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Fernsprecher Nr. 4.

103.

Neuenbürg, Mittwoch den 4. Juli 1906.

64. Jahrgang.

LLunSschau.

Kiel, 3. Juli. Der Kaiser hat heute vor­mittag an Bord des DampfersHamburg" seine Nordlandsreise angetreten.

Die angekündigte Begegnung zwischen Kaiser Wilhelm und dem Zaren Nikolaus gilt nach einer neueren Privatmeldung aus Petersburg doch noch keineswegs als unbedingt feststehend. Die er­wähnte Meldung weist darauf hin, daß es von der weiteren Entwicklung der Verhältnisse in Rußland abhängen werde, ob diese Begegnung noch statt­findet oder nicht, da für den Fall des Eintrittes ernster Ereignisse der Zar unmöglich sein Land ver­lassen könne. Indessen halte man in unterrichteten Petersburger Kreisen die Zusammenkunft der beiden Herrscher allerdings für sicher.

König Friedrich August von Sachsen em­pfing am Sonntag im Dresdener Residenzschlosse das Ehrenpräsidium der deutsch-böhmischen Aus­stellung in Reichenberg, Bürgermeister Dr. Bayer und Herrenhausmitglied Neumann in Audienz. Der König stellte hierbei seinen Besuch auf der Reichenberger Ausstellung in sichere Aussicht. Am Dienstag gedachte der Monarch in Hamburg einzu­treffen, um daselbst am nächsten Tage dem Stapel­laus des neuen Riesendampfers der Hamburg- Amerika-Linie, welcher den NamenKönig Friedrich August" erhält, beizuwohnen. Am Donnerstag be­gibt sich der König nach Kiel weiter.

Karlsruhe, 2. Juli. In der 2. Kammer stand heute die Schulvorlage zur nochmaligen Be­ratung. Die Regierung hatte ihre Zustimmung zur Vorlage von einer gewissen Erhöhung der Gemeinde­beiträge zu den Schullasten abhängig gemacht. Die Kammer erklärte sich mit Ausnahme der Sozial­demokraten und Konservativen damit einverstanden. Schließlich fand das Gesetz einstimmig Annahme.

An Stelle des Herzogs von Almodovar ist jetzt Perez Caballero zum spanischen Minister des Atzußeren ernannt worden. Er erklärte einem Berichterstatter gegenüber, er werde sich sofort mit Handelsverträgen mit Deutschland, Frankreich, der Schweiz, Italien und England beschäftigen. Ferner kündigte er an, daß wichtige Veränderungen im diplomatischen Dienste, darunter eine Neubesetzung des Botschasterpostens in Berlin, bevorständen.

Gegen das spanische Königspaar scheint ein neuer anarchistischer Anschlag geplant ge­wesen zu sein. In La Granja, wo das Königs­paar die Flitterwochen verbringt, wurde am Sams­tag ein Anarchist namens Aquilafuente verhaftet. Er ist Mitte vorigen Monats aus Paris nach Spanien gekommen und hatte ein Paket chiffrierter Briefe bei sich. Zwei andere verdächtige Personen wurden ebenfalls verhaftet.

In Rußland ist vom Kaiser ein Gesetz er­lassen worden, nach welchem die aktive Dienstzeit für die Infanterie und die Fußartillerie auf 3, für die anderen Waffengattungen auf 4 Jahre festge­setzt wird. Der Dienst in der Reserve schwankt zwischen 7 bis 10 Jahren. Der aktive Dienst in der Marine beträgt 5, in der Reserve ebenfalls 5 Jahre. Für Personen, die einen bestimmten Bild­ungsgrad Nachweisen, sind Vergünstigungen zugelassen.

Warschau, 2. Juli. Heute wurden hier 6 Mordanschläge gegen Polizisten unter­nommen. 2 der Angegriffenen wurden getötet, 3 verwundet, einer blieb unverletzt. Die Behörden ordneten die Zurückziehung der Polizeiposten von den Straßen an. Die Sicherheitsdienste werden von Patrouillen versehen.

Paris, 2. Juli. In der heutigen Sitzung des Kassationshofes erörterte der Generalstaatsanwalt die sog. neuen Tatsachen und gab der Ansicht Aus­druck, daß das Telegramm und die Erklärungen Guerins, die sich auf das Geständnis von Dreyfus beziehen, ein wesentliches Tatbestandsmoment bilden.

