v. Feilitzsch lud alljährlich am Fronleichnamstage die Herren, die sich an der Prozession nicht beteiligten, weil sie protestantisch waren oder aus einem anderen Grunde nicht daran teilnahmen, zur Besichtigung im Ministerium des Innern ein. Einmal hatte sich Riedel, der vom Finanzministerium an der Galeriestraße herkam, verspätet, die Prozession war schon im Gang und alles durch Militärkordons abgesperrt. Riedel wandte sich an einen Soldaten und meinte: „Net wahr, ich kann da schon durch, ich Hab' da drüben zu tun." — „Dös gibt's not," verneinte der Soldat, „wann S' auf de ander Seit'n woll'n, müassen S' ganz abi, d' Ludwigsstraß'." — Riedel ging und versuchte weiter oben durchzukommen; diesmal energischer, indem er einen Soldaten beiseite schob und sagte: „Ich Hab' da drüben im Ministerium dienstlich zu tun." — Dabei wollte er rasch auf die andere Seite. Aber ebenso rasch befand er sich wieder hinter dem Kordon. „Dös kunt a jeder sag'y," meinte dabei der Vaterlandsverteidiger. Nun wurde Riedel ungeduldig: „Ich verlang', daß Sie mich 'nüberlassen!" rief er unmutig, „ich bin der Finanzminister!" Mit einem spöttischen Seitenblick musterte ihn der Soldat und meinte lachend: „Geh' machns ma da nix weis so schaug'ns net aus de Minister!"
(Ein Mann der sich nie wäscht,) ist der Apotheker Cerboni in Gelsomino bei Florenz. Dieser Wasserscheue hat sich in einer Zuschrift an ein Florentiner Blatt folgendermaßen über sein kurioses Prinzip ausgesprochen: „Ich bin rüstig, frisch, lustig, hatte nie mit Kopfschmerzen zu tun und habe einen vorzüglichen Appetit, trotzdem ich mich nie wasche, nicht einmal morgens das Gesicht. Das erste Handtuch, das mir meine Schwägerin ins Zimmer gab, als ich vor fünf Jahren zu ihr zog, ist noch immer ungebraucht. Ich habe, soweit mein Gedächtnis zurückreicht, nie gebadet, niemals einen Teil meines Körpers gewaschen. Wenn ich bedenke, daß manche Toilettekabinette ganze Vermögen kosten, durchschauert es mich! Dazu die Bäder, Wannen, Waschbecken, Krüge, Spiegel, Bürsten, Schwämme, Seifen, Parfüms und Handtücher jeder Art! Wieviel unnützes Zeug. Ich habe nie den Schlaf und Appetit verloren. Können das gleiche diejenigen sagen, die am Meeresstrand und in Kurorten den Beutel der Spekulanten füllen? Ich gehe in Stiefeln zu Bette und trage Winter und Sommer denselben Rock." — Dabei ist der Schmutzfink 75 Jahre alt geworden.
(Mißglückter „Pferdehandel.") Die Gelegenheitsarbeiter Sonnemann und Lietz in Berlin beabsichtigten, mit einem besonderen Trick einen Schwindel auszuführen. Sie wollten irgendwo ein Pferd stehlen und alsdann verkaufen. Zu diesem Zweck verfertigten sie einen gestempelten Kaufvertrag, in dem bescheinigt wird, daß Sonnemann von Lietz Pferd und Wagen für 450 .N gekauft habe. Dann gingen beide Kumpane nach der Dircksenstraße, brachen in den Stall des Fuhrherrn Wolf ein, holten ein Pferd heraus, spannten es vor ein im Hofe stehendes Break und fuhren davon. Mit dein Kaufvertrag in der Tasche
Vom vielen Sehen ganz durmelig im Kopfe, ver- I ließen wir das interessante Labyrinth und steuerten I dem Marktplatze zu. Dort bekamen wir das große Rolandsdenkmal, das prächtige Rathaus mit dem berühmten Ratskeller vor Augen, welch letzteren wir besonders gründlich besichtigten, mundete doch der Wein so vortrefflich. Vorbei am Kaiser Wilhelmsdenkmal pilgerten wir dem berühmten Dom mit dem Bleikeller zu. Die Herrlichkeiten dieses wunderbaren Dombaues näher zu beschreiben, dazu gehört eine geübtere Feder, aber die Gruft dieser Kirche, des sogen. Bleikellers, möchte ich kurz in Erwähnung bringen. Diese birgt nämlich ganz merkwürdige ja unheimliche Schütze.
