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14V.
Neuenbürg, Mittwoch den 4. September 1907.
65. Jahrgang.
rrunSschau.
Der Kaiser traf am Sonntag abend aus Münster wieder in Berlin ein, wo er im königl. Residenzschlosse übernachtete; am Montag vormittag nahm der Kaiser die vom herrlichsten Wetter begünstigte Herbstparade über das Gardekorps ab. Nachmittags 5 Uhr empfing der Monarch im Residenzschlosse die außerordentliche Gesandtschaft, welche der Schah von Persien zur offiziellen Mitteilung seines Regierungsantrittes an den Berliner Hof geschickt hat, in feierlicher Audienz. Abends besuchte der Kaiser die Galavorstellung im Opernhause.
Die Rede, welche der Kaiser bei dem Festmahle im Landesmuseum zu Münster gehalten hat, liegt jetzt im Wortlaut vor. In ihr rühmte er die Provinz Westfalen als schönes Beispiel dafür, daß es wohl möglich sei, historische, konfessionelle und wirtschaftliche Gegensätze versöhnlich zu einen in der Liebe und Treue zum gemeinsamen Vaterlande. Der kaiserliche Redner wies hierbei auf die historische Verschiedenartigkeit der Zusammensetzung der Provinz Westfalen hin, und betonte dann, wie er keinen Unterschied mache zwischen alten und neuen Landesteilen, so unterscheide er auch nicht zwischen katholischen und protestantischen Untertanen, sie stünden beide seinem landesväterlichen Herzen nahe. Weiter pries der Monarch die erfreuliche wirtschaftliche Entwickelung Westfalens und erklärte, wie ihm der Schutz der Landwirtschaft wie die Fürsorge für die Industriearbeiter und die Bergleute immer besonders am Herzen liegen werde. Schließlich bekundete der Kaiser den Wunsch, es möchte eine Einigung aller Bürger und Stände, wie sie Westfalen aufweise, auch im ganzen deutschen Vaterlande erfolgen, doch könnte dies nur durch die Religion ermöglicht werden, freilich nicht durch die Religion im streng dogmatischen kirchlichen Sinne, sondern in einem lebenspraktischen Sinne. Nachdem der Kaiser dann noch von bitteren Kränkungen gesprochen, die ihm in seiner nun fast zwanzigjährigen Regierungszeit oft zugefügt worden seien, und nach noch weiteren Ausführungen trank er auf das Wohl der Provinz Westfalen.
Berlin, 2. Sept. Der Kaiser empfing nachmittags eine Deputation des russischen Dragonerregiments Narwa, sodann den in Wien aggregierten persischen Gesandten behufs Ratifizierung der Thronbesteigung des Schahs von Persien, hierauf die hier eingetroffene abessinische Gesandtschaft. Um 6 Uhr fand im Weißen Saale des königl. Schlosses Paradetafel statt. Im Verlauf des Mahles trank der Kaiser auf den kommandierenden General v. Kessel. An der Tafel nahmen auch die Abessinier und die Perser teil. Abends fand im Opernhause MioLtre xaro statt. Der Kaiser saß in der großen Hofloge zwischen den Prinzen Eitel Friedrich und Oskar. Der Vorstellung wohnten auch die hier anwesenden russischen, amerikanischen und englischen Offiziere bei, sowie die Mitglieder der persischen und abessinischen außerordentlichen Gesandtschaften. — Der Kaiser ist um 10 Uhr nach Wilhelmshaven abgereist.
Berlin, 2. Sept. Der Kaiser hat eine Begnadigung des sog. Hauptmanns von Köpenick abgelehnt.
