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Der Enztälsn
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14.
Neuenbürg, Mittwoch den 23. Januar 1307.
65. Jahrgang.
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Aus Deutsch-Sudwestafrika.
„Da draußen stehen unsere Soldaten, das sind Deutsche, die haben gekämpft, die haben Anstrengungen erduldet, die sind im Begriff, den letzten Widerstand, die letzten Reste der Gegner niederzuschlagen. Sollen sie nun etwa zurück, weil die Regierung aus Kleinmut, weil eine kleinmütige Regierung aus Scheu vor parlamentarischen oder Parteirücksichten ihren Heldenmut vor dem Feinde im Stiche läßt?" so fragte der Reichskanzler Fürst Bülow am 13. Dezember 1906 den deutschen Reichstag, und die Mehrheit des Reichstags ließ unsere Soldaten im Stiche. Was sagt das deutsche Volk dazu? Wird es am 25. Januar wieder denen seine Stimme geben, die die Mittel versagten, um den Aufstand in Deutsch-Südwestafrika endgültig niederzuschlagen? Will das deutsche Volk feine Soldaten im Stiche lassend
Das haben unsere braven Afrikakrieger nicht verdient, die hoffnungsvoll nach der Heimat blicken, seit drei Jahren unter den größten Anstrengungen und Entbehrungen kämpfen und doch ihr Gottvertrauen und ihre Kampfessreudigkeit, ihre Vaterlandsliebe und ihre Soldatenehre im treuen deutschen Herzen bewahrt, auf Afrikas heißem Boden bewährt haben. Mögen deutsche Soldaten selbst, in einigen kurzen Sätzen, aus Privatbriefen entnommen, zum deutschen Volke sprechen:
1. „Wie wohl es uns tut, hier, in der Ferne, zu wissen, daß zu Hause im Vaierland unser so herzlich gedacht wird, kann ich Ihnen gar nicht schreiben, denn dieses ist es, was uns die Gefahren, die Entbehrungen und Strapazen freudig tragen läßt." (Signalist L.)
(Aus dem Gefecht bei Hartebeestmund.) „Ich sah nach unserm 3. Zuge, doch war dort der Leutnant v. B. noch nicht tot, sondern nur verwundet und feuerte tapfer weiter. Doch muß die Verwundung ziemlich schwer gewesen sein. Sein Bursche Hennkies lief darum zu ihm, faßte ihn, um ihn in Sicherheit zu bringen. In den Armen seines Burschen erhielt dann der Leutnant v. B., ebenso wie dieser, den tödlichen Schuß in den Kopf. Beide fielen, sich fest umfaßt haltend, tot in die Klippen. So endete deutsche Treue und Tapferkeit!" (Reiter Z.)
„Mögen auch die Anstrengungen und Widerwärtigkeiten, mit denen wir hier ringen müssen, mitunter groß und kaum zu bewältigen sein, so läßt das Bewußtsein, daß im Vaterlande unser mit Wort und Tat so liebevoll gedacht wird, uns alles dieses leicht erscheinen. (Gefreiter K.)
Es ist wahrlich nicht Abenteuerlust, welche mich in fremde Lande zog, sondern einzig und allein, wie bei den meisten Angehörigen der Schutztruppe, die Pflicht als Soldat, als der Kaiser rief: „Freiwillige vor!" Wenn man sieht, welchen Entbehrungen und Strapazen unsere Braven hier unterworfen sind und noch mutig, hoffnungsvoll, tapfer und siegesbewußt darauf losgehen und aushalten, so lacht einem das Herz im Leibe. Deutschland hraucht sich seiner Söhne wahrlich nicht zu schämen, kann vielmehr stolz auf dieselben sein."
(Zahlmeisteraspirant T.)
„Wenn der elende Aufstand sollte auch noch 7 Jahre dauern, so wird jeder deutsche Soldat mit derselben Ausdauer und Opfermut kämpfen, als es in seinen Kräften steht." (Reiter K.)
„Freudigen Gemütes denkt wohl jeder an das unerschüttert stehende Vaierland, dem wir es mit einem heiligen Eide geschworen haben, den alten deutschen Waffenglanz stets rein und unbefleckt zu erhalten. O, daß doch jeder sein Vaterland lieben und schätzen möchte. Vergessen wir nie, daß wir Deutsche sind und deshalb auch darauf stolz sein sollen, so lange noch ein deutscher Laut erklingt.
wo es auch sein mag. Darum getreu bis in den Tod. Mit Gott für König und Vaterland!"
