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Fernsprecher Nr. 4.
N 104.
Neuenbürg, Freitag den 6. Juli 1906
64. Jahrgang.
ikrmSschau»
Der Dampfer „Hamburg", mit dem Kaiser an Bord, begleitet von Seiner Majestät Schiff „Leipzig" und Seiner Majestät Schiff „Sleipner", hat am Dienstag abend 8 Uhr, nordwärts gehend, Kalundborg im großen Belt passiert. — Der Kaiser wurde am Mittwoch durch Funkentelegraphie von der Geburt seines ersten Enkels benachrichtigt.
Berlin, 4. Juli. Die Kaiserin traf 4'/- Uhr früh un Marmorpalais ein. Die Geburt nahm einen völlig normalen Verlauf. Der kleine Prinz soll sehr gut entwickelt und sehr gewichtig sein. Nach der Entbindung zogen* viele hundert festlich gekleidete Kinder, zum Teil mit Fähnchen, nach den Linden, um dem Lösen des Saluts beizuwohnen. In vielen Geschäften ist die Büste des Kaiserpaares und der kronprinzlichen Herrschaften ausgestellt. In den Kasinos nahm der älteste Offizier die Gelegenheit, den ersten Toast aus den zukünftigen deutschen Kaiser auszubringen. Sämtliche Abendblätter bringen anläßlich der Geburt des zukünftigen Thronerben patriotisch gestimmte Artikel; die Straßen zeigen Fahnenschmuck und sind teilweise illuminiert. — In Potsdam fuhr die Garde-Artillerie im Lustgarten auf und gab die bei der Geburt der preußischen Prinzen üblichen 101 Schuß ab.
Einer Berliner Korrespondenz-Meldung zufolge bestimmte der Kaiser, daß sein neugeborener Enkel am 12. August durch Oberhosprediger Drpander getauft werden und den Rufnamen „Wilhelm" führen soll.
In der Reichs Hauptstadt herrscht zur Zeit ziemliche politische Stille. Die mündlichen und schriftlichen Aenßerungen des Reichstagsabgeordneten Erzberger über wirkliche oder vermeintliche Unge- hörigkeiten seitens der Kolonialbeamten in Deutsch- Südwestafrika bringen die offiziöse Presse in große Aufregung. Eine ganze Reihe von Behauptungen des Herrn Erzberger sind amtlich und aktenmäßig widerlegt worden, andere aber sollen sogar strafrechtlich verfolgt werden. Der diesbezügliche Strafantrag gegen den Anzeiger vom Oberland in Biberach soll sogar schon gestellt sein. Uebrigens ist der neue Kolonialdirektor Erbprinz zu Hohenlohe- Langcnburg ehrlich bemüht, allen gegen seine Unterbeamten erhobenen Anschuldigungen streng auf den Grund zu gehen. Bei der gerichtlichen Verhandlung wird es sich ja zeigen, ob der Abg. Erzberger wirklich beweisbares Tatsachenmaterial beibringen kann oder ob er selbst getäuscht worden ist.
Ans der neuen Eisenbahn-Verkehrs-Ord- nung teilt die „Franks. Ztg." einige wichtige Aenderungen mit: Das Beschwerdebuch fällt weg, da es zu oft zu völlig ungerechtfertigten Beschwerden benützt ist. Die Fahrpläne sollen übersichtlicher und genauer gestaltet werden. Am Fahrkartenschalter ist fortan der Beginn der Verkaufszeit überall anzugeben. Nichtraucher- und Frauen - Abteile sollen in allen Wagenklassen abermals vermehrt werden. Das Belegen von Plätzen ist gestattet; aber wer seinen Platz verläßt, verliert das Anrecht darauf. (?!) Kleine Hunde, kleine Vögel in Käfigen und andere Tiere, die getragen werden, dürfen künftig in die Abteile mit hinein genommen werden. Hunde jeder Größe können künftig als Reisegepäck anfgegeben werden. Für vorzeitig ausgeliefertes Reisegepäck wird künftig die Fracht für die nicht durchgefahrene Strecke erstattet. Die Einrichtung von Handgepäck - Aufbewahrungsstellen, die seither nur auf großen Bahnhöfen üblich war, wird auf alle Bahnhöfe, aus denen Gepäckabfertigung besteht, ausgedehnt.
