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auf die Ausübung des Berufs als Fleischbeschauer dartun.
Die Einberufung der Gesuchsteller wird durch den Leiter des Unterrichts schriftlich erfolgen. Stuttgart, 18. April 1903.
Nestle.
Tagesneuigkeiten.
8 Calw. Letzten Sonntag abend fand in der hiesigen Stadtkirche die 116. Aufführung desKirchen- gesangvereins statt. Hätten die Gründer und die ersten Mitglieder dieses Vereins dieser Aufführung beiwohnen können, wir zweifeln nicht, daß sie sich von Herzen mit uns, den Jüngeren, über die großen Fortschritte gefreut haben würden, die in den letzten Jahrzehnten auch auf diesem Gebiet gemacht worden sind. Die schöne Kirche, die Helle Beleuchtung, die prächtige Orgel — wie anders als vor 30, ja noch vor 20 Jahren! Und dazu nun die musikalischen Leistungen, das kräftige und doch weiche Orgelspiel, die wohleingeübten Chöre, die herrlichen Sologesänge, die prächtigen, verständnisvollen Vorträge auf Violine und Violoncello, das mit teilweise so jungen Kräften unter Leitung seines tüchtigen Lehrers doch so schönes leistende, jede Erwartung übertreffende Orchester, das abwechslungsreich zusammengestellte Programm — alles mußte zusammenwirken, den Zuhörern einen erhebenden Genuß zu bereiten; und es ist keine bloße Redensart, wenn der Berichterstatter, gewiß im Namen vieler, all den Mitwirkenden hier seinen Dank ausspricht. Wir freuen uns des Neuen und Fortschrittlichen, da es doch immer der alte, ewig neubleibende Inhalt ist, der uns in den wechselnden Formen dargeboten wird. Wir können nur wünschen, daß uns noch an manchem Sonntag Abend ähnliche Feierstunden bereitet werden möchten. Mag auch der äußere Erfolg bisweilen gering sein, es lohnt sich doch. Zu bedauern ist allerdings der schwache Besuch des Konzerts, wir hoffen aber, daß die Musikfreunde, welche Zeit und Mühe nicht gescheut haben, uns den Genuß zu verschaffen, sich dadurch nicht entmutigen lassen.
Stuttgart, 20. April. (Pferdemarkt.) Der Verkehr am heutigen ersten Tag des Pferdemarktes war sehr lebhaft, zumal das Wetter sich im Laufe des Tages aufheiterte. Auch der Fremdenzufluß war sehr groß. Die Zahl der zugeführten Pferde hielt sich auf derselben Höhe wie im vorigen Jahre: 1200—1300. Bei den schweren Arbeitspferden zeigte sich gegenüber den letzten Märkten eine Zunahme, während die Zahl der Luxuspferde von Jahr zu Jahr zurückgeht. Der Handel mit amerikanischen Pferden, die vor einigen Jahren noch stark vertreten waren, hat fast ganz aufgehört, da das amerikanische Pferd sich für unsere Verhältnisse weniger gut eignet. Namentlich kaufen die Bierbrauer, die Versuche mit amerikanischen Pferden gemacht haben, jetzt fast ausschließlich die schweren belgischen Pferde. Wie immer, bewegte sich das Geschäft am ersten Tage in engen Grenzen, da die Käufer zurückzuhalten pflegen. — Mittags fand im Hotel Marquardt das Pferdemarktessen statt, zu welchem Seine Majestät der König erschienen war.
Gestern besuchte das Königspaar die Wagen- und Geschirr-Ausstellung in der Gewerbehalle. — Der Absatz der Lose der Pferdemarktlotterie scheint, wie in den letzten Jahren, so auch Heuer nicht besonders flott zu gehen.
Berlin, 20. Aprit. In dem kgl. Garten zu Potsdam richtete der Sturm gestern unermeßlichen Schaden an, so daß der Hofgartendirektor sich veranlaßt fand, dem Kaiser darüber eingehend telegraphisch Bericht zu erstatten. Viele prächtige Bäume, die noch aus der Zeit Friedrichs des Großen stammen, wurden entwurzelt und stürzten um. In dem Baumbestand der hochgelegenen Ruinenberge, sowie im kaiserlichen Wildpark verursachte der Orkan gleichfalls bedeutenden Schaden. Die Turmuhr des neuen Post- gebäudcS in Potsdam wurde herausgerissen und stürzte zerberstend im Posthof nieder.
Berlin, 21. April. Der Umfang des Sturmschadens in Berlin ist zwar noch nicht zu übersehen, dürfte jedoch nach den bisher vorliegenden Meldungen weit über eine Viertelmillion betragen.
