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hier im Dienst und von ihrer Herrschaft nach Mönsheim geschickt worden, um dort Eier und Butter zu holen. Die Polizei ist in eifriger Suche nach den Tätern, einem ist man bereits auf der Spur, da man denselben bei dem Mädchen gesehen haben will. Das Mädchen wurde in das hiesige Krankenhaus verbracht.
Mainz, 21. März. Der Kassierer Hermann von der Mainzer Volksbank hat Wertpapiere im Werte von 250000 unterschlagen, von denen jedoch bei einer vorgenommenen Haussuchung 225 000 vorgefunden und beschlagnahmt worden sind, sodaß der Schaden der Volksbank nur 25 000 beträgt, denen jedoch 13 000 Kaution gegenüberstehen. Hermann hat das Geld verspielt.
Wiesbaden, 21. März. Die Ausgrabungen einer römischen Badehallsanlage auf dem Terrain des früheren Badehauscs zum Engel (aus der Zeit 100 bis 200 n. Christi) haben in den weitesten Kreisen das größte Interesse hervor- gerusen. Auch der Kaiser interessiert sich auf das lebhafteste für den Fund und gedenkt derselbe bei seinem Hiersein im Frühjahre die Anlagen zu besichtigen. Heute Vormittag weilte im Aufträge des Kaisers Baurat Jacobi aus Homburg v. d. H. und auf Veranlassung deS Kultministers Professor Dr. Pallert aus Berlin hier, um die Funde und Ausgrabungen in Augenschein zu nehmen. Von besonderem Werte ist auch die weiter zu Tage getretene noch von den Römern gefaßte warme Quelle, die ungefähr die gleichen Eigenschaften zeigt als die Kochbrunnen-Quelle. Bis zur Anwesenheit des Kaisers in Wiesbaden hofft man mit den Ausgrabungen und Aufdeckungen der Anlage, die sich über das ganze Bauterrain erstrecken, soweit vorgeschritten zu sein, daß man sich bequem ein einheitliches Bild der ganzen Anlage machen kann.— Wie der „Rhein. Kurier" meldet, vermachte die kürzlich verstorbene Baronin von Cohn-Oppenheim dem Intendanten Kammerherrn von Hülsen neben zahlreichen Wertgegenständen 800000 ^ und ferner den beiden Kapellmeistern des hiesigen Hoftheaters Professor Mannstädt und Professor Schlar je 100 000 ^
Berlin, 21. März. Die 19jährige Kontoristin Magdalene Haydozcy hatte dieser Tage Selbstmord begangen, indem sie sich von einem Eisenbahnzuge überfahren ließ. Sie hatte einen Ball besucht und kam erst am andern Mittag nach Hause. Deshalb machte ihr ihre Stiefmutter Vorwürfe worauf das Mädchen die Wohnung verließ, um nicht mehr zurückzukehren. Gestern Abend ist nunmehr auch die Mutter aus Verzweiflung über den Selbstmord ihrer Tochter in den Tod gegangen.
Berlin, 21. März. In Finkenwärder a. d. Elbe ist dem „Lokalanzeigcr" zufolge die ganze Familie des Schneidermeisters Seemann unter Ver- giftungserscheinungen erkrankt. Der 12jährige Sohn ist bereits gestorben.
Salzburg, 22. März. Die Erregung anläßlich des Erlasses des Königs Georg von Sachsen ist in toskanischen Hofkreisen noch immer nicht beigelegt. Es ist nicht ausgeschlossen, daß unter Mitwirkung des Rechtsbeistandes
der Prinzessin Luise eine Antwort veröffentlicht wird, in welchem die Zustände am sächsischen Hofe genau geschildert und auch der Zwiespalt, der schon seit langem zwischen der Prinzessin Luise und ersten Persönlichkeiten des sächsischen Hofes bestanden hatten, beleuchtet werden soll.
Newyork, 21. März. Ueber den Schiffszusammenstoß bei Long Island wird noch gemeldet: Außer den sechs getöteten Personen wurden zahlreiche andere verletzt. Beide Dampfer haben schwere Havarie erlitten. An Bord des Plymouth befanden sich 500 Passagiere, die eben Newyork verlassen hatten. Der Dampfer erhielt am Vorderteil durch den Dampfer City of Taunton eine Beschädigung in der Größe von 30 Metern. Das Wasser drang mit großer Schnelligkeit in die unteren Schiffsräume und die Kabinen ein. Man weiß noch nicht genau, ob und wie viele Personen ertrunken sind.
Permischles.
