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Neuenbürg, Montag den 27. August 1906.

64. Jahrgang.

uunSschau.

Mainz, 25. Aug. Heute morgen 8 Uhr traf der Kaiser mit Gefolge im Sonderzug beim Bahn­wärterhaus 39 der Strecke Alzey-Mainz ein. Der Kaiser und der Großherzog begrüßten und küßten sich sehr herzlich. Nachdem der Kaiser zu Pferde gestiegen war, begann aus dem großen Sand die Besichtigung des 6. Dragonerregiments, woran sich eine Gefechtsübung anschloß. Die Aufgabe wurde im wesentlichen von der 4t. Jnfanteriebrigade, be­stehend ans dem 87. und 88. Regiment ausgeführt. Das Gefecht bei Gonsenheim war um 1t Uhr be­endet. Daran schloß sich eine Parade mit zwei­maligem Vorbeimarsch. Der Kaiser führte sein Regiment Nr. 116, der Großherzog das Regiment Nr. 115 und die Prinzessin Friedrich Karl von Hesse« das Regiment Nr. .80, dessen Uniform sie trug. Nach der Kritik ritten der Kaiser, der Groß­herzog und der kommandierende General v. Eich­horn an der Spitze der Fahnen und Standarten durch die reichgeschmückte Stadt zum Schlosse. Trotz des immer stärker fallenden Regens hatten viele Tausende auf den Straßen Aufstellung genommen und begrüßten den Kaiser und den Großherzog mit begeistertem Zuruf.

Wilhelmshöhe, 25. August. Der Kaiser empfing gestern nachmittag aus Schloß Wilhelms- Höhe den Prinzen Earolath, früher Kommandeur der 7. Kürassiere. Der Prinz zeigte dem Kaiser im Parke das Quellenfinden mit der Wünschelrute, und zwar mit bestem Erfolg.

Berlin, 25. Aug. Der preußische Staatsan- zeiger veröffentlicht einen kaiserlichen Gnadenerlaß, datiert aus Wilhelmshöhe 24. Aug., wonach an­läßlich der Taufe des kaiserlichen Enkels alle vom Preußischen Zivilgericht wegen Majestätsbeleidigung oder Beleidigung von Mitgliedern des königlichen Hauses erkannten Freiheitsstrafe», soweit sie noch nicht vollstreckt sind, und die noch rückständigen Kosten erlassen werden.

Berlin, 25. August. Das gesamte preußische Staatsministerium hat bereits vor einer Reche von Tagen eine Einladung zur Taufe des Kron­prinzensohnes erhalten. DieNational-Zeitung" fragt im Anschluß daran:Wird auch Hr. v. Pod- bielsky, der ja immer noch dem Namen nach Minister ist, die Gelegenheit wahrnehmen, sich feinen Kollegen noch einmal in solcher Eigenschaft zu zeigen?"

Ueber den Fall Podbielsky in militärischer Auffassung schreibt dieFranks. Ztg." nach den Ausführungen eines höheren Offiziers im einzelnen: So wie der Fall liegt, mußte der Kaiser die Ent­scheidung aufschieben. Podbielsky ist zunächst General, Offizier mit allen Vorrechten eines aktiven Generals. Diese Qualität von Podbielsky ist zu­nächst maßgebend. Der Fall des Majors Fischer mag ablaufen, wie er will: der Name des Generals ist darin verwickelt, er ist öffentlich kompromittiert, und unter allen Umständen muß eine ehrengericht­liche Untersuchung darüber stattfinden, ob Podbielsky die Standesehre gefährdet oder verletzt hat. Ohne eine ehrengerichtliche Untersuchung ist die Erledigung des Falles gar nicht denkbar. Es existiert sogar ein Befehl, daß jeder Offizier, über den in der Oeffentlichkeit Gerüchte umlaufen, die geeignet sind, ihn in der Achtung seiner Standesgenossen herab­zusetzen, verpflichtet ist, gegen sich selbst eine ehren­gerichtliche Untersuchung zu beantragen, um durch den Spruch des Ehrengerichts sich zu rehabilitieren. Und deshalb muß die Erledigung der Angelegenheit ausgesetzt werden, bis das Ehrengericht gesprochen hat. Nach dem Urteil des Ehrengerichts wird sich dann auch die Form der Verabschiedung des Ministers ergeben, ob Abschied in allen Gnaden oder wie sonst.

