Zweites

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Blatt.

Der Lnztälen

Blatt.

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Neuenbürg, Mittwoch den 22. Mai 19V7.

65. Jahrgang.

RunSschau.

Deutschland hat einen Schweineüberfluß wie seit Jahren nicht. Auf dem jüngsten Berliner Viehmarkt wurden nicht weniger als 20 904 Schweine aufgetrieben. Das ist eine ganz beispiellos hohe Zahl. Trotz außergewöhnlich niedrigen Preises konnte der Markt bei der Größe des Auftriebes aber auch nicht entfernt geräumt werden. Auch bei Schafen, Kälbern und Rindern blieb ein ganz ge­waltiger Ueberstand.

Ein sonderbares Deutsch leistet sich der sozialdem. Parteivorstand in einemAufruf an die Parteiorganisationen" zur Entsendung von Schülern in die Parteischule. 30 dieser Schüler werden von der Parteikasse vollständig unterhalten. In dem Aufrufe heißt es wörtlich:Wünschbar ist, daß dieses Mal auch Parteigenossen mit in Vorschlag kommen, die bereits in Parteistellungen sich befinden." Wünschbar", und zwar sehr dringend scheint es, daß der Parteivorstand selbst noch einmal in die Schule, aber ja nicht in die Parteischule, sondern in die Volksschule ginge, um denGenossen" zu be­weisen, wiewünschbar" es ist, daß wenigstens die Obergenossen deutsch sprechen und schreiben lernen.

Vor einigen Tagen wurde in das große Kaufhaus Eick Söhne in Esten a. R. ein Einbruchsdiebstahl verübt, bei dem für 600000 Goldwaren und Juwelen entwendet wurden. Der Polizei gelang es, den Einbrecher in der Person eines früheren Haus­knechts zu fassen und ihm für 17 000 ^ Goldsachen wieder abzunehmen. Der Rest der gestohlenen Sachen im Werte von 43 000 ist nun in einem Kornfeld in der benachbarten Gemeinde Caternberg aufgefunden worden, wo sie der Einbrecher vergraben hatte. Ein Hund hatte sich vor der betr. Stelle fortwährend aufgehalten und durch sein Verhalten die Aufmerksamkeit seines Besitzers auf sich gelenkt, der dann Nachgrabungen anstellte.

Wiesbaden, 20. Mai. Durch den Pfingst- verkehr entstand auf der Kleinbahn, die den Verkehr von Eltville nach Schlangenbad vermittelt, infolge Entgleisung ein schwerer Unglücksfall. Ein mit 50 Personen besetzter Wagen schlug um, 32 Personen sind verletzt, darunter 20 sehr schwer. Die Verwirr­ung durch die Explosion des Petroleumkessels war unbeschreiblich.

Mannheim, 20. Mai. Auch in der Nähe unserer Stadt ist jetzt eine Walderholungsstätte für erholungsbedürftige männliche Personen errichtet worden und zwar durch die hiesige Ortskrankenkasse I. Dieselbe befindet sich etwa eine gute Viertelstunde

I« der elfte« Stunde.

8) - (Nachdruck verboten.)

Erzählung von S. von Oberkamp.

Horch! Klingts nicht wie Stimmengemurmel vor seiner Zellentür? Kommen sie, ihn zu neuen Verhören zu schleppen? . . . Von draußen dringt ein Geräusch herein. Und jetzt knarrt ein Schlüssel im Schloß. Ein Schatten steht dort an der Tür, dunkler als die andern Schatten ringsumher.

Und nun tönt das Ausstößen eines Krückstocks durch die Stille und der Schatten schwankt näher.

Margarete!"

Es ringt sich dumpf aus seiner Kehle empor, aber nicht freudig.

Sie streckt ihm die Rechte entgegen. Er berührt sie nicht. Er ist bis an die Wand zurückaetreten.

Mir graut vor Ihnen!" Klanglos fällt es von seinen Lippen.

Ihnen graut vor mir? ... Es muß wohl so sein", murmelt sie leise.Graut mir doch vor mir selbst, vor dem Haß der mich blind gemacht, der mich an Ihre Schuld glauben ließ . . . Aber", fährt sie bitter lächelnd fort,ich habe es gebüßt. In den langen bangen Stunden des Nachdenkens, die jenen Verhören folgten, in den Nächten ohne Ende, die der Schlummer floh, da wars nicht anders als säßen Sie neben mir, Hans Wallnau, und er­zählten mir alles, wie es gekommen. Und da fiel es mit einem Mal wie Schuppen von meinen Augen,

vom Bahnhof Waldhof entfernt und dient Erhol­ungsbedürftigen, ohne Rücksicht darauf, ob dieselben einer Krankenkasse angehören oder nicht, während der besseren Jahreszeit als Tagesausenthalt in ruhiger Lage bei guter Luft und kräftiger Nahrung. Der Verpflegungssatz beträgt pro Tag 1,50 Mk. Die Verpflegung selbst besieht aus einem Frühstück von '/r Liter Milch mit 2 Brötchen, mittags kräftige Suppe, Gemüse und Fleisch und einem Vesper von '/s Liter Milch und 2 Brötchen. Auch Bäder können genommen werden, wofür 25 Pfg. berechnet werden.

