(Nach der Hochzeit) Die Jugend wirft ihr Lebe» oft mit einer Leichtfertigkeit weg, die tiefbetrübend ist. Sehr traurig ist ein Vorgang, der sich in der Schulstraße in Berlin abspielte. Der Fuhr- herr Otto besitzt zwei Töchter; die älteste feierte dieser Tage ihre Hochzeit, der auch die jüngere Schwester beiwohnen sollte. Diese hatte nun gar keinen Grund zur Eifersucht und zur Traurigkeit, denn auch sie war von einem jungen Mann geliebt, der im nächsten Jahre mit ihr Hochzeit feiern sollte. Der Bräutigam war nun krankheitshalber verhindert, als Hochzeitsgast bei der Feier zu erscheinen. DaS Mädchen fühlte sich einsam und ging nicht zur Hoch- zeitsfeier mit, legte sich ins Bett und trank Lysol. Als die Eltern vom Fest zurückkehrteu, fanden sie ihr zweites Kind entseelt vor.
Eine Scheffel-Anekdote ist anläßlich der Feier des 80. Geburtstages des Dichters in Karlsruhe einer weiteren Oefsentlichkeit durch die .Bad. Landeszeitung" bekannt geworden. Zum ersten Male hat sie Hofrat Dr. Wurm im Jahrbuch des Scheffel- Bundes (1898) publiziert, aber sie hat, im Hinblick auf den Prozeß Sartorius, eine gewisse aktuelle Bedeutung. Auf Zureden eines Brunnenmachers ließ sich Scheffel von ihm auf seiner geliebten Mettnau am Bodeusee einen Brunnen graben, welcher gutes Trinkwasfer liefern sollte. Leider erwies sich das gewonnene Wasser als unbrauchbar, und der Dichter verweigerte deshalb die Zahlung, worauf der Brunnenmacher klagte. Scheffel, der selbst Jus studiert hatte, nahm zum Termine eine Flasche des betreffenden Wassers mit und sagte auf die zu einem gütlichen Vergleich aufforderude Ansprache des Richters mit klassischer Ruhe: .Jawohl, ich bin zu einem Vergleiche bereit; wenn der Hr. Brunnenmacher diese Flasche Wasser austriukt, so bezahle ich seine Forderung.' Der Hr. Brunnenmacher wagte jedoch diese Probe nicht, und infolge seiner Weigerung ward seine Klage abgewiesen. Ein ähnliches Gottesurteil wäre auch im Prozeß Sartorius mit dem Mußbacher Wasser am Platze gewesen.
(Der Wiener Hofburgbau ist verpfuscht), so weiß das „Wiener Jllustr. Extrabl.' zu berichten. Kaiser Franz Josef hat die Fürsorge für die Fortsetzung und die Vollendung des Neubaues der kaiserlichen Hofburg, woran feit zwei Jahrzehnten gearbeitet wird, dem Erzherzog Franz Ferdinand übertragen und aus diesem Anlasse die Auflösung des Bau- komites angeordnet. Die Auflösung des Komites erfolg», weil cS sich herausgestellt haben soll, daß der neue Hofburgbau gänzlich verfehlt sei. Die neue Burg soll in der jetzigen Form vollkommen unbewohnbar sein, und Kaiser Franz Josef soll erklärt haben, er werde in diesem Hause überhaupt nicht wohnen. Der Bau war nach den Plänen Hasenauers angelegt. Der Uebelstand beruhte darin, daß es zu hoch aus dem Boden herausgrbaut wurde. Vom Straßengruud hat der erste Stock eine Höhe von 14 Meter. Das bedeutet, daß man, um in den den ersten Stock zu gelangen, eine Höhe steigen muß, die in einem gewöhnlichen Hause dreieinhalb Stock- werke beträgt. Hasenauers Pläne wurden schon wiederholt einer Umarbeitung unterzogen, aber auch
Zu allem Unglück brachte nun auch Reinhardt daS Gespräch auf ihn, indem er erwähnte, wie er vorhin ihm zugetruuken hatte, Woraa er nicht eben schmeichelhafte Bemerkungen knüpfte.
.Ich traue ihm nicht." sagte er zum Schluß, .und gerade seine Freundschaft, mit der er sich an mich und Dich heraudrängt, ist mir verdächtig. Ich habe immer das Gefühl, als wenn wir uns eines TageS noch etwas Böses von ihm zu versehen hätten.'