Berlin, 25. Aug. DerLok.-Anz." schreibt: Uns zugehende Nachrichten weisen darauf hin, daß außer Majox Fischer auch noch andere Offiziere

der Schutztruppe in einem engen freundschaft­lichen Verhältnis zu Hrn. v. Tipppelskirch ge­standen haben, das Beziehungen zur Folge hatte, die zu nicht wünschenswerten Kreditgewährungen führten.

Nach einem neuen Erlaß des preußischen Eisenbahnministers sollen die Fahrkartenver­käuferinnen auf den preußisch-hessischen Eisenbahn­stationen nach und nach aus dem Schalterdienst wieder zurückgezogen und durch männliches Personal ersetzt werden. Die zurückgezogenen Gehilfinnen sollen im Telegraphen-, Telephon- oder Bnreaudienst Verwendung finden. Im Schalterdienst, bezw. im Verkehr mit dem Publikum, scheinen sich sonach die weiblichen Personen nicht sonderlich bewährt zu haben.

Petersburg, 25. Aug. (Telegr. an d. Enzt., 6 Uhr abends.) Heute ereignete sich auf der Apothekerinsel in der Villa des Ministerpräsidenten Stolypin gelegentlich eines Empfanges um 3 Uhr eine Explosion, wodurch zahlreiche Personen getötet" und verwundet wurden. Auch der Sohn Stolypins wurde verwundet. Stolypin selbst ist unverletzt.

Petersburg, 25. August. Zu dem heutigen Mordanschlag aus den Ministerpräsidenten meldet die Petersburger Telegraphenagentur folgende Einzelheiten: In der 4. Nachmittagsstunde fuhr eine mit 2 vorzüglichen Pferden bespannte Mietskutsche vor dem Portal der Wohnung des Ministers auf der Apothekerinsel vor. In dem Wagen saßen 4 Personen, 2 Zivilisten und 2 Militärs in aus­ländischer Uniform. Alle 4 begaben sich in die Pförlnerstube, wobei eine von ihnen als Militär verkleidete Person einen Helm in den Händen hielt, in dem offenbar ein Sprenggeschoß von ungeheurer Kraft enthalten war. In der Pförtnerstube wurde das Geschoß zufällig fallen gelassen. Die Kraft der Explosion war furchtbar. Der im Nachbarzimmer befindliche, beim Minister des Innern als Beamter in besonderem Aufträge fungierende Generalmajor Samjotin wurde getötet, dem Hofmeister Woronin wurde der Kops abgerissen. Getötet wurde auch der Pförtner und sämtliche in der Pförtnerstube be­findlichen Personen, darunter alle 4 Uebeltäter. Die ganze Hinterwand des Gebäudes wurde vernichtet. Die im oberen Stockwerk befindlich gewesene 15- jährige Tochter Stolypins erlitt schwere Verletzungen an beiden Beinen, welche amputiert werden müssen. Ein kleiner Sohn des Ministers erlitt einen Bein­bruch. Die Zahl der Verwundeten ist noch nicht genau festgestellt. Solypin selbst ist unverwundet geblieben. Durch die Gewalt der Explosion wurde die Türe zum Kabinett Stolypins aus den Angeln gerissen. Die Pferde, mit welchen die Uebeltäter angefahren kämen, blieben unverletzt, der Wagen wurde zertrümmert, der Kutscher getötet. Einer der Direktoren der Pet. Tel.-Ag., Fürst Schochowskoy, welcher sich in dem an die Pförtnerstube anstoßenden Zimmer befand, erlitt Verletzungen.

Außer dem neuen Verwaltungsgebäude errichtet die Firma Krupp noch ein physikalisch-tech­nisches Laboratorium für 2sts Millionen und noch einen weiteren Schießplatz in Essen am sog. Segeroth für 2 Millionen Mark.

Baden-Baden, 24. August. Der Besuch der Jffezheimer Rennen mar auf allen Plätzen sehr gut, zudem mag dasFürstenberg-Memorial", das wertvollste Rennen der diesjährigen Badener Woche, seine Anziehungskraft auf. das Publikum ausgeübt haben. Das Hauptinteresse konzentrierte sich denn auch auf dieses Rennen, dessen Ausgang der deut­schen Zucht einen großen Triumph bringen sollte. Nach jahrelangen schweren Niederlagen und bitteren Enttäuschungen der deutschen Ställe im Kampfe mit den Franzosen war es endlich wieder elfteren ver­gönnt, einen hohen Preis erfolgreich gegen ihre west­lichen Nachbarn zu verteidigen. Im übrigen nehmen die Rennen ihre Fortsetzung.

