Zweites
Blatt.
Der
täten
Zweites
Blatt.
Neuenbürg, Mittwoch den 8, Mai 1907.
63. Jahrgang
73.
vermischtes. ,
Die Fußpflege beim Wandern.
Wem das Wandern wirklich einen Genuß bringen > soll, der darf natürlich dabei nicht unter körperlichen Beschwerden leiden, und in dieser Beziehung kommen in erster Linie wohl die Füße in Betracht. Es ist unrichtig, wollene Strümpfe als unerläßlich für eine größere Fußwanderung zu bezeichnen; im Gegenteil ist ein leichter, dünner, baumwollener Strumpf, der glatt sitzt und nicht während der Tour auf dem Fuß öder unter dem Fuß sich faltet, entschieden zu bevorzugen, weil er nicht in gleicher Weise brüht, wie der wollene Strumpf und nicht wie dieser die Schweißabsonderung befördert. Vor dem Antritt der Wanderung soll kein kaltes Fußbad genommen werden, und mit Salizyl-Streupulver wird leicht zwischen den Zehen gepudert. Den Fuß einzufetten empfiehlt sich weniger, da unterwegs das Fett ranzig wird und dann leicht die Haut reizen kann. Freilich darf der Stiefel nicht drücken, ohne zu lose zu sitzen. Bei Stiefeldruck wird sich Hirschtalg oder ein anderes indifferentes Fett nicht ganz vermeiden lassen. Während der Tour ein Fußbad zu nehmen, ist nicht ratsam, da auf kurze Erquickung nur ein um so stärkeres Brennen der Füße folgt. Auch am Ende der Wanderung soll nicht ein kaltes, sondern ein warmes Fußbad, das während des Tages gequälte Organ wieder zur Norm zurückbringen. Zu der Pflege des Fußes gehört aber auch in hervorragender Weise der Schuh, der nicht zu schwer und dessen Oberleder nicht zu dick sein darf und der, wie schon erwähnt wurde, gerade richtig sitzen muß, ohne daß er dem von ihm bekleideten Fuß zu viel Spielraum gönnt, wodurch Reibungen und Blasen entstehen, oder daß er sich durch Druck schmerzhaft äußert. Darum soll man zum Wandern niemals einen fertig gekauften Schuh nehmen, sondern solche nach seinem Leisten machen lassen, uno auch kein fester Schuh soll es sein, sondern ein Schnürstiefel, der stets der Fußform angepaßt sein kann.
Deutsche Kriegsluftschiffe. Phantasiebilder, die die Zukunft vorausahnend zu schildern unternehmen, werden oft wenigstens zum Teil durch die Tatsachen überholt. In dem Buche Rudolf Martins „Berlin-Bagdad", dessen Beschreibung der Luftfahrten und Luftkriege in nächster Zukunft so überraschend wirkte, kündigt der deutsche Kaiser in seiner Rede am 1. Januar 1910 an seine kommandierenden Generale die Erhöhung des außerordentlichen Kriegsetats um eine einmalige Summe von einer Milliarde Mark zur Erweiterung der deutschen
In der elften Stunde.
I) -(Nachdruck verboten.)
Es fiel ein Stern durch die Nacht und in derselben leid- und freudvollen Minute wurde dem Baron Ernst von Lenor ein Mägdlein geboren.
Die arme junge Mutter aber warf noch einen letzten Blick sehnsuchtsvoller Liebe und scheidender Wehmut auf ihr Kind, ihren Gatten, und dann schlossen sich für immer ihre Augen.
Draußen im Nebengemach harrten unterdeß still und feierlich die Freunde und nächsten Gutsnachbarn des Barons, der Bankier Johann Ulrich Wallnau und seine Frau auf den Ausgang der schweren Stunde, während Hänschen, ihr ältestes fünfjähriges Söhnchen, am Fenster stand und sich bemühte, mit dem rosigen Zeigfingerchen die unzähligen Himmelslichter droben am Firmament zu zählen. . . .
Da trat der stille ernste Mann in ihre Mitte. In den wenigen Augenblicken schien er um viele Jahre gealtert. Sie brauchen ihn nicht zu fragen und er braucht es ihnen nicht zu sagen. Das traurige Ereignis stand in seinen Mienen geschrieben.
