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Der «nzlSler.
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Fernsprecher Nr. 4.
158
Neuenbürg, Montag den 8. Oktober 1906.
64. Jahrgang.
ZLunSschau»
Berlin, 6. Okt. Vom nationalliberalen Delegiertentag in Goslar wird der „Nat.-Ztg." geschrieben: Der Reichstagsabgeordnete Bassermann begrüßte als Vorsitzender des Zentralvorstandes den Parteitag mit einer Ansprache, in der er sagte: Das Leitmotiv des Parteitages maß sein: „Uneinigkeit zerstört!" In der Partei sind unzweifelhaft Unstimmigkeiten und Schwierigkeiten vorhanden, wir wollen den Saal hier aber in neuer Geschlossenheit verlassen. Den ersten Vortrag hielt der Reichsund Landtagsabgeordnete Prof. Dr. Hieb er-Stuttgart über „Politische Rückblicke und Ausblicke". Dr. Hieber führte ungefähr folgendes aus: Es wäre töricht, zu verkennen, daß die nationalliberale Partei sich in einer schwierigen Lage befindet. Die Parteifreunde sollten aber ihre Kritik etwas zurückhaltender ausüben. Wenn wir die politische Lage Deutschlands betrachten und uns der auswärtigen Politik zuwenden, so werden wir zugeben müssen, daß etwas wie eine Isolierung Deutschlands offenbar vorliegt; daraus folgt aber die Notwendigkeit einer starken Flotte. In der Kolonialpolitik seien gewiß viele Fehler begangen worden; aber man tue immer besser, die schmutzige Wüsche innerhalb der Familie zu waschen. Es sei auch immer geklagt worden über die Schwäche des Liberalismus, es geschehe dies besonders von einer kleinen Gruppe von Leuten, deren politischer Horizont in der Großstadt aufgegangen ist. Man hat uns Nationalliberalen unsere Zollpolitik vorgehalten, wir glauben, daß wir aber mit dieser unserer Politik recht getan haben, denn wenn der deutsche Bauer von der Scholle vertrieben wird, dann liegt eine ungeheure Gefahr darin für das ganze deutsche Vaterland. Im weiteren Verlauf der Rede sagte Dr. Hieber: Das allgemeine Wahlrecht ist unabänderlich. DerKampf gegen das Zentrum wird heute erfreulicherweise auch in Kreisen geführt, die früher mit dem Zentrum paktierten. Wir kämpfen für Versöhnung von Staatsmacht und Volksfreiheit, Wohlstand und Wehrkraft, Bildung und Glauben, feste Staatsautorität und freie Entfaltung der Individualität. (Lang anhaltender, brausender Beifall.) — Der nächste Parteitag der Nationalliberalen soll, nach der
Die gnädige Frau.
1) Erzählung von A. ZLurg-
- (Nachdruck verboten).
Es war den ganzen Tag sehr heiß gewesen. Nun aber begannen die Schatten des Sommer- Spätnachmittags sich auf Wald und Feld zu senken. — Still und einsam lag, zehn Minuten vom nächsten Dorfe entfernt, der kleine Bahnhof in all dem tiefen Sommerfrieden. Manchmal ging es wie ein zitternder Ton durch die Telegraphendrähte — dann wieder vollständige lautlose Ruhe.
Der Bahnhofsvorsteher und sein Helfer hatten sich in das Stationsbureau zurückgezogen, der Verwalter der sehr wenig besuchten Bahnhofswirtschaft hielt seinen Nachmittagsschlaf, der stets zwischen zwei „fälligen Zügen" ihn erquickte, nämlich dem um 1 Uhr 52 Min. mittags und dem, der nun in 15 Minuten, von der Reichshauptstadt kommend, Heldorf berühren mußte.
Noch hafte er das Läutewerk des Telegraphen nicht anschlagen hören, ein Ton, der ihn bestimmt und sicher weckte, gerade zur rechten Zeit, um noch einmal mit dem Staubtuch über die schönen, bunten Wein- und Likörflaschen des Büfetts zu fahren und zudringliche Fliegen von der großen Glasglocke zu scheuchen, unter der einige „belegte Butterbrote" zu sehen waren. Ein anderer Ton riß jetzt den dicken Wirt aus seinen Träumen, die ihm gerade wieder den Besitz einer großen Bahnhofswirtschaft an einem
„Nat.-Ztg.", schon im Frühjahr in Kassel abgehalten werden.
