RunSschau.

Karlsruhe. Dem neuen badischen Minister des Innern, Frhrn. H. v. Bodman, wird als einer der hervorstechendsten Charakterzüge ein außer­gewöhnliches Maß formaler Korrektheit nach­gesagt. Sie geht oder ging einmal soweit, daß Hr. v. Bodman einen Strafbefehl gegen sich selbst veranlaßt haben soll. Eines Tages, so erzählt die Fama aus seinem früheren amtlichen Wirken, zeigte er sich dem zuständigen Polizisten an, weil er, der Hr. v. Bodman, sein Dienstmädchen nicht rechtzeitig gemeldet habe, mit der Weisung, ihm einen Straf­befehl über 5 Mk. zu besorgen. Der Polizist nahms als einen Scherz, und der Strafbefehl kam nicht. Doch Hr. v. Bodman bestand auf seinem Schein und erwirkte die Ausfertigung des Strafbefehls nun bei der höheren Polizeiinstanz direkt, zahlte seine selbstverhängte Buße und konnte nun mit seinem eigenen guten Beispiel einen jeden abführen, der sich etwa über zu strenge Handhabung der Melde-Vor- schriften beschwert haben würde. Somit bestehen die besten Aussichten, daß auch der Minister v. Bod­man unbedingt gleiches Recht für alle walten lassen wird. Eine weitere Geschichte, die man sich er­zählt, ist nicht weniger originell: Man erzählt sich, daß er einst als Amtmann in Baden-Baden kurzer­hand dem Großherzog als dem Besitzer des Schlosses einen Strafzettel geschickt habe, weil aus dem Schlosse anläßlich der Hochzeit gegen das Polizeiverbot geschossen worden, und der eigentliche Täter nicht zu ermitteln war.

Gegen eine Weltausstellung in Berlin im Säkularjahr 1913 wenden sich die bayerischen Großindustriellen des Maschinenbausaches, der Möbelbranche, der Textil- und Bauindustrie. Aus den abgegebenen Gutachten, die ausnahmslos ab­lehnend lauten, klingt eine absolute Abneigung, Unlust und Ausstellungsmüdigkeit. Allenthalben wird die Bedürfnisfrage entschieden verneint und besonders vor Veranstaltung einer Weltausstellung gewarnt, da diese sich überlebt hätten, kein Interesse dafür vorhanden sei, die schweren Opfer in keinem Verhältnis zum Nutzen stehen und die Ausstellungen nur eine Art lästiger Repräsentation bedeuten.

Ein Raufbold, der ledige Maurer Jakob Linder aus Iggelheim in der Pfalz, 28 Jahre alt, kam abends in eine Wirtschaft in Friesenheim, fuchtelte mit einem Revolver in der Luft herum und rief:Komm mir nur keiner in die Querl" Plötzlich ging ein Schuß los und traf den Tag­löhner Brenner, der sofort tot war. Der Täter ist ein Raufbold, der erst kürzlich eine zweijährige Ge­fängnisstrafe verbüßt hat; der Getötete war als braver Mann bekannt. -- Angesichts solch boden­loser Roheit wird gewiß in Millionen Herzen das lebhafte Bedauern sich regen, daß die Prügelstrafe nicht existiert.

Mosbach, 25. April. Einen Bubenstreich mit sehr üblen Folgen verübte jemand in der Nacht vom 21. auf 22. ds. Mts. in Neckarzimmern. Es wurde nämlich der abseits im Graben gestandene Handkarren des Straßenwarts mitten auf die Straße gestellt. Ein Automobil von Neckarsulm befuhr in jener Nacht die Straße und stieß wider den Karren. Ersteres fiel infolge des heftigen Stoßes um und dessen Insassen wurden auf die Straße geschleudert. Von denselben erlitt dabei der Amtsgerichtssekretär von Neckarsulm sehr schwere Verletzungen. Der Täter ist noch nicht ermittelt.

Ludwigshafen, 25. April. Der 30 jährige Schieferdecker Hans Bechtel hat seine 25 jährige Ehefrau erschlagen und dann aufgehängt. Nach der Tat wurde der Mörder flüchtig. Der Polizei ist es bisher nicht gelungen, des Mörders habhaft zu werden. Die Frau hinterläßt drei kleine Kinder.

