Zweites
Blatt.
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Zweites
Blatt.
94 .
Neuenbürg, Samstag den 15. Juni 19V7.
65. Jahrgang.
Württemberg.
Stuttgart, 11. Juni. Wie schon in weiteren Kreisen bekannt, werden an einem der Volksfestnachmittage auf dem Wasen in Cannstatt durch Schüler fast aller Lehranstalten Groß-Stuttgarts turnerische Aufführungen ausgeführt werden. Landesturninspektor Professor Keßler, der zu dieser Idee die Anregung gab, übernimmt in dankenswertester Weise die Leitung des Ganzen. Er hat in einem Turnlehrerkonvent bereits das Programm entwickelt. Neben Massenfreiübungen sollen noch eine große Anzahl Turnspiele stattfinden.
Stuttgart, 13. Juni. Nach der vierteljährlichen Zusammenstellung der auf den württemb. Staatseisenbahnen vorkommenden Unfälle seitens der Generaldirektion sind infolge Nichtbeachtens der Schutzvorschriften in den ersten drei Monaten d. I. vom Bahnpersonal 5 Personen getötet und 3 schwer verwundet worden.
Heidenheim, 13. Juni. Die Tagesordnung für die am 9. und 10. Juli hier stattfindenden Hauptversammlung des württ. Gustav-Adolf- Vereins ist nunmehr festgestellt: 9. Juli: 10 Uhr vormittags Versammlung der Abgeordneten, Beratungen, von 2'/s bis 5 Uhr öffentliche Hauptversammlung im Vereinshaus, Ueberreichung der Festgaben; 10. Juli: 9 Uhr Festzug zur Pauluskirche, Jahresbericht von Hofprediger Dr. Hoffmann - Stuttgart, Besichtigung des Schlosses Hallenstein und der Altertumssammlung, 4 Uhr Kirchenkonzert in der Pauluskirche.
Freudenstadt, 12. Juni. Ueber ein Talsperrprojekt zur Nutzbarmachung der Wasserkräfte der oberen Murg bei Forbach in Baden bis zur württembergischen Grenze sprach in der in Lahr dieser Tage abgehaltenen Hauptversammlung des badischen Architekten- und JngenieurvereinF dessen Vorsitzender Professor Rehbock von der technischen Hochschule Karlsruhe. Das genannte Gebiet gehört zu den regenärmsten in ganz Deutschland. Nach dem Projekt würde auf der badisch-württembergischen Grenze ein Wehr errichtet, während die Hauptkraftanlage nach Forbach käme. Außerdem sind Talsperren an der Schönmünzach, an der Rau- münzach und am Schwarzbach in Aussicht genommen. Nach einer Berechnung aus dem Jahre 1893, dem regenärmsten seit 15 Jahren, würde eine Maximalleistung von 60000 Pferdekräften und eine mittlere Kraftleistung von 15 200 Pferdestärken erzielt werden. Die Kraft würde für eine Zentrale für Licht-, Fabrik- und Werkstättenbetrieb, sowie für Bahnbetrieb ver-
Trirgglück.
Erzählung von Helene Voigt.
5) - (Nachdruck verboten.)
Da traf noch ein schwerer Schlag die arme Olga. Sie erhielt einen eleganten Brief, der mit „Frau von Martin, geb. Vieregge" unterzeichnet war und in welchem sie aufgefordert wurde, eine Hypothek auszuzahlen, die aus den Namen des Generals von Martin für die Villa eingetragen war.
Mit gerungenen Händen überlegte Olga was zu tun sei, aber ihr armer, schmerzender Kopf fand keinen Ausweg; sie besaß kein Geld, um das verloren gegangene Kapital zu ersetzen. Aber die Schuld mußte gedeckt werden, so gut es ging. Hastig zog sie sich an und eilte, am ganzen Körper zitternd, zum Juwelier.
Gesetzlich, das wußte die arme Olga, war sie zum Ersatz des Geldes nicht verpflichtet, aber die Pietät der Tochter gegen den toten Vater nahm mit edlem Stolze diese Pflicht auf sich. So packte sie denn bei dem Juwelier mit eiskalten, bebenden Fingern den kostbaren Brautschmuck der längst verstorbenen Mutter aus und bot ihm denselben zum Kaufe an.