In offenen Särgen liegen dort nachweisbar Mehrere Jahrhunderte alte Leichen ganz unverwest und unversehrt, so z. B. die Leiche eines schwedischen Generals 260, eines Adjudanten 250, einer Gräfin 250, eines Studenten 180, eines Zimmermanns ca. 460 Jahre alt. Wie das zu erklären ist, daß diese Leichen nicht verwesen, war mir nicht recht klar, unser Führer behauptete, die Luft und die Boden- besichaffenheit in diesem Gewölbe lassen keine Verwesung vor sich schreiten. — Wir waren froh, als wir wieder an das Tageslicht zu den Lebendigen heranfsteigen konnten. Wir besuchten dann noch die Baumwollbörse, das Essighaus, Essig gabs dort aber keinen. Zuletzt wurden wir noch durch die Wallanlagen und Ringgräben Bremens geführt, welche inmitten der Stadt einen herrlichen Park bilden. Dem schloß sich ein obligater Frühschoppen m einer alten Bremer Bürgerwirtfchaft an. Bei Becherklang und Rundgesang entwickelte sich auch
glaubten sie jederzeit ihre Beute, die 1500 wert ist, ohne Verdacht zu erregen, an den Mann bringen zu können. Aber schon der erste, dem sie Pferd und Wagen anboten, der Pferdehändler Meißner in der Greifswalder Straße, traute dem Handel nicht und lehnte das Geschäft ab. Jetzt stellten die Diebe den Wagen bei dem Schankwirt Michaelis in Weißensee unter, um das Pferd allein zu verkaufen. Das nahm ihnen denn auch ein Gärtner für 300 Mark ab, auf die er 228 anzahlte. Unterdessen wurde der Diebstahl entdeckt. Die Kriminalpolizei fand bald die Spur der Täter, und der Kaufvertrag, der dem Gärtner Vorgelegen hatte, verriet ihr auch den Namen der Spitzbuben. Sonnemann wurde festgenommen, während man Lietz noch nicht dingfest machen konnte. Wolf hat Wagen und Pferd wieder erhalten. Auch der Gärtner, der in gutem Glauben handelte, wird ohne großen Verlust davonkommen, denn die Kriminalpolizei beschlagnahmte bei Sonnemann noch 70 und bei der Braut des Lietz 120
Auf schwäbisch. Wenn Engländer schwäbisch verstehen, so ist dies eine sehr schöne Sache. Daß es solche Söhne Albions gibt, das hat ein in Mailand ansässiger biederer Schwabe zu seiner Hellen Freude erfahren. Herr M. machte mit feiner Gattin jüngst eine kleine Reise und dachte an nichts Böses, als urplötzlich ein baumlanger Mensch in den Eisenbahnwagen hereinlümmelte und es sich nach seiner Art bequem machte, d. h. seine langen Spazierhölzer über die gegenüberliegenden Sitze und der Dame beinahe unter die Nase schob. Höflich, wie der Schwabe nun einmal ist, versuchte er es mit englisch — allein der Fremde tat, als ginge ihn die ganze Sache nichts an. Darauf Französisch — dann Italienisch; derselbe Erfolg. Nun aber ging es dem Schwaben, wie dem Ritter im Uhlandschen Liede: „Da wallt dem Schwaben auch fein Blut", und er stülpt sich ohne weiteres Rock- und Hemdärmel auf, unter dem ein Paar eiserne Arme sichtbar werden, wie ein richtiger Kanonier sie braucht, und fragt den Engländer in echt schwäbischer Mundart, aber diesmal nicht verbindlich flötend: „Ob Se Ihre Füß weg- deant?" Der Mann gehorchte jetzt der schwäbischen Aufforderung.
