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Der Lnztälsr.

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Neuenbürg. Mittwoch den 2. Oktober 1007.

65. Jahrgang.

erunSschau

Das Ablebe« des Grotzhrrzogs so» Bade«.

Der Kaiser ordnete anläßlich des Ablebens des Großherzogs von Baden das Anlegen von Trauer für sämtliche Offiziere der preuß­ischen Armee und der deutschen Marine an. Au den Beisetzungs-Feierlichkeiten haben die komman­dierenden Generale des XV. und XVI.. Armeekorps und eine Abordnung des Ulanen-Rogiments Nr. 7 teilzunehmen.

Kaiser Wilhelm hat dem neuen Großherzog ^Friedrich II., seinem Vetter, ei» herzliches Bei­leidstelegramm gesandt, in dem ek den nationalen Verlust betont, den Deutschland durch den Tod seines Vaters erlitten hat. Der Kaiser würdigt nochmals in Dankbarkeit die große» Verdienste des Dahingefchiedenen um das Reich. Durch eine be­sondere Kabinettsordre wird für die Regimenter, deren Chef der Verstorbene war, eine längere, für die Truppen eine kürzere Armeetrauer angeordnet. Zu den Leichenfeierlichkeiten werden die Saarbrücker Ulanen, das 8. bayerische Infanterieregiment, das 126. (würrtembergische) Regiment, das 1. See­bataillon, das österreichische Infanterie-Regiment Nr. 50 Abordnungen entsenden. Beileids-Depeschen sind von allen deutschen und vielen fremden Fürstxn- chöfen, auch von den Republiken Frankreich und Schweiz.eingegangen.

Karlsruhe, 30. Sept. Die Truppen der -hiesigen Garnison haben heute den Eid auf den neuen Landesherrn geleistet.

Mainau., 1. Okt. Der Zudrang der Bevöl­kerung zu der Aufbahrung der Leiche des Groß­herzogs in der Schloßkirche auf der Mainau ist ein ganz gewaltiger. Zu den Schiffen in Konstanz drängten sich mach Tausenden die Menschenmassen, so daß es sich vollkommen unmöglich erwies, die riesigen Volkswassen auf den verkehrenden Schiffen Zu bewältigen. So wählten weitere Tausende den Landweg von Konstanz nach der Mainau, auf dem sich eine wahre Völkerwanderung von schwarzgeklei­deten Wenschennmssen entfaltete. Aus weiter Um­gebung war alt und jung herbeigeeilt, um nochmals die Züge des gelebten Landesherrn zu schauen. Vor dem Schloßportal staute sich die Volksmenge zu dichten Massen. An langem Zug, zwei und zwei, zog man durch den inneren Schloßhof zur Schloß­kapelle, wo die Leiche vor dem Altar aufgestellt war. An lautloser Stille näherten sich die Landeskinder dem Gotteshaus. Bei gedämpftem Orgelklang zog man langsam an dem Sarg vorbei, in dem der Großherzng in Generalsuniform ruht. Die Trauer ist tief und allgemein. Gegen Abend war das Ge­dränge der immer neu ankommenden Massen geradezu beängstigend. Die Ueberführung der Leiche des Großherzogs findet, wie schon gemeldet, am Mittwoch, 2. Okt., statt.

Karlsruhe, 1. Oktbr. Aus.Anlaß des Ab­lebens des Großherzogs Friedrich hat der Ober­schulrat bestimmt: Am Vormittag des Beisehungstags sind in allen Schulen des Landes die Schüler und Schülerinnen zu einer Gedächtnisfeier zu versammeln, in welcher auf die Bedeutung des Tages hingewiesen, das segensreiche Leben und Wirken des Großherzogs dargestellt und zur Treue gegen den nunmehr zur Regierung gelangten Großherzog Friedrich II. er­mahnt wird. Großherzog Friedrich II. hat sämt­liche Minister gebeten, im Amt zu verbleiben und auch die Arbeiten fernerhin im Sinne des ver­storbenen Landesfürsten weiterzuführen. Von einer neuen Huldigung, wie sie im Jahre 1852 stattfand, wird abgesehen werden. Den Beamten wurde be­reits mitgeteilt, daß der von ihnen geleistete Eid ohne weiteres auf den neuen Landesherrn über­gegangen ist. Eine Einberufung der Standeversamm-

kung wird unterbleiben., da der Landtag schon in O Wochen -ordnungsmäßig zusannnentritt.