.Bah, was kann denn der!' sprach hierauf Olga mit einer Geringschätzung, welche dem Lauscher das Blut in die Wangen trieb.
.Laß gut sein!' warnte Reinhardt. .Wie eS mir scheint, besorgt er in Bezug auf uns die Ge- schäfte Deines Oheims und nebenbei noch seine eigenen. Ich habe ihn vorhin beobachtet, wie sein Blick Dir heimlich durch die Reihen der Tanzenden folgte, und es war das in seinem Auge, was für Dich beleidigend und für mich im höchsten Grade beunruhigend war. Hüte Dich vor ihm!"
.Mich vor ihm hüten? Ich verachte ihnl Der könnte bis zu den Lippen im Gold stecken, und ich würde mich doch voll Abscheu von ihm wenden.'
Der Mann hinter der Laubwand ballte die Faust. Seine Augen blitzten. Jeder Blutstropfen war aus seinem Antlitz gewichen. Ihm zu Füßen sollte sie liegen und um Gnade flehen. Er durfte sie nicht besitze», ein anderer sollte es nicht, und wenn er sie gleich alle beide vernichten müßte I
.Ach, Oskar,' begann das junge Mädchen wieder, als wen» sie den eben berührten Gegenstand schon
die Berufung von hervorragenden Fachleute» konnte nichts mehr helfen.
(Die Japaner wolle« wachsen.) Den Söhnen des Reiches der ausgehenden Sonne behagt eS äugen- scheinlich nicht mehr, daß man von ihnen als den kleinen Leuten spricht, und sie wollen wachsen! Das ist nicht etwa der vereinzelte Wunsch eines mit seiner Körperläuge Unzufriedenen, sondern die Idee eines hochstehenden Japaners, deS Baron Takahira, die er feierlich in einer Vorlesung in der Universität von Pennsylvanieu vortrug und als das Ziel einer großen Bewegung im Lande hinstellte, der selbst der Mikado sehr sympathisch gegenüberstehe. Die japanische Rasse soll die Größe der kaukasischen erlangen, und zwar soll dies durch eine Veränderung der Lebensweise erreicht werden. Man habe, so führte er aus, in Japan bereits mit Leuten von der Marine Versuche angestellt und ihnen dieselben Rationen gegeben, wie sie die Matrosen der amerikanischen Marine erhalten; nach einem Jahre bereits schienen die Leute erheblich zugenommen zu haben und größer geworden zu sein. Durch allgemeine Anwendung dieser Erfahrung hoffe man daher, die Durchschnittsgröße der Japaner erheblich zu verbessern.
(Königin Elena und die Strümpfe.) Von der italienischen Königin Elena wird, wie die Bohemia schreibt, folgende Geschichte in italienischen Blättern erzählt: Vor kurzer Zeit traf die Königin ein hübsches, aber ärmlich gekleidetes Mädchen und sprach mit ihm. Als die Königin fragte, welche Hand- arbeiten es schon machen könne, sagte die Kleine, daß sie Strümpfe stricken könne. .Weißt Du, wer ich bin?' fragte die Königin weiter. .Gewiß,' war die Antwort, .Ihr seid die Königin, Signora!' .Dann stricke mir ein Paar Strümpfe und bringe mir sie in den Palast!' Bald darauf erhielt die Königin die bestellten Strümpfe und als Dank ließ sie der kleinen Strickerin ein Paar prachtvolle seidene Strümpfe bringen, von denen der eine mit Süßigkeiten gefüllt war, während sich in dem anderen Geld befand. Am anderen Tage war die Königin nicht wenig erstaunt, als sie von ihrer kleinen Freundin einen Brief folgenden Inhalts erhielt: .Signora, Ihr Geschenk hat mir manche Tränen verursacht. Mein Vater nahm das Geld, mein großer Bruder die Süßigkeiten, und die Strümpfe meine Mutter!"