Lebensversicherung?- und Ersparnis-Bank in Stuttgart (Alte Stuttgarter). Tic Eeschäftsbewegung des JahreS 1902 ergab durchweg sehr befriedigende Resultate. Die Zahl der zu erledigenden Anträge stieg auf 8776 mit 56 366 850 Versicherungssumme (gegen 8331 Anträge mit °^. 53 890 270 im Vorjahre). Davon wurden angenommen 6945 Versicherungen über 44 580 330 Kapital, an Reinzuwachs verblieben 3746 Policen mit 26 908 013 Kapital (gegen 24 652 303 im Vorjahre), so daß der Versicherungsbestand sich ult. 1902 auf 109 596 Policen mit 653 473 715 versicherter Summe belief. — Der vorzeitige Abgang durch Rückkauf, Reduktion und Einstellung der Prämienzahlung betrug nur 0,9 °/° der im Laufe des Jahres auf den Todesfall versichert gewesenen Summe (1,0°/° im Vorjahre). Der Abgang durch Tod belief sich trotz des erhöhten Bestandes nur auf 6 982 225 (^. 7 407 713 im Vorjahre). Die Sterblichkeit verlief demgemäß außerordentlich günstig; sie blieb um 33,7 °/» hinter der rechnungsmäßig zu erwartenden zurück (Mindersterblichkeit in 1901: 26,3 °/->). Hiernach lassen sich, da auch die Verwaltungskosten die niedrige Ziffer des Vorjahres (5°/» der Jahreseinnahme) wiederum einhalten, namhafte Ersparnisse zu Gunsten der Versicherten im finanziellen Abschluß, der zur Zeit zahlenmäßig noch nicht feststeht, erwarten. Die Dividenden der Versicherten sind für 1903 dieselben wie für 1902 und werden voraussichtlich auch in 1904 zur Verteilung gebracht werden können. Vertreter für Calw: Oberlehrer Müller.
sJingos Tod.) Jingo, der größte Elefant, den der Londoner zoologische Garten beherbergte, war an den amerikan. Menageriebesttzer Bostock verkauft worden, weil er mit seinem Eintreten in das reifere Mannesalter ein unfreundliches Wesen an den Tag legte, so daß es nicht ausgeschlossen war, daß er dem vertrauensseligen Publikum eines Tages einen bösen Streich spielen könnte. Dieser Tage kam nun die überraschende Nachricht aus Newyork, daß das gewaltige Tier auf der Seereise an der Seekrankheit eingegangen ist. Jingo war nicht ganz gesund. So hatte er in den letzten 15 Jahren nicht mehr liegend geschlafen, sondern sich zu diesem Zweck gegen die Wand gelehnt. Ob
dem Käufer des Jingo die „Magenschwäche", an der Jingo gelitten haben soll, bekannt war, weiß man nicht. Jedenfalls wurde der Elefant am 6. Tage nach Antritt der Seereise an Bord des Dampfer „Georgie" der White Star-Linie heftig seekrank und zusehends schwächer. Man fütterte ihn mit Brot, das man in Whisky eingeweicht hatte, hatte aber nur den Erfolg damit, daß das Tier aufgeregt wurde und fürchterlich trompetete. Andere wilde Tiere, die man an Bord hatte, stimmten in das Geschrei ein, so daß für die Passagiere die Ueberfahrt eine sehr unangenehme war. Verschiedentlich streckte Jingo seinen Rüssel durch das Gitter des Käfigs und schlug bei zwei Gelegenheiten seinen Wärter nieder. Plötzlich unterbrach er sein Toben und man entdeckte, daß er gestorben war. Das tote Tier erhielt seine vorschriftsmäßige Bestattung in der See, wobei es durch sein enormes Gewicht noch das Schiffsgeländer mit sich riß.
Die Hose des Athleten. Ein ganz eigenartiger Reklamescherz wird gegenwärtig in London viel belacht. In einem der größten Variete-Theater bildet das Auftreten eines Athleten die Haupt- und Sensationsnummer. Der junge Kraftmensch vollführt tatsächlich Wundertaten. Er hebt eine Eisenplatte, auf der ein kleines Automobil mit drei Insassen fährt, bricht jeden Weltrekord im Heben und Stemmen und reißt schwere eiserne Ketten wie Zwirnfäden auseinander. Nach der letzten Nummer umtost ihn natürlich nicht endenwollender Beifall und der junge Athlet muß sich immer und immer wieder verbeugen. Der Beifall läßt nicht nach und unser Herkules entschließt sich, noch eine Zugabe zu machen. Rasch bringt ihm ein Diener ein kleines Paket auf die Bühne, das er unter allgemeiner Spannung öffnet. Zum Vorschein kommt — eine Hose, eine schwarze, ganz gewöhnliche Hose. Der Athlet nimmt — die Musik schweigt hiebei — in jede Hand ein Hosenbein und tut, als wenn er die Hose entzwei reißen wolle. Er zieht und zerrt, seine Muskeln spannen sich an, die Adern im Gesicht treten hervor, er keucht, kurzum er tut, als wenn er sich ganz gewaltig anstrengen würde. Die Hose aber bleibt ganz. Nach mehreren „vergeblichen Versuchen" tritt er achselzuckend vor die Rampe und erklärt mit lauter Stimme, das Beinkleid über dem Kopf schwingend, daß hier seine Kraft versage, denn die Hosen der Firma L. A. seien eben unzerreißbar. Natürlich schallendes Gelächter des Publikums, das sich auf solche Weise immer gern zum-besten halten läßt. Trotzdem die Firma X. U. dem Athleten allabendlich einen ansehnlichen Betrag zahlen muß, macht sie doch dabei ein Bombengeschäft.