Soweit bis .jetzt bekannt ist, werden an den Bei- setzungsfeierkichkeiten toilnehmen der König von Württemberg, die Königin-Mutter von Sachsen, Fürst Wilhelm von Hohenzollern, Prinz Ludwig von Bayern in Vertretung des Prinzregenten und wahrscheinlich auch der Herzog von Connaught. Eine größere Anzahl weiterer Fürstlichkeiten werden noch erwartet, darunter auch das Kaiserpaar. Von der Kaiserin ist es allerdings unwahrscheinlich, daß sie kommen kann.

Berlin, 1. Okt. Das gesamte Präsidium des Reichstags., Präsident Dr. Graf zu Stolberg- Wernigerode, sowie die Vizepräsidenten Dr. Pansche und Kämpf werden sich in Begleitung des Direktors beim Reichstag, Geh. Rechnungsrat Jungheim, zur Beisetznngsseiier nach Karlsruhe begeben.

Züge aus dem Leben des verstorbenen Großherzogs werden jetzt vielfach erzählt. Der Fürst war außerdentlich streng gegen sich selbst, fleißig bis in die Nacht hinein., ein großer Freund der Natur nnd ebenso sehr der Kunst, streng reli­giös, ohne zu frömmeln. Fast täglich stand er des Morgens um 5 Uhr auf, das Schlafen in den Tag hinein war ihm ein Greuel. Großen Wert legte er aus die Körperpflege. Vor dem nur aus Tee und Gebäck bestehenden Morgenfrühstück, das er mit der Großherzogin allein einnahm, arbeitete er nüchtern schon mehrere Stunden und öffnete selbst alle ein- gegaagenen Briefe. In diesen stillen Morgenstunden besprach er mit seiner Gemahlin alles, was ihn be­wegte, vereinigte sich das Großherzogspaar täglich zu gemeinsamem Gebet. In der Regel las der Großherzog mit lauter Stimme ein Kapitel aus der Bibel vor, dann betete die Großherzogin völlig frei, in der Regel knieend. Früher bestand die Vorschrift, daß jedermann zu jeder Stunde ohne weiteres zu­gelassen werde; im Hinblick auf die Jahre mußte deren vorherige Anmeldung eingeführt werden, aber nur für Karlsruhe. Auf der Mainau und in Baden konnte jeder Bauer und jede Bäuerin Zutritt beim Großherzog erbitten. Der Fürst arbeitete äußerst selbständig und verblüffte oft seine Räte durch fein Wissen. Er las außerordentlich viel Zeitungen aus dem Inlands, wie aus . dem Auslande, ganz un­bekümmert um die Parteirrchtung. Nur die sozial­demokratische Presse, die er früher ebenfalls gelesen hatte, war seit einigen Jahren ausgeschlossen. Mit­tags der Großherzog nur Fleisch, Gemüse und Dessert, für Süßigkeiten hatte er (gerade wie Kaiser Friedrich) eine besondere Vorliebe. Bier trank er nie, Champagner nur ausnahmsweise, wenn ein Toast auszubringen war. Um seine Gäste und ihr Wohl­befinden bekümmerte er sich häufig selbst, dagegen duldete er nie das Rauchen in den Räumen des Schlosses. Bei großen Tafeln wurden den Gästen allerdings Zigarren gereicht, aber nur für den Nach­hauseweg. So einfach die Lebensweise des Groß­herzogs war, so einfach waren auch seine Gemächer. Er verschmähte zu allen Zeiten das Federbett und ruhte nur auf Roßhaar. Das Bettgestell ist von Eisen. Wie sparsam er war gegen sich selbst, geht daraus hervor, daß er zu Hause eine geringere Uniform-Garnitur anlegte und erst bei Ausfahrten und Besuchen eine bessere. Ganz so wie sein Schwiegervater Kaiser Wilhelm.