(Gefreiter B.) —
Leicht ließen sich zahlreiche weitere Zeugnisse für das deutsche Fühlen und Denken unserer Süd- west-Afrikaner beibringen, doch es wird genügen. Nun zum Schluß noch einige Verse:
„Glaubt mir, wir stehn hier unfern Mann,
Es tut ein jeder, was er kann.
Hier gilt die Tat und nicht das Wort,
Die Kaffern treibt kein Reden fort!" (Reiter L.)
Und nun noch einmal die Frage: Was sagt das deutsche Volk dazu? Am 25. Januar kann jeder deutsche Mann beweisen, ob er so warm für die deutsche Ehre empfindet wie unsere draußen kämpfenden Soldaten, oder ob er willenlos den Worten der Parteiführer folgt. Hier gilt die Tat und nicht das Wort! Die Tat ist aber die Wahl eines Volksvertreters, der unsere Soldaten nicht im Stiche läßt!
Gewissermaßen am Vorabend der Reichstagswahlen ist der Reichskanzler mit einer Wahlrede nochmals in die politische Arena herabgestiegen. Ihr Ort war das kolonialpolitische Aktionskomitee, bei dessen Diner am 19. Januar Fürst Bülow mit der schon erwarteten wahlpolitischen Kundgebung vor seine Hörer trat. In ihr rollte der leitende Staatsmann wiederum die Geschichte der letzten Reichstagsereignisse auf und ließ sich besonders klar und bestimmt über die Gründe der Reichstagsauflösung aus. Hierbei trat er mit großer Entschiedenheil der Behauptung in einem Teile der Zentrumspresse und in den sozialdemokratischen Blättern, daß das Budgetrecht des Reichstags und wichtige Volksrechte durch die Reichstagsauflösung gefährdet 'gewesen seien, entgegen, und zerstreute weiter das Märchen von dem absolutistischen Regime in Deutschland. Schließlich warf er einen Ausblick auf den künftigen Reichstag und verlieh nochmals der Erwartung, daß in demselben eine Mehrheit für die nationalen Fragen vorhanden sein werde, Ausdruck.
Den „Hamburger Nachrichten" zufolge hat die Rede des Kolonialdirektors Dernbürg auf der vom deutschen Handelstag einberufenen Versammlung den Erfolg gehabt, daß sieben größere Unternehmungen in der Bildung begriffen sind, die ihr Arbeitsfeld auf den verschiedensten Gebieten und zwar überwiegend in Südwestafrikaza wählen beabsichtigen.
Eine starke Wahlbeteiligung ist in Berlin zu erwarten. Die Saalnot in-Groß-Berlin ist jetzt anläßlich des Wahlkampfes aufs höchste gestiegen. Von den Hunderten von Sälen, die Berlin aufweist, ist kein einziger mehr bis zum Wahltag zu haben. Den größten Teil davon hat die Sozialdemokratie schon vor Wochen mit Beschlag belegt, und so müssen sich die anderen Parteien oft mit ganz unzureichenden Räumlichkeiten behelfen. Man wird, da der Wahlkampf mit unerhörter Heftigkeit geführt wird, dazu übergehen, gelegentlich Vormittags - Versammlungen zu veranstalten. Die Wählerschaft, die bei früheren Versammlungen sich apathisch verhielt, ist jetzt an den Versammlungen lebhaft interessiert, ein Zeichen dafür, daß man mit einer sehr starken Ziffer der Wahlbeteiligung zu rechnen haben wird.
Während sonst die gesamte englische Presse den deutschen Reichstags-Wahlkampf als ein Ringen bedrohter Volksfreiheit gegen sogenannten Cäsarismus zu kennzeichnen versucht, schreibt heute der „Daily Expreß": Die Ziele der Deutschen Regierung in dem gegenwärtigen Wahlfeldzug sind in England gründlich entstellt worden. Die Reichsregierung verteidigt der Hauptsache nach ganz einfach die Sache des Nationalismus. Ein Triumph der sozialistisch ultramontanen Verbrüderung wäre vom
britischen Standpunkte aus ganz besonders zu bedauern, denn er würde einem englisch-deutschen Einvernehmen entgegen arbeiten.