Berlin, 6. Oktbr. In ihrem Wochenrückblick schreibt die „Nordd. Allg. Ztg." über den sozialdemokratischen Parteitag: Eine vollständige Einigung, bei der es in gewissem Sinne weder Sieger noch Besiegte gab, ist erfolgt und im Gefolge eine innerliche Stärkung der Sozialdemokratie, über die sich die bürgerlichen Parteien keinen schädlichen Illusionen hingeben sollten.
Braunschweig, 6. Okt. Infolge der Antwort des Reichskanzlers trat der Regentschaftsrat zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen, die bis 2 Uhr nachts währte. Der Regentschaftsrat beschloß, den Landtag sofort einzuberufen und ihm die Wahl des Prinzen Friedrich Wilhelm von Preußen, des jüngsten Sohnes des verstorbenen Regenten Prinzen Albrecht, zum Regenten vorzuschlagen. — Prinz Friedrich Wilhelm von Preußen ist am 12. Juli 1880 in Schloß Camenz geboren worden, steht also im 27. Lebensjahre.
Zum französischen Trennungsgesetz hat der Durchführungsausschuß der radikalen und sozialistisch-radikalen Partei eine Entschließung gefaßt, in der erklärt wird, daß dieses Gesetz unerbittlich und unveränderlich angewendet werden müsse, daß kein Parteimitglied irgendwelche direkten oder indirekten Verhandlungen mit dem Vatikan über die Anwendung des Gesetzes beantragen dürfe, und daß das Eigentum der Kirchenfabriken in allen Gemeinden, wo es nicht von den Kultusvereinigungen beansprucht wird, am 10. Dezember Wohltätigkeits-Anstalten zugewiesen werde.
Der englische Kriegsminister Haldane hielt am Montag bei einer militärischen Feier eine Ansprache, worin er u. a. sagte: „Obwohl England einer Zitadelle gleicht, die vom Meer umgeben ist, so wäre es doch denkbar, daß eine Landung an der Küste bewerkstelligt werden könnte, allerdings höchstens mit einigen tausend Mann, und diese abzuwehren ist die Aufgabe der englischen Freiwilligenarmee. Die Freiwilligenarmee muß den Platz der regulären Truppen einnehmen, falls diese anderweitig gebraucht werden." Weiter sagte der Kriegsminister, ernste Leute ständen immer mehr unter dem Eindruck, daß möglicherweise ein
großer nationaler Krieg kommen könne. Cr glaube daran nicht, sondern hoffe vielmehr, daß es der Diplomatie gelingen werde, dieses Unheil abzuwenden, aber vielleicht wäre es doch möglich, daß England zu einem Krieg mit einer großen Nation gezwungen würde. Für diesen Fall aber würde die Flotte nicht stark genug sein, sondern die Armee müsse, nachdem die Flotte die Angriffe abgewehrt haben wird, die Contreattacke machen und deshalb stärker sein als jetzt.
Nürnberg, 4. Okt. Eine Verhandlung des Schöffengerichts gewährte einen Einblick in die Geheimnisse der Honigfabrikation. Der Kaufmann Eberhard Ermann von hier war wegen Verfehlung gegen das Nabrungsmittelgesetz angeklagt, weil er durch Vermischung von Bienenhonig mit Wasser und Butter und Erwärmung dieser Mischung ein Kunstprodukt hergestellt hatte, welches er unter dem Namen „Feinster Tafelhouig prüp." in den Handel gebracht hatte. Nach der chemischen Untersuchung kam aus 13 Pfund Bienenhonig 1 Zentner Kristallzucker und 18 Liter Wasser. Es wurde eine Geldstrafe von 50 ^ ausgesprochen.
Lahr, 5. Okt. Den Mord in Dinglingen betr. gibt der Großh. Staatsanwalt bekannt, daß wie inzwischen weiter sestgestellt wurde, der Täter einen schwarzen Filzhut getragen haben soll, und einen Stock, der vermutlich dünn war, bei sich hatte. Auch soll der Täter bartlos und etwa 25 Jahre alt sein. Möglich ist, daß er einen Ueberzieher, nicht eine Juppe trug. Das Großh. Justizministerium hat für die Ermittlung und Ergreifung eine Belohnung von 500 ausgesetzt.
