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Der Enztäkr.

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48.

Reuenbürg, Samstag den 23. März 1907.

6S. Jahrgang.

MLLnSschau»

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Der Reichstag ist bereits am Mittwoch in seine Osterferien gegangen, während dieselben nach den Dispositionen des Seniorenkonvents erst am Freitag, den 22. März, beginnen sollten. Man hatte indessen im Hause anscheinend allseitig das Bedürfnis nach einem vorläufigen Schlüsse der par­lamentarischen Tätigkeit, und so konnte denn mit Hilfe zweier Sitzungen schon am erstgenannten Tage die Osterpause eintreten. In der ersten dieser Sitz­ungen fand zunächst die nochmalige Wahl des Prä­sidiums statt, da die Präsidentenwahl. gemäß der Geschäftsordnung des Reichstages vier Wochen nach der ersten Wahl des Präsidiums wiederholt werden muß. Wie zu erwarten stand, wurden der Präsident Graf Stolberg (kons.), der 1. Vizepräsident Dr. Paasche (natl.) und der 2. Vizepräsident KämM (fr. Volksp.) mit den Stimmen der Parteien der konservativ-liberalen Mehrheit wiedergewählt. Das- Zentrum, die Polen und die Sozialdemokraten demonstrierten durch Abgabe weißer Zettel. Hierauf wurde der Notetat für die Kolonien in zweiter Lesung beraten und in der Fassung der Kommission genehmigt. Alsdann erfolgte in dritter Lesung die Genehmigung des Notetatsgesetzes für das Reich auf die Monate April und Mai, wobei die in zweiter Lesung gestrichene Forderung für die Erwerbung eines Postgrundstückes in der Französischen Straße zu Berlin wieder hergestellt wurde, dann wurde noch die Brennerei-Kontingents-Novelle in zweiter Lesung angenommen. Zuletzt verlas der Präsident Graf Stolberg eine Zuschrift des Reichskanzlers betreffs des Zwischenfalles mit der angeblichen sozialdemo­kratischen Versammlung im Reichstagsgebäude und erklärte, die Angelegenheit sei für den Reichstag einstweilen erledigt. Die zweite Mittwochssitzung dauerte nur wenige Minuten, in ihr wurden debatte­los der Vertrag mit Luxemburg wegen des Eintritts dieses Staates in die norddeutsche Brauereigemein­schaft, die Brennerei-Kontingents-Novelle und der Kolonial-Notetat definitiv angenommen. Die nächste Reichstagssitzung findet am 10. April statt.

Die Lostrennung der national gesinnten Katholiken vom Zentrum im letzten Reichs­tagswahlkampf erregte bekanntlich den heftigsten Groll derer um Erzberger und Genossen. Dieser Groll fand seinen gelegentlichen Ausdruck durch Ausfälle gegen die Führer der national-katholischen Bewegung, und namentlich gegen den gleichfalls an der Spitze der Bewegung stehenden Oberpräsidenten der Rhein­provinz, Freiherrn von Schorlemer. Ein Festessen des Provinziallandtags in Düsseldorf nahm nun Frhr. von Schorlemer zum Anlaß, sich gegen jene Anwürfe aus Zentrumskreisen zu verwahren. In einer Rede protestierte er öffentlich gegen die Ver­dächtigung seiner Person durch das Zentrum. Man habe ihn unter anderem als eine Reblaus schlimm­ster Sorte bezeichnet. Es liege System in solchen Angriffen, nämlich das Bestreben, jeden in seiner religiösen Ueberzeugung bei der Bevölkerung zu ver­dächtigen, der in politischen und nationalen Fragen eine vom Parteiprogramm abweichende Meinung zu haben und zu äußern wage. Dieses Verfahren ver­gifte das öffentliche Leben.

König Friedrich August von Sachsen ist am Donnerstag abend von seinem Besuche am ver­wandten Hofe von Lissabon, von dem weiteren Auf­enthalte in Portugal und dem nachgefolgten kurzen Besuche am Madrider Hofe im besten Wohlsein wieder in Dresden eingetroffen.

Graf Lamsdorff, der frühere russische Mi­nister des Aeußeren, ist in San Remo nach längerer Krankheit gestorben. Seine Politik verschuldete mit den für Rußland so unglücklichen Krieg dieses Reiches gegen Japan.

Im französischen Senat kam am Mittwoch die ^Katastrophe auf derJena" zur Sprache.