Der Juwelier, dessen Blicke verstohlen mitleidig an dem in tiefe Trauer gekleideten jungen Mädchen hingen, brach Perlen und Brillanten mit Kennerblick aus der Fassung; es war ein äußerst wertvolles Schmuckstück von seltener, feiner Arbeit. Olgas
wendbar sein. Nach Uebertragung auf eine Entfernung von 50 Kilometern würde sich der Preis für die Kilowattstunde auf etwa ^3 des jetzigen Bezugspreises bei den modernst eingerichteten Elektrizitätswerken stellen. Der jährliche Gewinn könne gut 3 Millionen Mark betragen. Professor Rehbock empfahl baldige Inangriffnahme durch den badischen Staat, der sich den beträchtlichen und sicheren Gewinn nicht entgehen lassen dürfe.
0. dl. Walheim a. N. Ein reges Interesse für Einrichtungen allgemeiner Nützlichkeit und Annehmlichkeit zeigt die im Oberamt Besigheim gelegene Gemeinde Walheim a. N. Erst im Frühjahr wurde der Bau einer selbständigen Gemeinde- Wasserversorgung beschlossen und gleich in Angriff genommen, was für einen Platz von kaum 1200 Einwohnern schon von ziemlicher Bedeutung ist. In gestriger Sitzung der vollzählig erschienenen bürgerlichen Kollegien wurde einstimmig der Beschluß gefaßt, auch ein Gemeinde-Elektrizitäts- Werk zur Abgabe von Licht und Kraft an die Einwohner, insbesondere aber auch zum Betrieb des Gemeinde-Pumpwerks zu erstellen, und den gesamten Bau der Anlage der bekannten Firma Wilh. Reißer in Stuttgart zu übertragen. Beide Einrichtungen werden noch im Lause dieses Jahres, spätestens Oktober betriebsfertig. — Es wäre im Interesse der Allgemeinheit zu wünschen, wenn dieses Beispiel fleißig Nachahmung finden würde.
Jsny, 14. Juni. Bei dem in vorletzter Nacht über unsere Stadt und Umgegend niedergegangenen heftigen Gewitter wurden im benachbarten Anwanden, Gemeinde Großholzleute, zwei schöne Kühe, die sich auf der Weide befanden, vom Blitz erschlagen.
Vermischrss.
Alkohol und Bergsteigen. Die Mönche vom St. Bernhard bestätigen, daß die Reisenden, die sie erstarrt im Schnee finden, meist solche sind, die vorher — zur „Erwärmung" — Branntwein genossen haben, was daraus hervorgeht, daß die Flasche sich noch bei dem Leichnam vorfindet. — Gleiches zeigt sich übrigens auch anderwärts. Der höchste Gipfel der Anden, der Aconcagua, ist von Hrn. Fritz Gerald in Begleitung des Führers Mathias Zurbriggen aus Saas Fee (Schweiz) erstiegen worden. Zurbriggen hat mehrfach den Monte Rosa bestiegen; er hat 14 Monate auf den Höhen des Himalaya zugebracht und zweimal die Berge von Neu-Seeland erstiegen. Ueber seine Lebensweise befragt, die es ihm ermöglichte, diese außerordentlich
Augen aber wurden feucht, als sie den Schmuck unter fremden Händen zerstört sah, der einst der teuren Heimgegangenen in der schönsten Stunde ihres Lebens als Zierde gedient hatte. Das unerbittliche Geschick ließ sie den Jammer bis zum Grunde auskosten.
Welch' ein Kampf hatte dazu gehört, bis das junge Mädchen sich entschlossen, dies letzte Kleinod der toten Mutter fortzugeben; doch sie sagte sich, daß nichts zu schwer oder zu bitter sei, um der Ehre des heißgeliebten Vaters im Grabe noch Genugtuung zu verschaffen.
„Herrliche Steine, mein Fräulein, und auch äußerst wertvolle Perlen", sagte der Juwelier freundlich, „für die Fassung kann ich natürlich nichts geben, denn sie ist unmodern und daher ziemlich wertlos; indes kann ich Ihnen für alles rund 1000 Mk. bieten.
Olga seufzte schmerzlich, dann streifte sie den Handschuh von der linken Hand und zog einen Brillantring ab, um ihn dem Manne zu bieten.
„Ich brauche mehr", flüsterte sie tonlos; „können Sie mir auch dies — teure Andenken abkaufen?"
Voll warmer Teilnahme schaute der Juwelier die Arme an; er kannte ihr schweres Geschick und berechnete das Kleinod zum höchsten Preise, um ihr so viel er konnte die schwere Last, die sie trug, zu erleichtern.
Ein versiegeltes Kuvert in den Händen, verließ Olga den Laden, nicht ohne dem braven Manne mit warmem Dankesworte Lebewohl gesagt zu haben, denn schon am nächsten Tage wollte die Majorin mit ihr abreisen. Als sie vor der Wohnung der
beschwerlichen Besteigungen auszuführen, hat er erklärt: „Vor allem völlige Enthaltung von alkoholischen Getränken."
