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D«r «nztäler.

Anzeiger für das Enztal und Umgebung.

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Neuenbürg, Montag den 29. April 1907.

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rrunSschau.

Straßburg, 27. April. Der Kaiser traf L Uhr 30 Minuten von Homburg mittels Sonder­zugs hier ein und wurde am Bahnhof vom Statt­halter Fürsten zu Hohenburg-Langenburg. empfangen. Im Automobil begab er sich mit dein Statthalter in langsamem Tempo durch die Fest- ftraßen, wo Truppen Spalier bildeten, nach dem kaiserlichen Palast. Abends fand im Kaiserpalast ein Diner statt, zu welchem die Spitzen der Behörden, sowie die Herren der Umgebung geladen waren.

Straß bürg i. Els., 28. April. Der Kaiser begab sich um 10 Uhr mit den Herren der Um­gebung in die evang. Garnisonskirche, wo er an dem -Gottesdienst teilnahm. Auch der Statthalter wohnte demselben bei. Um 11 ff- Uhr begab sich der Kaiser zum Kaiserpalast und von da mit dem Statthalter und der Umgebung in zwei Automobilen nach Osthausen, wo das Frühstück bei dem Unter­staatssekretär Freiherrn Zorn von Bulach ein­genommen wurde. Der Kaiser besichtigte mit großem Interesse den an vielen Altertümern reichen lang­jährigen Edelsitz der Familie Bulach und trat als­dann die Weiterfahrt nach der Hohkönigsburg an, begrüßt von einer großen Menschenmenge, die aus dem ganzen Kreise in Osthausen zusammengeströmt war.

Der Reichstag setzte am Donnerstag die Be­ratung des Militär et als fort, wobei Kriegsminister v. Einem dem Abg. Noske (Soz.) scharf entgegen­trat. Energisch verwahrte er sich gegen den vom Abg. Noske erhobenen Vorwurf desSäbelgerassels" und der Renommage. Aber die liebenswürdige Auf­forderung, friedliche Politik zu treiben, komme etwas zu spät, denn seit 1871 werde schon in diesem Sinne gehandelt. Jede der Feststellungen des Kriegs­ministers begrüßte das Haus mit lebhaftem Beifall. Abg. Graf Mielcielski (Pole) erging sich aus­führlich über den Boykott polnischer Lokale durch die Militärverwaltung, was den Kriegsminister veran­laßt?, zu erklären, daß er den Boykott zwar für keine schöne Waffe halte und sehr dafür sei, daß kein Gebrauch von ihr gemacht werde, aber die Polen hätten selbst den Boykott zu einer National­waffe erhoben. Die erngebrachten Resolutionen wurden sämtlich angenommen. Am Freitag wurden die Beratungen des Militäretats zu Ende geführt. Die Debatte bot nichts Bemerkenswertes. Abg. Pauli (kons.) besprach ausführlich die Lage der Büchsenmacher und anderer Kategorien der Militär­beamten. Abg. Zubeil (Soz.) hielt seine alljährliche Rede über die Arbeiter in den Spandauer und Hanauer Militärwerkstätten. Eine Behauptung des Abg. Müller-Meiningen (fr. Vp.), daß das Bezirks­kommando Dresden einen Reservisten bestraft hätte, weil er am Abend des Tages der Kontrollversamm- lung einer Gewerkschaftsversammlung beigewohnt hatte, wies der sächsische Militärbevollmächtigte Oberst v. Salza als glatt erfunden zurück.

München, 27. April. Der Gesamtvorstand des Bayerischen Industriellen Verbandes hat sich heute einstimmig gegen eine Beteiligung an einer Weltausstellung in Berlin ausgesprochen.

Zur Haftpflicht der Kraftwagenbesitzex haben die Konservativen im Reichstag beim Etat der Reichsjustizverwaltung eine Resolution einae- bracht, in der um Vorlegung eines Gesetzentwurfes ersucht wird, der den Betriebsunternehmer für den bei dem Betriebe von Automobilen auf öffentlichen Straßen und Plätzen entstandenen Personen- und Sachschaden haftbar macht, sofern der Betriebs­unternehmer nicht beweisen kann, daß der Unfall durch eigenes Verschulden des Beschädigten oder durch höhere Gewalt verursacht war.