Berlin, 4. Juli. Dem „Lok.-Anz." zufolge wird die Zahl der übrig gebliebenen Zweipfennigkarten auf 20 Millionen geschätzt; eine beschränkte Möglichkeit, diese abzusetzen, bietet Württemberg; die Entschließung über eine diesbezügliche Verwendung wird erfolgen, wenn Württemberg seiner
seits:. die Entscheidung über die Postkartentaxe im Ortsverkehr getroffen hat.
Hamburg, 4. Juli. Aus der Werft von Blum und Voß fand heute im Beisein des Königs von Sachsen die Taufe eines Schiffes der Hamburg-Amerika-Linie statt. Der König hielt die Tanfrede. Frau Bürgermeister Bnrchard taufte hierauf das Schiff auf den Namen „König Friedrich August". Alsdann lief das Schiff glücklich vom Stapel."
Hamburg, 4. Juli. Nach amtlicher Feststellung ist bei dem Brand der Michaeliskirche nur der Türmer ums Leben gekommen. Bei den Löscharbeiten wurde ein Feuerwehrmann so schwer verletzt, daß er ins Krankenhaus gebracht werden mußte. Eine Anzahl Feuerwehrleute erlitten unerhebliche Brandwunden.
Der Senat von Hamburg hat den sofortigen Wiederaufbau der abgebrannten Michaeliskirche beschlossen.
Die Sitzungen der russischen Duma in Petersburg verlaufen Tag für Tag in äußerst stürmischer Weise.- Zur Zeit handelt es sich um das Vereins- und Versammlungsrecht, das in Rußland eingeführt werden soll. Die Regierung hat einen Entwurf vorgelegt und, wie begreiflich, gegen etwaige Mißhräuche dieser beiden Rechte Vorkehrungen verlangt, aber die große Mehrheit der Duma verlangt unbeschränktes Vereins- und Versammlungsrecht nach englischem Muster und das Ministerium Gorempkin muß alle diese Reden und Beschlüsse ruhig auhöreu. Wiederholt verlautete in jüngster Zeit, das Ministerium Gorempkin werde nun doch zurücktreten und durch ein Ministerium, das teils aus Dumamitgliedern, teils aus liberalen anderen Kreisen zusammengesetzt sei, abgelöst werden. In Rußland ist zwar z. Zt. so ziemlich alles möglich, aber der geängstigte Zar scheint sich zu einem solchen Entschluß doch noch nicht aufraffen zu können.
Petersburg, 4. Juli. Der „Regierungsbote" veröffentlicht längere Mitteilungen, aus denen hier folgendes berichtet sei: Bei den Unruhen am 14. Juni in Bialpstok wurden 82 Personen (7 Christen und 75 Juden) getötet und 78 Personen (18 Christen ) und 60 Juden) verwundet, sowie 169 jüdische Wohnungen und Buden geplündert, was einen Verlust von annähernd 200 000 Rubel verursachte. — Ein vom Minister des Innern nach Petersburg berufener Polizeibeamter aus Bialpstok ist nach Meldungen verschiedener Blätter der Urheber des dortigen Pogroms.
Petersburg, 4. Juli. Ein Tagesbefehl des Oberkommandierenden des Petersburger Militärbezirks und der Garde ordnet au, gegen den Kommandeur, sowie gegen den Bataillonskommandeur, die Kompagniechefs, sowie gegen die übrigen Offiziere und Mannschaften des aufgelösten ersten Bataillons Regiments Preobraschensky eine Untersuchung einzuleiten und die Schuldigen dem Gericht zu übergeben. Gleichzeitig erhielt der Kommandeur der 1. Brigade der 1. Garde-Infanterie-Division, der Kommandeur der 1. Garde-Jnsanterie-Division und der Kommandeur des Gardekorps einen Verweis.
Aus einigen Provinzen Chinas werden neuerdings Unruhen gemeldet, die den Charakter eines Aufstands angenommen haben. In Hsi-Tscheng bei Hankau sind, einer Blättermeldung aus Shanghai zufolge, 5000 Aufrührer gefangen genommen worden; den Rest versuchten kaiserliche Truppen einzuschließen. Die städtischen Behörden von Hsi-Tscheng seien durch Mitglieder der Gesellschaft vom „Großen Messer" ermordet, die protestantische und die katholische Kirche seien zerstört worden.
Essen a. R., 4. Juli. Fräulein Barbara Krupp, die zweite Tochter des verstorbenen Geh. Rats Krupp, hat sich nfit dem Regierungsassessor Frhrn. Tilo v. Wilmowski, einem Sohn des Oberpräsidenten der Provinz Sachsen, verlobt.
