MW*'
Zweites
Statt.
Der Enztäler.
Zweites
Statt.
^ 156.
65. Jahrgang.
RunSschau.
In Sachen des Hau'schen Prozesses ist jetzt vor der Berliner Polizei der Reisende Brumm vernommen worden. Er erklärte, er habe am 6. November, dem Mordtage, einen Herrn mit einem wahrscheinlich falschen schwarzen Bart und einen Herrn mit einem grauen Bart zusammen in Oos nach Baden-Baden umsteigen sehen. Diese Herren haben sich, als der Zeuge von seiner Reise nach Appenweier am selben Tage zurückkehrte, wieder in der Bahn getroffen, doch Hütte der eine der Herren seinen falschen Bart nicht mehr gehabt. Der Herr mit dem grauen Bart hätte von seinem Genossen eine Anzahl Kassenscheine aus einer Brieftasche erhalten und sich selbst noch einige eigenmächtig aus der Brieftasche genommen. Der Zeuge vermutet in dem Herrn mit dem falschen schwarzen Bart den Angeklagten Hau und in seinem Begleiter Hrn. v. Lindenau, der sich übrigens noch in Baden-Baden in Untersuchungshaft befindet.
Die Zahl der Einwohner in den Berliner Vororten hat, nach den monatlichen, fortlaufenden Notierungen der einzelnen Gemeinden berechnet, jetzt die Höhe von 1054000 erreicht und Groß-Berlin zählt demnach 3104 000 Seelen. An der Spitze der Vororte steht Charlotenburg mit rund 216000 Bewohnern. Rixdorf hat mit 167 000 Einwohnern Schöneberg, auf welche Gemeinde 146000 Seelen entfallen, geschlagen. Die junge Stadt Wilmersdorf steht mit 71000 Einwohnern vor dem größten Dorf, Lichtenberg, dessen Einwohnerzahl 62 000 beträgt. Nachdem Lichtenberg zum kommenden April Stadt geworden sein wird, tritt Boxhagen-Rummels- burg mit 41000 Bewohnern an seine Stelle als größtes Dorf um Berlin. Weißensee folgt mit 40000 und dann weisen drei Gemeinden je über 30 000 Einwohner auf, nämlich Steglitz, Groß- Lichterfelde und Pankow. Die Zahl von 20 000 Bewohnern wird von zwei Orten, Reinickendorf (27 000 ) und Friedenau (20 500), überschritten. Bis zu 10000 Einwohnern herab folgen dann neun Orte, und zwar Ober-Schöneweide (16 500), Friedrichsfelde (14500), Tegel (13 700), Treptow (13000), Tempelhos (12 000 ), Zehlendorf (11900), Nieder- Schönhausen (10300), Mariendors-Südende (10 200 ) und Britz mit 10 000 Seelen. Hierauf folgen Lankwitz (8000), Rosental und Schmargendorf mit je 6000 Einwohnern, dann Grunewald (4800), Hermsdorf (4000) und Wittenau mit ebenfalls 4000 Personen. Vier kleinere Orte (Hohen-Schönhausen,
Nieder-Schöneweide, Plötzensee und Lübars) haben je über 3000 und Heinersdorf schließlich nur 1000 Einwohner. Als jüngster Ort folgt Nikolassee mit 450 Seelen.
Zinsfuß für ländliche Darlehen. Wie das Großh. bad. Ministerium des Innern bekannt gibt, ist bei der Landeskreditkassen - Abteilung der Rheinischen Hypothekenbank in Mannheim der Zinsfuß für neu abzuschließende ländliche Darlehen nach dem Uebereinkommen mit dem Ministerium vom Jahre 1892 bis auf weiteres auf 4ffs Prozent festgesetzt.
Eine Neuerung wird jetzt bei den einzelnen Truppenteilen eingeführt, nachdem die Probeversuche sehr zufriedenstellende Ergebnisse hatten, nämlich das Füllen des Unterbettes des Soldaten mit eigens zu diesem Zweck hergestelltem Papier anstelle des Strohs. Diese neue Einrichtung soll eine größere Sauberkeit bedingen und infolge der Imprägnation des Papiers Ungeziefer nicht aufkommen lassen. Mehrere größere auswärtige Fabriken beschäftigen sich bereits ausschließlich mit der Herstellung dieses Papiers.