Vom Rhein, 20. April. (Holz-Wochenbe­richt.) Die rheinische und westfälische Säge-Indu­strie hat sich im Rundholzeinkauf sehr zurückgehalten, und es konnte sich infolgedessen der oberrheinische Rundholzhandel nicht beleben. Das Sägegroßgewerbe war bisher gegen sonst verhältnismäßig schwach be­schäftigt. Die Stockung im Handel konnte bei ihrer länger» Dauer nicht ohne Einfluß auf die Marktlage bleiben. Und so hat sich denn am oberrheinischen Rundholzmarkt eine Abschwächung der Preise voll­zogen. Am Mannheimer Markt ist heute Mittelholz zu 26 Mk. und Meßholz zu 28 Mk. das Festmeter erhältlich. Der Mainzer Markt ist zurzeit mit Vor­räten sehr gut versehen. Die Zufuhren auf dem Neckar von Heilbronn aus an den Mannheimer Markt waren in letzter Zeit bescheiden. Offenbar wollte man in den Kreisen des Langholzhandels einen weiteren Druck auf die Preise vermeiden.

Wenn bei Eröffnung der nordischen Schiffahrt, die innerhalb weniger Wochen zu erwarten steht, nun auch noch mit der Einfuhr russischen Rundholzes, das von einigen bedeutenden rheinischen Sägewerken in größer» Posten gekauft wurde, begonnen wird, dürfte kaum eine Erholung des rheinischen Rund­holzmarktes zu erwarten sein. Trotzdem war bei dem Rundholzeinkauf im Walde bisher eine ausge­prägte Hausse-Tendenz vorhanden, selbst bei den jüngsten Versteigerungen, in denen allerdings in der Hauptsache die Sägeindustrie Süddeutschlands als Hauptkäuferin auftrat. Der Bauholzmarkt stand zum Teil unter dem Einfluß der rückgängigen Rund­holzpreise. Am Niederrhein wurde zwar an dem Preise von 48 Mk. für baukantig geschnittene Ware frei Rheinhäfen festgehalten, allein in Süddeutsch­land liegen die Verhältnisse wesentlich ungünstiger. Namentlich wurden von Schwarzwälder Sägewerken durchschnittlich recht niedrig gehaltene Angebote an den Markt gelegt. So wurden zuletzt für das Fest­meter mit üblicher Waldkante geschnittene Tannen- und Fichtenkanthölzer frei Eisenbahnwagen Mann­heim 43 Mk. verlangt. Am rheinischen Brettermarkt konnte sich die feste Stimmung in vollem Umfang erhalten. Während der jüngsten Zeit sind am ganzen Rhein ansehnliche Zufuhren in amerikanischen Pitch- und Red Pine-Rohbrettern für die Hobelholzher­stellung eingetroffen, so daß das Angebot sich auf ziemlich regelmäßiger Höhe hält.

Die Erfindungen im deutschen Reiche nehmen in großer Zahl zu, so daß man sagen kann, wir stehen im Zeitalter der Erfindungen. Schuld daran sind eben der Konkurrenzkampf und das Streben nach Gewinn. Nicht weniger als 33 822 Patente und 34 653 Gebrauchsmuster ge­langten im vergangenen Jahre 1906 beim Kaiser­lichen Patentamt zur Anmeldung. In demselben Jahre gelangten jedoch nur 12 357 Haupt- und 1073 Zusatzpatente, insgesamt 13 438 Patente, zur Erteilung, während die beträchtliche Anzahl von 8322 Patentanmeldungen zurückgewiesen wurde. Außerdem wurden 4761 Anmeldungen zurückgezogen, 4997 Anmeldungen auf den Vorbescheid hin nicht weiterverfolgt. Von den 34659 Gebrauchsmuster- Anmeldungen führten 28 255 zur Eintragung, wäh­rend 5444 Anmeldungen ohne Eintragungen erledigt wurden. Von letzteren wurden 500 Anmeldungen vom Anmelder selbst zurückgezogen, 2653 Anmeld­ungen zurückgewiesen und 1291 Anmeldungen durch Erteilung des gleichzeitig auf denselben Gegenstand angemeldeten Patentes erledigt.

