Run-schau.
Bebel als Militärsachverständiger.
Bei der Beratung des Militäretats im Reichstag hat der sozialdemokratische Parteidiktator Bebel wieder sein altes Steckenpferd geritten, indem er die schweizerische Miliz seinen deutschen Landsleuten als das erstrebenswerte Muster aller Militär- ysteme hinstellte. Er behauptete dabei, daß die chweizerischen Schützen im Schießen zu einer Kunst- ertigkeit ausgebildet seien, die in Deutschland gänzlich unbekannt sei. Außerdem stehe die schweizerische Artillerie trotz ihrer ganz außerordentlich kurzen Ausbildungszeit durchaus auf der Höhe, wie auch von hervorragenden militärischen Fachleuten anerkannt werde. Die Leistungen der schweizerischen Kavallerie seien vorzüglich, wie die ausländischen Stimmen über die schweizerischen Manöver bewiesen hätten.
Mit diesem Urteil des „militärsachverständigen" Bebel sind aber die schweizerischen Fachleute selbst durchaus nicht einverstanden, die am besten wissen, wie wenig das schweizerische Milizheer den Anforderungen entspricht, die man an eine schlagfertige und leistungsfähige Armee stellen muß. Schon seit Jahren beschäftigen sie sich deshalb mit einer Heeresreform, um die schweizerische Miliz der Neuzeit entsprechend zu vervollkommnen. Wie man in der Schweiz über den „militärsachverständigen" Bebel denkt, das zeigt folgende Auslassung der „Thurgauer Zeitung". Das freisinnige Blätt weist darauf hin, daß man durch Lobsprüche, bei denen es Bebel vielleicht um seiner Tendenz willen nicht allzu genau nahm, über den wahren Sachverhalt sich nicht täuschen lassen sollte, und fährt dann fort:
„Wir maßen uns kein Urteil darüber an, inwieweit die Anerkennung, welche Bebel unserer Artillerie und Kavallerie gezollt hat, tatsächlich verdient sei. Wir wollen auch die Frage dahingestellt sein lassen, ob die von Bebel gerühmte Manneszucht unserer Truppen so fest sitze, daß sie auch den stärksten Proben, die nur im Ernstfall gestellt werden, standhalten würde. Aber dessen sind wir sicher, daß die Bemerkungen des Parlamentariers über die Schießkunst unseres Fußvolks etwas weniger enthusiastisch ausgefallen sein würden, wenn er einmal Gelegenheit gehabt hätte, einen schweizerischen Durchschnittsinfanteristen im Sonntagsgewande bei der Erfüllung seiner Schießpflicht zu beobachten. Da lehrt denn doch der Augenschein, daß nur diejenigen Hinlängliches leisten, die entweder ganz besonders veranlagt sind, oder die sich neben dem Militärdienst aus Liebhaberei noch besonders im Schießen üben, daß aber von einer Virtuosität der großen Masse nicht von ferne gesprochen werden kann. Daraus soll natürlich niemandem ein Vorwurf gemacht werden. Jeder, der vom Schießen nur eine Ahnung hat, weiß, daß in 45 Tagen, in die sich zudem noch eine Menge anderen Lehrstoffs drängt, aus einem Menschen, der vielleicht seiner Lebtage noch nie ein Schießinstrument in der Hand gehabt hat, unmöglich ein fertiger Scharfschütze gemacht werden kann. Unsere Vorlage über die neue Militärorganisation zieht aus dieser Tatsache und aus anderen Erfahrungen die richtige Folgerung, indem sie eine längere Ausbildungszeit vorsieht, und wenn sie diese Maßregel auch auf die anderen Waffengattungen ausdehnt, so wollen wir dem Rat der einheimischen Sachverständigen, der dazu geführt hat, eher trauen als den etwas oberflächlichen Lobsprüchen des ausländischen Agitators."
