berlepsch, der Vorkämpfer auf dem Gebiet des Vogelschutzes; Professor Blasius, der über die Vogelwelt der Pyrenäen sprechen wird, Professor König berichtet über seine Reise nach Dongola; Schalow-Berlin wird das Vogelleben der arktischen Meere schildern, Konsul Streich, Sohn des Reichsgerichtsrats, dem das Naturalienkabinet eine hervorragende Sammlung chinesischer Vögel verdankt, wird über die Vogelwelt seines Gartens in Swatau sprechen; über Vogelzug, Richtung und Höhe desselben sprechen Oberleutnant v. Luconns-Berlin und Dr. Parrot- München. — Die Begrüßung der Versammlung findet Pfkngstsamstag abend im Hotel Victoria statt; Pfingstsonntag Besichtigung des Naturalienkabinets; der Montag ist Vorträgen gewidmet, für Dienstag ist ein Ausflug geplant.
Gmünd, 23. Mai. Gestern abend 5 Uhr
ertranken in Hussenhofen zwei des Schwimmens unkundige Knaben des Lehrers Ströbel im Alter von 9 und 11 Jahren beim Baden in einer tiefen Stelle der Rems.
Weingarten, 22. Mai. Der Blntritt ging heute, vom schönsten Maiwetter begünstigt, von statten. Es hatte sich eine überaus große Schar Pilger eingefunden. Zehn Musikkapellen waren im Zuge verteilt. Die Reliquie des hl. BluteS wurde von Vikar Bürkle, umgeben von einer berittenen Ehreneskorte, zu Pferd der Verehrung auSgesetzt. Die Zahl der Reiter war eine ungewöhnlich große. Trotz des gewaltigen Andrangs von gegen 40 000 Menschen und weit über 500 Pferden, kam nicht der geringste Unfall vor. Als Festprediger am Vorabend funktionierte ein Franziskanerpater aus Ingolstadt, das Hochamt zelebrierte Stadtpfarrer Dr. Schund aus Ravensburg. Bei Eintritt der Dämmerung wurde die Lichterprozesston auf dem nahen Kreuzberg gehalten, wobei die Stadt und der Berg sinnreich illuminiert waren.
Wiesbaden, 23. Mai. Der „Rheinische Kurier" meldet aus München: Kaiser Franz Josef hat der Prinzessin Alice von Toscana auf ihre Bemühungen, der Prinzessin Luise den Aufenthalt in Oesterreich zu gestatten, den Bescheid zukommen lassen, er werde derselben nur den Aufenthalt in einem österreichischen Frauenkloster gestatten, sonst aber nirgends.
Berlin, 23. Mai. Auf einem Rittergut bei Schwerin an der Warte hat die Schwester Nobelings, der bekanntlich im Jahre 1878 das Attentat auf Kaiser Wilhelm I. verübte, ihrem Leben durch Gift ein Ende gemacht. Das in den 50er Jahren stehende Fräulein Edeling — die Mitglieder der Familie Nobeling erhielten nach dem Attentat die Erlaubnis, sich Edeling zu nennen — war auf dem Gute als Wirtschafterin tätig.
Berlin, 23. Mai. Nach einer Meldung des Giornale d'Jtalia soll der Papst an die Bischöfe den Befehl gegeben haben, bei den bevorstehenden Reichstagswahlen die Regierung in jeder Beziehung zu unterstützen. Ferner habe der Papst versichert, Preußen wünsche die Errichtung einer apostolischen Delegation in Berlin.
Berlin, 23. Mai. Aus Wien wird der „Morgenpost" telegraphiert: Das bulgarische Kabinet teilte dem hiesigen auswärtigen Amte mit, daß es dem Sultan bereits Vorschläge bezüglich der Unterwerfung der macedo- nischen Bewegung unterbreitet und um die Unterstützung des Wiener Kabinets in dieser Richtung ersucht habe. — Es trafen telegraphische Nachrichten ein über neue Greucltaten der Albanesen an christ- li chen Bewohnern in der Nähe der serbischen Grenze.
Berlin, 23. Mai. Zu dem Handel mit inficiert en aus Südafrika zurückgekommenen Decken in England wird dem „Lokalanzeiger" aus
Sturm der Erde — müßten auch Tempel und Paläste fallen — wie viel weniger das Atom von Leid in einer Menschenbrust! Weiter geht es, weiter, bis in alle Ewigkeit, wie Wellenschlag auf und nieder, Jahrhunderte immer dasselbe, Freud und Leid, Leben und Sterben.