1 das dem Kriegsgericht in Rennes unbekannt ge- j wesen sei. Er erinnerte an das Zeugnis von Cernusky, der versicherte, daß er über die Schuld von Dreyfus vertrauliche Mitteilungen erhalten habe, und damit in Rennes ein großes Aufsehen hervor­rief. Der Generalstaatsanwalt stellte fest, daß die Versicherungen Cernuskys unwahr waren. Dies sei jetzt als neue Tatsache anzusehen. Weiterhin unter­zog er das Schriftstück Nr. 26 des geheimen Dossiers einer Prüfung, in dem B. dem A. verkündigt, daß er den Eisenbahnorganisationsplan erhalten werde, und sodann das dem deutschen Kaiser zugeschriebene Dokument, in dem der NameDreyfus" in vollen Buchstaben enthalten ist. Dreyfus habe in seinem Brief an den Justizminister gegen dieses Schriftstück protestiert, das zu seiner Verurteilung führte. Der Generalanwalt führte weiter aus, der Anklagepunkt betreffend das angebliche Schreiben des deutschen Kaisers müsse mangels jeden Beweises völlig aus- scheiden. Sodann hob der Generalstaatsanwalt hervor, daß Valcarlos niemals Dreyfus als Verräter bezeichnet habe. Es habe sich aber herausgestellt, daß Valcarlos, dessen Ehrenhaftigkeit stets versichert wurde, ein gewöhnlicher, mit 400 'Frs. monatlich besoldeter Agent gewesen sei. Dies stelle nach seiner Ansicht ebenfalls eine neue Tatsache dar, die die Revision begründet. Hieraus wurde die .Verhand­lung abgebrochen.

Am Sonntag ist die Telephonlinie Paris- Rom eröffnet worden. Die beiderseitigen Leiter des Post- und Telegraphenwesens sprachen dabei den Wunsch aus, daß die Linie ein neues Band der Freundschaft zwischen Frankreich und Italien und förderlich für die Handelsbeziehungen der beiden Länder sein möge. >

In London ist der Erfinder des Kehlkopf­spiegels, der Spanier Manuel Garcia, am Sonn­tag abend im hohen Alter von 102 Jahren gestorben.

New-Dork, 2. Juli. Die Hitze erreichte gestern wieder 37 Grad. 10 Todesfälle infolge Hitzschlages waren zu verzeichnen. Gegen 50 Personen mußten in Krankenhäusern untergebracht werden. Erst gegen Abend stellte sich leichter Regen ein, der etwas Ab­kühlung brachte. Die Meldungen über zahlreiche tätliche Hitzschläge aus anderen Orten mehren sich.

Berlin, 29. Juni. Berlin atmet auf. Mit schier unerträglichem Druck hatte die Hitze der letzten Tage aus dem Häusermeer der Reichshauptstadt ge­lastet. Zu 30 und mehr Grad Celsius im Schatten hatte sich die Hitze gesteigert; das Asphaltpflaster schien sie verstärkt zurückzustrahleu, und die hohen Häuserfronten der engen Straßen der Altstadt at­meten bis tief in die Nacht hinein die Gluten, die sie am Tage in sich ausgenommen hatten, wieder aus, sodaß auch die Abendstunden keine Kühlung bringen konnten. Menschen und Tiere sah man unter den unmöglichsten Kopfbedeckungen herumlaufen, und wo in der Nähe eines öffentlichen Brunnens ein schat­tiges Plätzchen war, hielt alles, was über ein paar Minuten Zeit verfügte, eine erquickende Ruhepause. Auf die die Stadt umgebenden Waldungen wirkte die Hitze gleichfalls gewaltig ein. Sie sog aus den Nadelholzbeständen förmlich den würzigen, kräftigen Duft empor, sodaß er wie eine unsichtbare Wolke die ganze Gegend einhüllte. Erhob sich dann ein leichter, stadtwärts gerichteter Wind, dann wurde der herrliche, aber auch schwüle Kiefernduft bis tief in die Straßen der Stadt hineingesührt, und man konnte für Augenblicke mitten in der Millionenstadt das Gefühl haben, am Rande eines Gebirgswaldes zu weilen. Dann aber drängte die von den Straßen zurückgeworfene Glutwelle mit neuer Macht empor, und man schmachtete aufs neue in Asphaltdunst und in trockener Sonnenhitze. Von dieser Pein hat uns heute ein heftiges Gewitter, das in Begleitung mäch­tiger Regengüsse niederging, befreit. Auf allen Ecken und Enden blitzte und donnerte es, denn eine ganze Anzahl von Gewittern schienen über der Stadt zu­