Gefoppt. Ein sich für den Posten eines Polizisten bewerbender Mann sollte vom Arzte auf sein .Gehör geprüft werden. Der Arzt zog seine Uhr aus der Tasche und fragte: „Hören Sie das Ticken?" — „Jawohl", war die Antwort. Der Arzt hielt sie einen halben Meter vom Ohr des Bewerbers. „Hören Sie es noch?" fragte er. — „Jawohl, Hr. Doktor". — „Jetzt treten Sie mal drei Schritte zurück". Dies geschah. „Nun, auch jetzt noch aus dieser Entfernung?" — Der Bewerber lauschte angestrengt, dann lächelte er und nickte. „Ich höre noch", sprach er. — „Sie haben das wunderbarste Gehör, das mir je vorgekommen ist", sagte der untersuchende Arzt, diese Uhr steht seit drei Wochen."
hier bald frohes Leben, bis wir daran denken mußten zum Bürgerpark, woselbst das Mittagessen eingenommen werden sollte, auszubrechen.
Der Vertreter des Flottenvereins Bremen hieß uns Schwaben willkommen, indem er seiner Freude darüber kund gab, daß nun doch allmählich vom Fels zum Meer ein frischer Zug zu wahrer deutschen Einigkeit wehe und brachte fein Hoch aus auf den schwäbischen Flottenverein. Sofort erhob sich Professor Mayer von Kirchheim/Teck, um im Namen der schwäbischen Flottenvereinler für die freundliche und gastliche Aufnahme in dein schönen und weltgeschichtlich so bedeutsamen Bremen herzlich zu danken, sein Hoch galt der Stadt Bremen.
Nun wurden wir auch noch im Namen des Direktoriums des Norddeutschen Lloyd begrüßt, der Redner, selbst ein Schwabe, dessen Namen mir nicht mehr erinnerlich, versicherte uns in zündenden Worten, wie der Norddeutsche Lloyd sich eine Ehre daraus mache, so viele Schwaben zu Gast laden zu dürfen und schloß seine, von echt schwäbischer Anhänglichkeit getragene Rede mit einem Hoch auf unseren geliebten König. Stehend sang dann die ganze große Versammlung das Württemberger Lied: „Preisend mit viel schönen Reden". Nach Tisch machten wir einen Spaziergang durch den großen Bürgerpark mit feinen reizvollen Anlagen, Seen und Landfchaftsbildern. Im Kaffeehaus am Emmasee trankeu wir eineu guten Kaffee und nun gings eilig dem Freihafen zu, der uns durch seine vielen Frachtschiffe sehr interessierte und dessen ausgedehnte und großartigen Speicher wir anstaunten. Durch I unzählige hydraulische Krahnen wurden die vom Aus- I
Letzte Nachrichten u. Telegramm^
Cronberg, 26. Aug. Der Kaiser besuchte heute vdrmittag mit dem Prinzen und der Prinzessin Friedrich Karl von Hessen nebst dem Gefolge den Gottesdienst in der Johanneskirche und begab sich darauf mit Gefolge im Automobil nach Homburg, wo er um 11 Uhr eintraf und die Erlöserkirche und das Landgrafendenkmal besichtigte.
Cronberg, 26. August. Der Kaiser traf mittags 12'/« Uhr, von Homburg kommend, wieder hier ein und fuhr hierauf nach der Saalburg, von wo er kurz vor 6 Uhr zurückkehrte.
