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Fernsprecher Nr. 4.

? 144

Neuenbürg, Freitag den 14. September 1906.

64. Jahrgang.

nunHschau.

Kamenz, 13. Sept. Prinz Albrecht von Preußen, Regent des Herzogtums Braunschweig, ist heute früh 5 Uhr 20 Minuten verschieden.

Braunschweig, 13. Sept. Nach Eintreffen der Nachricht vom Hinscheiden des Prinz - regenten wurde von allen Kirchen Trauer ge­läutet. Die Stadt legt Trauerschmuck an.

Berlin, 12. Sept. Wie der Deutschen Tages­zeitung geschrieben wird, hat die Bermutung viel für sich, daß der Kaiser mit den Schwarzsehern diejenigen schlesischen Politiker in erster Linie im Auge gehabt habe, die der drohenden Polengefahr verzagt gegenüberstehen. In den letzten Tagen soll diese verzagte Stimmung dem Kaiser mehrfach ent­gegengetreten sein.

Berlin, 14. Sept. Gestern Donnerstag vol­lendete die einzige Tochter des Kaiserpaares, Prin­zessin Viktoria Luise, ihr 14. Lebensjahr.

Berlin, 11. Sept. Der scheidende Kolonial­direktor Erbprinz zu Hohenlohe hat, wie kurz erwähnt, bei einem ihm zu Ehren gegebenen Ab­schiedsessen eine Ansprache gehalten, die auf einen ziemlich resignierten Ton gestimmt war. Der Prinz sagte u. a.:Ich übernahm das Amt unter der ausdrücklichen Voraussetzung, daß demnächst ein selbständiges Reichsamt für die Kolonien geschaffen würde. Das zerstörte der Reichstagsbeschluß vom 26. Mai. Die fortdauernden Preßangrisfe und die Feststellung ihres Wahrheitsgehaltes nahmen die Tätigkeit des mir unterstellten Beamtenpersonals in höchstem Maße in Anspruch. An eine genügende Vorhereitung der gesetzgeberischen Maßnahmen war unter diesen Umständen nicht zu denken. Bei dem öffentlich sich kundgebenden Mißtrauen gegen die Kolonialverwaltung war keine Gewähr auf Bewillig­ung der nötigen Mittel vorhanden. So verschwieg ich nicht, daß ich die Verantwortung für die Weiter­entwicklung unserer kolonialen Interessen nicht mehr tragen könne . . . In unserer Zeit des kolonialen Pessimismus lassen sich äußere Erfolge nur erzielen, wenn bei Regierung und Volk die Ueberzeugung herrscht, daß die Kolonialpolitik ein wesentliches Glied in der politischen Gesamtbetätigung eines lebenskräftigen Volkes ist. Vielleicht wird das Aus­scheiden meiner Person der von mir für unerläßlich gehaltenen Reorganisation die Wege ebnen . . ." Der Erbprinz schloß mit dem Wunsche, daß sein Nachfolger bessere Zeiten erleben möge. Durch diese Abschiedsrede klingt, wie man sieht, ein schwarzer Pessimismus. Auch der Erbprinz Hohen­lohe scheint zu den Schwarzsehern zu gehören.

Berlin, 11. Sept. Hr. v. Tippelskirch hat nicht nur gegen denBerliner Lokalanzeiger", son­dern auch gegen dessen Redakteur Dr. Mode und gegen dasBerliner Tageblatt" Strafantrag wegen Beleidigung gestellt, gegen denLokalanzeiger" wegen verläumderischer Beleidigung.

Der Flottenbund deutscher Frauen in Hannover, an deren Spitze Frau Vizeadmiral Oldecap steht, erläßt einen Aufruf an alle deutschen Frauen und Mädchen zur Bildung eines großen deutschen Frauenbundes zum Besten unserer Flotte. Es heißt darin:Ihr lieben Schwestern alle, ob hoch oder nieder gestellt, ob arm oder reich, tretet ein in unseren Bund, und wenn jede von euch nur alljährlich ein Prozent von dem Gelde, das sie für sich verwenden darf, sei es selbst verdient oder vom Vater oder Gatten kommend, dem Bunde zuwendet, so ist sie schon eine freudige Mitarbeiterin an dem großen Werke, welches Beweis ablegen foll von unserer Vaterlandsliebe." Anmeldungen zum Eintritt in den Bund, sowie zur Bildung neuer Ortsgruppen nimmt entgegen der Zentralvorstand des Flottenbundes Deutscher Frauen, Hannover, Prinzenstraße 5.