Frankfurt, 26. Septbr. Die Vorbereitungen für das Deutsche Turnfest des nächsten Jahrs sind schon jetzt im guten Gang. Mittwoch nachmittag waren nahezu 12 000 Schulkinder, Mädchen und Knaben, vom 11 . bis zum 13. Jahr, auf der Hundswiese versammelt. Alle Schulen 'des Frankfurter Bezirks waren vertreten. Es galt nur eine Probe, d. h. es sollte versucht werden, ob solche Massenvorführungen möglich sind. Der Versuch ist in jeder Beziehung geglückt. Vom Aufmarsch bis zum Abmarsch ging alles aufs beste. Die Freiübungen, die b /4 Stunden dauerten, wurden, wie die „Frkf. Ztg." berichtet, von einer Tribüne aus von Turninspektor Weidenbusch dirigiert. 14 elektrische Klingeln, die auf dem 114:114 Meter großen Quadrat an Masten angebracht waren, läuteten den Takt zu dem interessanten Schauspiel. 24000 Arme und Beine in gleichmäßiger Bewegung sieht man nicht alle Tage. Den Freiübungen folgte Turnen am Reck, Barren, Tisch und Pferd.
Berlin,' 30. Sept. Den Morgenblättern zufolge führte das gestrige 100 Kilometer-Rennen auf der Spandauer Radrennbahn zu einer furchtbaren Katastrophe. Der Rennfahrer Guignard und sein Schrittmacher stürzten. Ein zu Hilfe eilender Sanitätler rannte in den Motor des in voller Fahrt daherkommenden Schrittmachers Hofmann hinein und wurde getötet. Hofmann kam
zu Fall und riß einen Fahrer Walthour zu Boden, der schwer verletzt vom Platz getragen wurde.
München, 29. September. Der Besuch des Oktoberfestes war Heuer am Samstag und Sonntag von der Provinz her und auch durch viele Fremde ein enormer; es ist dies der Gunst des Wetters, den neuartigen und immer schöneren Darbietungen auf der Festwiese und nicht zuletzt der Minderung der Fahrpreise zuzuschreiben, die für größere Entfernungen und bei Reisen ganzer Familien doch sehr ins Gewicht fällt. Am Fest- Samstag, den 28. ds. brachten 45 Festsonderzüge 32 000 , die Tarifzüge weitere 30000 Festbesucher, am Sonntag früh kamen nochmals nahezu 30000 Personen mit Nahpersonenzügen und Sonderzägen; so sind rund 90000 Menschen an den zwei Tagen in München eingetroffen.
München, 29. Septbr. Ein heute morgen 1 Uhr 10 Minuten von München—Laim nach Ingolstadt abgelassener Güterzug riß unmittelbar vor der Einfahrt in die Station Mach ab, ohne daß dies vom Zugspersonal bemerkt worden wäre. Der Fahrdienstleiter in Mach beobachtete zwar die Zugstrennung und versuchte das Personal des im Gefälle dem vorderen Zugteil nachrollenden abgerissenen Zugteiles in der Station, und, als ihm dies nicht gelang, auf der Strecke zwischen Mach und Dachau durch die Bahnwärter zum Halten zu veranlassen, allein das Zugspersonal beobachtete die gegebenen Signale nicht, und so kam es, daß die abgetrennten 20 Wagen den vorausfahrenden Zugsteil bei Einfahrt in die Station Dachau einholten. Der Ausstoß muß außerordentlich heftig gewesen sein, denn es entgleisten 8 Wagen vollständig, wodurch die beiden Fahrgeleise zwischen Dachau und München gesperrt wurden. Die Schnell- und Eil- züge beider Fahrtrichtungen sind über Augsburg— Donauwörth umgeleitct worden, die Personenzüge wurden umparkiert. Bei dem Unfall wurden zwei Bremser leicht verletzt. Der Materialschaden ist bedeutend, da die entgleisten Wagen fast vollständig zertrümmert wurden.
Duisburg, 1. Okt. Heute vormittag 11 Uhr 13 Minuten entgleisten von dem V-Zuge 91 infolge vorzeitiger Umstellung einer Weiche die beiden letzten Wagen. Eine Frau wurde getötet; mehrere Reisende wurden leicht verletzt.
Im „Osterfeld" bei Essen stürzte auf der „Gute Hoffnungshütte" ein Arbeiter ab, der einen Mast erklettert hatte, und fiel auf die Schienen. Er wurde von einem herannahenden Zuge erfaßt und überfahren. Beide Beine wurden ihm abgefahren
Berühmte Weinjahre.
Bon Dr. R. P. Parier.
(Nachdruck verboten.