Gegen die Staubplage im Kraftwagen- Verkehr will Hr. L. Klamberg in Frankfurt a. M. Mittel gefunden haben. Er sieht die Beseitigung der Staubplage auf zwei Arten, einmal durch einen an jedem Auto anzubringenden und von dessen Motor zu betreibenden Apparat, der mit vier Mundstücken den aufgewirbelten Staub hinter den Rädern aufsaugt, niederschlägt, netzt, knetet und als feste Masse wieder fallen läßt. Der Apparat arbeitet angeblich völlig sicher, erfordert wenig Kraft- und Betriebskosten und kann auch so erweitert werden, daß er die ungenügend verbrannten Benzindämpfe aufsaugt und durch Verbrennung unschädlich macht. Die zweite Lösung der Staubfrage soll durch einen „Straßenstaubsaugwagen" erreicht werden, der den Staub aufwirbelt, in Wasser, das ein Bindemittel enthält, niederschlägt und an geeigneter Stelle abladet. Hr. Klamberg, der Geschäftsführer der Luftheizungswerke Schwarzhaupt, Spiecker u. Co. Nachf. in Frankfurt a. M. ist, hat seine Erfindung zum Patent angemeldet.
Aus Sizilien, 10. Juni. Einen kecken Räuberstreich haben mehrere unbekannte Spitzbuben auf einem Landgut unweit Viktoria (Provinz Syrakus) am 2. ds. Mts. ausgeführt. Nach dem Vorbild des Hauptmanns von Köpenick als Gendarmen und Soldaten verkleidet, betraten sie abends das Besitztum eines gerade abwesenden Barons unter dem Vorwand, einen verfolgten Banditen zu suchen, was in Sizilien ja nichts Ungewöhnliches ist. Dann knebelten sie das Dienstpersonal und zwangen die alte Baronin zur Herausgabe der Schlüssel; nachdem sie etwa 70000 Lire an Bargeld, Wertpapieren und Edelmetall eingesackt hatten, speisten sie noch in aller Gemütsruhe an der herrschaftlichen Tafel und verließen erst gegen Mitternacht das gastliche Haus.
Die telephonische Parlamentssitzung. Die praktischen Amerikaner haben bereits oft das Telephon im Gerichtsdienst praktisch angewendet und erst kürzlich lauschte der Richter Sharp von einem Gerichtshof in Maryland in einer New-Aorker Telephonzelle den Argumenten des Rechtsanwalts, der in einem Prozeß zwischen der Stadt Baltimoore und und der Canton Company den einfachen Weg des Fernsprechers wählte, um seine Mandantin zu ver- verteidigen. In Illinois hat man das Beispiel schnell aufgegriffen und ein Richter in West Union erlaubte einem auswärtigen Zeugen ohne Schwierig- keit, Aussage und Eid telephonisch zu deponieren.
Generalin von Martin stand, preßte sie tiefatmend die Hand aufs Herz und ein gequälter Ausdruck prägte sich auf dem blassen Gesichtchen: nun stand sie wohl vor dem allerschwersten Augenblick, denn ihrem Briefe nach wars eine Frau ohne Herz, der sie gegenübertreten mußte. Als Olga der Majorin das Billett gezeigt, worin Frau von Martin sie kühl und hochmütig zu einer bestimmten Stunde ins Hotel bestellte: „um jene fatale Angelegenheit endlich zu erledigen", da war Frau Leutmann blaß geworden und aus den sonst so gütig blickenden Augen brach ein zorniger Strahl.
„Laß mich hingehen mein armes Herz! Was ist das für eine grausame Frau, ohne Herz und ohne Mitleid."
Aber Olga lehnte voll zärtlicher Dankbarkeit gegen die mütterliche Freundin dennoch dies Anerbieten ab; sie mußte selbst den bitteren Kelch leeren.
„So vergiß wenigstens nicht zu erwähnen, daß Du als mein liebes Töchterlein bei mir bist."
General von Martin und seine Gemahlin waren im ersten Hotel abgestiegen.
Vor drei Monaten hatten sie geheiratet und der General bewunderte und vergötterte von Tag zu Tag seine schöne Frau mehr, die sich unglaublich rasch in die neue Stellung und den Reichtum eingelebt hatte.
Schon am Hochzeitstage lernten die Brautjungfern begreifen, welch eine Kluft sie von nun an von der bisherigen Freundin trennte; graziös und mit süßem Lächeln zog die elegante Braut die Scheidelinien.