Solingen, 4. Juli. Aus Anlaß ihres 175- jährigen Geschäftsjubiläums stiftete die hiesige Firma I. A. Henkels einen Fonds von 50 000 Mk., dessen Zinsen zur Unterstützung bedürftiger Arbeiter verwendet werden sollen.
Forst (Nieder-Lausitz), 3. Juli. Die Zahl der st reitenden Textilarbeiter beträgt 6500. Die Ausständigen wählten Kommissionen, die mit den Arbeitgebern verhandeln sollen. Die Arbeitgeber beschlossen, die Betriebe offen zu halten.
Freiburg, 3. Juli. Noch nicht ermittelte Diebe verübten, wie kurz gemeldet, in dem Goldwarenge- schäst Jörger einen Einbruch und stahlen sür 7000 Mark Ringe, Ketten und Uhren. — Wie weiter gemeldet wird, kamen über 200 Ringe, zum Teil mit kostbaren Steinen, 44 goldene Brötchen, eine große Anzahl Damen- und Herrenuhren sowie Dutzende von Ketten und Armbändern aus dem Laden abhanden. Ob an dem Raub mehrere Personen beteiligt waren, steht noch nicht fest. Am Tatort sind ein mit. H. K. 11 gezeichneter Stahlmeisel, ein Bohrer und ein Metzgermesser zurückgelassen worden.
Im sensationellen Mordprozeß gegen die Schwestern Zeller, welche beschuldigt sind, die Köchin Marie Maier im Raxental ermordet zu haben, hat am 2. Verhandlungstage Friederike Zeller, die bisher die Tat entschieden geleugnet hat, ein volles Geständnis abgelegt:
Riesige Heuschreckenschwärme haben das ungar. Tiefland bei Debreczin in einer Ausdehnung von etwa 60 000 Joch heimgesucht. Die ganze Saat und Ernte ist vernichtet. Die dortigen Landwirte stehen vor dem Ruin, da sie der Plage machtlos gegenüberstehen. Die Zahl der Heuschrecken beträgt nach amtlicher Schätzung mehrere Millionen.
New-Uork, 4. Juli. (Auf deutsch - atlantischem Kabel.) Aus Seattle im Staate Washington wird gemeldet, daß die dortige Polizei nach einer auf Wunsch der deutschen Regierung veranstalteten Untersuchung in dem früher von einem gewissen August Rosenberg bewohnten Hause eine Haussuchung vornahm, bei welcher eine vollständige Einrichtung zur Herstellung von Höllenmaschinen aufgefunden wurde. Rosenberg ist am 1. Mai von Seattle nach Hamburg abgereist.
Im Gütcrbahnhos von Bordeaux brach Feuer aus, welches über 1400 Fässer Harz, zahlreiche Tonnen Wein und eine große Anzahl von Frachtwaggons zerstörte. Der augerichtete Schaden betrügt über 1 Million Francs.
Württemberg.
Stuttgart, 4. Juli.
Die Tarifreform im wiirtt. Landtag.
Die Ka m mer der Abgeordneten hat gestern, wie schon kurz mitgeteilt, mit der Beratung der Denkschrift über die Tarisresorm, die vor einigen Tagen den Ständen unterbreilet wurde, begonnen. In der gleichen Frage hat bekanntlich das Zentrum schon vor einigen Wochen einen Antrag eingebracht, durch welchen die Regierung ersucht werden soll, vom 1. August ab den Zweipfennigtarif für die dritte Klasse in Personen- und Eilzügen einzuführen; namens der Freien Vereinigung brachte der ritterschastliche Abg. v. Wöllwarth zu Beginn der gestrigen Beratungen noch den Antrag ein, daß eine weitere (vierte) Klasse mit dem Zweipsennigtarif zur Einführung gelangen soll. Den Verhandlungen über die Denkschrift schickte der neue Verkehrsminister Dr. v. Weizsäcker, ein eingehendes, in mancher Beziehung recht bemerkenswertes und interessantes Exposee voraus, das sich mit der Frage der Tarisresorm überhaupt, besonders eingehend aber mit der Frage der Einführung der vierten Klasse beschäftigte, um die in den nächsten Tagen hauptsächlich der Kampf entbrennen wird. Der Minister versicherte zunächst, daß die württ. Regierung nicht