Es wurde ein vom Marineminister Thonistm gut-^ geheißener Antrag Monis angenommen, eine Kom­mission mit besonderen Vollmachten einzusetzen, welche die Ursachen des Unglücks auf derJena" sowie die sonstigen Unglücksfälle, von denen die französische Flotte in den letzten Jahren betroffen,worden..ist, - untersuchen soll.

Rumänien, sonst das geordnetste Staatswesen auf" der Balkaninsel, befindet sich infolge der von dep dortigen Bauernschaft inszenierten greulichen Judenhetzen im Zustande eines förmlichen Bürger-. krieges. Die Distriktshauptstadt Jassy wird von» 30 000 rebellischen Bauern belagert, die Garnison* hält sich nur noch mit Mühe. In Pakuri fand ein ^blutiger Kampf zwischen Bauern und Militär statt. Sämtliche Reservisten sind von der rumänischen Regierung zu den Fahnen berufen worden.In Botoschani beteiligten sich betrunkene Soldaten an der Plünderung jüdischer Häuser. Die Bewegung ^wächst noch immer, die rumänischen Juden flüchten zu Tausenden über die österreichisch-ungarische Grenze.

Czernowitz, 22. März. Bisher sind mehr als 300 Gutshöfe an der rumänischen Grenze ver­nichtet worden, die Zahl der obdachlosen jüdischen Familien wird auf 10000 Köpfe geschützt. Die Flucht nach Oesterreich nimmt ungeheure Ausdehn­ung an. 4000 Menschen kampieren im Freien.

Bukarest, 22. März. Die Agrarunruhen dehnen sich immer weiter aus. Die Stadt Doro- hory ist von den Bauern vollständig ausge­plündert und niedergebrannt worden. Die Bevölkerung ist geflüchtet.

Ein Berliner Bäckerstreik kommt ebenfalls in Sicht. Der Verband der Berliner Bäckergesellen hat einen neuen Lohntarif fertig gestellt, der den einzelnen Innungen Berlins und der Vororte vor­gelegt werden soll. Da die Arbeitgeber nicht gewillt sind, nachzugeben, so ist es nicht ausgeschlossen, daß in nächster Zeit ein bedeutender Lohnkampf im Bäckergewerbe ausbricht.

Gaggenau, 21. März. Vorgestern abend 10 Uhr entstand in dem erst vorigen Jahres neu er­stellten großen Bau der süddeutschen Automobilfabrik Großfeuer, dem ein Teil der Halle, im Schaden von ca. 10 000 Mk., sowie 5 neue große Automo­bil-Omnibusse, im Werte von 80 000 Mk., zum Opfer fielen. Rasch erschienene Hilfe rettete eine beträchtliche Anzahl Wagen, sonst wäre der Schaden ein ganz enormer gewesen. Das Feuer entstand durch Unachtsamkeit eines Chauffeurs, der mit einem neuen Wagen noch eine Probefahrt in der Nacht machen wollte und beim Prüfen, ob noch genügend Benzin im Behälter wäre, mit dem Licht so nahe an das Benzin kam, sodaß eine Explosion erfolgte. Der Schaden ist um so empfindlicher, als diese neuen, schönen Wagen ausgezeichnet liefen und noch dieser Tage nach dem Schwarzwald abgehen sollten. Die Fabrik ist durch Versicherung selbst gedeckt.

Der in Paris verhaftete ungetreue Kassierer Wendelin Müller aus Speyer trug 34000 ^ in Baar bei sich. 100 000 Franks, die von ihm auf einer Pariser Bank deponiert worden waren, wurden zu Gunsten der geschädigten Speyrer Ge­werbebank beschlagnahmt.

New-Aork, 20. März. Dieser Tage verun­glückte der junge New-Uorker Rechtsanwalt Israel Lud low mit seinem von ihm selbst erfundenen Luft­schiff bei einem Aufstieg, den er in der Nähe von Palm Beach in Florida unternahm. Ludlow hatte den Aeroplon von zwei Automobilen ins Schlepptau nehmen lassen und manövrierte in einer Höhe von ungefähr 80 Metern, als plötzlich das Gestell der Flugmaschine nachgab und der kühne Luftschiffer kopfüber zu Boden stürzte. Schwer in der Wirbel­säule verletzt, wurde er aufgehoben und in einem Spezialwaggon nach New-Dork transportiert, gab

aber bereits auf der Fahrt seinen Geist auf. Vor nahezu einem Jahre, am letzten Ostermontag, hatte . Ludlow bereits einen schweren Unfall mit seinem Aeroplon erlitten, der ihn wochenlang ans Bett fesselte. Erst vor wenigen Monaten hatte er seine Versuche neu ausgenommen, die nun zu einem tra­gischen Ende führen sollten.

