Zweites

Zweites

Statt.

Der Lnztäler.

Blatt.

^ SV.

Neuenbürg, Mittwoch de» 27. März 1967.

65. Jahrgang.

Rundschau

Für eine Weltausstellung in Berlin, die im Jahr 1913 zur Feier des 25jährigen Regier­ungsjubiläums Kaiser Wilhelms veranstaltet werden soll, treten in Berliner Blättern die Herren Gold­berger, Geheimer Kommerzienrat, Dr. Paasche, Geheimer Regierungsrat und Vizepräsident des Reichstags, und Ravens, Geheimer Kommerzienrat, ein. Seit 15 Jahren schon, heißt es in der Kund­gebung, bestehe der Wunsch, in Berlin eine Welt­ausstellung ins Werk zu setzen. Inzwischen sei eine Weltausstellung uin die andere gefolgt (Chicago, Paris, St. Louis) und viele Millionen seien ver­ausgabt worden vom Reich und von unseren Indu­striellen, um in anderen Ländern den Wettbewerb in Ehren zu bestehen. Jetzt sei es an der Zeit, daß auch Berlin, die mächtigste Industriestadt des europäischen Kontinents, an die Reihe komme, daß auch Deutschland seinen Anspruch auf Veranstaltung ' einer Weltausstellung erhebe und zur Anerkennung bringe, ehe abermals andere Länder einen Vor­sprung gewinnen. Der Nutzen einer solchen Ver­anstaltung besiehe nicht im geldlichen Ueberschuß; daher dürfe die Sorge vor einem finanziellen Miß- . erfolg nicht schrecken.

i Berlin, 23. März. Eine Eisenbahnkata- ! strophe hat sich heute früh auf der Stettiner Bahn

! zwischen den Stationen Blankenburg und Carow,

j unweit Bernau ereignet. Dort überfuhr ein von ! Angermünde kommender Güterzug, der infolge fal- : scher Weichenstellung auf ein totes Geleise geraten

war, den Prellbock; die Lokomotive stürzte in einen Graben, zwei Güterwagen überrannten die Maschine und wurden zertrümmert. Der Lokomotivführer und Heizer fanden bei der Katastrophe den Tod. Der Zugführer wurde gleichfalls verletzt. Mehr als 20 Pferde, die sich auf dem Transport nach Berlin be­fanden, wurden getötet. Die Pferde, die durch den in ihre Waggons strömenden heißen Dampf völlig verbrannt waren, boten einen entsetzlichen Anblick dar. Einige von ihnen lebten noch; sie wurden aber, da sie teils gebrochene Füße hatten, teils unter den entsetzlichen Qualen der Brandwunden furchtbar litten, von Gendarmen auf der Stelle erschossen.

Berlin, 25. März. Auf dem Markusplatz in Venedig hat sich ein junger Fremder eine Kugel ins Herz geschossen. Der Lebensmüde, der aus Hamburg stammt, schrieb, er besitze ein Vermögen von 150000 sei körperlich und geistig gesund, habe aber keine Lust, so lange zu warten, bis er eines natürlichen Todes sterben werde.

Hamburg, 23. März. Der Aufsehen erregende Raub eines amerikanischen Millionärkindes setzt seit gestern die deutschen Polizeibehörden in eine fieber­hafte Tätigkeit. Ein Dr. mell. George Krieger, ge­borener Deutscher, war in Chicago mit der Tochter des vielfachen Millionärs Dr. Bert verheiratet. Im Jahre 1904 wurde seine Ehe geschieden, und der am 11. März 1695 geborene Sohn Eddy der Ehe­frau zugesprochen, dem Mann aber die Genehmigung eingeräumt, das Kind von Zeit zu Zeit sehen zu dürfen. Bei Gelegenheit einer Zusammenkunft mit seinem Kinde flüchtete Dr. K. mit diesem und begab sich nach Deutschland, wo er sich in Neustadt a. R. als Arzt niederließ. Mit Hilfe von Detektivs wurde der Aufenthalt von Vater und Kind ermittelt, und die Mutter, die sich inzwischen mit einem Dr. Mac­donald wieder verheiratet hat, reiste nach Deutsch­land, um ihrem Rechte gemäß das Kind an sich zu nehmen. Am 13. März ds. Js. kam sie in Ham­burg an und erreichte mit Hilfe der Gerichte, daß ihr das Kind am 20. ds. Mts. im Hotel Bristol in Hannover übergeben wurde. Sie fuhr nach Ham­burg und nahm in der Villa Röhlich in Groß- Flottbek Wohnung. Am Donnerstag nachmittag, als das Kind im Garten spielte, wurde es von 2 vermummten Gestalten ergriffen, in einen bereit­stehenden Wagen geführt und dann entführt. Seit­dem ist das Kind spurlos verschwunden. Dr. Krieger ist vor einiger Zeit von Neustadt a. R. nach Berlin verzogen, zurzeit aber unbekannten Aufenthalts.

