Zweites
Blatt.
Der Lnztälen
Zweites
Blatt.
.M 140.
Neuenbürg, Mittwoch den 4. September 1907.
65. Jahrgang.
Württemberg.
Stuttgart, 2. Septbr. Am Samstag abend 9^/s Uhr traf von Marseille kommend ein Extrazug mit den annähernd 300 Reiseteilnehmern ein, die unter Professor Dr. Millers Leitung nach Spanien, Marokko, Oran und den kanarischen Inseln gegangen waren. Unfälle oder Krankheiten sind nicht norgekommen.
Stuttgart, 2. Septbr. Die Ladenfleischpreise sind mit Wirkung vom 1. September an folgendermaßen festgesetzt worden: Ochsenfleisch 85 Rindfleisch 1. Qualität 80 <-s, Rindfleisch 2. Qualität 75 ^s, Kalbfleisch 1. Qualität 85 ^s, 2. Qualität 80 Schweinefleisch unabgedeckt 80 Schweinefleisch abgedeckt 85 Hammelfleisch 75 .,s, Schaffleisch 65 ^ pro Pfund. Ein Preisaufschlag tritt demnach ein beim Kalbfleisch und beim Schweinefleisch um je 5
Ulm, 1. Sept. Die große 6 Tage in Anspruch nehmende Festungskriegsübung hat heute früh mit dem Sturm des Forts „Oberer Kuhberg" ihr Ende erreicht. Das Infanterie-Regiment Nr. 127 war gestern in die Sturmstellung eingerückt, die unmittelbar vor dem Glaciswäldchen ausgehoben worden war, und brach Punkt ff-5 Uhr mit den das Sturmzeug tragenden Pionieren vor, um nach Aufstellung der Sturmleitern in die schon vor Beginn der Uebung in die Mauer gebrochenen Breschen einzusteigen und im Hurra gegen den Verteidiger anzustürmen' Letzterer ließ ein nervenerschütterndes Schnellfeuer gegen die Angreifer los, aus dem die die Maschinengewehre besonders vernehmlich herausklangen. Scheinwerfer, Leuchtkugeln und Fackeln wurden verwendet. Um ^/i5 Uhr war der Sturm beendigt. Die auswärtigen Truppen wurden noch im Laufe des Vormittags in ihre Garnison befördert. Verschiedene Unfälle sind während der Uebung vorgekommen. Einem Unteroffizier wurde die Hand durchschossen, ein Pionieroffizier durch einen von einer losgehenden Mine geschleuderten Stein an der Achsel verletzt. Beim Heutigeiö-Sturm gerieten einige Mann der Belagerten in die Gefahr, zu ersticken. Sie waren in einem Raum der Festung tätig, als der Luftzug die Türe zuschlug. Der gewaltige Rauch, der den Raum erfüllte, brachte die Leute in Erstickungsgefahr. Sie wurden ins Lazarett verbracht. Einer der Zuschauer stürzte in einen Schützengraben und brach sich dabei beide Beine.
Darmsheim, 31. Aug. Heute erschien Stadtschultheiß Eberhart von Binsdorf, O.A. Sulz, auf der Brandstätte, drückte die Teilnahme seiner i. I. 1904 ebenfalls durch schweres Brandunglück heimgesuchten Gemeinde aus und übergab zugleich als Gabe der Gemeinde für die Abgebrannten die Summe von 300 -4k Ebenfalls recht wohltuend berührt hat die Ueberweisung von 150 aus der Kasse des Hilfskomitees für die Abgebrannten dieser Gemeinde. Außerdem sind von vielen Seiten in dankenswerter Weise bereits reichliche, zum Teil recht namhafte Beiträge gespendet worden, so daß sich die eingegangenen Gaben an Geld bis jetzt auf rund 19 000 belaufen. Doch bleibt bei der Größe des Unglücks der allgemeinen Wohltätigkeit noch ein weites Feld zur Betätigung offen.
Feuerbach, 2. Sept. Von der Stärke des Massenbesuchs, den unsere Stadt bei ihrem gestrigen Fest zu verzeichnen hatte, kann man sich ein Bild machen, wenn man erfährt, daß allein im Bahnhof Stuttgart 20 000 Fahrkarten nach Feuerbach verkauft wurden. Dazu kommen noch die vielen Besucher aus der näheren und weiteren Umgegend, die teils mit der Bahn, teils mit anderen Fahrgelegenheiten oder zu Fuß zur Stadtfeier nach Feuerbach gekommen sind. Insgesamt dürfte Feuerbach gestern etwa 30 bis 35 000 Gäste in seinen Mauern begrüßt haben.
Freudenstadt, 1. Sept. Die am 12. Juni ds. Js. vorgenommene Berufszählung ergab bei zusammen 1832 Familien eine anwesende Bevölkerung von 8718 Personen gegenüber 1791 Familien mit 7918 Einwohnern bei der Volks
zählung am 1. Dez. 1905. Landwirtschaftskarten wurden ausgefüllt 823, Gewerbekarten 545 und Gewerbebogen 204.