, Württemberg.

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Der württ. Ministerpräsident hat dem Prinzregenten von Bayern und der bayerischen Regierung eine Art nachbarschaftlichen Antritts- befuch gemacht, der möglicherweise nur ein Akt der Höflichkeit war; man ist aber doch versucht anzu- zunehmen, daß Hr. v. Weizsäcker mit der bayer. Regierung auch eingehende Besprechungen betr. die Eijenbahnbetriebsmittelgemeinschaft im gan-i zen Deutschen Reich gehabt hat. Von Bayern ist bekanntlich Widerspruch erhoben worden, so daß die Sache nicht vorwärts geht. Diese Eisenbahnbetriebs­mittelgemeinschaft aller deutschen Eisenbahnverwalt­ungen ist aber ein derart dringendes Bedürfnis geworden, daß uns Württembergern kaum etwas anderes übrig bleibt, als mit Preußen eine förmliche Eisenbahngemeinschaft nach dem Muster von Hessen einzugehen, falls der Widerstand Bayerns sich in unvernünftiger Weise fortsetzen sollte.

Stuttgart, 22. März. Als in der ganzen Welt und deshalb auch in Deutschland und fpeziell auch in Württemberg die Fleischpreise anzuziehen begannen, da wurde von gewissen Seiten nicht lärmend genug die Oeffnung der Grenzen für die Vieheinfuhr verlangt. Die Regierungen blieben zwar fest im Prinzip; aber man scheint bei der Vieh­einfuhr da und dort ein bischen die Augen zugedrückt zu haben. Und so ist es offenbar einem Viehhändler im Bezirk Horb gelungen, ohne größere und pein­liche Kontrolle einen ganzen Transport Rindvieh aus der Schweiz nach Süddeutschland einzuführen. Und von diesem Viehtransport geht, wie sogar der Staatsanzeiger" in seinem amtlichen Teil kon­statieren mußte, ein wahrer Fluch über die badische und mürttembergische Viehzucht aus: Der Viehbestand in einer ganzen Reihe von Gemeinden ist von der Maul- und Klauenseuche heimgesucht, so daß kaum ein Tag vergeht, wo nicht eine neue Gemeinde als verseucht erklärt werden muß. Wenn die Vieh­seuche nach einem halben Jahr durch äußerst strenge Maßnahmen aus dem Lande vertrieben werden kann, so darf man noch von Glück sagen; jedenfalls aber hat dieses Vorkommnis zur Folge, daß die Ab­sperrungsmaßregeln gegen andere Länder bezüglich der Einfuhr von Schweinen und Wiederkäuern die strengsten bleiben werden.

Stuttgart, 22. März. Die Tapezierer in den hiesigen Ledermöbelfabriken sind in eine Lohnbeweg­ung eingetreten. Die ausständigen Malergehilfen machen bekannt, daß sie Malerarbeiten in eigener Regie ausführen werden.

Stuttgart, 21. März. In der Möbelfabrik von Gebrüder Weber in der Schwabstraße ereignete sich gestern nachmittag ein schrecklicher Unglücks­fall. Der etwa 60 jährige Werkführer Grimm, der seit 27 Jahren im Betrieb tätig ist, wollte einen neu eingetretenen Arbeiter in der Benützung des Fahrstuhls unterweisen. Dabei löste sich eine von dem Arbeiter nicht richtig eingehängte Kette aus und der in Bewegung geratene Fahrstuhl drückte dem Werkführer, der sich aus der Zugangstür hinaus­gebeugt hatte, den Kopf ab. Als der Sohn des Verunglückten, der in derselben Fabrik tätig ist, von dem Unglück hörte, fiel er in Ohnmacht.

Stuttgart, 22. März. Passionsfestspiel. Die gestrige dritte Aufführung vonKaiphas und Pilatus" fand vor ausverkauftem Hause statt; Her­zog Robert mit Gemahlin wohnte ihr bei. Die Spielenden haben sich noch mehr in ihre Rollen ein-