Als Lori sich erhob, war Mitternacht vorüber und die Lampe am Erlöschen.
„Ja, ja, wenn man ins Träumen kommt," seufzte die Tante und mühte sich schwerfällig, auf die Füße zu kommen, „jetzt schnell zur Ruh, Kindchen!"
Nach einer halben Stunde lag die kleine Gräfin auf „blütenweißen" Kiffen gegenüber Tantchens Lagerstatt im Alkoven; es hatte ihr Mühe genug gekostet, die schweren Thüringer Federbetten in die Bezüge zu bringen. Immer und immer wieder waren sie ihren kleinen, ungeübten Händen entglitten und mancher Seufzer der Ungeduld hatte das schwere Werk begleitet, bis es mit Tantchens Beistand gelungen war, aber jetzt schlief Lori den festen, traumlosen Schlaf der Jugend, nicht ahnend, daß zwei ängstlich behütende Augen auf sie gerichtet blieben die ganze Nacht hindurch. Jungfer Holdermann schlief keine Minute lang, immer war eS ihr, als müsse sie wachen, als könne sie etwas abwenden, verscheuchen von diesem
Mädchenhaupte, was doch mächtiger ist, denn alle Gewalt, alle Vernunft.
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Als Lori am anderen Morgen die Augen aufschlug, flimmerte es hell trotz der grün verhangenen, verschlossenen Alkoventür, und Tantchens Bett stand leer.
Erschrocken fuhr die schöne Schläferin empor: „Ach schon neun Uhr!"
War dies lange Schlummern einer Pflegerin würdig?
Ein appetitlicher Geruch von eben bereitetem Kaffee und Gebäck duftete durch Schlüsselloch und Ritzen herein und drinnen im Zimmer klirrten Tassen und Löffel, tönte Tantchens heisere Stimme, noch leiser als sonst, sie schien zu erzählen. Sprach sie mit sich selbst, wie alle, einsame Leute oft zu tun pflegen? Neugierig
schlüpfte Lori in den weißen Flanell-Schlafrock und die goldgestickten, roten Samt- Pantöffelchen — ein seltsamer Anzug für eine Pflegerin und Wirtschaftsmamsell — und schob den Türvorhang ein wenig zurück.
Sie konnte das kleine Zimmer übersehen: es lag voll; Sonnenschein wie gestern und blitzte von Sauberkeit; die Fensterflügel standen weit offen, der Sofatisch, weiß bedeckt und mit einem Blumenstrauß in glänzender Vase bestellt, war beinahe festlich zum Frühtrunk hergerichtet. Tantchen schon in vollem „Wichs", nahm soeben einer fremden, stämmigen, ländlich gekleideten Frau ein Teller voll dampfende Waffeln ab, und dort neben dem Fenster stand Loris Koffer und ein hübscher Fahrstuhl. Heißes Rot stieg ihr bis in die Schläfe, jäh, ohne es zu wissen und zu wollen, drückte sie beide Hände gegen das heftig klopfende Herz.
Baron von Brunneck hatte Wort gehalten, er war also doch nicht ganz so wie die andern, er hatte zuvorkommend jeden ihrer Wünsche erfüllt, und doch mußte sie plötzlich weinen.
Warum nur? Empörte sich ihr stolzes Herz gegen die aufgedrungene Gefälligkeit oder war sie über Nacht sentimental geworden oder —?
Sie erschrak so heftig, daß sie sich an die Türbegleitung lehnen mußte. Koschats reizendes Lied „Was ahnst denn" fiel ihr plötzlich ein und fast unbewußt sang sie mit gedämpfter Stimme vor sich hin: „oder fangt bei Dir d' Liebschaft so traurig schon an?", doch gleich wieder abbrechend, schüttelte sie den Kopf so energisch, als könne sie damit tot und stumm machen, was in ihrem Herzen aufwachte, wie eine sonnbeschienene Landschaft, in unzähligen, geheimnisvoll leuchtenden Bildern, jubelnd, sehnsuchtsvoll. Ja, sie war da, die allmächtige Liebe, mit ihrem Glück und ihrem Leid. O, wie groß, wie unsagbar gewaltig.
(Fortsetzung folgt.)