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Neuenbürg, Samstag den 1. September 1906,
M 137, -
Z»m 2. September 1906.
Du Echo, das aus fernen Tagen Leut' durch die deutschen Lande schwebt,
Du läßt die Kerzen Höher schlagen,
Die einst die große Zeit durchlebt;
Die mitgekämpft vor den Ardennen Auf Sedans Plan die heiße Schlacht;
Die alten Munden läßt du brennen Und sorgst, daß Klang um Klang erwacht!
von tapfer« Taten kommst du melden, von Männern, treu und xflichtbereit, von jungen, opfcrkiihnen Leiden, von Liebftengrain und Mütterleid: von hehren Königspaladineu, vom Alten, der den Plan ersann,
Und stumm, mit unbewegten Mienen,
Das ernste Waffenspiel gewann! . . .
Just ein Jahrhundert will sich neigen Seit jenem andern Wasfenspiel,
Da jäh im grausen Kriegesreigcn Das Vaterland in Triinimcr fiel.
V Schrecken, schwer und »«ermessen,
Auf lärmesfrohc Zuversicht:
Du sollst dein Sedan nicht vergessen, vergiß, mein Volk, auch Jena nicht!
Sei dankbar allen, die dich lenkten Nach langer Nacht zu neuem Glanz!
Die sterbend noch die Banner schwenkten:
Weih' ihnen einen frischen Kranz!
Der Jugend aber lehr' ein Gleiches,
Die Deutschlands Elend nie gekannt,
Und schirm' den Frieden deines Reiches Auch künftig mit bewehrter Land! . . .
(Nachdr. vcrb.) A. R.
Sedan.
Ein Volk, das die Großtaten seiner Geschichte festhält und seine großen Männer ehrt, erhält und ehrt sich selbst. Darum feiern wir das Gedächtnis des Sedantages. Es ist heute mn so notwendiger, als die Zeugen der Tage von 1870 immer mehr dahingehen und das neue Geschlecht nach einem Menschenalter die Begeisterung der Väter bei der Siegesnachricht von Sedan nicht mehr nachempfindet.
Der Tag von Sedan ist möglich geworden durch Kräfte, die man nicht sieht und deshalb oft nicht einschätzt. Sie führten das zersplitterte Deutschland zu dieser großen Probe seiner schlummernden Kraft. Seit Jahrzehnten hatte damals in den Herzen des Volkes das Ideal des einigen Reiches gelebt und sie zu Begeisterung und Hoffnung entflammt. Die Besten des Volkes, an ihrer Spitze ein Bismarck, Moltke, Roon, setzten daran in Selbstlosigkeit die Kraft ihrer Arbeit und weckten des geringsten Mannes Opfermut. Wie immer in den großen Zeiten unseres Volkes lebte auch damals die tiefste Kraft der Deutschen, der Glaube, auf, wie ihn der edle Kaiser selbst vorlebte. Diese Kräfte führten die großen Taten von 1870/71 herbei.
Auch ein Volk lebt nicht „vom Brot allein." Ideale, Begeisterung, Selbstlosigkeit der Arbeit, demütiger Glaube stehen tief im Kurse, wo man nur äußere materielle Güter schätzt. Aber wo sie ersterben, wird auch des Volkes Herzschlag ertötet. Innere Verhetzung, Selbstsucht und frivoler Unglaube werden deutsche Kraft und Zucht zerstören, das Reich vernichten.
Darum mahnt der Sedantag zum Festhalten der höchsten Güter! Es gilt das schöne Haus des Reiches in Eintracht und Liebe, mit gutem Willen, zur Ehre des deutschen Namens auszubauen und nicht durch Verhetzung der Stände und Klassen, durch Erweckung von Mißtrauen und Haß das Erbe der Väter zu vernichten.