Bremen, 7. Septbr. Die Arbeiten an dem neuen Hafenwerk in Bremerhaven auf dem von Preußen an Bremen abgetretenen Areal von 650 Hektar haben nun begonnen. Das Gesamt­unlernehmen wird 100 Millionen Mark in Anspruch nehmen und laut dem Vertrag mit Preußen in 50 Jahren ausgeführt sein müssen. Diese Riesen­summe braucht aher erst nach dem Maßstabe auf­gewandt zu werden, wie der wachsende Verkehr die Vergrößerung der Hafenanlagen erfordert. Jedoch sind 47 Millionen für die schon jetzt in Angriff zu nehmenden Arbeiten notwendig. 16 M Millionen sind sogar bereits von dem Senat und der Bürger­schaft bewilligt. Sie schließen 7 Millionen für den Erwerb des Privateigentums der abgetretenen Ländereien ein. Alle sind vollständig unbewohnt, zwar ausgezeichnetes Weideland, aber doch immer­hin nur Weideland; das Areal ist doch nur land­wirtschaftlich benutzt. Solches Land bezahlt man in den Unterwesermarschen allerhöchstens mit 3000 Mark pro Hektar. Das wären 1950 000 Mark. Statt dessen nimmt der bremische Staat für das Enteignungsverfahren 7 Millionen Mark in Aus­sicht, so daß die Grundbesitzer einen Extragewinn von 5 Millionen machen. Nnd dabei haben ver­bohrte Agrarier noch im Interesse der Landwirte zu handeln geglaubt, indem sie die Landabtretung mit allen Kräften bekämpften! Eine Million Mark hat Bremen als Kapitalahfindung an Preußen für die Abtretung zu zahlen und 1 M Millionen an das Reich für das Marinefort Brinkama-Hof l. Der Rest von 7 M Millionen geht auf die Ver­legung der Gleis- und Straßenanlagen an der Zollgrenze; ferner auf die Aushebung der ersten Baugruben für die neuen Ufermauern und für die Hafenbassins. Der kostspieligste Teil der ersten Bauhälfte ist die neue Doppelschleuse, die allein 1820 Millionen Mark verschlingen dürfte. Die bisherige ist eine der größten der Welt, vielleicht die größte. Die Schleusen am Nordostseekanal haben nur 150 Meter Länge, die Bremerhavener 215 Meter, die neue dürfte 250 Meter lang werden. Die Breite der bisherigen beträgt 28 Meter, die Tiefe 10 M Meter, die neue dürfte auf eine Breite von 3335 Metern, eine Tiefe von ll'/e bis 12 Metern kommen. Besser jetzt etwas auf den Zu­wachs arbeiten, als später vergrößern müssen. Das größte Interesse an der Tiefe hat die Kriegsmarine für die Einbringung von Schiffen.

Berlin, 12. Septbr. Wie derTag" aus New-Dork meldet, kaufte derNordd. Lloyd" von einem Eisenbahnheizer ein Patent für eine Turbinen-Dampfmaschine für 1 Mill. Dollars.

Berlin, 12. Sept. Zu dem von einer fran­zösischen Friedensgesellschaft geplanten Massenbesuch in Berlin wird mitgeteilt, daß die Zahl der vor­läufigen Anmeldungen auf 1800 gestiegen ist. Als Tag der Ankunft in Berlin ist der 24. Dezember festgesetzt worden. Da sich die französische Friedens­gesellschaft mit ihrer Umfrage besonders an Pariser Frauenvereine gewandt hat, so werden namentlich viele Damen an der Fahrt teilnehmen, u. a. auch die Schriftstellerin Madame Severine.

Nürnberg. In Anwesenheit des Minister­präsidenten Frhru. v. Podewils und zahlreicher Ehrengäste fand Dienstag mittag die feierliche Preis­verteilung in der Nürnberger Landesausstellung statt. 485 Aussteller erhielten goldene, 516 silberne und 497 bronzene Medaillen. 321 Aussteller sind außer Preisbewerb getreten. Der Prinzregent von Bayern hat eine Reihe von Ordensauszeichnungen verliehen.

Nürnberg, 12. Septbr. Wegen der jüngsten Straßenrevolten schwebt gegen 57 Personen ein Ver­fahren wegen Landfriedensbruchs Außerdem liegen 130 Anzeigen wegen Widerstands und Körperverletz­ung anläßlich der Streikbewegung vor.

