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Berlin, 7. März. Anläßlich des Besuches, den der König von Sachsen dem Kaiser von Oesterreich in Wien abstatten wird, werden dem „Lokalanz." zufolge große Hoffestlichkeiten vorbereitet. Der Empfang des Königs wird besonders festlich und herzlich gestaltet, um zu beweisen, daß die Beziehungen zwischen den beiden Höfen durch die jüngsten Ereignisse in keiner Weise getrübt werden konnten.
Berlin, 7. März. Einer Meldung aus Hannover zufolge fand in der Pulverkammer des Laboratoriums der Lindener Zündhütchenfabrik gestern Nachmittag eine Explosion statt, wobei ein Arbeiter getötet wurde.
Berlin, 7. März. Die deutsche Automobilausstellung wurde heute Nachmittag in der Flora in Charlottenburg in Gegenwart des Prinzen Heinrich feierlichst eröffnet. Als Vorspiel der heute Abend stattfindenden Huldigungsfahrt legte heute Vormittag der Vorstand des deutschen Automobilverbandes einen Kranz am Kaiser-Wilhelm- Denkmal nieder.
Berlin, 7. März. Aus London wird dem „Lokalanzeiger" telegraphiert, daß daselbst drei Kellner verhaftet worden sind, die am vorigen Samstag in die bayrische Gesandschaft in Paris einbrachcn und 5500 Francs stahlen. Sie sollen an Frankreich ausgeliefert werden. Das Geld wurde nicht bei ihnen gefunden.
Berlin, 7. März. Einer Züricher Depesche zufolge hat daselbst der aus Berlin gebürtige Maschinentechniker Bringmann sein vierteljähriges Töchterchen und sich selbst, anscheinend in geistiger Umnachtung, erschossen.
Berlin, 8. März. Aus New York meldet das Berliner Tageblatt: Während die diplomatischen Verhandlungen glatt fortschreiten, lauten die Nachrichten aus Venezuela alarmierend. Die Insurrektion schreitet fort. Die Kaufleute sind unvermögend die Zollaufschläge zu bezahlen. Präsident Castro ist außer Stande den Kongreß einzuberufen, weil eine beschlußfähige Versammlung ausgeschlossen ist.
Berlin, 7. März. In Hörde hat die Genickstarre in einer Familie innerhalb drei Tagen drei Opfer gefordert.
Berlin, 7. März. Der Präsident der Weltausstellung in St. Louis, Francis, trifft Montag hier ein und wird am selben Tage vom Kaiser in Audienz empfangen werden. Der deutsche Kommissar für die Weltausstellung Geheimrat Lewald wird zu Ehren Francis ein Frühstück und Staatssekretär Richthofen ein Diner geben. Schon am Dienstag tritt Francis die Rückreise nach Newyork an.
— In der Affaire „Prinzessin Luise" erfährt der „Fränkische Kurier" von angeblich gut unterrichteter Seite folgendes: „Es ist nicht wahr, daß der Aufenthalt der Prinzessin Luise von Tos
kana in der Villa Toskana bei Lindau im Einverständnis mit dem König Georg von Sachsen gewählt wurde. Das „Haus Wettin" hat nach geschehener gerichtlicher Entscheidung kein Interesse an dem jeweiligen Aufenthalt der ehemaligen Kronprinzessin, nachdem bezüglich des zu erwartenden Kindes, wenn dasselbe — und nur dann — bis zu einem bestimmten Zeitraum das Licht der Welt erblickt, Vorsorge getroffen ist, daß dieses dem Kronprinzen von Sachsen ausgeliefert wird. Das sächsische Königshaus hat auch keinerlei Bedingungen an den jeweiligen Aufenthalt geknüpft, auch der Prinzessin Luise von ToSkana keine Rente, auch nicht für den Fall, daß diese sich von Giron trennt, ausgesctzt, sondern die Prinzessin erhält das ein- gebrachte Heiratsgut vom Kronprinzen nach der Entbindung resp. nachdem das zu erwartende Kind dem Kronprinzen ausgeliefert wird, zurück. Möglich ist aber auch, ja sehr wahrscheinlich, daß eventuell der Kronprinz dem Personenstand resp. die Vaterschaft des zu erwartenden Kindes bestreitet. Dieser Fall wird nach einem bestimmten Zeitpunkt erwogen und dann in einem besonderen Prozesse festgestellt werden. Die Zinsen der Mitgift, über welche die