Hoch auf dem Kyffhäuser haben die deutschen Krieger dem Reich und seinem ersten Kaiser ein Denkmal errichtet. Weit schaut es über die gottgesegneten Fluren der goldenen Aue. Dort unten in den wogenden Feldern und blühenden Ortschaften wird im Schweiße des Angesichts emsig gearbeitet, droben aber ragt über dem Kaiserbilde weithin die
deutsche Kaiserkrone. Es ist ein Bild des deutschen Vaterlandes. Unter dem machtvollen Schutz der deutschen Kaiserkrone gedeiht seit 1871 des Volkes und Reiches Wohlfahrt, blüht Handel und Wandel empor, wie man rs vorher nicht geahnt hat. Die aber in den Tälern der Arbeit stehen, mögen den Blick emporlenken zu den Höhen vaterländischer Macht und Größe und am Sedantage dankbar das Gelübde erneuern:
„Mit Gott für Kaiser und Reich!"
nrmSsctzau»
Im Neuen Palais zu Potsdam hat die Taufe des jüngsten Hohenzollernprinzen in Gegenwart einer glänzenden Versammlung fürstlicher Gäste, der hohen Ataatswürdenträger, der Generalität und Admiralität, der Spitzen der Potsdamer Behörden, sowie der Damen und Herren der Gefolge stattgefunden. Unter den fürstlichen Güsten waren die Kronprinzessin von Griechenland als Vertreterin der Königin der Helenen, Prinz Christian zu Schleswig- Holstein als Vertreter des englischen Königs, Großfürst Wladimir von Rußland als Vertreter des Zaren, Erzherzog Josef als Vertreter des Kaisers von Oesterreich und der Herzog von Genua als Vertreter des Königs von Italien erschienen. Nach dem Gesänge des Domchors hielt Oberhofprediger Dr. Dryander eine Ansprache, der er die vom Kronprinzen ausgewählten Textesworte 1. Mosis, Kap. 12, Vers 2 „Ich will dich segnen, und du sollst ein Segen )ei>O zu Grunde legte. Bei Beginn der Taufhandlung überreichte Prinzessin Luise, die den Täufling bisher gehalten hatte, diesen der Großherzogin - Mutter von Mecklenburg - Schwerin. Im Momente der Taufe übernahm ihn die Kaiserin. Beim „Vaterunser" legten die Paten und ihre Vertreter die Hände auf den Täufling. Sodann taufte der Oberhofprediger den hohen Täufling auf die Namen: Wilhelm Friedrich Franz Joseph Christian Olaf. Nach Schluß der heiligen Handlung mit Gebet und Segen übergab die Kaiserin den Täufling der Prinzessin Viktoria Luise, welche ihn der Kronprinzessin überreichte. Die Majestäten und die Fürstlichkeiten brachten der Kronprinzessin alsbald ihre Glückwünsche dar. Nachher fand eine Defiliercour der Taufzeugen und Galatafel statt, bei welcher der Kaiser die Gesundheit des Täuflings ausbrachte.
Berlin, 31. August. König Eduard sandte, nach dem „Lok.-Anz." aus Marienbad anläßlich der Tauffeierlichkeiten am Kaiserhof sehr herzlich gehaltene Telegramme an den Kaiser und den Kronprinzen.
Berlin, 30. Aug. In Gegenwart des Kaiserpaares, des Kronprinzen und der von der Tauffeier noch hier weilenden Fürstlichkeiten, sowie Vertreter auswärtiger Souveräne fand heute mittag 12 Uhr im Zeughause die Nagelung und Weihe von 43 Fahnen und Standarten für Truppenteile des 2. und 6. Armeekorps mit dem althergebrachten militärischen Prunk statt.
Die Truppen in Deutsch-Südwestafrika sollen, wie der „Berl. Lokalanz." erfährt, bis zum April nächsten Jahres bis auf 7000 Mann vermindert werden. Die Gliederung dieser Kräfte im einzelnen unterliegt zur Zeit noch der Erörterung. Voraussichtlich wird sie auf etwa 20 Kompagnie.:, 6 Batterien und 12 Maschinengewehrsektionen (ä 2 Maschinengewehre) bemessen werden. Auch die Verwendung von Kamelreitertrupps zur Ueberwind- ung von Durststrecken soll in Erwägung gezogen worden sein; diese würden sich aber innerhalb des Etats der Kompagnien halten. Voraussichtlich werden „Militärbezirke" für den Süden und den Norden eingerichtet werden. Um bei etwaigen unliebsamen Vorkommnissen sofort energisch eingreifen zu können, soll geplant sein, den einzelnen Jnfanteriekompagnien
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in ihren späteren Standorten, soweit es möglich ist, je zwei Geschütze und zwei Maschinengewehre beizugeben. In den Hauptzentren, wie Windhuk, Keet- manshoop, Ottawi u. s. w., dürften vielleicht in diesem Verhältnis zusammengesetzte Expeditionskorps installiert werden, die, sobald erst die Kommnnikations- linien und -Wege im Schutzgebiet vervollkommnet sind, leicht zu größeren Expeditionskorps zusammengezogen werden können.