Je näher der Mai heranrückt, in welchem die Haager Friedenskonferenz zusammentreten loll. desto mehr wird gegen das Deutsche Reich, das seine Friedensliebe jetzt 37 Jahre hindurch durch

die Tat bewiesen hat, von deutschfeindlichen Aus­ländern und teilweise auch Inländern gehetzt und Deutschland als Friedensstörer in Europa hingestellt. Nun aber wendet England für seine Wehreinrichtungen zu Wasser und zu Lande jährlich 1257 Millionen Mark auf, d. h. 240 Mill. mehr als das Deutsche Reich. Auf den Kopf der Be­völkerung betragen die Kosten für die Wehrkraft in England 29 Mk., in Frankreich 20 Mk., in Deutsch­land 16 Mk., in Oesterreich-Ungarn 11 Mk., in Italien 10 Mk., in den Ver. Staaten von Nord­amerika 8 Mk. und in Rußland 7 Mk. Seit 1870 hat sich in Frankreich die Einwohnerzahl nur um 3 Millionen vermehrt, während die Friedensstärke des französischen Heeres um 195 000 Mann erhöht wurde. Deutschland, dessen Bevölkerung sich um 20 Millionen vermehrte, hat sein Heer in demselben Zeitraum nur um 183000 Mann verstärkt; also hat Frankreich für jede Million Einwohner, um die seine Bevölkerung in dieser Zeit zunahm, sein Heer um 65 000 Mann, Deutschland aber nur um 9150 Mann vermehrt. Im Jahre 1875 hat Deutschland 52 °/o seines Gesamtbudgets für Heer und Flotte ver­wendet, im Jahr 1903 aber nur noch 28"/» des Gesamtbudgets.

Daß auch Rußland an keine Abrüstung denkt, geht daraus hervor, daß eine Regierungsvorlage in diesem Jahre die Aushebung von 463 000 Rekruten, also fast ebenso viel wie in den Kriegsjahren fordert. Eine Vergrößerung der Präsenzstärke wird vom Kriegsminister einerseits auf innerpolitische Zustände, anderseits auf die Notwendigkeit der Verstärkung der asiatischen Truppen gegründet.

Paris, 27. April. Heute find 2000 Köche und Küchenjungen in den Ausstand getreten. Minister­präsident Clemenceau empfing heute eine Abordnung der ausständigen Bäcker. Er machte ihr Vorwürfe wegen der von einem Teil ihrer Genossen begangenen Ausschreitungen und erklärte, er schäme sich, ge­zwungen zu sein, in den Straßen so viel Soldaten zu halten, um die Ordnung zu sichern. Die Bäcker werden dem Ministerpräsidenten eine Aufstellung ihrer Forderungen überreichen.

Die Verlodderung in dem schönen Spanien zeigt sich soeben wiederum in dem Verfall der be­rühmten Alhambra, der alten maurischen Königs­burg in Granada. Die Gemächer, Türme und Ga­lerien sind, wie eine angestellte Untersuchung gezeitigt hat, äußerst baufällig, ihr Einsturz ist kaum noch aufzuhalten. Dabei haben die Kortes in den letzten Jahren wiederholt mehrere hunderttausend Mark für Renovierungsarbeiten an der Alhambra bewilligt, aber diese Gelder sind niemals für den gedachten Zweck zur Verwendung gelangt.

Der Bau der Eisenbahn von Dar-es- Salaam nach Mrogoro, die etwas über 200 Kilometer lang wird, ist so weit vorgeschritten, daß 140 Kilometer befahren werden können, wenngleich erst 27 Kilometer dem öffentlichen Verkehr über­geben sind; weitere 60 Kilometer sollen gegen Mitte dieses Jahres fertig werden. Der Bau hat vor anderthalb Jahr begonnen. Der Ort Mrogoro, Sitz eines Bezirksamtes, wächst sich rasch aus. Am Mlali sind die europäischen Ansiedelungen im Zu­nehmen begriffen. Sie sind auf Kautschuk-Kultur und Lebensmittel-Produktion berechnet. Alles ver­fügbare Land in den Bergen soll schon vergeben jein. Es werden immer mehr Bergbaufelder auf Glimmer in Angriff genommen.

General Booth, der gegenwärtig in Japan weilt, wird dort mit unerhörten Ehren überhäuft. Am Samstag empfing der Kaiser den Gründer der Heilsarmee, der die Heilsarmeeuniform angelegt hatte.

Wie Walliser Blätter melden, bietet der elek­trische Betrieb des Simplontunnels keine Hindernisse mehr. Demnächst werde eine neue Loko­motive mit 1000 Pferdekräften konstruiert, die weit rascher fahren soll, als die bisherigen Maschinen.