Prinzessin frei verfügen kann, werden für den künftigen Unterhalt reichlich genügen, wenn die Prinzessin nicht, wie von Seite des Hauses Toskana vorgeschlagen wurde, vorzieht, sich in ein Kloster zurückzuziehen. Es soll und darf jedoch nach Anordnung Kaiser Franz Josefs auf die Prinzessin nach dieser Richtung keinerlei Zwang ausgeübt werden. Erst wenn die Prinzessin selbst den Wunsch ausspricht, sich in ein Kloster, wenn auch nur zeitweilig, zurückzuziehen, soll ihr sowohl die Wahl als auch die Zeit des Aufenthalts vollkommen freigestellt werden. Es ist nicht richtig, daß sich im Verlauf des Ehescheidungsprozesses im sächsischen Königshaus Anhaltspunkte ergeben haben, daß die ehemalige Kronprinzessin zu dem Dresdener Zahnarzt O'Brian in irgend welchen Beziehungen gestanden oder die Prinzessin kompromitierende Briefe geschrieben habe, welche die ehemalige Gattin des Zahnarztes besitzen soll. Was Andre Giron betrifft, so erhält er die Briefe, die er an die Prinzessin schreibt uneröffnet zurück. Am 4. Febr. war dies zum ersten Male der Fall. Zwischen der Prinzessin Luise von Toskana und Andre Giron besteht seit Wochen keine Verbindung, und diese hat, wie wir aus guter Quelle wissen, mit Giron auch keinerlei Vereinbarung getroffen. Die Aussöhnung der Prinzessin mit ihrer Familie ist auf Grund der Abmachung erfolgt, „daß Giron für die Prinzessin Luise nicht mehr existiert", und die Prinzessin „hat ihrer Mutter bei ihrer Seligkeit geschworen, daß sie mit dem Manne, der ihr Unglück verschuldet, keine Verbindung mehr habe und haben werde". Darauf erst hat die Großherzogin ihre Einwilligung zu einer Zusammenkunft mit ihrer Tochter gegeben und beim Kaiser für ihr Kind gesprochen."
— sAus der Reichshaupt st ad tZ Einen hübschen Zwischenfall gab es, wie nach der Nordd. Mg. Ztg. erst jetzt bekannt wird, bei der, zweiten Probe zum eisten diesjährigen Hofball! die im Weißen Saale des Königlichen Schlosses stattfand. Während der Kaiser und die Kaiserin sich noch in einem Ncbenraum befanden, stellten sich die Prinzen und die übrigen Herrschaften bereits zum Menuett auf. Der Tanz sollte beginnen. Alles blickte nach dem Platze der Musik hinauf, aber er blieb leer und kein Ton ließ sich vernehmen. Durch den Fernsprecher rief man den Kapellmeister Graf vom 2. Garderegiment z. F. an, der die Tanzmusik stellen sollte. Nun stellte sich heraus, daß die Kapelle irrtümlich erst auf den nächsten Tag befohlen war. Der Kapellmeister sandte Eilboten an alle seine Musiker. Er selbst aber nahm schleunigst seine Geige, die ihm einst der Kaiser geschenkt hat, und fuhr nach dem Schlosse. In den Konzertgärten erregt Fahrbachs Musikerstreik, bei dem ein Musiker nach dem andern das Podium verläßt, immer große Heiterkeit. Schließlich kehren die streikenden Musikanten in umgekehrter Reihenfolge zur „Arbeit" zurück. Dieser zweite Teil deS Stücks spielte sich nun im Weißen Saal ab, zum größten Vergnügen der tanzenden und zuschauenden Herrschaften. Zunächst spielte Kapellmeister Graf allein seine Geige, und der Tanz begann. Dann kam ein Musiker nach dem andern angefahren und flog nur so die Wendeltreppe hinauf. Erst fiel nur ein Tuba ein, dann eine Flöte, der Baß u. s. w. Beim Schluß des Menuetts war das Orchester schon zu zwei Dritteln besetzt, und als endlich die Gavotte der Kaiserin getanzt wurde, war es vollständig.
Breslau, 7. März. Gestern wurde hier ein Oberpackmeister des hiesigen Hauptpostamtes wegen jahrelang verübter Unterschlagungen des Inhalts von Packeten verhaftet. Bei einer vorgenommenen Haussuchung wurden dem Breslauer Generalanzeiger zufolge große Posten Cigarren, Kleiderstoffe und Lebensmittel vorgefunden. Der Beamte hatte eine 32 jährige einwandsfreie Dienstzeit hinter sich.