Auf dem Parteitag der Volkspartei, der am 28. Sept. in Konstanz zusammentrat, hat der Reichstagsabgeordnete Payer in seinem Referate über die politische Lage u. a. ausgeführt, sein Be­such in Norderney habe ungebührliche Beachtung in der Presse gefunden. Leider sei es heute noch ganz verfehlt, zu glauben, daß damit süddeutsches Wesen und demokratischer Geist im Norden maß­gebend geworden sei. Auch habe Fürst Bülow

nicht gedacht: Ich kann den Karren nicht mehr ziehen, telegraphieren wir daher an den Payer (stürmische Heiterkeit), sondern er habe lediglich aus Loyalität auch die kleinste liberale Gruppe zu den Vorbesprechungen herangezogen. Er könne auch versichern, daß es unrichtig sei, wenn manche Zeit­ungen geschrieben hätten, der Reichskanzler habe ihn persönlich eingeseift (große Heiterkeit). An dem guten Willen des Fürsten Bülow bei der konser­vativ-liberalen Vereinigung sei nicht zu zweifeln. Wie weit es gelingen werde, sein Programm durch­zuführen, werde die nächste Zukunft lehren. In seinem Schlußwort stellte Payer nach kurzer Dis­kussion fest, daß sachlich alle Redner sich auf den Boden der Politik der Reichstagsfraktion gestellt hätten. Niemand habe eine andere Taktik ein­geschlagen. Das Zertrümmern des Blocks würde nur dem Zentrum und der Sozial­demokratie Freude machen. Die Sozialdemo­kratie würde jubeln, was für elende und erbärm­liche Kerle die Freisinnigen seien, noch unfruchtbarer als die Sozialdemokratie, und das wäre ein grau­samer Vorwurf (große Heiterkeit).

In Worms fand am Sonntag eine Feier am Lutherdenkmale zur Einweihung der daselbst am nächsten Tage eröffneten Generalversammlung des Evang. Bundes statt.

Der Evangelische Bund ist am Samstag in Worms zu seiner 20. Generalversammlung zu­sammengetreten. Neben 600 Delegierten und ver­schiedenen Haupt- und Zweigvereinen des Bundes aus allen Teilen des Reiches haben sich diesmal auch etwa 2000 Festgäste aus dem benachbarten Baden, dem Elsaß, Württemberg und Hessen ein­gefunden, um am Sonntag zu Füßen des Refor­mations-Denkmals eine deutschprotestantische Kundgebung zu veranstalten, wie sie noch mit keiner Generalversammlung verbunden war. Der geräumige Lutherplatz war dicht Kopf an Kops ge­füllt. Die Huldigungsfeier vor dem Lutherdenkmal wurde eingeleitet durch eine Ansprache des Mann­heimer Stadtpfarrers Klein. Im Namen der Mit­glieder des Evangelischen Bundes Unterbadens legte er einen Kranz an den Stufen des Denkmals nieder. Das gleiche tat dann auch eine Reihe anderer Ver­treter von Hauptvereinen, etwa 20 an der Zahl. Die offizielle Begrüßungsversammlung wurde im Karpfen" abgehalten, zu gleicher Zeit wurden Fest­abende, in. denen auswärtige Redner sprachen, in drei anderen Sälen veranstaltet. Auch sie waren bis auf den letzten Platz besetzt. Aus Württem­berg sind u. a. Schulrat Dr. Mosapp und Abg. Dr. Hieb er zum Kongreß erschienen.

Aus Rom tönt ein stark verspäteter Nach­klang zur Haager Friedenskonferenz. Der Minister des Aeußeren erklärte einem Mitarbeiter derTribuna" in bestimmtester Form, daß er nie­mals die Frage erwogen habe, ob der Päpstliche Stuhl zur Haager Konferenz einzuladen sei. Die Frage sei überhaupt gar nicht an die Regierung herangetreten.

In Sachen der Frau Toselli wird von gut unterrichteter Seite aus Florenz gemeldet, daß bisher vom König von Sachsen noch keine Schritte getan worden seien, um die Herausgabe der kleinen Prinzessin Pia Monika zu ver­langen. In der Florentiner Gesellschaft habe sich unterdessen ein Umschwung zu Ungunsten des Ehepaares Toselli vollzogen.

Frankfurt a. M., 1. Okt. Mittags um 12Ur Uhr verfinsterte sich plötzlich der Himmel; es trat fast völlige Dunkelheit ein. Sodann entlud sich unter wolkenbruchartigem Regen ein starkes Gewitter.

Bruchsal, 29. Septbr. Der frühere Bürger­meister von Kappelrodeck ist hier im Zuchthause gestorben.