Deutsche Kriegsschiffe in einem französischen Hafen sind eine große Seltenheit. Deshalb ist das Erscheinen des deutschen Panzerkreuzers „Fürst Bismarck" und des ihn begleitenden Kanonenbootes „Tieger" in Saigon, der Hauptstadt von Französisch - Cochinchina, recht bemerkenswert; an Bord des „Fürst Bismarck" befindet sich der Geschwaderchef Kontreadmiral Breusing. Die Zivilund Marinebehörden bereiten verschiedene Festlichkeiten zu Ehren der deutschen Gäste vor.
Das Reich als Arbeitgeber zahlt für die staatliche Kranken-, Unfall- und Invalidenversicherung seiner Arbeiter und sonstigen Angestellten jährlich bereits mehr als 3 ff- Millionen Mark an Beiträgen. Die hauptsächlichsten Verwaltungen, die dabei in Frage kommen, sind die Reichseisenbahn-, die Militär-, die Marine- und die Postverwaltung. Auf diese vier entfällt nach dem neuesten Etatsentwurfe eine Jahresbeitragsumme von rund 3,65 Millionen Mark, und zwar zahlt die Reichseisenbahnverwaltung 1,17 Millionen Mark, die Militärverwaltung 1,07 Millionen Mark, die Marineverwaltnng 722 000 ^ und die Postverwaltung 686 000 Einige andere Betriebsverwaltungen wie die Reichsdruckerei haben für den gleichen Zweck Ausgaben zu leisten, allerdings kleinere Summen, die obige Gesamtsumme wird dadurch aber noch wesentlich erhöht.
Wie üppig der Personenkultus in der sozialdemokratischen Partei gedeiht, geht aus folgendem hervor: Das- Hamburger sozialdemokratische Gewerkschaftshaus ist kürzlich jeincr Bestimmung übergeben worden. Der Bau hat Iff- Millionen Mark gekostet, obgleich der kapitalistische Staat die Arbeiter ja angeblich so „auspowert", daß sie Hunger leiden müssen. An der Fassade, ausgeführt in Granit und rotem und weißem Sandstein, sind die Büsten von Marx, Lassalle, Liebknecht und Bebel angebracht. Auch eine Reklame für den „Zukunftstaat", in welchem bekanntlich alle Menschen gleich sein sollen. Oder sollte es — das könnten uns die sozialdemokratischen Führer wirklich einmal mitteilen — im „Zukunftstaat" auch noch Denkmäler geben?
In Paris kam es am Sonntag zu mehrfachen politischen Straßenknndgebungen der Handelsangestellten. Polizei und Kavallerie zersprengten fortgesetzt die Massen der Demonstranten, wobei viele Personen verwundet wurden; außerdem kamen gegen 150 Personen in Haft, die meisten von ihnen jedoch nur vorübergehend. Die Truppen waren in Stärke von 15 000 Mann in den Kasernen bereitgestellt, doch wurde die Bereitschaft gegen 5 Uhr nachmittags wieder aufgehoben.
Der Papst hat eine Enzyklika ausgegeben, welche sich mit der Verfolgung der französischen Bischöfe und Priester seitens der Regierung beschäftigt und ausführt, die Regierung möge Kircheneigentum konfiszieren, so viel sie wolle und die Katholiken chikanieren, so gut sie könne, die Kirche selbst aber beharre auf ihrer göttlichen Mission und werde sich nicht einschüchtern lassen. Diese Enzyklika hat je nach der politischen Parteistellung bei den Franzosen lebhafte Zustimmung oder gleich lebhafte Bekämpfung erfahren. Die Hauptsache bleibt aber doch, daß die ganze öffentliche Meinung in Frankreich sich mit dieser Enzyklika lebhaft beschäftigt.
Neuenburg (Schweiz), 21. Januar. Bei der Abstimmung der Wähler des größtenteils protestantischen Kantons Neuenburg über die beantragte Trennung der Kirche vom Staat wurde die Trennung mit 15 000 gegen 8411 Stimmen verworfen.
Die badische Anilin- und Sodafabrik in Ludwigshafen a. Rh. beabsichtigt, an der Alz bei Tacherting eine Wafferkraftanlage zu errichten, wobei es sich um die Gewinnung von zunächst nicht weniger als 50 000 Pferdestärken handelt.