Hamburg, 26. Aug. Die „Hamb. Nachr." melden: In einem Hause der Sachsenstraße wurde ein junger Mann aus Rußland verhaftet, der im Gesicht und an den Händen schwere Brandwunden trug. Derselbe verweigerte über seine Person jede Auskunft. Bei der Durchsuchung wurden eine Menge Revolver und auch Sprengstoffe, hauptsächlich Pikrinsäure, gefunden, ferner Frachtbriefe, Rechnungen rc., aus denen hervorgeht, daß Waffen und Sprengstoffe nach Rußland versandt worden sind. Die Sachen gingen nach russischen Ostseehäfen. Ein Komplize des Verhafteten wurde noch nicht angetroffen. Die Meldung wird von amtlicher Seite bestätigt.
Moskau, 26. August. Heute morgen überfielen 12 Bewaffnete, 60 Werst von Moskau entfernt, den Personenzug aus Twanow, schlugen die Türe der Abteilung ein, in der sich der Bahnzahlmeister befand, raubten 5000 Rubel und verschwanden im Wald, wo sie von Helfershelfern erwartet wurden. Zwei Mitglieder der Bande wurden verhaftet.
Mailand, 26. August. Die 220 Teilnehmer der zweiten von Professor Miller-Stuttgart veranstalteten Studienreise sind wohlbehalten in Mailand eingetroffen.
New-Aork, 26. Aug. Ein Dampfer ist nach Havanna abgegangen. Er überbringt 15 000 Re- mington-Gewehre, 800 000 Munitionsladungen und 6 Mitrailleusen für die kubanische Regierung.
Petersburg, 27. August. Der Kommandeur des Semenowsky'schen Regiments, General Minn, wurde durch ein junges Mädchen, das 5 Revolverschüsse auf ihn abfeuerte, ermordet.
Berlin, 27. Aug. In der Radrennfahrt rund um Berlin siegte Otto Hötzke in 9 Stunden 42 Minuten 11 Sekunden. Es folgte Schulze-Cöhn. Der Lokalanzeiger meldet: Der Stiftungspreis in Baden-Baden wurde von dem französischen Hengst „Phönix" gegen die gleichfallsj französischen Besitzern gehörigen Pferde „Ob" und „Tirol" gewonnen.
Berlin, 27. Aug. In der Nacht zum Sonntag richtete ein gewaltiger Sturm an zahlreichen Stellen arge Verwüstungen und erheblichen Schaden an. Mehrere Telephonleitungen sind zerstört.
lande kommenden Rohwaren aus den Schiffen gehoben, jetzt erst bekamen wir den rechten Einblick von dem Leben und Treiben in einem solchen Hafenplatze. Ganz besonders interessierte mich als Feuerwehrmann auch die Hafenfeuerwache, Tag und Nacht ist die Mannschaft zum Abrücken parat. Wird Feuer gemeldet, so kann die Wache binnen 30 Sekunden abrücken, durch Drücken auf einen Knopf im Wachlokal öffnen sich von selbst die Türen an den Pferdeställen, im Galopp kommen die Pferde herangesprengt und stellen sich von selbst auf ihre Plätze vor die Geräte, die Geschirre hängen an der Decke, so daß solche nur auf die Tiere herabgelassen werden dürfen und das Kummet geschlossen. Bereitwilligst wurde uns vom Wachkommandanten die Sache praktisch vorgeführt. In dem Verwaltungsgebäude des Norddeutschen Lloyd, wirklich ein Prachtgebäude, besichtigten wir die schönen großen Bureauräumlichkeiten und im Erdgeschoß die kolossalen Lagerräume zur Ausstattung der großen Ozean-Dampfer mit Proviant. Das Abendessen nahmen wir wiederum im Bürgerparke ein, woselbst verschiedene Reden fielen, welche aber vor meinen Ohren verhallten, denn mein Platz war ziemlich weit vom Rednertische entfernt, nur eines ist mir noch erinnerlich, daß Postsekretär Köhler aus Göppingen, Vorstand der deutschen Partei dortselbst, die Mitglieder des Flottenvereins zum Besuche des Grabes Bismarcks in Friedrichsruh einlud, dieser Einladung konnten aber natürlich nur diejenigen Folge leisten, welche sich die Berechtigung zur Heimfahrt mittelst beliebigem Zug innerhalb 45 Tagen gesichert hatten.