Er jedoch — um seine aufquellenden Tränen u verbergen — trat zu dem Knaben am Fenster, chloß ihn heftig in die Arme und sagte mit bebender Stimme:
„Soeben hast Du eine Gespielin bekommen, Hänschen l"
Kriegsluftflotte an. Heute steht nun schon fest, daß das deutsche Reich bereits vor dem Jahre 1910 eine stattliche Kriegsluftflotte besitzen wird. Die Erwerbung der von Gebrüder Lebaudy gebauten und von Gas getragenen Motorluftschiffe „Lebaudy" und „Patrie" durch die französische Heeresverwaltung und die Erbauung der beiden weiteren Kriegsluftschiffe „La Republique" und „La Dsmocratie" haben wohl die aeronautischen Bestrebungen der deutschen Heeresverwaltung beschleunigt. Nicht allein, daß das deutsche Reich sich zur Unterstützung des starren Aluminiumluftschiffes des Grafen Zeppelin entschlossen hat, und daß der Kaiser durch die von ihm begründete Studiengesellschaft für Motorluftschiffahrt dem unstarren Motorluftschiff des Majors von Parseval seine Förderung angedeihen ließ, der Kommandeur des preußischen Luftschifferbataillons, Major Groß, ist mit dem Bau eines besonderen deutschen Kriegsluftschiffes seit Monaten beschäftigt. Ein großes Modell dieses ersten deutschen Schlachtluftschiffes hat in den letzten Wochen wiederholt kurze Fahrten an der Leine unternommen. Das Modell selbst ist ein kleineres vollkommen brauchbares Motorluftschiff, das 2 Personen zu tragen vermag. An dieser kleineren Ausgabe des künftigen deutschen Kriegsluftschiffes werden die Grundsätze erprobt, nach denen das große Luftschiff gebaut werden soll. Dieses erste deutsche Kriegsluftschiff wird weder dem starren System des Zeppelinischen Aluminiumluftschiffes, noch dem nach Möglichkeit alle Metallteile außerhalb der eisernen Gondel vermeidenden unstarren System des Majors von Parseval angehören. Es steht vielmehr ungefähr in der Mitte zwischen beiden Systemen und ähnelt am meisten den beiden ersten Kriegsluftschiffen Frankreichs. Die einzige, nicht geteilte Gashülle ist auf einer Grundfläche von Metallröhren befestigt. Es scheint noch unentschieden zu sein, ob das große Kriegsluftschiff einen oder zwei Motore erhält. Wahrscheinlicher ist, daß man sich entschließen wird, ihm zwei leichte Benzinmotors zu geben. Dies bedingt schon die Größe des Luftschiffes, das die „Patrie" mit 3150 Kubikmeter Gasinhalt noch wesentlich übertreffen soll. Das erste deutsche Kriegsluftschiff wird wahrscheinlich einen Gasinhalt von wenigstens 4500 Kubikmeter, vielleicht sogar von 6000 Kubikmeter erhalten. Von der Größe hängt die Tragfähigkeit für Benzin und Munition ab. Als das Ziel der deutschen Heeresverwaltung wird angegeben, bei einem Aktionsradius von mindestens 250 Kilometern dem Kriegsluftschiffe noch einen MunitionsVorrat von mindestens 30 Torpedos a 10 Kilogramm zu ermöglichen. Die Leistungsfähigkeit dieses deutschen Kriegsluftschiffes dürfte
Und da deutete Hänschen hinauf in das Aether- meer und entgegnete sehr ernsthaft und sehr altklug:
„Ich weiß es, Onkel Lenor, es fiel vorhin ein Stern vom Himmel auf die Erde."
O der fallenden und verlöschenden Sterne!
Sie war so dunkel, so voll heimlicher Schauer und rätselhafter Schatten, und doch auch so märchenhaft schön, diese Augustnacht. Die Johanniskäfer schwirrten zu Tausenden um Busch und Halm, der Jasmin duftete, und im Gebüsch schlug die Nachtigall.
Es war wie ein Gedicht, was da zwischen Himmel und Erde webte. Und als sollte dies Gedicht sich fortspinnen durch ein ganzes Leben, wie um anzudeuten, daß der Himmel ihnen eine unschätzbare Perle geschenkt, darum nannten sie Hans Wallnau's künftige Gespielen in der Taufe Margarethe.
Hans und Margarethe — „Hänschen und Gleichen", — beide goldlockig, beide rotwangig, wie zwei Märchenkinder.
Das ließ nicht von einander. Das lief immer Hand in Hand, seit es überhaupt auf vier Füßchen laufen konnte.
Und als Gleichen endlich selbst ein vernünftig Wort mitreden konnte in der großen Welt- und Naturgeschichte, da sagte Hänschen oft wie beweisend und erklärend zu ihr:
„Weißt Du, Gleichen, das ist gerade wie in dem Buch, das mit der Vater geschenkt hat, und Du hast auch einen Stern auf der Stirn, just wie die Märchenprinzessinnen ihn haben, und nur die böse Stiefmutter fehlt noch in der Geschichte."
also die der beiden ersten französischen Kriegsluftschiffe bedeutend übertreffen. Daneben wird wahrscheinlich die deutsche Heeresverwaltung sowohl das Zeppelinsche Aluminiumschiff von 11000 Kubikmeter Gasinhalt wegen seiner großen Tragfähigkeit als auch das Parsevalsche Motorlustschiff wegen seiner leichten Transportfähigkeit erwerben.