(Ein Hausmittel gegen den Schnupfen ) Je ein- facher ein Mittel gegen eine weitverbreitete Krank- heit zu handhaben ist, desto mehr Aussicht hat es, auch angewendet zu werden und, wenn es gut ist, dementsprechend auch zu nützen. Beim Schnupfe» werden daher Einblasungen, Einatmung verschiedener Mittel, die öfters empfohlen werden, niemals Volksmittel werden können, weil sie viel zu umständlich in ihrer Anwendung find, und sinnreich konstruierte Apparate erst recht nicht, weil sie zu teuer find. Ein einfaches und bewährtes Hausmittel gegen Schnupfen ist dagegen die allabendliche Einfettung der Nase beim Schlafengehen mit Üuschlitt, Hammelstalg, Lanolin oder sonst einem tierischen Fett. DaS Einschmiereu muß äußerlich und, soweit möglich, auch im Innern der Nase geschehen. Ueber das Gesicht wird alsdann ein leichtes Seidenfoulard
ganz vergessen hätte, .sag' mir nur, was nun werden soll? Mein Onkel wird mit seinen Heiratsplänen immer dringender. Ich soll durchaus den reichen Viehhändler Münchmeyer heiraten, den kleinen und häßlichen Menschen. Ich weiß gar nicht, warum der Onkel gerade den für mich aus gesucht hat.'
»Also einem anderen würdest Du weniger abge- neigt sein?' fragte Reinhard lachend.
.Ach geh'," sagte sie; .wie magst Du nur so reden! Dich oder keinen sonst! So strht's in meinem Herzen geschrieben. Aber warum Partout den?'
„Vielleicht ist Dein Oukel ihm viel Geld schuldig oder er braucht Müuchmeyers Unterstützung, um seinen Zusammenbruch aufzuhalten?'
„Mein Oukel?' rief Olga in ungläubigem Staunen. .Der mit seinem Riesengeschäft?'
.Ach was, Rirsengeschäft!' entgegnete Reinhardt geringschätzig. „Halte Dir mein Beispiel vor Augen. Nie hätte ich geglaubt, daß es so um meinen Vater stände, und bildete mir ein, alles zu wissen.'
„Nein, nein,' protestierte Olga lebhaft, .mein Oukel Baumanu ist ein schwer reicher Manu. Bei dem geht alles nur Per Kasse. Ich habe gestern, rein durch Zufall, in seinem Geldschraok eine Brief- tasche gesehen, die war ganz mit Tausendmarkschcineu angefüllt. Er nahm eben einen davon heraus, um einige Stück Vieh zu bezahlen, die er gekauft hatte. Er tat das mit einer Mieue, als wenn das so gar nichts wäre.'
.Ja, ja, das Geld,' sagte Reinhardt sinnend. „Mit einer solchen Brieftasche voll Tauseodmark-
tuch ausgebreitet. Wirksam ist das Mittel nur daun, wenn es sofort beim Beginn deS Schnupfens ange- wandt wird. Dr. Lederer, Arzt in Kroatien, be- richtet nach persönlichen Erfahrungen, daß, wenn ein Schnupfen mit leichtem Ausfluß untertags beginnt und man abends beim Zubettegeheu die Nase mit Lanolin inneu und außen bestreicht und mit der Nase unter dem Leintuch die Nacht verschläft, des Morgens der Schnupfen vorüber sei.
sVerschnaPPt s . . . „Michel, Michel, bei Dir brennt's!' — ... „Geh, schrei net so, es dars's ja niemand wissen!'
sAus einem Aufsatzheft.) (Thema: Ueber den Nutzen des Wassers.) Das Wasser ist auch deshalb sehr nützlich, weil man sonst nicht zu den Inseln kommen könnte.
sJmmer im Beruf.) Tochter: „Papa, was be- komme ich denn zu meinem Geburtstag?' — Vater (Landrichter, zerstreut): .20 oder S Tage Haft.'
sVerratenesGeschäftsgeheimnis.) Fremder: „Don- nerwetter, was haben Sie für kleine Teller!' — Kellner: .Damit die Portionen größer aussehen!'
Literarisches.
