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Der Lnztäler.
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102 .
Neuenbürg, Montag den 2. Juli 1906.
64. Jahrgang.
KimSschau.
Berlin, 30. Juni. Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht eine Bekanntmachung des württembergischen Ministers des Innern betr. das Anlehen der Stadtgemeinde Tuttlingen im Betrage von 400 000 ^
München, 30. Juni. Auf einem Privatjagd- gebiet in der Nähe von Holzkirchen ereignete sich gestern ein Jagd Unfall. Der Sohn eines bekannten Münchener Restaurateurs, namens Kofler, wurde von seinem Jagdgehilfen, der mit gespanntem Hahn hinter ihm ging, durch einen aus Versehen losgegangeueu Schuß getötet. — Aus Kulmbach wird von heute gemeldet: Unter dem dringenden Verdacht, einen Lustmord an einem elfjährigen Mädchen namens Wunschelmaier im Dorfe Bödlas begangen zu haben, wurde der Lehrer des Kindes, Müller, verhaftet. Durch Kratzwunden an den Händen soll die Entdeckung des Täters herbeigeführt worden sein.
Der amerikanische Fleischtrust hat, wie es in einer Meldung des Berliner Lokal-Anzeigers aus New-Aork heißt, seinen Kampf in der Fleischbeschau. Vorlage gewonnen. Der Senat war gezwungen, die vom Repräsentantenhaus befürwortete Vorlage anzunehmen, die die Kosten der Inspektion der Regierung zuschiebt und die Datierung der Etikette für Fleischkonserven verwirft. Präsident Roosevelt hat die Vorlage in dieser Form unterzeichnet. Die schreckliche Hitze in Washington half, wie in der Meldung des Berliner Blattes dargelegt wird, dem Fleischtrust, denn alles flüchtete vor ihr aus der Bundeshauptstadt, auch Präsident Roosevelt.
Newark, 30. Juni. Unter großer Teilnahme von deutschen Sängern, sowie deutschen und amerikanischen Freunden des deutschen Männergesangs hat hier heute das 21. Sängerfest unter den Auspizien des nordöstlichen Sängerbundes seinen An- fang genommen. Bei dem Fest, das bis zum 5. Juli dauert, findet auch ein Wettstngen um den vor einigen Jahren vom deutschen Kaiser anläßlich des Brooklyner Sängerfestes gestifteten Wanderpreis statt, an dem sich 6 Vereine beteiligen.
In Ubeda in Andalusien wurde ei» Anarchist verhaftet, der als Pilger verkleidet Heiligenbilder und Rosenkränze verkaufte. Die Polizei glaubt, es sei Avino, der in Paris im vorigen Jahre die Bombe gegen Präsident Loubet und König Alfons schleuderte.
Württemberg.
Seine Majestät der König hat den Vorsitzende» des Vorstandes der Versicherungsanstalt Württemberg, Regierungsdirektor v. Schar Pf in Stuttgart, zum Mitglied der Zentralleitung des Wohltätigkeitvereins ernannt und die Stelle des Vor- stands der Baugewerkeschule in Stuttgart dem Pro- fessor Schmohl, Vorstand der Beratungsstelle für das gesamte Baugewerbe an der Zentralstelle für Gewerbe und Handel daselbst, unter Verleihung des Titels eines Direktors auf der VI. Stufe der Rangordnung übertragen.