München, 17. Mai. Unter der Ueberschrift: Unerbittliche Henker" teilt dieMünchener Post" folgendes mit: Das Amtsgericht Kulmbach hat dem Genossen Schlegel mitgeteilt, daß er am 17. Oktober nachmittags 5 Uhr 10 Min. aus der Zeugniszwangshast entlassen werden wird. Genosse Schlegel muß also die Zeugnisfolter volle 6 Mo­nate bis zur letzten Sekunde ertragen. Das Blatt fügt hinzu:Die Kulmbacher Henker wollen es, daß Bayern in seiner Justizschande in der Welt voran sei."

Straßburg, 21. Mai. Einer merkwürdigen Geschichte ist man, wie dasB. T." meldet, in Straßburg i. E. auf die Spur gekommen. Es soll ein Buchdruckereibesitzer aus Pforzheim sein, der hier selbstgedruckte Fahrkarten zu einer Reise Straß­burg-Zürich und zurück vertrieben hat. Verkauft wurden 420 Billetts HI. Klasse zu 9,20 Mk. Als die Teilnehmer zum Bahnhof kamen, stellte es sich heraus, daß gar kein Extrazug bestellt sei und die Karten ungültig waren. Infolgedessen entstand auf dem Bahnhof ein großer Tumult.

Karlsruhe, 20. Mai. Heute nacht nach zwei Uhr durchreiste ein Automobil unter Führung seines Besitzers, des Studenten Mergenthal, die Kaiser­straße und rannte gegen das Pfründnerhaus, wo­durch der mitfahrende Student Walter derart gegen die Mauer geschleudert wurde, daß er bewußtlos vom Platze getragen wurde. »Mergenthal wurde verhaftet.

Von der Iller, 15. Mai. Eine bestialische Tat verübte der Schäfer A. Schuster in Greimelts- hofen, der in der Trunkenheit ein Schaf erschlagen hatte und deshalb von seiner Frau zur Rede gestellt wurde. Auch sie bedrohte der Tobende; auf ihren Hilferuf eilte der Bruder Schusters hinzu, erhielt aber wuchtige Hiebe mit einer Axt, wobei ihm der Unterkiefer gespalten und drei Finger abgehauen wurden. Der Täter ist entflohen.

und da Hab ich Ihre Unschuld und meine Schuld erkennen gelernt ... und es ließ mir keine Ruhe mekr. Ich schleppte mich hierher Tag für Tag... Endlich habe ich es erreicht. Sie zu sehen durch Geld, durch Versprechungen, durch Tränen. Ich mußte sie sehen; um Ihnen und wärs mit meinem letzten Hauch, zuzurufen, wie ich es jetzt tue:Sie sind schuldlos, Hans!"

Er sieht zu ihr hinüber.

Es ist zu spät", haucht er tonlos.

Nein, nein!" fährt sie heftig auf,es darf nicht, es kann nicht zu spät sein. Ich habe Mut, Sie sollen es erfahren. Ich werde mit eiserner Stirn vor Ihre Richter hintreten; ich werde es der Welt zurufen:

Hans Wallnau hat mich geliebt! Um mein Bild zu besitzen, hat er den Schmuck an sich ge­nommen. Er war auf dem Wege, mir das Kleinod zurückzugeben, da hat man ihn ergriffen."

Der bleiche junge Mann richtet sich finster empor.

Ich verbiete es Ihnen, gnädiges Fräulein, über Dinge zu reden, über die ich geschwiegen. Ich ver­biete es Ihnen, sich in meine Angelegenheit zu mischen."

Unglückseliger, und wenn man Sie verurteilt?"

Dann, Baroneß, werde ich, an die Kette des Verbrechers geschmiedet, gesühnt haben, daß ich Sie an den Krückstock gebracht. Wir stehen dann auf gleichem Fuße. Sie sind elend geworden durch mich und ich bin elend geworden durch Sie."