Freuden st adt, 31. August. Ein vorgestern abend im Hotel Waldlust von Kurgästen des Hotels unter Mitwirkung der Pianistin Frln. M. Röchle aus Stuttgart und der Hauskapelle Cellarius zugunsten der Abgebrannten in Darmsheim gegebenes Wohltätigkeitskonzert brachte eine Einnahme von nahezu 500 -/k
Freudenstadt, 1. Sept. Der seit einigen Wochen als Kurgast hier weilende Hofrat G. Mayer- Stuttgart konnte heute mit seiner Gemahlin das seltene Fest der goldenen Hochzeit feiern. Außer zahlreichen Beglückwünschungen wurde dem Jubelpaar eine besonders ehrende Auszeichnung zuteil, indem der König ihm seine Glückwünsche hatte aussprechen lassen und zur Erinnerung an diesen Tag einen goldenen Pokal übersandte. Von der Kgl. Hofbank, der der 86 jährige Jubilar 65 Jahre lang angehört hatte, wurde er durch die Ueber- sendung eines Lorbeerbaumes mit vergoldeten Früchten nebst sinniger Widmung überrascht. Die Feier, die im Kurhotel Rappen im engeren Kreis der Verwandten stattfand, nahm einen schönen und würdigen Verlauf. Die kirchliche Einsegnung hatte Dekan Zeller übernommen.
Mitteltal, 30. Aug. In den letzten Tagen widerfuhr dem Obersäger Karl Glaser von hier ein seltenes Glück. Er erhaschte als gewandter Fischer in dem Fischwasser des Hrn. Fahrner, Kaufmann, im vereinigten Ellbach eine Forelle, 60 cm lang, mit einem Umfang von 30 ein und einem Gewicht von 5 Pfund. Einige Tage vorher fing er ebenfalls mit der Hand eine solche im Gewicht von 3 Pfund. Es ist dies ein erfreuliches Resultat für den Fischereibetrieb, und es ist für die Zukunft nur zu wünschen, daß unser „Oberfischer" seinen Fischbach in kurzer Zeit von solchen Räubern befreien möge.
Benningen, O.A. Ludwigsburg, 31. August. Gestern abend spielte hier das Messer eine verhängnisvolle Rolle. Der 41 Jahre alte, verheiratete Taglöhner Friedrich Schmid, Vater zweier Kinder, geriet mit seinem Schwager, dem Steinbrecher Wilh. Essig, vor der Wohnung des letzteren in Streitigkeiten, in deren Verlauf Essig zum Messer griff und Schmid niederstach; letzterer war sofort tot. Essig, der geständig'ist, wurde verhaftet und an das Kgl. Amtsgericht Ludwigsburg eingeliefert.
Biberach, 3. Septbr. Gestern abend wurde hier ein verheirateter Taglöhner namens Wörz verhaftet wegen eines Verbrechens gegen die Sittlichkeit. Wörz hat erst kürzlich eine mehrjährige Gefängnisstrafe wegen desselben Verbrechens abgeseffen. Diesmal hat er sich an dem Kind umherziehender Geschirrhändler vergriffen. — In einem Anfall von Schwermut hat sich gestern die Ehefrau desfrüheren Wirtes M. hier zu erhängen gesucht. Die Frau hat sich vor etwa einem Jahr in zweiter Ehe mit M. verheiratet und schon längere Zeit Spuren geistiger Störung gezeigt, so daß sie vorübergehend in der Irrenanstalt Schussenried untergebracht und nach ihrer Rückkehr überwacht werden mußte.
Stuttgart. ILaudeSProduktenbörse.1 (Bericht vom 2. Sept.) Bon der abgelausenen Woche ist folgendes zu berichten: Die Witterung war trocken und wurde nur von kurzen Gewitterregen unterbrochen; die Temperatur war heiß. Von den maßgebenden Plätzen des Auslands wurde zwar eine einheitliche Preisrichtung nicht gemeldet, doch ist nach einigen Schwankungen die Tendenz fest geblieben. An den inländischen Schrannen waren die Zufuhren wegen der Oehmdernte schwach. Der Verkauf ging rasch und zu guten Preisen von statten. Das Geschäft in Landgerste hat begonnen, die Käufer können sich aber nur zögernd entschließen, die hohen Preise zu bewilligen. An der heutigen Börse war der Besuch gut, die Umsätze bewegten sich aber in mäßigen Grenzen und beschränkten sich auf die Deckung des notwendigsten Bedarfs. — Mehlst reise per 100 Kilogramm inkl. Sack: Mehl Nr. 0: 3tz Mark 50 Pfg. bis 34 Mk. - Pfg., Nr. 1: 32 Mk. — Pfg. bis 32 Mk. 50 Pfg., Nr. 2: 30 Mk. 50 Pfg. bis 31 Mk. — Pfg., Nr. 3: 29 Mk. - Pfg. bis 29 Mk. 50 Pfg., Nr. 4: 27 Mk. 50 Pfg. bis 28 Mk. — Pfg., Suppengries 33 Mk. 50 Pfg. bis 34 Mk. — Pfg., Kleie 11 Mk. — Psg. (ohne Sack).
vermischtes.