Stuttgart, 30. Juni. Die Kammer der Standesherren eröffnete heute in Anwesenheit sämtlicher Staatsminister, mit Ausnahme des Ministers v. Weizsäcker, ihre Beratung über die abweichenden Beschlüsse zum Verfassungsgesetz. Finanzminister Dr. v. Zeyer bot die guten Dienste der Regierung zur Herbeiführung einer Verständigung der noch bestehenden Meinungsverschiedenheiten an. Fürst von Löwenstein-Wertheim wünschte in der Budgetfrage eine klare Verständigung, sonst würde das ganze Verfassungswerk an diesem Punkte scheitern. Sodann verzichtet das hohe Haus auf das Ernennungsrecht erblicher Mitglieder, beschränkt jedoch die Zahl der berufsständischen Vertreter auf 5. Ministerpräsident v. Breitling erklärte sich mit der Stellungnahme der Kammer bezüglich der ersteren Frage einverstanden, während Minister v. Pischek wesentliche Gesichts- Punkte geltend machte, die für eine größere Bemessung der Zahl von Berufsvertreteru sprechen. Bezüglich der Zusammensetzung der zweiten Kammer stimmt die Kammer den 17 Proporzabgeordneteu zu, wünscht aber die Einteilung des Landes in zwei Wahlkreise. Minister v. Pischek vertrat statt der Längseinteilung die Quereinteilung des Landes, d. h. die Zusammenlegung des Neckar- und Jagstkreises einerseits und des Schwarzwald, und Donaukreises andererseits. Fürst Quadt legte hierauf den Stand- Punkt der Majorität (Längsteilung), Geh.-Rat von Heß denjenigen der Minorität (Querteilung) dar. Auch dem Beschluß des anderen Hauses, das Er- fordernis eines Wohnsitzes in Württemberg durch den Wohnsitz im deutschen Reich für die staudesherrlichen Mitglieder und deren Stellvertreter zu ersetzen, trat
das hohe Haus bei. Die Altersgrenze von 25 Jahren für das passive Wahlrecht wurde gleichfalls angenommen. Den Artikeln des Landtagswahlgesetzes wurde fast durchweg in der Fassung des anderen Hauses zugestimmt. Nächste Sitzung unbestimmt.
Stuttgart, 1. Juli. Die Verfassungs- Reform wird voraussichtlich im Laufe der Woche durch weiteres Entgegenkommen der beiden Kammern glücklich erledigt werden. — Nach dem Abschluß des wichtigen Reformwerks gedenkt Ministerpräsident Dr. v. Breitling in den Ruhestand zu treten. Den Vorsitz im Staatsministerium übernimmt sodann der neue Minister des Auswärtigen, Dr. v. Weiz- säcker, der in seiner sechsjährigen Tätigkeit als Kultusminister außerordentliche Tüchtigkeit und Gewandtheit an den Tag gelegt hat. Auch der neue Kultusminister Dr. v. Fleischhauer gilt als hervor- ragende Arbeitskraft. Beamtenkreise versichern, Minister des Innern Dr. Pischek verbleibe im Amt, obgleich der viel jüngere Minister des Aeußeren Dr. v. Weizsäcker zum Ministerpräsidenten auserseheu sei. Dagegen wolle Finauzminister Dr. v. Zeyer zurücktreten. Er solle den Hoskamwer-Prästdenten Geßler als Nachfolger erhalten. Für den demnächst abtretenden Justizminister Dr. v. Breitling sei Ober- landesgerichtsprästdent v. Schmidliu als Nachfolger ausersehen.
Gedenket der Veteranen. Wie auf dem Tübinger Kriegerbundesfest mitgeteilt wurde, belief sich die Gesamthöhe der bis dahin eingegangene» Spenden für die Veteranen - Sammlung auf rund 65000 ^ .Wir find also — sagte der Berichterstatter auf dem Feste — noch ziemlich weit hinter unseren badischen Kameraden zurück, aber wir haben auch noch Zeit vor uns! Die bewährte Opfer- Willigkeit der Schwaben wird sich hoffentlich im schönsten Glanze zeigen, gerade hier, wo es gilt, dankbar derer zu gedenken, die im großen Krieg vor 35 Jahren das Vaterland vor feindlichem Einfall geschützt und unter schweren Mühsalen und Opfer» des Deutschen Reiches Einheit und Macht mitbegründet haben! Reiche Mittel sind erforderlich, wenn den nunmehr alt und vielfach bedürftig gewordenen Veteranen und ihren Familien eine angemessene Hilfe gewährt werden soll. Nimmt mau — mäßig gerechnet — einschließlich der Witwen und Waisen etwa
Die Kur der Eifersucht.
Novelle von vr. 0. Malier.
.Erst zwei Jahre verheiratet mit einer so reizenden Frau, und diese finstere Miene?"
„Ich habe allen Grund zu einer solchen!"