Diese Ausführungen des schweizerischen Blattes stellen der Urteilsfähigkeit der Schweizer in militärischen Dingen offenbar ein besseres Zeugnis aus, als dem alles besser wissen wollenden sozialdemokratischen Parteiführer Bebel sein schlecht angebrachter Vergleich der schweizerischen und deutschen Militärverhältnisse. Der alte Bebel ist eben wieder einmal hereingefallen.
Die freie Vereinigung der Bäckermeister in Berlin und Umgegend hielt eine Versammlung ab, in der Hr. Fischer namens des Vorstandes und der Vertrauensmänner des Vereins über die Verhandlungen vor dem Cinigungsamt und den Schiedsspruch ausführlich berichtete. Dieser wurde von der Versammlung einstimmig abgelehnt, so daß ein Bäckerstreik in Aussicht steht.
Die Strafkammer Landau (Pfalz) verurteilte den Weinhändler Jung aus Edenkoben wegen Weinfälschung zu 5 Monaten Gefängnis. Die Edenkobener Kaufleute Steinhauer und Baumann erhielten wegen Beihilfe zu diesem Vergehen 4 Monate 8 Tage bezw. 4 Monate Gef ängnis. ^
Bühl, 24. Mai. Die Hauptversammlung des Badischen Schwarzwaldvereins findet in Bühl statt. Am Sonntag den 26. Mai ist um ff-12 Uhr die Hauptversammlung im Rathaussaal, im ffs2 im Saale des Friedrichsbaus das Festessen, an welches sich eine Wanderung nach der Burg Alt-Windeck anschließt. Montag früh wird ein Ausflug nach den Gertelbachwasserfällen, die gegenwärtig infolge des vielen Regens besonders ansehnlich sind, weiter nach Wiedenfelsen, Bärenstein, Sand und Plättig gemacht.
Auf der Straße nach Planig bei Kreuznach wurden zwei Radfahrer von 4 Strolchen überfallen und beraubt. Außer Barschaft und Uhren nahmen die Räuber auch die Räder mit sich. Es gelang der Polizei bereits, die Täter, vier Burschen aus Planig und Bochum, zu verhaften.
Eine aus einem halben Dutzend 12- bis 13- jähriger Schulknaben bestehende Diebesbande hatte in Kassel in der letzten Zeit alle möglichen Einbrüche verübt. Lüden ausgeplündert und eine Menge Waren zusammengestohlen. Jetzt ist ihnen endlich die Polizei auf die Schliche gekommen und hat die kleinen Schlingel, als sie nachts gegen 1 Uhr in einem Winkel der Oberstadt eine Beratung abhielten, verhaftet. In ihren Taschen wurden Nachschlüssel, Brecheisen und sonstiges Diebeswerkzeug gefunden. Da sie den Tag benutzten, um Gelegenheit zu nächtlichen Diebereien auszukundschaften, versäumten sie die Schule und hatten deshalb ihre Schultornister im Walde in der Erde vergraben.
Wiedenfelsen, 24. Mai. Das bekannte Kurhaus Wiedenfelsen ging durch Kauf in den Besitz des Adolf Nassoy, früheren Inhabers des Hotels Große in Karlsruhe, über. Der Kaufpreis beträgt 170000 Mk.
Echternach, 22. Mai. An der bekannten Echternacher Springprozession am dritten Pfingsttag nahmen 11892 Springer, 3100 Sänger, 2325 Beter, 484 Musiker, 142 Geistliche und 24 Fahnenträger teil. Mit diesen 17 968 Teilnehmern füllten über 20 000 Zuschauer die engen Straßen des Städtchens.
