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er «nztälLr.
Anzeiger für das Enztal und Umgebung.
kür Ssn OberamtsbeZirk Neuenbürg.
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Neuenbürg, Dienstag den 1. Januar 1907.
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Fernsprecher Nr. 4.
Telegramm-Adreffe: „Enztüler, Neuenbürg".
65. Jahrgang.
Zum neuen Jahre 1907.
In der Stunde vor Mitternacht,
Eh' sie verkünden durch Nebel und Flocken:
„Neujahr! Neujahr!" mit dröhnender Macht,
Regen sich seltsam im Turme die Glocken.
Leben durchzittert das kalte Metall,
Und die Erzenen brechen ihr Schweigen,
Eh' sie beginnen den schallenden Reigen lieber dem lauschenden Erdenball! . . .
In der Stunde vor Mitternacht Sprach die größte mit tieier Stimme:
„Wieder ein Jahr lang hielten wir Wacht;
Trotzten der Wetter tobendem Grimme!
Frieden herrschte drunten im Tal;
Fern blieb der Krieg, der verderbliche Würger: Stürmend nicht schreckte sch Bauern und Bürger;
Leis in der Scheide nur klirrte der Stahl!" . .
In der Stunde vor Mitternacht Sprach die zweite: „Wohl gab es Tage,
Wo ich Kummer dort unten entfacht,
Schwingend tn düsterer Totenklage!
-Aber ich rief auch zu fröhlichem Dank Nach der Ernte gesegnetem Wirken;
Flimmernde Tannen und pfingstliche Birken Könnt' ich begrüßen mit jauchzendem Klang!"
In der Stunde vor Mitternacht Sprach die dritte, die feine, die Helle:
„Allen den Kleinen, in Kissen gebracht,
Gab ich Geleit in die Taufkapelle —
Haben gelächelt und haben geschrie'n Zu des Pfarrers ernsthaften Worten —
War ein Gezappel von allerhand Sorten,
Aber fast alle sind sie gedieh'n!" . . .
In der Stunde vor Mitternacht Sprachen die drei, als die Turmuhr schon schnarrte: „Scheit!' uns> o Herrgott, zu künftiger Wacht Neue Kraft auf der ragenden Warte!
Schirme die Stadt und das Land vor Gefahr,
Fülle die Herzen und Hände mit Segen!"
Und zu den ersten brausenden Schlägen Jauchzten sie einig: „Prosit Neujahr!"
(Nachdruck verboten.) /t. U.
190 / 7 .
Wenn in das frohe, ausgelassene Treiben der Sylvesternacht mit dem Jahresanfang die Kirchenglocken erklingen, dann mahnen sie wohl nicht wenige an den Ernst der Stunde. In den Familien schließen sich die Herzen enger an einander, die Ehegatten ergreifen die Hände fester zur gemeinsamen Wanderung ins neue Jahr und, was an Wünschen und Hoffnungen in den Herzen von jung und alt lebt, drängt sich auf die Lippen. Es sind solche Stunden, wenn man sie nicht absichtlich im Lärm übertönt, heilsame Mahnungen an die Heimatlosigkeit unseres Geschlechtes hier, an die Vergänglichkeit der besten Güter und Schätze hier unten. Auch oberflächliche Naturen empfinden hier etwas von der Stimmung des Dichterwortes:
Ich lebe, und weiß nicht, wie lange;
Ich sterbe, und weiß nicht, wo;
Ich wandre, und weiß nicht, wohin;
Mich wundert, daß ich noch fröhlich bin!
Ueber dem Vergänglichen muß das Bleibende diesem Jahre verlieren können, woran unser Herz hängt, so wird die Unsicherheit der Zukunft erst recht ungewiß und dunkel. Vielleicht hat manchem das alte Jahr solche Wunden geschlagen, daß er nur mit Bangen den Jahresmorgen grüßt. Und es ist noch kein Zeichen innerer Festigung und Tiefe, wenn die Stimmung des obigen Liedes in großen Stunden des Lebens das Herz ergreift.