Aus Nürnberg wird gemeldet: In der gest­rigen Magistratssitzung wurde mitgeteilt, daß nun­

mehr die Abrechnung des Baurats Seeling über den Neubau des Stadttheaters vorliege. Hieraus ergibt sich eine neuerliche Ueberschreitung des Kostenvoran- ichlags um mehr als 274000 was zusammen mit den vor zwei Jahren bewilligten 400000 ^ also nahezu 700 000 -//? Ueberschreitung ausmacht.

Nürnberg, 8. Sept. Am 4. September wur­den aus der St. Lorenzkirche zwei Gobelins von hohem historischem Wert gestohlen. Der eine dieser Gobelins stellt dar:Vermählung der hl. Katharina mit dem Jesuskinde" (eces bomo), der andere: Christus zwischen Maria und Johannes, ferner Johannes den Täufer und den hl. Hieronymus". Auf letzterem Gobelin finden sich die Wappen der Topler und der Peßler. Die Gobelins sind je etwa 1,20 Meter lang und 80 Zentimeter breit. Einiger Verdacht fällt auf zwei Frauenspersonen (anscheinend Ausländerinnen.) Der Staatsanwalt bei dem Kgl. Landgerichte ersucht um Fahndung, event. Durch­suchung, Festnahme und Drahtnachricht.

Hanau, 9. Sept. Hier nimmt der Bierkrieg immer schärfere Formen an. Eine gestern abend abgehaltene, von etwa 1500 Personen besuchte Volks­versammlung verhandelte über den Ausschank sogen, ringfreien Bieres. Es wurde ein Beschluß dahin­gehend angenommen, den Boykott in verschärfter Form weiterzuführen, jegliches Biertrinken, auch das von ringfreien Brauereien, einzustellen und die­jenigen Wirtschaften, die entgegen diesem Beschluß doch noch Bier verkaufen, zu meiden.

Auf dem Markt von Ludwigshafen beschlag­nahmte die Polizei große Mengen Brot und Butter. Dem Bäcker Eck ans Maudach wurden etwa 100 Laibe beschlagnahmt, da an einzelnen Vierpfündern bis zu 210 Gramm Gewicht fehlte. Ein großer Teil der minderwertigen Butter wurde zerschnitten, ein anderer Teil überhaupt konfisziert und den Armen überwiesen.

Osnabrück, 12. September. Hier ist der Lo­komotivführer Gehrke verhaftet worden, dem be­reits etwa siebzig Einbrüche nachgewiesen worden sind. Die Polizei nimmt an, daß Gehrke auch an den Ueberfällen in Eisenbahnzügen in den letzten Monaten beteiligt gewesen ist.

Aus der Pfalz, 11. Sept. Eine Folge der trostlosen Herbstaussichten ist der Umstand, daß seit einigen Tagen gestampfte Weißweintrauben in großen Mengen aus Bordeaux eingeführt werden; besonders ist der massenhafte Einkauf von ausländischen Trauben in der Gegend von Landau zu bemerken. An der M osel stehen die Trauben gut. Entgegen früheren ungünstigen Berichten meldet man jetzt, daß man auf einenhalben", teilweise sogar auf einenganzen Herbst" rechnet. Das Spritzen und Schwefeln hat ersichtlich geholfen.

In Rußland dauern die Greuel der Revo­lution noch immer fort. In der polnischen Stadt Siedlec kam es zu derartig wütenden Exzessen, daß die Stadt von Truppen wie eine feindliche Festung mit Artillerie beschossen wurde. Hunderte von Toten und Verwundeten gab es in der beschossenen Stadt, aus der niemand herausdarf, aber auch niemand hinein. In Warschau werden die Passanten auf der Straße einfach niedergeschossen, alle Häuser und alle Passanten durchsucht, namentlich im Juden­viertel. Auch in der letzten Woche sind wieder ver­schiedene Polizeibeamte ermordet und öffentliche Kassen beraubt worden.

Paris, 12. Septbr. Das im September 1903 wegen des Millionenbetrugs zu 5 Jahren Gefängnis verurteilte Ehepaar Humbert wird, demMatin" zufolge, auf Grund eines Beschlusses des Minister­rates heute bedingungsweise in Freiheit gesetzt.

In ganz Nordtirol ist heftiger Regen, im Gebirge Schneefall eingetreten. Am Brenner schneit es sehr stark. Die Temperatur ist dort unter den Nullpunkt gesunken.