Gute Weinjahre sind nicht allzu häufig. Sie müssen, nachdem nach reicher Blüte die Entwicklung der Trauben begonnen hat, vor allem sonnig und heiß sein, dann aber dürfen sie die Vermehrung der Traubenschädlinge nicht begünstigen, unter denen der Sauerwurm oder die Weinmotte und verschiedene Pilze eine Hauptrolle spielen. Ein vorzügliches Weinjahr war das Jahr 1428. Damals war der Wein so billig, daß man, um für einen Heller im Wirtshause zu trinken, zweimal kommen mußte. Das für diese Münze, von der zwei auf einen Pfennig gingen, erhältliche Weinquantum war eben so reichlich, daß selbst der ausgespickteste Magen es nicht während einer Sitzung bewältigen konnte! Im Jahre 1432 gedieh der Wein so vortrefflich, daß man, um Platz zu schaffen, die frühem Jahrgänge in Ulm „zum Anmachen des Mörtels zum Gebäu des Münsters" verwendete. Im Jahre 1472 gab es bereits Ende Juni reife Trauben, und der Wein war so stark, daß er nur mit Wasser gemischt getrunken werden konnte. Im 16. Jahrhundert ragt als Jahr eines guten Tropfens das Jahr 1540 hervor. Der Wein erhielt wegen seiner Kraft und und seines Feuers den Namen „Herzenssalbe". Schon am 24. August begann vielfach die Lese. Die Güte des Weins in Verbindung mit seinem Spottpreise verschuldeten es freilich, daß in unserem trinkfrohen Vaterlande mehrere hundert Personen j
dem Dämon des Trunks zum Opfer fielen. Der Wein des Jahres 1630 war so vortrefflich geraten, daß man ihm zu Ehren im Neckargau eine Denkmünze mit der Inschrift prägen ließ:
In diesem Jahr war Most sehr gut All Kelter überfließen tut.
Auch das 18. Jahrhundert hatte eine Reihe guter „Herbste", aber eigentlich keinen, der sozusagen vorbildlich und sprichwörtlich ward. Hingegen gilt das vom 19. Jahrhundert. Wer gedächte hier nicht vor allem des „Kometenweines" vom Jahre 1811, so genannt, weil damals mehrere Kometen am Himmel standen, die man bekanntlich als drohende Vorzeichen kommender Kriegsereignisse deutete (1812!). Alle Vorbedingungen für das Gedeihen eines guten Weins waren freilich damals gegeben. Es herrschte warmes Frühlingswetter, weshalb der Wein ungewöhnlich früh und günstig aufblühte. Dann kam ein warmer Sommer mit periodischen fruchtbaren Gewitterregen, und bereits im August gab es reife Trauben. Die eigentliche „Lese" brachte einen vollen Ertrag sowohl in Qualität wie in Quantität. Darf es uns da wunder nehmen, daß solch' edler Tropfen auch die Zungen der Poeten löste? Goethe vor allem, der, wie die veröffentlichten Weinrechnungen seiner Lieferanten beweisen, durchaus Sachverständiger war, stimmte seine Leier wiederholt zum Preise des „Eilfers", so z. B.:
Bon meinen Liedern sprechen sie Fast rühmlich wie vom Eilser,
Und Blum' und Zweige brechen sie,
Mich kränzend wie den Eilser.
Und im West- östlichen Divan das vielgesungene:
Setze mir nicht, du Grobian,
Den Krug so derb vor die Nase!
Wer mir den Wein bringt, sehe mich freundlich an.
Sonst trübt sich der Eilser im Glase!
Von sonstigen Lobeshymnen auf diesen edlen Tropfen sei noch das besonders in Studentenkreisen gern gewürdigte „Der Geist von Anno Elf" von Friedrich Geßler hervorgehoben:
Beim Lindenwirt im Keller ruht Ein großes Faß voll Traubenblut,
Gekeltert Anno Elf,
Und in dem staubigen Fasse kreist Dem Lindenwirt sein böser Geist,
Der Geist von Anno Elf.
Auch der 1834er fand seinen Sänger in Hermann Linga, der, allerdings erst zur goldenen Hochzeit dieses Rebensaftes (1884), in einem Preisliede sang:
Der Wein, der hochgepries'ne Wein!
Die Fässer, die noch welchen hegen.
Sind wertvoll wie ein Kleinodschrein!
Auf jedes soll man Kränze legen,
Und durch die Keller ziehe Sang Und Saitenklang!
In seinem Alter hat er doch An edlem Feuer nicht verloren?
Nein, zugenommen hat er noch!
Ein Hoch dem Jahr, das ihm geboren!
Auf, Heuriger, tritt an das Reich Und werd' ihm gleich!
Eine alte Erfahrung behauptet, daß im Durchschnitte alle 10 bis 11 Jahre ein gutes Weinjahr zu erwarten sei. In neuester Zeit bescherten uns die Jahrgänge 1893, 1895, 1903 und 1904 einen
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