Erscheint
Montag, Mittwoch, Freitag und Samstag.
Preis vie-ieljährl.: in Neue.ibürg «L -.20. Durch d'. Post bezogen: im Vrts< und Nachbarorts-Verkehr ^ 1.15; im sonstigen inländ. Verkehr 1.25; hiezu je 20 «i Bestellgeld.
Abonnements nehmen alle Postanstalten und Postboten jederzeit entgegen.
Der Lnztäler.
Anzeiger für das Enztal und Umgebung.
Amtsblatt kür Sen Vbsramtsbezirk Neuenbürg.
Anzeigenpreis:
die 5 gespaltene Zeile oder deren Raum 10 «>; bei Auskunfterteilung durch die Lxped. 12 Reklamen die 3gesp. Zeile 25
Bei öfterer Insertion entsprech. Rabatt.
Fernsprecher Nr. 4.
Telegramin-Adreffe: ^Lnztäler, Neuenbürg".
81
Neuenbürg, Freitag
den 25. Mai 1906
64. Jahrgang
«unSschau.
Nachdem im Reichstag die Entscheidung über die Reichsfinanzreform gefallen ist, kann man, wie von unterrichteter Seite gemeldet wird, nunmehr annehmen, daß die Steuergesitze in der Form, wie sie der Reichstag beschlossen hat, in Kürze Gesetzeskraft erlangen werden, so sehr auch im Bundesrat sebst Stimmen gegen sie, besonders gegen die Fahr- kartellsteuer, laut geworden sind. Der Bundesrat hat aber diese Bedenken dem höher» Zweck der Gesundung der Reichsfinanzen untergeordnet. Die Regierung rechnet für dieses Jahr noch mit einem Eingang von etwa 70 Millionen Mark aus den neu beschlossenen Steuern für die Reichskassen, für den Beharrungszustand dürfte Wohl die Höhe von 170—180 Millionen erreicht werden. Bedauerlicherweise ist der Schatzsekretär Frhr. v. Stengel, der die ganze Stcueraktion mit aroß-m Geschick ge- leitet hat, gerade in den letzten Tagen der Steuer- debatte erkrankt. Aus diesem Gründe si id auch die Erkärungen der Regierung, die zwischen der zweiten und dritten Lesung erwartet wurden, unterblieben.
Karlsruhe, 23. Mai. Wie in der bayrischen und württembergischen, so ist jetzt auch in der bad. Abgeordnetenkammer die Fahrkartensteuer verhandelt worden. Der Abg. Kolb begründete den sozialdemokratischen Antrag, die Regierung zu ersuchen, im Bundesrat gegen die vom Reichstag an- genommene Fahrkarteusteuer zu stimmen. Die Ab- geordneten Gießler (Ztr.) und Binz (nat.) verlasen Erklärungen, in denen die Notwendigkeit der Reichs- sivanzresorm betont wurde, die vom Reichstag angenommen worden sei und allerdings die, wenn auch unerwünschte, Fahrkarteusteuer enthalte; ihre Parteien seien jedoch nicht imstande, für de» Antrag zu stimmen. Die Abgeordneten Hamburger (Dem.) und Frühauf (Freis.) erklärten sich für den Antrag, der schließlich mit allen gegen 17 Stimmen angenommen wurde.
In der Tarifreform wird zwischen Schnell, zügen und Eilzügen unterschieden. Als Schnell- zöge gelten diejenigen Züge, welche dem Fernverkehr dienen, als Eilzüge dagegen diejenigen Züge, welche mehr für den lokalen und Nahverkehr bestimmt find. Für die Fahrt in Schnellzügen wird ein Zuschlag erhoben. Eilzüge find dagegen zuschlagsfrei. Neben - den Schnell- und Eilzügen will die badische Regier- ' ung bekanntlich nun noch eine dritte Art Züge einführen, nämlich beschleunigte Personenzüge. Bei den Eilzügen in der 3. Klasse den Preis von 2 oder 2 r/r für das Persouenkilometer zu gewähren, was die Budgetkommission wünschte, würbe der Tarif- reform widersprechen. In der Preisbemessung für Persouenzüge hat dagegen die Regierung freie Hand und kann in ihnen den Preis für die 3. Klasse auf 2 feftsetzen, ohne gegen das Uebereinkommen mit anderen Staaten zu verstoßen. Diese beschleunigten Personenzüge werden kurze Fahrzeiten erhalten und eine Anzahl kleiner Stationen überfahren. Z. B. sind bei den Zügen zwischen Mannheim und Basel zwischen 30 und 45 vorgesehen, so daß also auf durchschnittlich 6 bis 9 Kilometer eine Haltestelle kommt. Die Fahrt wird ihnen so billig, daß sie das Publikum mit der Tarifresorm und Fahrkarten- steuer versöhne» können.