Karlsruhe, 25. Aug. Am 16. August ist in Baden die Jagd auf Auer- und Birkhähne und gestern auf Hasen, Fasanen, Rebhühner u. dergl. wieder eröffnet worden. Die bis jetzt abgehaltenen Jagden haben ein recht schlechtes Ergebnis gehabt. Es gibt wenig Hasen und noch viel weniger Hühner.

Aus Oberbaden, 24. August. In den Waldungen bei Neustadt (Schwarzwald) tritt der Fichtenborken-Käfer vorherrschend auf. Auch in den Forsten des Amtsbezirkes Pfullendorf, wo der Käfer seit Jahren ungeheuren Schaden anrichtete, ist die vollständige Ausrottung noch nicht gelungen.

DieKöln. Ztg." meldet:Nach einem Tele­gramm desNewyork-Herald" aus Lima ist die Stadt Quillota, die 50 Kilometer von Valparaiso entfernt ist, versunken, so daß nichts mehr von ihr zu sehen ist. Der Stoß, der sie wegsegte, wurde in Valparaiso 4M Minuten lang gehört. Von den 10 000 Einwohnern der Stadt sind weniger als 100 entkommen.

Müi-ttenwLt-g.

Stuttgart, 25. August. Der württ. Hand­werkerlandesverband hat kürzlich in einer Aus­schußsitzung, die in Nagold stattfand, die Frage der gesetzlichen Einführung einer Arbeitslosen-Ver- sicherung besprochen. Es wurde beschlossen, an die württemb. Handwerkskammern eine Eingabe zu richten, worin ersucht werden soll, beim deutschen Handwerks- und Gewerbekammertag in Nürnberg dahin zu wirken, daß die Frage der Arbeitslosen­versicherung auf die Tagesordnung des Verbands­tags der deutschen Handwerks- und Gewerbekammern im Jahr 1907 gestellt werde. Bei der Beratung dieser Angelegenheit wurde betont, daß schon jetzt Einsprache erhoben werden müsse gegen eine Gesetz­gebung, die den Gewerbetreibenden wieder neue Lasten auferlegen würde.

Stuttgart, 25. Aug. Die jährliche Landes­versammlung des Evang. Bundes findet am Sonntag, 16. September in Oehringen statt. Im Mittelpunkt derselben wird ein Vortrag von Lic. Cverling aus Halle a. S. stehen. An die Landes­versammlung schließt sich Tags darauf die Dele­giertenversammlung an.

Suppenautomaten für das Bahnpersonal. Die Generaldirektion der württ. Staatseisenbahnen hat genehmigt, daß in mehreren Aufenthaltsräumen des Eisenbahnpersonals Verkaufsautomaten mit Suppenkapseln zur Bereitung kräftiger Suppen auf­gestellt werden.

Ulm, 25. Aug. Der Geh. Hofrat Dr. Max v. Eyth, der erst vor wenigen Monaten unter freu­diger Teilnahme von nah und fern seinen 70. Ge­burtstag hatte feiern dürfen, ist heute nachmittag in dem Sanatorium von Frln. Albrecht hier ge­storben. Mit Max Eyth ist einer der besten Männer des Schwabenlandes dahingegangen. Ge­boren am 6. Mai 1836 in Kirchheim u. T. als Sohn des Oberprüzeptors, war Eyth ursprünglich zum Theologen bestimmt, aber seine eigenen Wünsche wiesen nach einer anderen Richtung: er schlug die Laufbahn eines Ingenieurs ein, die ihn Anfang der 60 er Jahre nach England führte. Als Vertreter des Fowlerschen Etablissements in Leeds machte er sich in den folgenden Jahren vor allem um die Ein­führung des Dampspflugs und der Dampfkultur verdient und kehrte, nachdem er zu diesem Zweck Asien, Afrika, Nord- und Südamerika und die ver­schiedensten Länder Europas mehrfach bereist hatte, Anfang der 80er Jahre wieder in seine Heimat zurück. Hier gründete er die Deutsche Landwirt­schaftsgesellschaft, die er eine Reihe von Jahren leitete. Der Württ. Journalisten- und Schriftsteller­verein ernannte ihn anläßlich seines 70. Geburtstags zu seinem ersten Ehrenmitglied. Weiteren Kreisen ist er vor allem durch seine schriftstellerische Tätigkeit bekannt geworden. Seine mit köstlichem Humor