Krieg und Elsaß-Lothringen. Die „Tägl. Rundschau" lenkt die Aufmerksamkeit auf einen Artikel des französischen Generals Grand in, der in einer französischen Zeitschrift erscheint und „Krieg und Elsaß-Lothringen" überschrieben ist. Der Verfasser predigt den Franzosen die Pflicht der Rückforderung von Elsaß-Lothringen in einer Sprache, deren Schärfe 36 Jahre nach dem Frankfurter Frieden in Erstaunen setzen muß. Die bezeichneten Stellen lauten etwa folgendermaßen: „Der Kaiser von Deutschland versäumt keine Gelegenheit, eine Höflichkeit zu bekunden, von der er glaubt, daß sie
das Vorspiel eines künftigen feierlichen Besuchs in Paris sein werde. Aber die französische Volksseele ist noch nicht darauf vorbereitet, diese Erniedrigung auf sich zu nehmen, und niemals wird es im Sinne einer Versöhnung etwas Tatsächliches geben, so lange Elsaß-Lothringen in Ketten liegt. Eine neue feierliche Anerkennung des Frankfurter Vertrags würde einen ungeheuren Zorn erregen. General Grandin bezeichnet dann die Friedensbestrebungen der Haager Konferenz als chimärisch und fährt fort, die Völker, die versuchen sollten, den Raub Deutschlands von 1870 zu sanktionieren, würden sich der Verachtung durch die Zivilisation aussetzen und ein Frankreich, das die Feigheit begehe, die Elsaß-Lothringer für immer preiszugeben, würde das Schicksal Polens verdienen und reif sein zur Teilung."
Die freisinnige Volkspartei hält am 13. ds. Mts. und an den nächstfolgenden Tagen in Berlin ihren diesjährigen allgemeinen Delegiertentag ab. Das Beratungsprogramm ist ein ganz stattliches, es weist eine größere Anzahl von Berichten und Anträgen auf, welche letztere sich auf die liberalen Einigungsbestrebungen, die Stellung der freisinnigen Volkspartei zur Blockpolitik, die reichsgesetzliche Regelung des Vereins- und Versammlungsrechtes, die zeitgemäße Reform des preuß. Landtagswahlrechtes, ferner auf die Fragen der Verkehrs- und Handelspolitik, der Schul- und der Mittelstandspolitik, die staatsbürgerliche Gleichberechtigung, die Privatbeamtenversicherung usw. beziehen.
Haag, 2. Sept. Das Komitee L. der Schiedsgerichts-Kommission nahm in 2. Lesung das Kapitel eines Entwurfs für einen ständigen Gerichtshof an. Bei der Weiterberatung erklärten die Delegierten Belgiens, Brasiliens, Chinas, Griechenlands, Mexikos und Rumäniens, welche mit der geplanten Verteilung der Richtermandate nicht einverstanden sind, daß sie sich ihr Votum Vorbehalten. Die Fortsetzung der Weiterberatung erfolgt am Donnerstag.
In Oesterreich steht eine Umgestaltung des Ministeriums Beck infolge der Veränderungen im Besitzstände der Reichsratsparteien bevor. Ministerpräsident Beck soll nicht abgeneigt sein, den Ansprüchen der deutschen und der tschechischen Agrarier sowie der Christlich-Sozialen Rechnung zu tragen. Als sicher gilt die Demission des Handelsministers Dr. Forscht, als sehr wahrscheinlich das Ausscheiden des deutschen Landsmannministers Prade.
Der französische Botschafter am Berliner Hofe, Hr. Jules Cambon, hat alsbald nach seiner Wiederankunft in Berlin wiederholt längere Unterredungen mit dem Staatssekretär des Auswärtigen v. Tschirschky gehabt. Zweifellos haben dieselben mit den Besprechungen des Fürsten Bülow und des Hrn. Cambon auf Norderney im Zusammenhang gestanden.
Paris, 2. Sept. Vom Admiral Philibert ist gestern nachstehendes Telegramm eingegangen: In den Küstenstädten ist nichts von Bedeutung vorgekommen. Eine Abteilung, die südwärts von Casablanca eine Rekognoszierung unternahm, stieß auf eine starke marokkanische Reiterabteilung und trieb sie in die Flucht.