Wehrsteller. Wie die „Nationalliberale Korrespondenz" hört, darf es als sicher gelten, daß es zur Ausarbeitung eines Gesetzentwurfs kommt, der vielleicht den Namen einer .Wehrsteuer" nicht tragen, nichtsdestoweniger im wesentlichen erreichen helfen wird, was früher von Süddeutschland mit der Steuer auf Befreiung von militärischen Verpflichtungen für die Landesfinanzeu zu gewinnen möglich war. Der Reichsschatzsekretär, der persönlich der steuerlichen Heranziehung solcher Personen geneigt ist, die aus mitunter nicht schwerwiegenden Gründen vom Dienst im Heere oder m der Flotte befreit bleiben, wird
während seines Sommerurlaubs namentlich auch mit den süddeutschen Finanzministern eine Verständigung über die Art der Veranlagung und Modalitäten der Erhebung der Steuer anzubahnen suchen. Vor allem wird es auch darauf ankommen, den Eingang der Steuer solcher Personen zu sichern, die nicht selten, wenn sie ihren Ausmusterungsschein in der Tasche haben, ihr Glück im Auslande zu finden versuchen. Soweit die .Nationalliberale Korrespondenz". Wenn es auch unrecht wäre, einen Krüppel zu besteuern, der froh wäre, wenn er gesunde Knochen hätte, und der gern Soldat geworden wäre, so gibt es doch eine Anzahl junger Leute, die wegen geringer körper- licher Fehler nicht zu dienen brauchen. Vor allen Dingen sollte man diejenigen mit einer Steuer be- legen, die im Besitz der Berechtigung zum Einjährigen- Dienst sind und die nicht zu dienen brauchen. Es befinden sich unter diesen z B. eine ganze Anzahl, die wegen Narben am Kopf, die von Mensuren her- rühren, keinen Helm tragen können. Wenn man -überhaupt bedenkt, daß diese Kategorie sich durchweg aus gutsituierten Leuten zusammensetzt, so erscheint für sie die Wehrsteuer durchaus gerecht. Wenn diese Leute, wie es ja ihre Absicht war, ihr Jahr gedient und die gesetzlichen Uebungen gemacht Hütten, so würden sie dadurch verschiedene Tausend Mark Unkosten gehabt haben, die sie jetzt im Gegensatz zu denjenigen, die ihrer Dienstpflicht genügen, ersparen. Mau könnte vielleicht den Einwand erheben, daß durch diese Steuer ein großer Teil der jungen Leute abgehalten wird, sich die Berechtigung zum einjährigen Dienst zu erwerben. Das wäre aber kein allzugroßee Verlust für die Volksbildung, denn diejenigen, die nur auf das „Einjährige" hin lerne», werden es dann vielleicht in Zukunft vorzieheu, eine Schule zu be- suchen, auf der man zwar die Berechtigung zum einjährigen Dienst nicht erlangen kann, ans der man aber eine bessere Vorbildung für das Praktische Leben erhält.
Zu den Hochzeitsfeierlichleiten des Königs von Spanien wird Prinz Albrecht von seinem ältesten Sohn Prinz Friedrich Heinrich und dem Generalleutnant v. Loewenseld, Kommandeur der ersten Gardedivision, begleitet sein. — An der großen Parade nehmen alle Kriegsschulen, die Truppen des I. Armeekorps. 1000 Mann Landungstruppen der Marine, die Marineschüler und die maurische Scharf, schützenkompagnie aus Cents teil. — Der König schenkt seiner Braut u. a. eine aus Gold und Edel- steinen gefertigte Krone und zahlreiche andere Schmuck- gegenstände aus Brillanten im Werte von fünf Millionen. Die Prinzessin läßt für den König in Toledo einen prächtigen Ehrensäbel ansertigen. — Für das Prunkstiergefecht werden Künstler von den Kanarischen Inseln nach dortiger Sitte den Boden der Arena durch Millionen von BILtenblättern in sine» kostbaren Teppich verwandeln. — Der Hoch- zeitskuchen kommt aus England und wiegt nicht weniger als 300 Kilogramm. Er ist beinahe zwei Meter hoch und oben mit Amoretten besetzt. Er ruht auf einer riesigen silbernen Platte, die auch das lange goldene Messer trägt.
Der gesamte Wert der Hochzeitsgeschevke, welche die Prinzessin von Battenberg erhalten hat, beläuft sich auf ca. 15 Millionen Mark.
Petersburg, 23. Mai. Dem Chef des Ge- neralstabes der Marine, Admiral Roschdjestwenski, ist mit Rücksicht auf seine durch die erlittene Ver- wnndung geschwächte Gesundheit der erbetene Abschied bewilligt worden.