Eisenach, 6. Okt. Auf dem Pferdemarkt in Buttstädt gerieten zwei Zigeunerkarawanen in Streit, der in einen wütenden Kampf ausartete und mit Revolvern, Dolchen und Säbeln ausgefochten wurde. Die Feuerwehr wurde alarmiert und machte dem Kamps durch kalte Wasserstrahlen ein Ende. 3 Zigeuner wurden schwer verwundet, 13 verhaftet.
Genf, 2. Okt. Eine Schwebebahn zum Mont Blanc. Ein ernsthaftes Projekt, eine Schwebebahn fast bis zum Gipfel der Mont Blanc- Kette zu bauen, ist von einer Schweizer Gesellschaft ausgearbeitet worden und hat die Zustimmung der französischen Regierung gefunden. Es ist dieselbe
recht lebhaften Kreuzungspunkte mehrerer Bahnlinien . ! vorgegaukelt hatten, das Rollen von Rädern auf ! ! dem holprigen Steindamm, der sich auf der Rück- i ! feite des Bahnhofsgebäudes hinzog. „Wer kommt ! denn da?" fragte auch unten der Stationsvorsteher § und setzte eilfertig die rote Mütze auf. i
Der junge Gehilfe hatte schon hinausgelugt.
„Forstmeisters," sagte er lakonisch.
„Mit zwei Wagen?" wunderte sich droben der Wirt. ;
Der erste Wagen war indessen vorgefahren, ein ! schönes, mehr solides als elegantes Gefährt, von ! einem einfach livrierten Kutscher geführt, der grüßend an den Zylinder griff, als die stattliche Gestalt des graubärtigen Forstmeisters den Wagen verließ.
Der zweite kleine Leiterwagen war offenbar zur Beförderung von Gepäck bestimmt, auf dem von Säcken gebildeten primitiven Bock saß ein Forstlehrling in seiner grünen Uniform.
Uniform trug auch der hochgewachsene Forstmeister, den der am Schubfenster der Verkaufsstelle amtierende Beamte nach seinen Wünschen fragte.
„Eine Bahnsteigkarte!" forderte der Angekommene und betrat, nachdem das Faktotum des Bahnhofs, der Güterexpedient, Portier und Gepäckträger in einer Person war, die Karte durchlocht hatte, hinaus auf den Bahnsteig, wo der Vorsteher soeben den Befehl gab, das Einfahrtssignal zu geben.
Die Herren grüßten sich militärisch, und der Vorsteher fragte: „Wollen Sie ein bißchen reifen, Herr Forstmeister?"
„Nein, nein, mein lieber Herr Vorsteher, das nicht, ich hole mir mal wieder lieben Hausbesuch ab. Sie wiffen, mein grüner Wald lockt im Sommer die Großstadtmenschen."
„Da kommt er schon," meinte der Beamte, und wies mit der Hand auf eine kleine, ganz feine Rauchwolke, die anscheinend sehr fern noch bei einer Biegung des endlos sich ausdehnenden Schienenweges erschien.
Nicht zwei Minuten noch, und keuchend und hustend rollte der lange Zug vor den kleinen Bahnsteig. Einige Landleute, die vom Schweinemarkt aus der nächsten Stadt kamen, einige Frauen, die dort Einkäufe gemacht hatten, entstiegen der vierten Wagenklasfe, während aus einem Damenabteil der zweiten ein zartes Mädchenantlitz erwartungsvoll hinausschaute.
Auf diesen Abteil ging der Forstmeister zu, um, nachdem eine ganze Menge kleinerer Gepäckstücke ihm überreicht und von ihm an den Gepäckträger weiter gegeben waren, einer schlanken, jungen, eleganten Dame beim Aussteigen behilflich zu sein.
„Willkommen, liebes Kind," sagte der alte Herr, indem er die zarte Hand kräftig drückte. „Du mußt mit meiner Abholung fürlieb nehmen, die Tante und Sophie, die mich begleiten wollten, haben soeben durch Besuch aus der Nachbarschaft Abhaltung bekommen."
„Mama und Papa lassen vielmals grüßen, lieber Onkel," sagte das junge Mädchen und sah