Hamburg, 22. Mürz. Die bedeutendste Fach­ausstellung ihrer Art, die Deutschland je gesehen.

wird die große Ausstellung für die Fleischerei und Wurstfabrikation werden, die aus Anlaß des 30. Deutschen Fleischer-Verbandstages, ver­bunden mit einer internationalen Tagung, in den Tagen vom 8. bis 17. Juni in Hamburg veran­staltet wird. Allein die große Haupthalle wird einen Flächenraum von ca. 10000 Quadratmetern be­decken. Zugelassen werden Wurst- und Fleischwaren, Konserven, sowie sämtliche zum Betriebe der Fleischerei und der Wurstfabrikation erforderlichen Geräte und Maschinen, komplette Anlagen von Wurstküchen, Räuchereien und Salzereien, Kühl­anlagen , Ladeneinrichtungen, Viehtransportmittel, Viehwagen u. dergl., ferner Fleischereibedarfsartikel aller Art. Anmeldebogen für die Ausstellung sind von der Schlachter-Innung Hamburg, Marktstr. 57, zu beziehen.

Am westlichen Kaiserstuhl ist der Rebschnitt beinahe vollendet und es zeigt sich, wie denBreis- gauer Nachr." von dort geschrieben wird, daß die Reben im allgemeinen gut überwintert haben. Die Silvaner freilich und auch die Lagen, in welchen letztes Jahr die Blattfallkrankheit stark gehaust hat, haben durch den starken Frost etwas gelitten. Im ganzen kann man jedoch den Stand der Reben mit gut" bezeichnen, da genügend starkes und ausge­reiftes Tragholz vorhanden ist.

Aus den Allgäuer Bergen, 24. März. Die Lawinen bilden gegenwärtig beim Gebirgler das Tagesgespräch und in der Tat kommen fast tagtäg­lich Hiobsposten über Schneerutschungen, die in der Regel größern Schaden verursachen. ,,D' Lände gond", heißt es, wenn es wie ferner Geschützdonner tönt und wehe dem, der im Bereiche einer solch ent­fesselten Naturgewalt sich befindet. Der Luftdruck wirft ihn nieder, benimmt ihm den Atem. Während zu Beginn der Woche, abgesehen von kleineren Schneerutschungen, vom Hirschberg eine gewaltige Lawine niederfuhr, die Wies und Waid verwüstete, ging vom Einödsberg ein Schneerutsch nieder, der einen großen Tannenwald vernichtete, die neue Straße demolierte und als ein großes 3040 Meter hohes Chaos die Stillach staute. Vom Endpunkt des Heilbronner Weges fuhr eine schwere Lawine auf das Gletschereis des Bacherloches nieder und am Freitag verwüstete ein riesiger Schneerutsch vom Söllereck das Gelände bei der Ortschaft Schwand. Viel Wild geht dabei zugrunde, manche schöne Alm­hütte wird vom Boden wegrasiert. Heute fährt vielorts wieder der Schneeschlitten, denn seit Sams­tag nacht schneit es fast ohne Unterlaß.

Ms StaSt, Bezirk unv Umgebung

Nagold, 26. März. In einer gestern nach­mittag in derKühlerei" abgehaltenen Versammlung der Körperschaftsbeamten des vorderen Bezirks wurde ein Bezirksverein gegründet und zum Vor­stand Stadtschultheiß Brodbeck gewählt. Durch regelmäßige Abhaltung von Versammlungen mit Referaten über die Einführung neuer Gesetze soll die Interessengemeinschaft gefördert werden.

Pforzheim, 26. März. Mit allen abgegebenen 92 Stimmen wurde gestern nachmittag Herr Stadt­baurat Adolf Schnitze zum zweiten Bürger­meister der Stadt Pforzheim erwählt. Wie bereits eine kurze Zeit lang, so hat jetzt Pforzheim wieder einen Oberbürgermeister und zwei Bürgermeister, nur ist an dip Stelle des einen Juristen, des früheren Bürgermeisters Holzwart, nun dertech­nische Bürgermeister" getreten. Ihm sollen alle technischen Zweige der städtischen Verwaltung unter­stellt werden, und Stadtrat und Bürgerausschuß sind davon überzeugt, in Herrn Schultze eine vor­zügliche Kraft für das verantwortungsvolle Amt gewonnen zu haben.