In der Union erregt eine neue Bankkatastrophe, die Zahlungseinstellung der Real Estate Trust Company in Philadelphia, Aufsehen. In Philadelphia spielten sich am Mittwoch vor dem Gebäude der fallierten Gesellschaft greuliche Szenen ab. Eine wütende Menge belagerte das Gebäude. Der heraustretende Sohn des Präsidenten, Wharton Hippie, wurde von der Menge angegriffen, welche schrie: „Hier kommt der Sohn des Verbrechers, der uns beraubt hat." Hipple wurde zu Boden geworfen und mit Füßen getreten. Die Polizei entriß ihn der Menge und entführte ihn in einem Wagen; die Menge schrie und tobte weiter, bis sie von der Polizei mit .Knütteln verjagt wurde.
Ueberall, mit Ausnahme jener „Rolle von Menschen", denen außer der Revolution überhaupt nichts mehr heilig ist, hat das furchtbare Verbrechen in der Villa Stolypin die größte Erregung hervorgerufen. Die Regierungen von Deutschland, Oesterreich-Ungarn, Frankreick), England, den Vereinigten Staaten, Italien, Belgien und Japan haben, wie aus Petersburg gemeldet wird, dem Ministerpräsidenten Stolypin ihre Sympathie aus Anlaß der Errettung aus der Gefahr und ihre Entrüstung über den gegen ihn ausgeführlen Anschlag ausgedrückt. Das Bombenallentat gegen die Villa Stolypin stellt sich durch die Zahl der Opfer als das weitaus größte Dynamitattentat dar, von denen die Chronik der Dynamitverbrechen bisher zu erzählen wußte.
In Hamburg hat die Verhaftung eines mutmaßlichen russischen Revolutionärs zur Aufhebung eines förmlichen revolutionären Nestes geführt, eines Komitees, das sich mit dem heimlichen Ankauf von Waffen, Munition und Sprengstoffen und deren Einschmuggelung nach Rußland befaßte; leider sind die führenden Persönlichkeiten des Komitees durch die Flucht entkommen. Bei den Verhafteten wurden Briefschaften in den verschiedenen Dialekten Rußlands und teilweise in Chiffreschrist vorgefunden; die Uebersetzung, resp. Dechiffrierung der Dokumente bereitet jedoch große Schwierigkeiten.
Die sozialdemokratische Lehre „Religion ist Privatsache" wird durch folgendes Vorkommnis trefflich beleuchtet. Weil er an einer Kircheneinweihung teilgenommen hatte, wurde der Vorsitzende des sozialdemokratischen Wahlvereins in Trebbin, Zimmermann Nöthe, von den Vereinsmitgliedern aufs schärfste angegriffen und zur Niederlegung seines Amtes gezwungen. Er erklärte daraufhin seinen Austritt aus dem Wahlverein.
Der Jahresbericht der sozialdemokratischen Parteileitung, dessen Schluß jetzt vorliegt, klagt über die Höhe der Ausgaben, die um 365 000 Mk. gestiegen sind. Unter anderem sind über 130 060 Mk. an Unterstützungen für die Opfer des russischen Befreiungskampfes und für die Mai- ausgesperrten gewährt worden. Auch die Parteipresse hat erhöhte Zuschüsse verursacht und das Darlehenskonto hat die Höhe von 327 000 Mk. erreicht. Es befindet sich darunter ein großes Darlehen, welches einer durch wiederholte Aussperrungen in Bedrängnis geratenen Gewerkschaft gegeben worden ist. Ferner Beihilfe zur Errichtung und Unterhaltung von Gewerkschaftshäusern. Die Gesamteinnahmen von 810000 Mk. samt dem vorjährigen Restbestand von 23 000 Mk. haben nicht ausgereicht, um die Ausgaben zu decken. Es mußten 60 000