Zweites

Zweites

Blatt.

Der Lnztäler.

Statt.

^ 37.

Neuenbürg, Mittwoch den 7. März 1906.

64. Jahrgang.

RunSsehau.

Am neuen bürgerlichen Gesetzbuch macht sich bereits die erste Aeuderung nötig. Die Bestimm­ung, daß der Besitzer eines Tieres auf alle Fälle für den Schaden haften muß, den das Tier anrichtet, läßt sich nicht aufrecht erhalten. Ein im Reichstag eiugebrachter Abänderungsantrag bestimmt, daß die Ersatzpflicht des Tierhalters für Tötung und Ber- letzung von Menschen oder Sachbeschädigung wegfällt, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht ist, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unter­halt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist und ent­weder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beob­achtet hat oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.

Berlin, 2. März. Die Bewaffnung der deutschen Feldartillerie mit dem neuen Rohrrücklaufgeschütz voll­zieht sich ruhig aber schnell. Die deutsche Militär­verwaltung arbeitet ohne jede Reklame, sodaß man nicht nur im Ausland, sondern selbst in Deutschland oft überrascht ist, daß eine Umbtwaffnung oder sonstige Neuerung schon durchgeführt ist, von der man geglaubt hatte, sie sei noch in den Versuchs- stadien. So meldet die ,Allg. Ztg.' aus Augsburg, das bekanntlich nicht einmal zu einem Grenzkorps gehört: .Letzten Samstag trafen hier neue Geschütze ein, welche für das hiesige Feldartillerieregiment be- stimmt sind. Das 4. und das 9. Feldartillerie, regiment (Landsberg a. L.) sollen jetzt auch mit dem neuen Feldgeschütz ausgerüstet werden, nachdem das 1. und 7. Feldartillerieregiment (München) bereits damit versehe« sind/

Berlin, 5. März. Der hier kürzlich verhaftete Zopfabschneider, Schiffsbaustudent Stoß, bei dem 31 Zöpfe vorgefunden wurden, wurde heute vom Schöffengericht gemäß dem Antrag des Staats­anwalts von der Anklage des Diebstahls und der körperlichen Mißhandlung, sowie der tätlichen Be­leidigung freigesprochen, in der Erwartung, daß die Familie ihn sofort einer Anstalt zuführt. Die Sach­verständigen hatten übereinstimmend das Vorhanden­sein der freien Willensbestimmung verneint.

München, 5. März. Die zwei Verteidiger des Ehepaares Schellhaas haben gegen das (auf Todesstrafe lautende) Urteil des Schwurgerichts Revision beim Reichsgericht eingereicht.

Heidelberg, 3. März. Der zurzeit in Feld- kirch (Vorarlberg) inhaftierte Schriftsetzer Arnold Sippel aus Linz hat gestern vor dem österreichischen Untersuchungsrichter und vor dem dort anwesenden hiesigen Untersuchungsrichter Landgerichtsrat Dr. Heinsheimer, gestanden, den Lehrer Thomas Raid aus Glasgow am 30. Juli v. I. gegen 12 Uhr mittags durch einen Revolverschuß in den Rücken ermordet, seiner Effekten und Kleider beraubt, ins Gebüsch geschleppt und mit Laub und Reisig zuge­deckt zu haben. Auf Grund der von Sippel ge­gebenen Beschreibung des Tatortes (auf dem Fuß­wege Zollstock-Heiligenberg) wurden heute früh die Skelettreste des Ermordeten aufgefuuden. Einen Mittäter hat Sippel nicht. Seine verhaftete Geliebte Micka kommt lediglich als Hehlerin in Betracht.

Mannheim, 5. März. Der immer noch an- dauernde Streik in den Nheinmühllwerken hat in den letzten Tagen zu groben Ausschreitungen seitens der Streikenden geführt. Einzelne Arbeitswillige wurden von den Streikenden beschimpft und mit Steinen be­worfen. Ein auf diese Weise angegriffener Heizer gab, um den Angriff abzuwehren, 2 Revolverschüsse ab, worauf die Streikenden mit 68 Schüssen ant­worteten. Verletzt wurde glücklicherweise niemand. Gestern Abend kam es wiederum zu einem kleinen Straßenkampf, wobei ebenfalls von Schußwaffen Gebrauch gemacht und ein Streikender am Kopfe leicht verletzt wurde.