Dem Stuttgarter Archivrat Dr. Rudolf Krauß verdankt das deutsche Volk das gründliche Bekanntwerden mit den Werken eines bedeutenden nationalen Dichters, des Schwaben Eduard Mörike, geboren am 18. September 1804 zu Ludwigsburg, gestorben am 4. Juni 1875 zu Stutt- gart. Er war es, der Mörikes sämtliche Werke (Max Hesses Verlag, Leipzig) zuerst herausgab; eine Ausgabe, die durch eine eingehende ausführliche Lebensbeschreibung des Dichters von Seiten des Herausgebers ganz besonderen literarischen und allgemeinen Wert erhielt. Neuerdings hat Rudolf Krauß in demselben Verlage einzelne Novellen und Märchen mit Einleitungen herausgegeben, die in dem Sammelwerk „Max HesseS Volksbücherei" die Nummern 296 bis 300 erhalten haben. Jedes der Hefte ist mit einem Bildnis Mörikes geschmückt. Da ist das sehr umfangreiche Märchen „Das Stuttgarter Hutzelmännlein", das nach fast Illjährigem Nachdenken 1851 „detailliert und vollendet" wurde. Hutzeln sind Birnen; mit anderm getrockneten Obst wird aus ihnen im lieben Schwabenlande von alters her das Hutzelbrot hergestellt, das heute noch von Schwaben und Nichtschwaben der Erdrinde gern verzehrt wird. Das Hutzelmännlein ist nun ein Kobold, der allerhand Gutes stiftet und vor allem das Hutzelbrot erfunden hat, wie folgender zarte lyrische Erguß erweist:
Ein Kobold gut bin ich bekannt In dieser Stadt und weit im Land;
Meines Handwerks ein Schuster war Gewiß vor siebenhundert Jahr.
Das Hutzelbrot ich Hab erdacht,
Auch viel seltsame Streich gemacht.
Das Märchen ist durchaus volkstümlich geschrieben, und zwar so sehr, daß schon Mörike selbst einen Anhang mit Er- klärungen für Worte beifügen mußte, die eben nur unsere lieben Schwaben kennen; als da sind: a grauße Stiefelszorn für gewaltigen Zorn; glusam für lauwarm und sanft; fernd für voriges Jahr; der „rote Rock" spielt eine gewisse Rolle in der schwäbischen Gedankenkiste, wie das ein uralter Kinderreim beweist:
Hotta, Hotta, Rößle,
Z'Stuagart steht a Schlößle,
Z'Smagart steht a Gartahaus,
Guckat drei schöne Jungfra raus:
Die ein' spinnt Seide,
Die ander' spinnt Weide,
Die dritt spinnt a rota Rock Für unfern liaba Herragott.
Schließlich bringt diese Sammlung die reizende Novelle „Mozart auf der Reise nach Prag".
scheinen könnten wir jetzt gleich beide zusammen nach Amerika gehen, während ich nun werde allein aus- wandern müssen — bettelarm! Er sagte das mit großer Bitterkeit und Traurigkeit.
.Du — auSwandern? Nein!' rief seine Braut erschreckt.
„Ja, Olga,' entgegnete er fest, .ich bin dazu entschlossen. Das ist es ja, was mir heute wie Berges- last auf der Seele lag; was mich Dich bitten ließ, auf die Gefahr der Entdeckung hin herauszukomme». Hier kann es niemals anders werden. Ich muß fort. Die Verhältnisse in unserem Gewerbe find wohl überall gleich schwierig. Es ist schwer, ohne Mittel selbständig zu werden. Mein Vater war zu bekannt. Sein Bankerott hat überall Aufsehen gemacht. Konnte er ein großes, flottgehendes Geschäft nicht halten, wie kann man zu dem Sohne das Vertrauen haben, daß er ein solches neu gründen und behaupten kann. Niemand glaubt mir ja, wenn ich sage, daß ich auf die Entschließungen meines Vaters ohne jeden Ein- fluß gewesen bin, daß er mir nie eine» klaren Einblick in sein Geschäft gewährt hat. Die meisten denken vielmehr, ich sei Schuld an seinem Ruin, ich hätte ihn zu dem Leben auf großem Fuße, das er führte, veranlaßt; meine noblen Passionen hätten ihn um Ehre und Vermögen gebracht. So muß ich Gott danken, wenn ich noch wo ein Unterkommen und Arbeit ge- funden, und ich glaube, mein Meister Timpe gewährt mir beides auch nur, um Deinen Onkel, auf dessen Erfolge er schon lange neidisch ist, zu ärgern.
— (Fortsetzung folgt.) —
Redaktion, Vrmk und Verlag »an L. Meeh tn Neuenbürg.