Ein Geläut aus Gußstahl. Man schreibt uns: Für die neue Versöhnungskirche in Dresden Striesen wurde auf einstimmigen Beschluß des Kirchenvorstandes, nachdem durch eine größere Deputation in Berlin eine Anzahl von Geläuten aus Gußstahl und Bronze vergleichsweise geprüft worden war, ein großes Geläut aus drei Gußstahl­glocken bei dem Bochumer Verein für Bergbau und Gußstahlfabrikation in Bochum bestellt. Das Ge­läut wird ein Gewicht von ca. 10000 Kilogramm haben. Es wird das erste Geläut dieser Art in Dresden sein.

Ein Veteran von 1848/49 starb in Schwarzen­berg im Murgtal. Es dürfte wohl einer der letzten sein, die auf Seite der Regierung in den Revolutionsjahren kämpften.

Der Chauffeur Polleck in Dresden, der mit seinem Automobil ein älteres Ehepaar überfuhr und die Frau tötete, griff aus Verzweiflung zum Strick und erhängte sich.

Innsbruck, 25. April. Gestern brach bei Tisens ein großer Waldbrand aus, der infolge der herrschenden Trockenheit rasch um sich griff. Das Dorf Tisens schwebt in großer Gefahr; einige Gehöfte sind dem Feuer bereits zum Opfer gefallen.

Vermischtes.

Stuttgart ist Großstadt nicht nur wegen der erfolgten Eingemeindungen, sondern auch im wirt­schaftlichen Leben. Obgleich schon zweimal in einem öffentlichen Blatt Klage darüber geführt wurde, daß Stuttgart bezüglich des Hotels- und Restaurations­wesens noch nicht auf der Höhe der Zeit stehe, was freilich allgemeines Kopfschütteln in Stuttgart ver­ursacht hat, haben wir doch Hotels und namentlich auch Restaurants die auf der Höhe der Zeit und ganz besonders auch auf der Höhe der Preise stehen. Letztere wurden wegen der Fleischteuerung beträchtlich hinaufgesetzt und jetzt, nachdem das Schweinefleisch im Preise bedeutend gefallen ist, merkt man noch keinen entsprechenden Abschlag auf den Speisekarten. Weitaus die höchsten Preise verlangt beispielsweise

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ein bekanntes Restaurant am Schloßplatz. Vor uns liegt dessen Speisekarte, woraus wir einige Zahlen geben. Es kostet Butter und Brot 40 Pfg. (ander­wärts 13 Pfg.), Schweizerkäse mit Butter 50 Pfg., Camembert und Brie je 70 Pfg., Roquefort 75 Pfg., von Compoten kosten Zwetschgen und Mirabellen je 75 Pfg., Birnen 1,25 Mk., Kirschen 1 Mk., eine Portion Gefrorenes 1,50 bis 2,50 Mk., eine Por­tion Schokolade 1,50 Mk., Eierkuchen mit Zucker 1 Mk., gefüllte Pfannkuchen 1,40 Mk., Kartoffel­salat 40 Pfg., Kopfsalat 50 Pfg., Gurkensalat 75 Pfennig, eine gebratene Taube 2 Mk., eine junge Ente 6 Mk., ein halber junger Hahn 1,60 Mk., ein ganzer 3 Mk., eine Portion Rahmkartoffeln 50 Pfg., Maccaroni mit Parmesankäse 1 Mk., Carotten (Gelbe­rübchen) 1 Mk., Kalbsnieren je nach Zurichtung 1,50 bis 1,80 Mk., Schnitzel 1,80 Mk., ein Kalbs­kotelett 1,50 Mk., ein Beefsteak 1,80 Mk., eine Portion Rheinsalm 4,50 Mk., eine blaue Forelle mit Butter oder holländischer Tunke 3 Mk., eine Seezunge in Weinsauce 3 Mk., ein Pfannkuchen 1 Mark, ein Spiegelei 25 Pfg, Radieschen mit Butter 60 Pfg., Einlaufsuppe oder Nudelsuppe 60 Pfg., Gerstenschleimsuppe 70 Pfg., ein Viertel Poulard kalt 2,50 Mk., Aalbsnierenbraten 1,20 Mark, ein Rostbeef garniert 1,50 Mk., ein französisches Mast­huhn je nach der Größe von 8 Mk. an, ein dto. mit Trüffeln 10 Mk. Diese Beispiele verdienen inso­fern allgemeine Nachahmung, als dann die aller­meisten Menschen nicht mehr ins Wirtshaus gehen, sondern zu Hause bleiben.