Berlin, 21. April. Nach einer Meldung aus Breslau sind infolge des Unwetters in Schlesien 9Personen ums Leben gekommen, teils im Schneesturm, teils bei Unfällen auf der Eisenbahn.
Berlin, 20. April. Aus Paris meldet der Lokalanzeiger: Nach hier eingetroffenen Meldungen aus Washington wurde zu Ehren des Grafen Oriola, Kommandant der „Gazelle", welche an der venezolanischen Blockade teilnahm, an Bord des Kreuzers „West-Virginia" in Newport ein Bankett gegeben, an welchem zahlreiche höhere Seeoffiziere und Parlamentarier teilnohmen. Graf Oriola beantwortete den Kaiser Wilhelm und Deutschland gewidmeten Trinkspruch folgendermaßen: Von gewissen Preßtreibereien abgesehen, existiert wirklich nichts, was die enge Freundschaft zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland zu stören vermöchte. Einen Wettstreit gebe es allerdings zwischen den beiden Völkern, aber gütlich ist er und das soll er bleiben. Dieser Antwort folgte großer Beifall, der sich zum Enthusiasmus steigerte, als der ehemalige Marine-Staatssekretär Chandler ausrief: „Ein dreifaches Hoch unseren deutschen Freunden!"
Berlin, 20. April. Aus Rom berichtet das Berliner Tageblatt: Der Papst beklagte sich den französischen Pilgern gegenüber, die er gestern empfing, bitter über die Lage des Katholizismus in Frankreich. Unter Tränen sagte der Papst: Wenn Frankreich fortfahren wird, sich von seinen religiösen Traditionen abzuwenden, dann ist es verloren.
Berlin, 21. April. Offiziös schreibt die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung": Der Londoner Daily Telegraph hat die Nachricht gebracht, der Kronprinz werde im Laufe des Sommers einen Besuch in Karlsruhe machen, um dort der Prinzessin von Cumberland zu begegnen. Diese Meldung ist gegenstandslos sowohl den tatsächlichen
trone habe sich der Angeklagte jedoch an jenem Morgen beim Schießen angeeignet, der Schießunteroffizier habe ohne Zweifel darum gewußt und die Sache nur gemeldet, weil er durch irgend einen unglücklichen Zufall vielleicht das Schießbuch nicht abschließen und so die Sache habe vertuschen können. Gegen den dritten Angeklagten aber muffe er die Anklage fallen lasten. Die Verdachtsmomente gegen ihn seien erst im Laufe der Untersuchung entkräftet worden. Mißstimmung gegen den Hauptmann sei ja wohl auch bei ihm vorhanden gewesen, allein es sei doch wohl nicht wahrscheinlich, daß sie sich zu solcher Höhe gesteigert habe. Man dürfe nicht vergessen, daß er derjenige Unteroffizier gewesen sei, der sich stets der besonderen Gunst des Ermordeten erfreut habe. — Bei diesen Worten wandte Geyer das Gesicht ab und wischte sich mit einem Taschentuch über die Augen. — Es liege nun weiter nichts gegen ihn vor, als die Aussage des Musketiers Beneke, der ihn geisterbleich habe hereinstürzen sehen. Es sei nicht wahrscheinlich, daß Geyer dem Schumann das Zeichen zum Schuß gegeben habe. Es seien ja vorher auch Leute im Geräteschuppen gewesen und der Täter werde sich doch ohne Zweifel so versteckt gehalten haben, daß er von Niemandem hätte gesehen werden können. Daher beantrage er, die Anklage gegen Geyer fallen zu lasten und denselben sofort auf freien Fuß zu setzen. Der Gerichtshof zog sich zur Beschlußfassung über diesen Antrag zurück, gab dann demselben statt, worauf Geyer sich freudestrahlend in den Zuschauerraum zurückzog und sein Verteidiger den Saal verließ. Dann fuhr der Staatsanwalt in seinem Plaidoyer fort und schilderte den Seelenzustand des Angeklagten, der sich nachdem er durch das Fenster des Anbaues den Weg in das Exerzierhaus genommen, nun vor der Ausführung der
Umständen nach wie auch namentlich mit Beziehung auf die Tendenz für eine angeblich geplante Verbindung zwischen dem Kronprinzen und der Prinzessin von Cumberland Stimmung zu machen. Ebenso falsch ist die aus Gmunden datierte Angabe des Hannoverschen Anzeigers, daß der Kaiser für den Herbst dieses Jahres einen Besuch am Hofe des Herzogs von Cumberland beabsichtige und voraussichtlich als Jagdgast des Herzogs mehrere Tage in Gmunden verweilen werde.