65. Jahrgang.

Konstanz, 28. April. Hier herrscht seit zehn Stunden starker Schneefall.

Bis jetzt sind dieses Frühjahr mit der Gott­hardbahn über 70000 italienische Arbeiter nach der Schweiz befördert worden. In einer der letzten Nächte beförderte die Bahn allein 4000.

Seit zwei Tagen wohnen in Niederbronn imHotel Matthis" 27 höhere Offiziere der eng­lischen Armee. Unter der Leitung des Generals Wilson besichtigten die Herren die Schlachtfelder von Weißenburg. Wörth und Fröschweiler. Die Offiziere reisen ab über Spichern nach Metz, wo die dortigen Schlachtfelder besucht werden. Seit 29 Jahren trifft die Kriegsakademie von Comberley im Frühjahr regelmäßig hier ein.

Eine reiche Amerikanerin, die von Baden-Baden in ihrem Automobil nach Bad Voll zur Kur fuhr verlor unterwegs einen Pelzkragen aus Zobel im angeblichen Werte von 10000 Mark. Die Nach­forschungen nach dem kostbaren Stück waren bisher vergeblich.

New-Aork, 20. April. Automobile für den Nordpol. Nachdem die Polarforschung bisher mit Dampf- oder Segelschiffen, mit Hundeschlitten und selbst mit Luftballons ihr letztes Ziel noch nicht erreichen konnte, wenden sich die Nordpolfahrer dem Automobil zu. In Amerika sind zur Zeit bereits sechs große Automobile in Konstruktion, die im Jahre 1908 gegen den Pol aufbrechen werden. Zwei davon sind für Dr. Frederick A. Cook be­stimmt, der schon an einer der Pearyschen Expedi­tionen teilgenommen hat; eines hat Anthony Fiala bestellt, der die Ziegler-Expedition leitete; die übrigen drei sind zu anderen Expeditionen bestimmt, die ebenfalls wie Cook und Fiala im nächsten Jahre zur Fahrt nach dem Nordpol aufbrechen werden. Die Automobile werden für die Verwendung auf Land wie im Wasser konstruiert; sie werden nach dem Prinzip desskooter" gebaut, die von Long- Jslandseglern schon erprobt sind und die sowohl auf dem Eise wie im Wasser zu gebrauchen sind. Erst kürzlich erzielte ein neukonstruierter Automobilskooter auf dem Eise eine Stundengeschwindigkeit von 70 englischen Meilen, und man glaubt, die Schnelligkeit bis auf 100 steigern zu können. Auch im Wasser entwickelt das Fahrzeug eine ansehnliche Geschwin­digkeit.

Württemberg.

Stuttgart, 27. April. Die am 3. Mai vor dem K ö n i g stattfindende P a r a d e der Truppen der Standorte Stuttgart-Cannstatt und Ludwigsburg findet auf dem Cannstatt gelegenen Teil des Exerzierplatzes statt und beginnt um 10 Uhr vormittags. Für die Zuschauer zu Wagen werden vom Gouvernement Stuttgart Wagenkarten ausgegeben.

Stuttgart, 27. April. Die zweite Kammer ist trotz der Mahnung des Berichterstatters Kraut zu möglichster Kürze auch heute noch nicht mit der allgemeinen Beratung über den Justizetat fertig geworden. Mayer-Ulm (Vp.) sprach in belebter Rede von den Mängeln des Strafprozeßverfahrens. Er verlangt Neuorganisierung der Protokolle. Rembold-Aalen (Ztr.) führte aus, daß Mayers An­regungen auch von seiner Partei vertreten werden. Er ist gegen die Erhöhung des Alters der Straf­mündigkeit. Er spricht sodann für die Anwälte, deren Gebühren oft kein ordentlicher Lohn der Arbeit feien. Der Abg. Haußmann-Balingen (Vp.) forderte Einschränkung der Vorvereidigungen, sowie größere Rücksicht auf die Angeklagten und erteilte dem Beobachter einen Verweis, weil dieser die von dem Referenten Kraut betonte Not der Rechts­anwälte belächelt hatte. Der Abg. Vogt (Bd.) wandte sich im Interesse unserer heimischen Industrie gegen die Resolution betr. die Haftpflicht bei Auto­mobilunfällen. Dr. Eisele (Vp.) trat für Ent­schädigung der Schöffen und eine Revision des