Krön ach (Oberfranken), 5. März. Am Samstag stürzte ein Stück Stadtmauer in Höhe von 10 Meter und in Länge von 20 Meter ein. Ein darunter befindliches Haus, die frühere Wirtschaft zur .Wolf- schlucht', wurde zertrümmert. Von den im Haus befindlichen Personen konnten 4 Kinder gerettet

werden. Eine ältere Frau wurde tot unter den Trümmern hervorgezogen. Sie trug ein Enkelkind auf dem Arm, das unversehrt war.

Württemberg.

Stuttgart, 2. März. Bei der Jahresschluß­feier der K. Baugewerkschule wurden allgemein interessierende Mitteilungen über die Frequenz der Anstalt gemacht. Danach ist im letzten Semester der Schule aufs neue um 93 Schüler (von 1543 auf 1450) zurückgegangen trotz eines ungewöhnlich starken Andrangs zum WasserbaukurS, den 201 Schüler frequentierten. Seit 1903 beträgt der Rückgang zirka 500 Schüler und entfällt zu einem Drittel auf die Bau- und zu zwei Drittel auf die Maschinen- bauschule. Seit 1890 ist die Zahl der Schüler von 808 stetig gestiegen bis zu 1942 Schülern in 1903; dann setzte eine rückläufige Bewegung ein, die vor- anssichtlich noch nicht zum Stillstand gekommen ist.

Stuttgart. Beim Fundbureau des Stadtpolizei- amts wurde» im Jahre 1905 zusammen 1051 Fund­gegenstände im Wert von rund 14 600 o/L angezcigt. Unter diesen Gegenständen waren u. a. in 41 Fällen bares Geld mit 5900 232 Geldbeutel mit 3816

Mark, 30 Herren- und 61 Damenuhren, 24 Ehe- und sonstige Ringe, 65 Schmuckgegenstände,' 51 Augen­gläser und 113 verschiedene Kleidungsstücke. Es handelt sich hierbei nur um Funde im Werte von über drei Mark.

Stuttgart, 5. März. Die Landesprodukteu- börse hielt am heutigen Montag nachmittag im Stadtgarten unter dem Vorsitz von Kommerzienrat Fr. Kreglinger ihre diesjährige Generalversammlung ab. In dem Jahresbericht für 1905 wird darauf hingewiesen, daß zu Beginn des Jahres die neuen Handelsverträge das Geschäftsleben beherrscht haben. Nach den Notierungen der Börse stellten sich die Durchschnittspreise für 1905 für die verschiedenen Fruchtgattungen wie folgt: Weizen 19,47 (1904 18,79 ^!), Kernen 19,57 ^ (18,33 -^), Dinkel 12,90 (11,90 ^), Gerste 18,50 ^ (17,48 ^), Hafer 15,79 ^ (13,62 ^); die Durchschnittspreise pro 1905 waren also durchweg höher, als die von 1904, welche letztere wiederum höher waren als die Durchschnittspreise von 1903. In den Einzelberichten wird u. a. hervorgehoben, daß bei den Brauereien für das neue, mit 1. Oktober 1905 begonnene Geschäftsjahr die intensive Kon- kurrenz des Obstmostes weniger in Betracht kommt, dagegen werde man mit den fanatischen, jetzt Haupt- sächlich gegen das Bier gerichteten Angriffen der Alkoholgegner, sowie mit dem am 1. März in Kraft getretenen neuen Zolltarif zu rechnen haben, welcher für den Hauptbedarfsartikel Gerste eine Zollerhöhuug von 2 auf 4 ^ Per Doppelzentner bringt. Aus dem Rechenschaftsbericht ist hervorzuheben, daß die Mitgliederzahl 237 beträgt, worunter ein Ehren- Mitglied (C. Rommel sr., in Bisfingen a. E.). Die Wahlen ergaben die Wiederwahl der ausscheidenden Mitglieder; neu hinzugewühlt wurden Kunstmüller Bauer jr., Mühlacker, und Hofbäckermeister Berrer- Stuttgart.