Haftung der Automobilfahrer Fuhrwerken gegenüber. Die Zeitschrift „Der Holzmarkt" bringt aus der „Deutschen Juristen-Zeitung" die nachstehende, wie es scheint, noch sehr wenig bekannte Entscheidung des Reichsgerichts: B. fuhr eines Tages mit seiner Ehefrau in einem von ihm selbst gelenkten Einspänner die Chaussee entlang, als ihnen das Automobil des Beklagten, von diesem selbst geleitet, entgegenkam. Kläger wurde es auf ungefähr 300 Schritte gewahr, stieg, da sein Pferd an Automobile nicht gewöhnt war, auch früher schon einmal vor einem solchen gescheut hatte, ab, faßte das Pferd am Kopf und führte es an den Straßenrand, wo er es festzuhalten suchte. Gleichzeitig suchte er mit erhobenem linkem Arme dem Automobil ein Zeichen zu geben, das Beklagter allerdings nicht bemerkt haben will, so daß er seine Fahrt in demselben Tempo, nämlich mit der polizeilich zugelaffenen Geschwindigkeit fortsetzte, obwohl das Pferd unruhig wurde, den Kopf hob und mit den Vorderbeinen trippelte. Als das Automobil nahe heran war, machte das Pferd einen Seitensprung, wobei die Deichsel brach, und ging durch. Die Ehefrau des Klägers wurde aus dem Wagen geschleudert und erlitt einen Schädelbruch, an dessen Folgen sie starb. Kläger klagte auf Schadenersatz für sich und seine Kinder. Das Reichsgericht hob das Urteil der Vorinstanz, durch das die Klage abgewiesen war, auf. Auch in diesem Urteil war schon ausgeführt, daß der Automobilführer nicht bloß die Polizeivorschriften zu beachten, sondern je nach Lage der Sache darüber hinaus Schaden zu verhüten bestrebt sein müsse, nahm aber an, daß vorliegend dazu keine Veranlassung Vorgelegen habe. Das Reichsgericht stellt fest, daß, der Gefährdung entsprechend, von den Äutomobilfahrern ein besonders hoher Grad von Vorsicht zu fordern ist, gemäß dem Grundsatz, daß mit dem Grad der mit einem Unternehmen oder Betriebe für Dritte hervorgerufene Gefahr sich auch die Anforderung an die anzuwendende Sorgfalt steigert. Danach habe Beklagter sich nicht darauf verlassen dürfen, daß es dem Kläger gar wohl gelingen werde, das Pferd zu beruhigen. Er mußte halten, wenn auch nur eine (nicht bloß entfernte) Möglichkeit einer Gefahr für die Insassen des Wagens vorhanden war. Vorstehende, in erheb-
Und dann fehlte merkwürdigerweise auch die Stiefmutter nicht mehr in der Geschichte. An einem Sonntag im Juli zog sie ein auf Haus Lenor, und am Montag darauf schon kam Hänschen mit dicken Tränen in den Augen und mit einem noch dickem Butterbrot in der Hand zu Gretchen gerannt. Feierlich zerbrach er das Butterbrot in zwei Stücke, reichte die eine Hälfte seiner kleinen Gespielin und sprach mit männlich-ritterlicher Entschiedenheit:
„Von jetzt ab teil ich immer meine Butterbrote mit Dir, denn der Fuhrknecht Mals hat mir heute morgen gesagt, bei den Stiefmüttern gäb's kein Brot mit Butter darauf."
Und so war's denn abgemacht. Teilung der irdischen und Teilung der himmlischen Güter.
Ob's im Winter in der Residenz, ob's im Sommer auf dem Lande war, es ging alles in Gemeinschaft. Der Unterknecht Barthel machte sich ein ganz besonderes Vergnügen daraus, die „jungen Herrschaften" rücklings in seinem riesigen Tragkorb auf's Feld hinauszutragen, und der Fuhrknecht Mals seinerseits setzte die „jungen Herrschaften" auf jeden frisch geladenen Heuwagen und die „jungen Herrschaften" verstreuten ihm zum Dank dafür das Heu und machten die Pferde mit ihrem Gejauchze scheu.
Aber — es sollte auch mit dem Jubilieren und Tirilieren einmal ein Ende haben, wie denn alles einmal ein Ende hat auf der Welt, und es kam ein Tag, ein böser Tag, an welchem hinter der Taxushecke, welche die beiden Gutshöfe ihrer Eltern