Paris, 31. Aug. Die Zeitung „Cri de Paris" hat von einem ungenannten Geber 15 000 Franken erhalten, die dem Sozialisten Hervo zur Verfügung stehen sollen, wenn er einwillige, ein Jahr lang in Deutschland antimilitaristische Propaganda zu treiben. (Wenn er bloß einzuwilligen braucht, kann sich Genosse Heros den Preis leicht verdienen; sein Aufenthalt bei uns würde aber nur einen sehr minimalen Bruchteil eines Jahres ausmachen I)
Der Pariser Gaulois erhält aus Tanger die Nachricht, daß alle marokkanischen Häfen bis 15. ds. Mts. eine Garnison erhalten werden. Nach einer Meldung des Matin aus Casablanca
vom 31. Aug. hält der Feind in Stärke von 8000 Mann gegenwärtig 10 Lager in der Umgebung von Ben Ali besetzt. Dem Echo de Paris wird aus Fez gemeldet, daß Vorbereitungen zur Reise des Sultans nach Rabat getroffen werden. Die Staatsbank gewährte dem Sultan einen Vorschuß von 500000 Pesetas und wird ihm ebensoviel bei seiner Ankunft in Rabat anweisen. — Daily Telegraph meldet aus Mazagan, daß Omar ben Meched von Muley Hafid auserwählt worden ist, um mit Noten, die der neue Sultan an die Regierungen von England, Frankreich und Spanien richten will nach Europa zu gehen.
Petersburg, 2. Septbr. Aus zuverlässiger Quelle erfährt das hiesige konservative Blatt Sweth, daß demnächst eine Begegnung des Zaren mit König Eduard in den finnischen Schären stattfindet.
Marienbad, 31. Aug. Ueber einen Aufsehen erregenden Vorgang wird dem „Standard" gemeldet: „König Eduard erhob einen starken Protest gegen Unanständigkeiten in einer theatralischen Aufführung. Er verließ ein Lato eksntant während der Aufführung durch eine Wiener Varietüsgesellschaft. Ihm folgten der Herzog von Teck, die Mitglieder seiner Begleitung und alle Engländer und Amerikaner. Die Lieder und Rezitationen überschritten die Grenzen des Anstands in unverzeihlicher Weise. Nachdem der König ein oder zwei Programmnummern angehört hatte, erhob er sich von seinem Sitz in der königlichen Loge und verließ das Theater mit den Worten: „Es ist scheußlich, es ist abstoßend!" In der königlichen Loge befanden sich außer dem Herzog von Teck noch verschiedene andere geladene Gäste, die alle dem König folgten. Die königliche Loge hatte sich kaum geleert, als die Engländer und Amerikaner erkannten, was vorgekommen war, und ebenfalls das Theater verließen als Protest gegen die unpassende Vorstellung.
Hamburg, 2. Septbr. Der Ausstand der Besatzungen der Schleppdampfer ist heute durch ein Uebereinkommen zwischen Arbeitgebern und Arbeitern beendet. Drei Firmen haben kleine Zugeständnisse gemacht, bei den andern nehmen die Arbeiter die Arbeit morgen früh bedingungslos wieder auf.
Von Leipzig wird gemeldet: Das Reichsgericht wird sich am 26. Sept. ds. Js. in nichtöffentlicher Sitzung mit der Beschwerde Haus gegen das über ihn gefällte Todesurteil der Geschworenen in Karlsruhe beschäftigen.
Baden-Baden, 31. Aug. Endlich ist es der deutschen Vollblutzucht wieder einmal vergönnt gewesen, den Goldpokal des Großherzogs mit dem großen Preis von 60000 Mk. aus dem Oostal nach Hause zu tragen. Sieger war Ham- murabi, ein langgestreckter Fuchshengst vom königl. preußischen Graditzer Gestüt. Bereits 7 Jahre sind ins Land gegangen, seitdem im Jahre 1900 die Fürst Hohenlohe-Oehringen'sche Stute Lamete das letztemal die Palme des deutschen Rennsports davontrug. Seit Bestehen der Rennen in Iffezheim (1858 bis 1906) ist der große Preis 26 mal den Franzosen, lOmal den Deutschen, lOmal den Oesterreichern und 3mal den Engländern zugesallen. Der Ruhm für den Graditzer Stall ist diesmal um so ehrender, als der Sieg kaum je in einem Meeting mit so mächtiger Überlegenheit errungen wurde, wie am heutigen Tag. Mit 10 Längen Vorsprung am Ziel einzulaufen, ist bei einer so herorragenden Konkurrenz, wie sie unsere Nachbarn jenseits der Vogesen im Jahr 1907 auf den Turf nach Iffezheim sandten, eine Leistung allerersten Rangs, der wir kaum auf einem Rennplatz begegnen dürften bei einer Distanz von 2400 w. Dieser großartige Sieg brachte eine Begeisterung hervor, die in anhaltenden Jubel ausbrach, bis das tapfere Pferd dem Auge des Besuchers entschwunden war.