.Was für einen? Du bist doch nicht eifersüchtig?"
.Ich nicht, aber . .
.Nun?"
.Aber meine Frau!"
.Hat sie Grund dazu?"
.Nicht den allermindesten!"
.Na, na!"
„Wirklich nicht, Du kannst Dich darauf verlasse», Ernsdorf!"
.Du warst früher ein ziemlich lockerer Gesell, wenigstens in Bezug auf die schönere Hälfte des Menschengeschlechtes."
.Das habe ich mir aber vollständig abgewöhnt. Claire ist wirklich reizend, mehr als Du ahnen kannst, und . . . kurz, sie wäre vollkommen, wenn sie nicht diesen einen Fehler hätte, der ihren Wert so sehr verringert!"
.Du übertreibst!"
.Nein!"
.Aber sie muß doch irgend welchen Grund zur Eifersucht haben!"
.Keinen — oder höchstens einen scheinbaren!"
.Aha!"
.Höre erst und urteile daun. Als wir noch in
den Flitterwochen waren, frug sie mich einmal, ob sie meine erste Liebe sei."
.Du bejahtest diese Frage?"
„Natürlich, und aus Ueberzeugung. Alles andere war nicht die echte Liebe, war nur Talmi statt Gold.
.So, so!"
„Ich versichere Dir, daß ich nie eine andere so geliebt habe wie Claire. Nun fand sie leider einen durch Zufall übersehenen Brief von Irmgard, Du erinnerst Dich, der schönen schwedischen Sängerin, die damals solches Aufsehen erregte."
„Ob ich mich erinnere! Du wurdest damals von allen um sie beneidet! Aber warum hast Du diesen Brief nicht verbrannt?"
Alle anderen derartigen Briefe habe ich den Flammen geweiht, aber dieses unselige Billetdoux hatte sich zwischen italienische Photographien verirrt, die ich mitgebracht hatte und ahnungslos Claire zeigte. Mit einem Male gerieten die zarten Flügel ihres Näschens in vibrierende Bewegung. Sie warf achtlos einige Photographien bei Seite und bemächtigte sich, ehe ich es hindern konnte, jenes Briefchens, dessen Parfüm ihre Aufmerksamkeit erregt hatte, und das leider auch aus der letzten Zeit meines Ver- hältnisses zu Irmgard stammte und über meine Be- zirhungen zu ihr keinen Zweifel ließ."
„Armer Egon!"
.Ja Wohl bin ich zu bedauern, denn seitdem hat Claire das Vertrauen zu mir verloren, seitdem Plagt sie mich mit dieser schauderhaften Eifersucht, gegen die es kein Mittel gibt."
„Vielleicht doch!"
.Wüßtest Du ein solches? Dann halte nicht damit hinter dem Berge, ich beschwöre Dich bei unserer alten Kameradschaft!"
„Das Mittel ist an sich sehr einfach, nur die Anwendung erheischt einige Gewandtheit!"
„Rede!"
„Du mußt Dir von einer jungen und hübsche» Dame so, daß Deine Frau es gewahr wird, eine Liebeserklärung machen lassen und stolz wie ein Spanier und tugendhaft wie Don Quixote sie zurückweisen!"
„Wo aber eine solche Dame finden? Ich meine, eine, die sich zu solcher Rolle hergibt?'
„Wenn es weiter nichts ist! Ich habe hier in unserem Badeort ein reizendes, kleines Pusselchen entdeckt, das mich sehr gern hat und mir zu Liebe schon eine solche Szene mit Dir spielen würde!"
.Ich würde mich sehr dankbar zeigen! Sie sollte es nicht zu bereuen haben I"
„Das setze ich voraus."
„Sie ist doch auch hübsch? Es ist nur des- wegen, weil sonst meine Frau kein Verdienst darin sehen würde, wenn ich mich ablehnend verhalte!"
.Du kennst doch meinen Geschmack!"
„Allerdings I"
„Sei also in dieser Beziehung ganz beruhigt. Susi ist eine echte Wienerin, entzückende Figur, überall rund, nettes, festes Gefichtchen von blonden Locken umrahmt, große braune Augen, ein Mund,