Die gestohlenen Noten. Durch die Wiener Blätter ging dieser Tage die Notiz des Inhalts, daß dem Direktor der Wiener Hofoper, Eugen Mahler, auf einer Konzertreise nach Rom ein Koffer gestohlen wurde, der u. a. auch die Noten zu zwei Symphonien Mahlers enthielt, deren Aus­führung der Komponist persönlich leiten wollte. Mit Bezug auf diesen Vorfall erhält das Wiener Extra­blatt von einem malitiösen Nichtverehrer Mahler'- scher Kompositionen folgende Zeilen:

Herrn Mahler traf ein herber Schlag,

Bon dem er sich schwer wird erholen:

Ihm wurde auf seiner Reise nach Rom Ein Koffer mit Noten gestohlen.

Zum Teufel gingen zwei Symphonien;

Man sucht die Diebe zu fassen,

Ich aber bitte sie auf Knien,

Bon sich nichts hören zu lassen!"

(Aus Amandas Aufsatzbuch.j Wie ich meine Ferien verlebte.Ich half meiner Mutter den ganzen Tag fleißig in der Wirtschaft. Meistens gingen wir spazieren. Auch habe ich Linsen ge­lesen und Rotkäppchen."

jDerb.j Dame:Wie geht's denn Ihrem Kollegen in der Ehe?" Junggeselle:Er trägt seine Frau auf den Händen, die kleinen Kinder auf dem Arm, die großen tanzen ihm auf der Nase herum, und die Schwiegermutter fährt ihm über den Mund und gibt ihm was auf den Kopf."

Scherzfrage.

Welches Kind hat Karl dem Großen die meisten Sorgen bereitet?

Auflösung des Rätsels in Nr. 65.

Schwabe Schwalbe.

Richtig gelöst von Frida Blaich, Neuenbürg; Johann Sieb, Bernbach; Friederike Schmid, Feldrennach; Ludwig Keller, Gaistal bei Herrenalb; Wilh. Großmann, Feilers Sohn, Gotthils Lindner, Briefträgers Sohn, Höfen; Joh. Baier, Oberlengenhardt.

Literarisches.

Neueste vollständige Ge werbe-Ordnung für das Deutsche Reich einschließlich des Jnnungs- und Hand, werkergesetzes nach der neuesten amtlichen Veröffent- lichung nebst dem Reichs-Fleischbeschau-Gesetz. Preis: 1.. Verlag L. Schwarz u. Comp., Berlin

S. 14, Dresdenerflraße 80. Für jeden Handel- und Ge­werbetreibenden, sei er Fabrikant, Kaufmann, Handwerker oder Arbeiter, sei er Landwirt, Gastwirt oder in irgend einem anderen gewerblichen Betriebe tätig, ist es von un- gemeiner Wichtigkeit, mit den Bestimmungen der Gewerbe­ordnung genau vertraut zu sein. Das neue Jnnungs- und Handwerkgesetz ist mit ausgenommen und das Reichs- Fleischbeschau-Gesetz als Anhang beigegeben. Das handliche Format wird als ganz besonders praktisch begrüßt werden

Die neuen Militär-Pensionsgesetze für die Offiziere uud die Unterklassen des Reichsheeres, der Kaiser­lichen Marine und der Kaiserlichen Schutztruppen vom 31. Mai 1906. Verlag: L. Schwarz u. Comp., Berlin 8 14, Dresdenerstraße 80. Preis: 80 Für jeden, der

zum Deutschen Reichsheere, zur Kaiserlichen Marine oder den Kaiserlichen Schutztruppen in Beziehungen steht oder gestanden hat, ist es von ungemeiner weittragender Bedeut­ung, mit den Bestimmungen der neuen Militär-Pensions- gesetze vertraut zu sein. Nur bei Kenntnis der gültigen Bestimmungen und Verordnungen ist man in der Lage, seine Rechte gesetzmäßig wahrzunehmen. Mit Rück­sicht aus die in gewissen Grenzen rückwirkende Kraft des Gesetzes ist namentlich ausgedienten Offizieren und Mannschaften das Studium der klaren Bestimmungen des Gesetzes zu empfehlen.