Ueber dem Vergänglichen muß das Bleibende in uns lebendig werden, das nicht altert im Wechsel der Jahre und vergeht mit -den schwindenden Zeiten. Es gibt solche bleibenden Güter, die wie freundliche Sterne auch über dem dunklen Lebenswege im neuen Jahre leuchten. Einer, der sie kannte, ein Großer im Reiche der Geister, nennt sie: „Es bleibe Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei". Mit diesen klammert sich das Herz fest im neuen Jahre an den treuen, in seiner Gnade unveränderlichen Vater im Himmel. Und siehe da, der Lebensweg
wird licht, die Ziele fest, die Zukunft Helle, aus der Wehmut wird die Zuversicht:
Ich lebe, und weiß auch, wie lange;
Ich sterbe, und weiß auch, wo:
Ich wandre, und weiß auch, wohin;
Mich wundert's, daß ich noch traurig bin!
«srSschau»
Das Weih nachts fest ist vorüber, die Lichter des Christbaumes sind erloschen, die Glockentöne, die von neuem die alte beseligende Friedensbotschaft kündeten, sind verklungen, und wieder umspinnt uns das Alltagsleben mit seiner Arbeit und seinem Streit, mit seinem Hasten und Jagen, mit seiner Unrast und seinem Unfrieden. In die Festes- und Friedensklänge der Weihnachtstage mischte sich diesmal für uns in Deutschland der Lärm des beginnenden Wahlkampfes, voraussichtlich eines der heißesten, die unserm Vaterlande seit langen Jahren beschieden waren. Schon ist der Aufmarsch der Parteien wenigstens in seinen großen Zügen erfolgt, und auch die Kandidatenfrage hat bereits in zahlreichen Wahlkreisen ihre Lösung gesunden. Um wichtige, folgenschwere Entscheidungen handelt es sich bei der bevorstehenden Wahl. In der Hand der Wähler liegt es, für das Deutsche Reich einen Wendepunkt seiner inneren Entwickelung herbeizuführen, der von unserm Vaterlande den Druck hinwegnimmt, der bisher auf der Leitung seiner Geschicke gelastet hat, und uns die Aussichten einer schöneren und freieren Zukunft eröffnet. Soll dieses Ziel aber erreicht werden, so muß es klar, scharf und unbeeinträchtigt von störenden Nebenmomenten ins Auge gefaßt, so muß alles Trennende vergessen und nur das, was die nätionalen Parteien in diesem Kampfe eint, zur Wahllosung gemacht werden. Mit solchem Wunsche und Vorsatze wollen wir die Schwelle des neuen Jahres überschreiten.
Berlin, 29. Dez. Zu den vielen Glückwünschen, die aus Anlaß der Reichstagsauflösung dem Reichskanzler zugegangen sind, gehört, nach der Kreuzzeitung, eine von etwa 100 Mitgliedern unterschriebene Adresse der deutschen Kolonie in Rom.
Berlin, 29. Dez. Der Verein der national- liberalen Jugend in Berlin verbreitet einen Ausruf an alle Deutschen, denen des Vaterlandes Wohl eine heilige Sache ist, um Hilfe im Kampf gegen die unerträgliche Macht des Zentrums.
Karlsruhe, 28. Dez. > Am Donnerstag abend hat Bebel in überfüllter Festhalle gesprochen. Er hat alle Register seiner Demagogie gezogen, die Politik des Reichs und der bürgerlichen Parteien verurteilt und schließlich unter dem Beifall seiner Genossen erklärt, daß, wenn diese Politik fortgesetzt werde, die Arbeiterschaft kein Interesse mehr an dem Bestehen des Reichs hätte. Nach ihm sprach der Kandidat des 10. bad. Wahlkreises, Ad. Geck.
Eine wichtige Entscheidung ist während der Berichtswoche in Oesterreich gefallen: allen Befürchtungen zum Trotz hat das Herrenhaus die Wahl- reform genehmigt und seine Zustimmung nur an die Bedingung geknüpft, daß die Zahl der lebenslänglichen Mitglieder des Herrenhauses auf höchstens 170 und mindestens 150 festgesetzt werde. Da die Regierung sich mit dieser Forderung einverstanden erklärt hat und auch vom Abgeordnetenhause kein Widerspruch zu erwarten ist, so darf damit das große Werk der österreichischen Wahlresorm als vollendet betrachtet werden. Die cisleithanischen Länder der österreichisch-ungarischen Monarchie sind damit in eine neue, unter der Herrschaft des allgemeinen und gleichen Wahlrechts stehende politische Entwickelungsperiode eingetreten. Hoffen und wünschen wir, daß die hochgespannten günstigen Erwartungen, die man in unserm verbündeten Nachbarreiche an die neue Entwickelungsperiode knüpft, sich in vollstem Maße bestätigen mögen.