Rom, 7. März. Das Befindendes Papstes ist derart günstig, daß er bereits am Montag die Pilgerempfänge wieder aufnehmen wird.
KeLkameteik.
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bei Ihnen alles zu oberflächlich. Ich gebe zu, daß Sie für den speziellen Fall von heute morgen nichts können. Indirekt aber trifft doch Sie die Schuld. Denn eine der ersten Anforderungen, die man an einen Korporalschaftsführer stellen muß, ist, daß er seine Leute kenne, jeden Einzelnen nach Charakter und Eigentümlichkeiten. So nur kann er erzieherisch wirken wie er soll, und nur so kann das Heer seine hohe pädagogische Aufgabe erfüllen. Hat man aber in seiner Korporalschaft einen so notorischen Schmutzfinken, wie diesen Murgendaler, der noch dazu stupid und dickfellig ist, so muß man ihn eben untersuchen vom Kopf bis zu den Füßen, schon lange bevor der Dienst angeht, damit er sich lose Knöpfe annähen kann — und dann lassen Sie von jetzt an immer seine beiden Nebenlcute stets Stiefelbürste und Putzlappen im Tornister mitbringen, damit sie den Schmierfinken reinigen können, wenn er sich von der Kasernentür bis zu dem Platz, wo die Kompagnie antritt, wieder beschmutzt hat! Haben Sie mich verstanden?"
„Jawohl, Herr Hauptmann!"
„Und dann noch eins. Ihre Eltern sind ja wohl aus Köln, wie ich mich erinnere — beide, nicht wahr?"
„Jawohl, Herr Hauptmann!"
„Und deshalb sind Sie, obwohl schon im Elsaß geboren, noch der richtige Köl'sche Jvng!" Nichts im Kopfe, wie dumme Streiche. Ich ermahne Sie deshalb nochmals, werden Sie ernster, gesetzter — oder es nimmt kein gutes Ende. Wenn ich aber sehe, daß Sie meine Worte zu Herzen nehmen, so können Sie meines Wohlwollens und meines Interesses sicher sein. Haben Sie mich verstanden und wollen Sie sich fernerhin gewissenhaft danach richten?"
„Jawohl, Herr Hauptmann!"
„ES ist gut — wir werden ja sehen — Guten Morgen!"
Der Unteroffizier ging und der Hauptmann streckte sich auf die Chaiselongue, um, wie allmittäglich eine Stunde zu ruhen.
Unteroffizier Schumann war während der Reden des Hauptmanns abwechselnd rot und blaß geworden. Die Anspielungen auf seine Eltern ärgerten ihn jedesmal, und ebenso verdroß es ihn, immer wegen seines flotten Wesens zurechtgewiesen zu werden, da man ihm dienstlich nichts anhaben konnte.
Stockschwerennot, er war nun einmal kein Duckmäuser, konnte sich nicht lammfromm stellen und die Ohren hängen lassen, wenn in ihm das Blut schäumte und prickelte. Das war nun einmal Temperamentssache. — Daran war nichts zu ändern. Davon konnte man doch füglich aufhören.
Und seine Eltern? War der Ruf seiner Mutter nicht tadellos, war sein Vater nicht ein Soldat, der in dem vergangenen Herbst sein dreißigjähriges Dienstjubiläum gefeiert hatte und sich auf dem Schlachtfelde seine ersten Lorbeeren geholt hatte? Also auch das war Unsinn, daß der Alte darauf immer wieder zurückkam.
So war denn der junge Unteroffizier nicht gerade in der rosigsten Laune und hielt nun seinerseits dem „Murchedahler Antun" eine Vorlesung, die west weniger wohlwollend und väterlich klang, als die des Hauptmanns.
„So, Du Schlumps, Du Ferkel", schloß er seine Standrede, als er mit seinem Schützling auf dem Kasernenhofe angekommen war, „nun mach' daß Du nauf kommst. Du Schmierfink! Und muß ich mich noch einmal Dienstwegen herunterputzen lassen, so nimm Dich in Acht! Dann laß ich Dich alle halbe Stunde in einem andern Anzug antreten, das merke Dir! Weggetreten!"
Murgendaler machte eine stramme Kehrtwendung und stampfte stumpfsinnig der Kasernentür zu, wo er die Kameraden bereits versammelt fand.
(Fortsetzung folgt.)