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Am Feiertag Mariä Verkündigung, Mittwoch den 85. -s. Mts., nachmittags s Uhr, findet in Zwerenberg im Ochse« eine VereinSversammlung statt, wobei Herr Professor IN SiegliN in Hohenheim einen Vortrag über Schweinezucht halten wird. Jedermann wird hiezu freundlichst eingeladen.
Calw, 23. März 1903.
Der Vereinsvorstand.
Reg-Rat Voelter.
sicht wegen China hörte — und nun gar heute — als ich von Ihrer Entlobung vernahm. Ich bitte Sie ums Himmels Willen, sagen Sie mir die Wahrheit, bin ich etwa schuld daran mit meinem dummen Geschwätz von gestern Mittag. Das war ja natürlich alles Unsinn — ich war angeärgert und wir haben uns seither einen Spaß daraus gemacht. Sie ein bischen zu ärgern. Niemals aber wäre es mir eingefallen, der Ehre von Fräulein Lemoine nahe zu treten.
„Aber ich bitte Sie," rief Lagorge lachend, „davon sollte ich mich beeinflussen lassen, und mich von einem so liebenswürdigen, hübschen und sittsamen Mädchen trennen — oh nein!"
„Na, das freut mich, lieber Lagorge, das freut mich, das freut mich wirklich! Denn hübsch ist Fräulein Lemoine — und liebenswürdig — und sittsam — ich möchte darauf schwören!"
Der Sergeant sah mit seinem durchdringenden Blick in das harmlose Gesicht des Sprechers, das ordentlich betrübt aussah.
„Gott bewahre, Schumann — machen Sie sich nur keine Sorgen. Na — und wenn Sie die Kleine wollen," sagte er, sich zu ihm, der nur ein wenig größer war als er selber, verbeugend mit tückisch funkelnden Augen, „bei Gott, Sie sind ein hübsches, liebenswürdiges Kerlchen — und ich wüßte keinen unter den Kameraden, dem ich sie eher gönnte als gerade Ihnen!"
„Aber ich bitte Sie — das geht doch nicht so —"
„Hoho — warum denn nicht — ich werde sie nickt hindern!"
„Ö — wo denken Sie hin — Fräulein Lemoine ist doch nicht —"
„Die erste Beste, die ein Herz hat, wie ein Taubenschlag — nein — das ist sie gewiß nicht, lieber Freund Schumann, aber glauben Sie mir, eS ist eine
schöne Sache um das Trösten — und den Tröster zu spielen bei einem so schönen jungen Mädchen."
Er brach ab und wandte sich zu einem anderen Unteroffizier, der irgend eine gleichgültige Frage an ihn richtete.
Und noch einer war unter den Unteroffizieren, der sich durch das veränderte Betragen, die sorglos heitere Miene Lagorge's nicht beirren ließ — und das war der Feldwebel. Er war während seiner fünfzehn Dienstjahre, von denen er dreizehn Jahre die Treffen getragen hatte, ein leidlicher Menschenkenner geworden, man machte ihm so leicht kein T für ein U vor, und er ließ sich auch nicht dadurch hinters Licht führen, daß der Sergeant sich nicht mehr ausschwicg, wenn im Kreise der Unteroffiziere mal ein hartes Wort gegen den Hauptmann fiel, sondern dessen Lob in allen Tonarten sang. Die Kompagniemutter schüttelte schweigend den Kopf, — aber, eingedenk der Mahnung des Hauptmanns mischte er sich nicht weiter in die Angelegenheit.
Dem hübschen Schumann aber ging die Sache doch mehr im Kopfe herum als er sich eingestehen mochte. Sehr hübsch uud niedlich hatte er die kleine „Französin" immer gefunden und sie sogar von ferne ein wenig angeschmachtet. Die war doch schließlich was anderes als die drallen Küchendragoner, die gefallsüchtigen Kindermädchen oder im besten Falls die einfältigen Kleinbürgerstöchter, die den Herren vom Treffenkragen erreichbar waren. Und Schumann war ein Mann von Geschmack,, dabei ein wenig Geck und Schwerennöter. Nach ihm schauten sich die Mädels in der kleinen Garnison die Argen aus, aber so oft er sich auch zu einer hingezogen gefühlt hatte — gar bald hatte er alles Mögliche auszusetzen gefunden.
(Fortsetzung folgt.)
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