Baden, 23. Mai. Die amtlichen Stellen deS Landes sind angewiesen, jeden durch ein Automobil oder ein Motorfahrrad angerichteteu Schaden, auch wenn er nur gering ist, protokollarisch aufzunehmeu. Es handelt sich um Erhebungen, die im ganzen Reichsgebiet vorgenommen werden.
Der Verband deutscher Juweliere, Gold- uud Silber schmiede hat einen Gesetzentwurf über
Regelung des Ausverkaufswesens ausgearbeitet. Dieser Entwurf ist nach dem „Hanauer Anzeiger" auf Anregung der Hanauer Gold- und Silberschmiede der Handwerkskammer für den Regierungsbezirk Kassel und das Fürstentum Waldeck zur Begutachtung und Unterstützung unterbreitet worden. Der Entwurf soll dem Reichsamt des Innern mit dem Ersuchen übersandt werden, ihn als Unterlage für ein demnächst zu erlassendes Gesetz zu benutzen.
Duisburg-Ruhrort, 19. Mai. Nachdem die Serumimpsungen gegen die Genickstarre erfolglos geblieben sind, wird jetzt ein neues in Wien her- gestelltes Mittel versucht werden. Das Dresdener Bakteriologische Institut sendet einen Arzt zum Studium des Mittels.
Dortmund, 19. Mai. Daß auch ein Wertbrief mit 100000 ^ Inhalt „unbestellbar" bleiben kann, zeigt eine Bekanntmachung der Oberpostdirektion in Dortmund, die an der Hauptpost angeschlagen ist. Wie es in diesem Anschlag heißt, wird bis zum 24. d. M. ein unbestellbarer Wertbrief mit 100000 ^ zur Verfügung der berechtigten Empfängerin aufbe- wahrt. Der Brief, dessen Absender unbekannt ist, ist an Else Weißmann, per Adresse Groß Oetringhausen- Holthausen bei Brechten, adressiert; die Empfängerin konnte jedoch nicht ermittelt werden.
Mannheim, 23. Mai. Im Vorort Webertal entstand heute nachmittag ein Großfeuer, welches die Fabrik der Gesellschaft für Brauerei, Spiritus- und Preßhefenfabrikation Grünwinkel, vorm. Gebrüder Sinner, vollständig in Asche legte. Der Schaden beträgt über eine Million Mark. Die Entstehung?- Ursache des Feuers ist nicht bekannt.
Masmünster, 19. Mai. Dieser Tage wurde nach längeren Vorverhandlungen der Kauf abgeschlossen, durch den 352 Hektar Wald der Familie Braun, Gerbereibefitzer hier, um den Preis von 400000 ^ in den Besitz des Staates übergehen. Es ist dies der einzige Staatswald in der hiesigen Oberförsterei. Gelegenheit zu weiteren Walderwerbungen durch den Staat wäre hier noch mehrfach geboten, und zum Nutzen der Landeskultur (zur Vermeidung zunehmenden Kahlhiebes und einer geregelten Bewässerung) wären solche Staatskäufe gerade in hiesiger Gegend sehr zu wünschen.
Mürltemverg.
Stuttgart, 23. Mai. Nachdem gestern mittag die Königin nach mehrwöchiger Abwesenheit von Nachod hierher zurückgekehrt ist, traf heute früh ? Uhr 51 Minuten der König aus Karlsruhe in Schlesien hier wieder ein. Zum Empfang war die Königin mit Gefolge auf dem Bahnhof erschienen.
Stuttgart. 22. Mai. Die Kammer der Standesherren begann heute die Beratung der Verfassungsrevision. Ministerpräsident v. Breit- ling sah in den Beschlüssen der Kommission eine Erschwerung für den Abschluß des Werkes, hoffte jedoch, daß trotzdem ein Ausgleich auf gerechter Grundlage geschaffen werde. Notwendig sei ein tat- kräftiges Mitwirken des hohen Hauses. Eine Er- klärung des Fürsten von Löwenstein-Wertheim, daß die Erhöhung der Mitgliederzahl des anderen Hauses keine so schwerwiegende Frage sei, erklärte der Ministerpräsident als für eine Verständigung geeignet. Die Wohnfltzklausel und die Aufgabe des KronrechtS bezüglich der Ernennung neuer erblicher Mitglieder wurden für unannehmbar erklärt. Morgen Fortsetzung.
Stuttgart, 22. Mai. Der seitherige Kom- mandeur der 51. Jnfanteriebrigade, Generalmajor von Berger, wurde zu den Offizieren von der Armee versetzt und mit der Führung dieser Brigade der seitherige Kommandeur des Infanterieregiments Nr. 125, Oberst Frhr. v. Soden, betraut. Zum Kommandeur des Infanterieregiments Nr. 125 wurde Oberst v. Brand, bisher beim Stab des 8. Pommer'- scheu Regiments, ernannt.