Berlin, 21. April. Die Polizei nahm gestern eine Falsch münzerbaude fest. Dieselbe besteht aus den Malern Linder und Schulz, die bereits wegen Falschmünzerei mit Zuchthaus vorbestraft sind, sowie aus vier Helfershelfern, welche den Vertrieb der Falsifikate unauffällig besorgten. Die Polizei hatte die Fälscher bereits seit Wochen beobachtet und schritt zur Verhaftung, als sie genügend Beweismaterial in der Hand hatte.
Berlin. 21. April. Aus Könitz wird dem Berliner Tageblatt telegraphiert, daß die in dem Abort der Knabenschule bei den Leichenteilen Winters aufgefundcne Gamasche nach Feststellung der Eltern des Ermorderten diesem nicht gehört habe.
Berlin, 21. April. Nach einer Wiener Depesche der Vossischen Zeitung entstand auf dem Rochetta-Berge bei Riva in Südtirol Sonntag nachmitt ag durch einen in Riva losgelassenen Luftballon ein Waldbrand, der einen so großen Umfang annahm, daß die Feuerschlange 700 bis 800 Meter lang wurde.
Vermischtes.
Ein Württemberg er — der Entdecker der Goldfelder Südafrikas. Die geographischen Kreise beschäftigt gegenwärtig eine Angelegenheit, die den genialen Karl Mauch, den eigentlichen Entdecker der Goldfelder Südafrikas, betrifft. Unser Landsmann Manch, in dem benachbarten Stetten geboren, faßte, während er in Kärnten in einem Landhause als Erzieher wirkte, den Plan, nach Südafrika eine Forschungsreise zu machen. Da er in Triest keine Ueberfahrt finden konnte, begab er sich nach London, wo er sein Vorhaben endlich ausführen konnte (1863). Nur einer einzigen Persönlichkeit, dem Prof. Petermann in Leipzig, vertraute er sich an. Wie überrascht war Petermann, der ihm von dem Vorhaben abriet, als er nach langer Zeit plötzlich eine Mustersendung Erde aus Südafrika über London erhielt, die Mauch als Probe einschickte, da er sie nach eigener Untersuchung für schwer goldhaltig erkannte, was sich auch vollkommen bewahrheitete. Mauch hatte nämlich zum erstenmal und allein das damals noch unbekannte südafrikanische Goldgebiet durchzogen, wobei er bis ins portugiesische Kolonialgebiet vordrang und die Ruinen von Zimbabye und dort in der Nähe die antiken ausgeschachteten Goldbergwerke entdeckte, die er für das Ophir der Bibel erklärte, woher König Salomo die mächtigen Goldschätze für die Königin von Saba heimführte. Mauch kehrte im Jahre 1872 nach Europa zurück und starb
lange geplanten Tat sah. Schumann sei kein verdorbener Mensch. Sicherlich habe er gezögert, da sein Gewissen erwacht sei. Da habe sich aber das Gewitter erhoben, er sei wohl geneigt gewesen, dasselbe für einen Bundesgenossen zu halten und dann sei ihm wohl, als die Blitze zuckten und die Donner rollten, ebenfalls blitzartig der Gedanke gekommen: Wie günstig ist doch jetzt die Gelegenheit, wie wenig würde man da das Aufleuchten des Schusses bei diesen fortwährend auf- zuckenden Blitzen gewahr werden, wie würde der Knall des Schusses in dem entsetzlichen Gedröhn des Donners ungehört verhallen. Dieser Gedanke habe sich mit unheimlicher Schärfe seines ganzen Hirnes bemächtigt, so daß alle übrige Ueberleguvg und freie Willensbestimmung dadurch zum Schweigen gebracht worden sei. Er habe angelegt, den Finger an dem Abzug gehabt und — möglich sei es sogar, daß er infolge des furchtbaren Donnerschlages einen Schreck bekommen und nun, vielleicht ohne Absicht, durchgeriffen habe. Wie von Furien gepeitscht habe er dann sein Versteck verlassen, der allgemeine Tumult habe seinen Rückzug begünstigt und er habe sich überzeugen wollen, welche Folgen seine übereilte Tat, die verfrühte Ausführung eines lange gefaßten Entschlusses gehabt habe. So beantrage er denn nur das Schuldig auf Totschlag ohne Zubilligung mildernder Umstände.
Denn obwohl die Tat lange geplant gewesen, so sei es doch möglich, daß bei Ausführung derselben die freie Willensbestimmung ausgeschloffen gewesen sei. Er könne daher eine Anklage auf Mord nicht verantworten. Darauf beantragte er gegen Meinke das Schuldig auf Beihülfe zu dem Verbrechen des Schumann-
(Fortsetzung folgt.)