Nom Rhein, 18. Mai. (Holzwochenbericht.) Im oberrheinischen Rundholzhandel war der Verkehr in jüngster Zeit beschränkt. Einerseits trat keine rege Kauflust hervor und anderseits fehlte es auch an größerm Angebot. Infolge der anfangs Mai abgeschlossenen belangreichen Käufe wurden die Bestände an den oberrheinischen Märkten bedeutend gelichtet, und da inzwischen keine größer» Zufuhren mehr beikamen, so ist die Auswahl gegenwärtig ziemlich schwach. Die Bestände an den Einpolterplätzen sind nämlich fast ganz erschöpft und bis zum Eintreffen neuen Holzes muß jetzt gewartet werden bevor der Markt wieder ansehnliche Auswahl in den verschiedenen Sortimenten erhält. Man rechnet damit, daß in etwa drei bis vier Wochen neues Holz angeflößt werden kann. Was der süddeutsche Langholzhandel augenblicklich noch anzubieten hat, dafür verlangt er feste Preise. Ob das neue Holz besser bewertet werden wird, als das alte, muß noch abgewartet werden. Auf keinen Fall wird man mit einer wesentlichen Preiserhöhung rechnen können. Beim Rundholzeinkauf im Walde hat sich auch neuerdings noch Unternehmungslust gezeigt. Der Markt für geschnittene Tannen- und Fichtenkanthölzer war im allgemeinen recht belebt, da sich die Aufträge häuften. Man glaubt indes, daß der große Ansturm nur vorübergehend sein wird. Die Preise der süddeutschen Sägewerke waren neuerdings sehr verschieden. In fast allen Sorten Ausschußbrettern ist der Vorrat am Markte beträchtlich. Weniger umfassend sind die Bestände in guten und reinen sowie halbreinen Brettern und Dielen. Mit größern Zufuhren österreichischer und rumänischer Ware in nächster Zeit ist sicherlich zu rechnen.
Der-mischtes.
Was Wohnungen in Berlins, dem feinsten Viertel im Westen der Reichshauptstadt, enthalten müssen, erfährt man aus einer Ankündigung, worin es heißt: „Hochherrschastliche 8- und 9-Zimmer- wohnungen mit größer Diele, Bad, 3 Klosetts, geschmackvoll ausgebaut; Warmwasserheizung— Warmwasserversorgung — Fahrstuhl — elektrische und Gasbeleuchtung — Vaccuum-Reinigung — Müllschacht — Stahlpanzer-Safes — Mottenkammern. — In jeder Wohnung eine Normaluhr. — Roll- und Plättstube. — Teppichklopfmaschine". Mehr kann man nicht verlangen!
Mainz, 22. Mai. Hier starb, der „Franks. Ztg." zufolge, der populärste Gastwirt von Mainz, der Besitzer der Brauerei „Zum Birnbaum", Franz Geier. Der Verstorbene war in ganz Hessen und den angrenzenden Distrikten bekannt. Einen be-
Redaktion, Druck und Verlag »»« L. Mreh t« NeueuSürg,
sonderen Ruf hatte er sich auch durch seinen Kinderreichtum erworben. Von zwei Frauen sind ihm 35 Kinder geschenkt worden.
Köln, 21. Mai. Welche Unkenntnis deutscher Verhältnisse manchmal im Ausland herrscht, zeigt auch der folgende Fall. Eine bedeutende englische Firma sendet ihrer deutschen Geschäftsfreund»! ein Schreiben mit folgender Adresse: ^l688i'8. I. A. Lindgens Erben, Hochneukirch Rhein Preußen, UinZäom ok ^V68tplmlia, Oei-manx (Königreich, Westfalen, Deutschland).
Vom Lande im Reichslande, 17. Mai. Der „Elsässer" erzählt folgende Schnurre: Die Frau des Schafhirten von Aheim kam letzthin in die Apotheke und klagte, daß sie vor den Flöhen nicht mehr ruhen, schlafen und rasten könne. „Ich Hab i jo schu g'sait", meinte der Apotheker, „Ihr solle Jnsektepulver davor nemme". „Jo", meinte die gute Frau, „ich pfiff i uf Eier Jnsektepulver. Es nutzt gar nix. Ich Hab schon zwei Päckle vun dem bittere Teifeldings verschluckt, «war d'Kaiwe bisse noch s'nämli, wie davor".