Sie ist auf die Pritsche niedergesunken.Furcht-

Aus Posen wird gemeldet: Der Klempner­meister Pohl aus Birnbaum, der bei der Ausführ­ung der Klempnerarbeiten beim Eisenbahn-Werk- stätten-Bau in Schneidemühl infolge Unterbietens der Offertpreise sein Vermögen einbüßte, erhielt auf ein Gnadengesuch hin vom Kaiser 6000 ^ In­folge dieses Falls ordnet nunmehr ein Ministerial- erlaß an, daß Offerten mit Preisen, zu denen nach Ansicht der Behörden Arbeiten unausführbar seien, bei Submissionen unberücksichtigt zu bleiben haben.

In Wittgensdorf bei Chemnitz spielte sich ein entsetzliches Liebesdrama ab. Ein Oesterreicher drang in die Wohnung seiner ehemaligen Geliebten, welche aus Abneigung gegen ihn das Verhältnis gelöst hatte, ein und brachte ihr nach einem heftigen Wortwechsel mehrere Stiche in den Hals bei. Auf die Hilferufe des Mädchens eilten Nachbarn herbei, worauf sich der Täter die Kehle durchschnitt, so daß sein Tod auf der Stelle erfolgte. Das Mäd­chen wurde schwer verletzt.

Minks, 19. Mai. Unweit der Station Musaw- jowo brachten Räuber nachts einen Eisenbahnzug zum Stehen nnd versuchten, in den Wagen einzu­dringen, in dem einige Kassenboten der Bahn saßen, die zu Lohnzahlungen auf der Bahnlinie 200000 Rubel mit sich führten. Zwischen den Räubern und den den Zug begleitenden Soldaten kam es zu einem Feuergefecht, bei dem elftere schließlich ge­zwungen wurden, die Flucht zu ergreifen.

Simferopol, 18. Mai. Fünf maskierte be­waffnete Leute überfielen heute nacht auf dem Weg zum Bahnhof einen Kassierer der Asowbank uno raubten ihm 30 000 Rubel. Die Räuber sind ent­kommen. In Tscherkassy erschlugen unbekannte Räuber den Kassierer einer Zuckerfabrik und raubten ihm 11000 Rubel.

Odessa, 20. Mai. In der Nähe des Polizei­bureaus in der Schukowskistraße wurde heute morgen eine Bombe gefunden, die mit furchtbarer Kraft explodierte. Ein Stadtteilaufseher wurde dabei ge­tötet und sein Gehilfe, ein Revieraufseher, 2 Schutz­leute und 4 Vorübergehende verwundet. Der Täter, ein Stiefelputzer, wurde verhaftet.

Die Unterschlagungen in der kommerziellen Ab­teilung der Moskau-Windau-Bybinsker Eisen­bahn umfassen 5 Millionen Rubel, die infolge wahnwitziger Getreide - Spekulationen verschleudert wurden. Mehrere Petersburger Getreidefirmen wußten von dieser Mißwirtschaft schon seit 4 Jahren.

Eine Riesenkundgebung haben die südfranzö-

bare Logik des Schicksals! Darf dies, soll dies das Ende sein?"

Das Ende, Baroneß?" Er streift sie mit einem seltsamen Blick,vielleicht hängt es von Ihnen ab."

Von mir? O, reden Sie, sprechen Sie, wenn es ein weniger schreckliches Enden giebt, als in Kerkermauern I"

Ein weniger schreckliches! Und Sie können noch fragen, ob es ein weniger elendes Enden giebt, als in ehrloser Gefangenschaft, gnädiges Fräulein? Ist das Verschmachten des Bettlers auf öder Land­straße nicht ein himmlisches Sterben gegen das Ab­sterben in öder Gefängniszelle? Sterben in der Freiheit! Sterben, den weiten Himmelsraum über sich! Hier aber, weh mir hier ist nicht Himmel, hier ist nicht Freiheit, hier ist nicht Raum."

Er hat drängend ihre Linke erfaßt und sie ge­waltsam auf- und mit sich fortgezogen.

Sehen Sie hinaus durch dre Gitter dieses Fensters, Margarete", stammelt er.Dies Streif- chen Aether dort oben, das war seit Wochen mein Himmel. O wie man beim Anblick dieser Spanne freien Ausblicks vom Himmel träumen lernt, wie man die Arme breitet nach dem flüchtigen Sonnen­streif, der über dies Fleckchen Blau hinzittert, und wie schmerzhaft-sehnsüchtig man zu dem Stern, zu dem einzigen Lichtpunkt aufschaut, der in uns're Erden- und Kerkernacht hereinleuchtet I. . . O Mar­garete begreifen Sie mich!"

Er hat ihre Finger fester umspannt.