sammengestoßen zu sein, und ausgiebige Platzregen erquickten Gärten und Anlagen, die unter der anor­malen Hitze bereits etwas gelitten hatten. Jetzt weht eine frische, kräftige Gewitterluft durch die Straßen und aus allen Fenstern stecken die Leute die Köpfe um möglichst viel von der laug entbehrten Erquickung, in sich aufzunehmen, nachdem sie sechs Wochen lang darauf angewiesen waren, die infer­nalische Hitze nur von innen heraus zu löschen, was, wie der Besuch der Gartenetablissements und der Bierwirtschaften der Stadt bewies, allerdings in so gründlicher Weise besorgt wurde, daß die Wirte den Juni 1906 in dankbarer Erinnerung behalten werden.

Der HeilstätteWaldfrieden", Spezial­anstalt für Alkoholkranke, ist nun auch von dem Provinzialausschuß der Provinz Sachsen ein Zuschuß von 1000 für das vergangene Jahr bewilligt worden. Diese ganz besondere Anerkennung seitens der Provinzialbehörde, welche seit ungefähr Jahres­frist eine Anzahl Alkoholkranker in der Heilstätte Waldfrieden" behandeln läßt, ist außerordentlich erfreulich und ein Beweis dafür, daß die leider noch immer so vielfach verkannten erfolgreichen Bestreb­ungen der Heilstätte an maßgebender Stelle ge­würdigt werden. Es würde so dringend zu wünschen sein, Spenden derselben zuzuwenden, um den vielen Anfragen nach unentgeltlicher Aufnahme Nachkommen und Freibetten geben zu können.

Heidelberg, 2. Juli. Der Stadtrat richtete mit Rücksicht auf die allgemeine Besorgnis der Be­völkerung an den Großherzog ein Immediatgesuch um Aufschub der Entscheidung in der Heidel­berger Schloßfrage und nochmalige Prüfung derselben. Es wird vorgeschlagen, ein öffentliches Preisausschreiben für die Erhaltung des Otto- Heinrich-Baues im jetzigen Zustand zu erlassen.

Achern, 30. Juni. Ein schreckliches Ver­brechen wurde gestern abend 11 Uhr in Bühlertal verübt. Die 18jährige Elise Kauffer aus Achern wurde von dem 20jährigen Holzmacher Albert Stolz aus Oberbühlertal (Zinkel Büchelbach), dessen unsittliche Anträge sie abwies, auf dem Heimweg vom Bahnhof erschossen. Die Ermordete, die einzige Tochter der Witwe Kauffer von hier, war bei ihrem Onkel, dem Johann Zink in Bühlertal zu Besuch. In Gemeinschaft mit der 16jährigen Tochter ihres Onkels begleitete sie abends '/-9 Uhr eine von Baden-Baden zu Besuch weilende Dame zur Bahn, worauf sich die beiden Mädchen im Tale noch einige Zeit aufhielten. Auf dem Heimweg be­lästigte der Holzmacher Stolz die Mädchen mit un­sittlichen Redensarten. Ueber das Mißlingen seiner unlauteren Absichten aufgebracht, zog der Bursche, als die Mädchen vor dem Hause des Zink ange­kommen waren, plötzlich einen Revolver und feuerte mehrere Schüsse gegen die Elise Kauffer ab, die von mehreren Kugeln in die Brust getroffen, tödlich verletzt zusammenbrach. Kurz daraus trat bei der Schwerverletzten der Tod ein. Der Täter konnte noch in der Nacht verhaftet und in das Gefängnis nach Bühl eingeliefert werden. Wie mitgeteilt wird, ist der Mörder schon früher seinem unglücklichen Opfer mit unsittlichen Anträgen nahe getreten, aber immer wieder zurückgewiesen worden. Der unglück­lichen Mutter, welche ihre einzige Stütze verloren hat, wendet sich allgemeine Teilnahme zu.

Aus Franken, 2. Juli. Die Unwetter und Gewitterstürme haben in einem Teil des Frankenlandes schrecklich gehaust. Besonders wurden die Markungen Oberauerheim und Gerolz- hofen betroffen. Dort fielen die Hagelstücke in Größe von Hühnereiern und vernichteten alles. Das Land gleicht einer Wüste; die Bäume stehen entsruchtet und entblättert da. Tauben, Vögel und Hasen wurden in Mengen erschlagen. Der Schaden ist sehr groß. Ein Teil der Betroffenen ist nicht versichert.