Gute Sommeraussichten sind diesmal vorhanden, wenn der alte Spruch sich bewährt: Treibt die Eiche vor der Esche — Hält der Sommer große Wäsche; — Treibt die Esche vor der Eiche hält der Sommer große Bleiche; — Treiben Esch' und Eich' zugleich — Werden Bürger und Bauer reicht — In diesem Jahre treiben nun beide Baumarten tatsächlich zugleich, so daß wir auf einen guten Sommer hoffen können.
Ein Geschäft, das sich bezahlt macht. Zwischen dem Tenor Caruso und Hrn. Conried ist soeben ein Vertrag zustande gekommen, der alle einst gezahlten Primadonnenhonorare weit übersteigt. Conried hat fortan 4 Jahre lang in allen Erdteilen allein das Recht, Caruso zu — vermieten; anders kann man die Verwertung der Leibeigenschaft, in die der Tenor sich begeben, kaum bezeichnen. Dafür erhält der Sänger allerdings 4 Millionen Franks. Aber auch der russische Bassist Chaliapine kann sich über seinen Kontrakt mit Conried nicht beklagen; er erhält für fünfundzwanzig Vorstellungen vom November bis zuni Februar im New-Aorker Metropo- litain-Opernhaus eine Viertelmillion Franks.
Der unzuverlässige Laubfrosch. Der letzte Woche plötzlich eingetretene Witterungswechsel erinnert den „Gaulois" an eine „Barometergeschichte", deren Held der General Bugeaud war: Es war in Plemcen (Algerien) im Monat März 1839; das Wetter war entsetzlich: Hagel, Regen, Frost usw. Trotzdem forderte Marschall Bugeaud, der Gouverneur von Algerien, alle seine Leute auf, sich für die Uebersiedelung aufs Land bereit zu halten; er kündigte jeden Tag prächtiges Wetter an, aber diese Prophezeiung traf nie ein. Der Marschall besaß einen hübschen kleinen Laubfrosch, der in seinem Schlafzimmer in einem großen Glase ein vergnügtes Leben führte. Nun geschah es aber, daß jeden Morgen der Bursche des Marschalls, ohne daß sein Herr eine Ahnung davon hatte, ein bischen warmes Wasser in das Laubfroschglas goß. Unter dem Einfluß der Wärme kletterte dann der Frosch rasch die kleine Leiter hinauf, bis er sich aus dem Bereich des Wassers entfernt hatte. So wurde alle Tage das unbegrenzte Vertrauen, das der Marschall seinem Froschbarometer schenkte, in geradezu schmählicher Weise getäuscht.
sEnergisch.j Mutter (zur Tochter): „Wenn der Assessor sich heute erklärt, so sagst du ihm, er solle mit mir sprechen; erklärt er sich nicht, so sagst du ihm, ich möchte mit ihm sprechen!"
^Aufregende Lektüre.) Mahnender Arzt: „..Wie, Sie haben meine Rechnung noch nicht einmal gelesen?" — Ehemaliger Patient: „Aber, Herr Doktor, Sie haben mir doch selbst für längere Zeit jede aufregende Lektüre verboten!"
Viersilbige Scharade.
Es nennen meine ersten Beiden Die Quelle höchsten Glückes Euch;
Doch bringen sie auch Qual und Leiden Die letzten zwei, aus Floras Reich Entstammend werden stets im Zimmer Und auch im Garten gern geseh'n. Schön, doch vergänglich, sind sie immer Ein Bild von Blühen und Vergehn.
Die wir vereinigt sind zu schauen Als eine Stadt in Preußens Gauen.
Auflösung des Logogriphs iu Nr. 80 .
Giebel — Geibel.