Gegen 20 Angeklagte wurde in Chemnitz sechs Tage lang verhandelt. Dem Hauptangeklagten Schönfeld fielen 66 schwere Diebstähle und Wilddiebereien zur Last. Er wurde zu 150 Jahren Zuchthaus, zusammengezogen aus die Höchststrafe von 15 Jahren Zuchthaus, ein anderer Angeklagter zu 90 Jahren Zuchthaus, zusammengezogen auf 9 Jahre Zuchthaus, die übrigen, bis auf zwei, die freigesprochen wurden, zu niedrigeren Strafen verurteilt.
Berlin, 26. Dez. Einen furchtbaren Tod fanden in Marienbad die beiden Töchter des Arbeiters Tetz, der eine Dachwohnung, bestehend aus Stube und Küche, im Hause Berlinerstraße 7, bewohnt. Am Sonntag nachmittag gegen 2 Uhr bemerkten Hauseinwohner einen Brandgeruch. Sie drangen in die verschlossene Wohnung des Tetz ein, wo sich ihnen ein schauriger Anblick bot. In einem Bette in der Stube lagen die beiden leblosen Kleinen, während die Wohnung stark verqualmt war. Der Vater war zur Zeit des Unfalles in Berlin beschäftigt, und die Mutter versah im Orte Auswartedienste. Sie hatte ihre Töchter den Vormittag über, während sie ihrer Beschäftigung nachging, eingeschlossen. Die beiden Mädchen, die im Alter von 6 und 3 Jahren standen, waren die einzigen Kinder des Ehepaares. In dem Zimmer, in dem sie so plötzlich starben, stand bereits der geschmückte Weihnachtsbaum.
Ueber 1000 Weihnachtspakete, die nach Aachen bestimmt waren, verbrannten im Düsseldorfer Hauptbahnhos. Der Brand entstand durch Platzen einer umgesallenen Lampe.
Aus Hillesheim in der Eifel wird gemeldet, daß sich dort dieser Tage seit dem Jahre 1888 wieder der erste Wolf gezeigt hat. Es wurde Jagd auf ihn gemacht. Die unheimlichen Gäste verirren sich nur in harten Wintern ab und zu vereinzelt in die Gebirgstäler der Eifel und Vogesen, sonst sind sie seit langer Zeit schon dort ausgerottet.
Der Erfinder Ronco unternahm in Genua Versuche mit einem neuen lenkbaren Luftballon, welche einen glänzenden Verlauf nahmen. Der Genannle hat auch Pläne zu einem neuen Unterseeboot ausgearbeitet.
Lodz, 29. Dez. Alle dem Fabrikantenverband angehörige Fabriken wurden geschlossen. 40000 Arbeiter sind brotlos.
Neuorleans, 29. Dez. 6 Italiener wurden hier, wahrscheinlich von der Geheimgesellschast Maffia, im Schlaf ermordet, in Stücke geschnitten, mit Erdöl begossen und angezündet. Da der Brand gelöscht werden konnte, entdeckte man das Verbrechen.
Württemberg.
Eine Neubesetzung des Kommandos des 13. (Kgl. württ.) Armeekorps soll, wie die „Neue milit.-polit. Korresp." zu berichten weiß, innerhalb der nächsten beiden Monate, an Kaisers Geburtstag oder am Geburtstag des Königs von Württemberg, am 25. Februar erfolgen. Än Stelle des Generals der Infanterie v. Hugo wird voraussichtlich der General der Infanterie v. Fallois, Kommandeur der 29. Division in Freiburg i. B., treten, der aus der Garde hervorgegangen ist, schon seit über einem Jahrzehnt aber in Baden als Regiments-, 'Brigade- und Divisionskommandeur gestanden hat und in Süddeutschland außerordentlich beliebt ist und geschätzt wird.
Stuttgart, 28. Dezbr. Mit dem gestern im Alter von 61 Jahren in Baden-Baden verstorbenen General der Kavallerie v. Sick ist einer der bekanntesten württembergischen Offiziere aus dem letzten Drittel des vorigen Jahrhunderts gestorben. Geboren zu Ludwigsburg, begann v. Sick seine militärische Laufbahn 1863 im 4. Reiterregiment. Den Krieg gegen Frankreich machte er als Oberleutnant im 1. Reiterregiment mit; während desselben wurde er mit dem eisernen Kreuz und der württembergischen