Pforzheim, 25. Mürz. Der hiesige Rabatt- Sparverein suchte vor einiger Zeit durch Zirkulare die Mitglieder des Konsumvereins zum Austritt zu bewegen. In der Zuschrift wurde u. a. auch be­hauptet, daß die Waren im Konsumverein teurer und minderwertiger seien, was zur Folge hatte, daß der Konsumverein den Rabattsparverein einklagte. Dieser Tage wurde nun das Urteil, nachdem ver­

schiedene auswärtige Sachverständige vernommen wurden, verkündet, wonach dem Rabattsparverein bei einer Strafe von 1000 untersagt wird, obige Behauptung zu wiederholen. Von den Kosten hat der Rabattverein '/8 und der Konsumverein '/s zu zahlen.

Pforzheim, 25. März. Das in Mitte hiesiger Stadt gelegene Anwesen des in Konkurs gekommenen Lebensmittelbedürfnis- und Produktiv-Vereins (eine sog. demokr. Gründung) wurde bei dem letzten Termin um 191375 -/A von Bankdirektor Kayser, der ein Hauptgläubiger ist, erworben. Trotzdem muß noch jedes Mitglied 15 ^ zur Konkursmasse zahlen.

Pforzheim, 25. März. Mit dem Frühling macht sich auch die Streiklust bemerkbar; und zwar verlangen hier Glaser, Maler und Schneider Lohn­erhöhung mit verkürzter Arbeitszeit. Bei Nicht­bewilligung ist Streik in Aussicht gestellt. Verhand­lungen finden gegenwärtig zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern statt, doch ist ein Resultat noch nicht erzielt.

Gräfenhausen, 26. März* Zu dem trau­rigen Fall, der einem jungen Mann am Rekrutentag das Leben kostete, wird nachträglich erzählt, daß der betreff. Täter nicht den rc. Roth, sondern einen anderen Kameraden treffen wollte, der ihm wegen Rückgabe eines geborgten Geldbetrages einen Vor­halt gemacht hatte. Auch in Birkenfeld verletzte bei einerkleinen" Schlägerei am Rekrutentag ein Kamerad den andern mit dem Messer und in Niebelsbach hieb ein schwer betrunkener Rekrut mit dem Messer um sich, glücklicherweise ohne Schaden an Leib und Leben anzurichten.

Soll ich meines Bruders Hüter sein?

Die blutige Tat in Gräfenhausen, von der unser Bezirksamtsblatt vom Freitag berichten mußte, lenkt die allgemeine Aufmerksamkeit wieder einmal auf einen der dunkelsten Flecke unserer hoch­berühmtenKultur". Der alleinige Anstifter zu diesem beklagenswerten Verbrechen, dem ein junges Menschenleben zum Opfer gefallen ist, ist das weiß jeder Kenner unseres Volkslebens ohne Untersuchung der Alkohol. Es gibt sehr wenige Menschen, die in vollkommen nüch­ternem Zustand, auch wenn sie schwer gereizt wären, zu der bestialischen Roheit fähig sind, blindlings mit gezücktem Messer auf einen anderen einzustechen; und es gibt wiederum sehr wenige, die unter der Einwirkung einer schweren Alkoholvergiftung absolut gegen solche oder ähnliche Taten gefeit wären. Eine bestimmte Dosis Alkohol wirft alle unsere moralischen Begriffe über den Haufen; davor schützt weder Rang noch Stand, weder Bildung noch Charakter. Bei­spiele dafür stünden in Fülle zur Verfügung. Ein schwer Berauschter ist in vielen Fällen einfach ein gemeingefährlicher Irrsinniger für eine gewisse Zeit. Nun ist ja Rekrutentag und schwerer Alkohol­exzeß so ziemlich ein und dasselbe. Wer darum die Wirkung des Alkohols auf den Menschen nur ein wenig studiert hat, der wundert sich bei einer solchen Botschaft am andern Morgen höchstens darüber, daß es nicht gleich ein halbes DutzendFälle" sind. Wir können ja kaum ein Zeitungsblatt in die Hand nehmen, das nicht mindestens ein derartiges Denk­mal von unserer Zeiten Schande enthielte. Es blutet einem das Herz, wenn man mit ansieht, welche Unsummen nicht bloß von Wohlstand und Volks­vermögen das wäre das wenigste, sondern von sittlicher Kraft, von idealem Schwung und wahrer Lebensfreude in diesem trüben Strom ertrinkt. Welche Menge wahrhaft edler, bleibender Güter könnten sich die verschaffen, die sich jetzt für ihr gutes Geld von dem größten BetrügerAlkohol" einen wüsten Kopf, eine geschwächte Gesundheit, einen stumpfen Geist und noch Schlimmeres auf­reden lassen! Ist denn gar keine Hoffnung, daß auch unser Volk aus diesem bösen Traum erwacht? Es gibt viele, die in dieser Hinsicht zu den berühmten Schwarzsehern" gehören.Es ist immer so ge­wesen und wird immer so bleiben", ist ihrer ganzen Weisheit Schluß. Nun ist der erste Teil davon sicherlich unwahr. Es ist nicht immer so ge-