St. Moritz, 29. Aug. Folgendes Geschichtchen von „einem Herrn aus Baden" wird der „Neuen Bad. Landesztg." von hier berichtet und zwar von dem, der es selbst erlebt hat: Mister Frank H. — in seiner Jugend im goldenen Mainz hatte er Franz geheißen, aber dann in den langen Jahren seiner erfolgreichen Tätigkeit in London sich neben einer großen Fabrik den englischen Vornamen erworben — war auf seinem gewohnten St. Moritzer Morgenspaziergang nach dem Quellenberg spaziert. Er wollte sich da auf der Bank niederlassen, aber gerade, als er drauf losging, sah er, daß ein älteres Ehepaar von dem gleichen Gedanken beseelt und ihm zuvorgekommen war. Der höfliche Deutsch-Engländer wollte also verzichten, aber der alte Herr lud ihn mit einer freundlichen Handbewegung zum Sitzen ein und meinte, hier hätten auch drei Leute Platz, „man brauche nur etwas zusammenzurücken." So rückte man denn zusammen, unser Gentleman zog seine Zeitung heraus und vertiefte sich in die Lektüre des Neuesten. Aber die Zeitung war nicht so intereffaüt, wie die Unterhaltung, in die ihn ganz unvermerkt in einer vornehmen Art der alte Herr verwickelt hatte. Er knüpfte an die Zeitungslektüre seines Nachbars an, fragte ihn, ob er Engländer sei, und sprach dann eingehender über deutsche und englische Verhältnisse. Da er ein Deutscher von Geburt und so lange schon in England sei, so meinte der alte Herr, müsse er ihm auch am besten sagen können, woher die deutsch-englische Spannung, die Animosität der Engländer gegen Deutschland komme. Unser Freund hätte nicht in Mainz geboren und in England so lange ansässig sein müssen, wenn er nicht auf diese Frage mit aller wünschenswerter Offenheit antwortete. Außerdem hatte auch die Liebenswürdigkeit seiner Nachbarn — auch die Dame hatte sich lebhaft am Gespräch beteiligt — sein Herz erobert und den sonst wortkargen business-mall zum Reden animiert. Er erinnerte also — und nicht zu knapp — an die bekannte „Krüger-Depesche" und erklärte, wenn zwei sich streiten und ein Dritter mischt sich hinein, dann versöhnen sich die zwei und gehen schließlich gegen den Dritten. . . Das Gespräch ging weiter. Nach einer Dreiviertelstunde etwa stand man auf. Der Herr sagte, die Unterhaltung hätte ihn sehr interessiert und er sei dankbar für die Mitteilungen. Es würde ihn auch interessieren zu erfahren, mit wem er sich unterhalten habe. Vielleicht dürfte er ihn um seine Karte bitten. — Gern, sagte unser Freund, aber er habe nur eine Geschäftskarte bei sich. Uebrigens, wer sind denn Sie? — „Ich", sagte der alte feine Herr, „wir sind aus Baden." Dann nahm er die Geschäftskarte des Londoner Herrn, dankte nochmals, und er wie seine Gattin sagten Adieu. Mister Frank ging auch seines Weges weiter und dachte noch über das anregende Gespräch nach, da kamen ihm ein paar Bekannte entgegen, die ihn hatten sitzen sehen, und fragten: „Kennen Sie den Herrn, mit dem Sie sich eben unterhalten haben?" „Ja", sagte er, „nicht ganz genau. Es ist ein Herr aus Baden. Ich habe mich aber sehr gut mit ihm unterhalten und mit seiner Frau auch. Kennen Sie ihn vielleicht?" „O ja", war die Antwort, „es ist der Großherzog von Baden mit seiner Frau, der Großherzogin." Am nächsten Tage lüstete unser Großherzog aber auch selbst seinem neuen Bekannten gegenüber sein Inkognito. Ein Diener erschien im Hotel bei Herrn Frank H. und überbrachte ihm ein Buch, das „der vornehme alte Herr" in dem gestrigen Gespräch zitiert hatte. Sein Namenszug, den der Großherzog in das Buch geschrieben, erinnert nun ,.kor Over" an den liebenswürdigen „Herrn aus Baden".
Die Nachzügler der Fernfahrt Peking- Paris. Während der Prinz Borghese nach einer endlosen Reihe von Festlichkeiten längst wieder in seinem Heimatlande Italien eingetroffen ist, während sein Begleiter Luigi Barzini bereits an seinem Buche arbeitet, das an der Hand von mehr als hundert Illustrationen die Erfahrungen der Automobilfahrt Peking-Paris zusammenfaffen wird, haben die an-