Ulm, 5. März. Wie man erfährt, ist das Justiz- Ministerium in einer Eingabe gebeten worden, die Staatsanwaltschaften der Landgerichte zum Einschreiten zu veranlassen, wegen der nicht bestimwungsgemäßen Verwendung der Jubiläumsdienstmarken, was sich als ein Amtsvergehen im Sinne des § 350 darstellt.

Tübingen, 6. März. Der seit 40 Jahren im Dienst stehende Schultheiß Haas von Weilheim, welcher auf zwei Urkunden die Unterschrift eines Gemeinderats ohne dessen Kenntnis und Zustimmung setzte, wurde von der Strafkammer wegen Urkunden, fälschung zu einer Woche Gefängnis verurteilt.

Tübingen, 2. März. Ein Student hatte sich an der Fastnacht mit falschem Bart versehen, dessen Abnahme sich nachher schwierig zeigte. Nun riet ihm ein .Freund" hierzu Spiritus zu gebrauchen. Er tränkte also den Bart mit Spiritus. Hernach aber zündete er auch das Auhängscl an, um die Beseitigung gründlich zu machen. Natürlich verbrannte er sich Gesicht und Hals fürchterlich. In seinem Schmerz rannte er in eine Apotheke um sich Salbe zu kaufen. Dies wurde ihm jedoch verweigert mit dem Bedeuten,

er solle sich in ärztliche Behandlung begeben, da es sich um sein Leben handeln könne.

Zuffenhausen, 6. März. Beim Taufschießeu zerriß beim 3. Schuß der Lauf des Gewehres und zerschmetterte einem hiesigen Bürgersohn die linke Hand. Der Verunglückte, ein 24jähriger fleißiger Zimmermann, hat den Daumen von der linken Hand völlig verloren.

Weißach, 5. März. Die Fortsetzung der Stroh- gäubahn, welche diesen Sommer eröffnet werden wird, nach Pforzheim, dürfte nunmehr so gut wie ge­sichert sein. Nachdem die Gemeinden Jztingen. Möns­heim, Wurmbcrg, Wiernsheim, Oeschelbrouu und Pforzheim bereits früher namhafte Beiträge zuge- sichert hatten, haben in letzter Zeit auch die Ge­meinden Wimsheim und Friolzheim Beiträge in Aus­sicht gestellt von 7000080000 bezw. 50 000 ^ unter der Bedingung, daß beide Gemeinden einen Bahnhof bekommen.

Schöckingen, OA. Leonberg, 5. März. Gestern abend veranstaltete ein junger Mann in der Scheune seines Vaters Schießübungen. Seine ältere Schwester wollte in die Scheune treten und wurde dabei in den Unterleib getroffen. Sie ist lebensgefährlich verletzt; die Kugel konnte bis jetzt nicht entfernt werden.

Stuttgart. sLandeSProduktenbSrse.1 Bericht vom 5. März von dem Vorstand Fritz Kreglinger. Am I. März ist der neue Zolltarif in Kraft getreten, welcher für Weizen 5,50 per Kilo bedingt. Dieser erhöhte Zoll verhindert den Einkauf auf neue Abladungen, da die Waren zunächst für uns keine Rechnung geben. Somit ist der Ver­kehr im Getreidegeschäft der letzten Woche als ziemlich schwach zu bezeichnen. Preise unverändert. Mehlpreise pro 100 Kilogramm inkl. Sack: Mehl Nr. 0: 30 ^ bis

31 ^ Nr. 1: 28 ^ bis 23 Nr. 2:

26 50 ^ bis 27 50 Nr. 3: 25 ^ bis

26 Nr. 4: 22 50 ^ bis 23 50 Suppen-

gries 80 bis 31 Kleie 10

Kus Stasi» Be zirk u ns Umgebung.

Neuenbürg, 5. März. Wir haben mit Rück- sicht auf den seit 18. vor. Mts. vermißten Müller­gehilfen Hofbauer in unsr. letzten Samstagsnummer einer Notiz im »Pfzh. Anz.' vom 2. ds. Mts. Er- wähnung getan, wonach Arbeiter, welche morgens 7 Uhr von der Haltestelle Engelsbrand aus nach Pforzheim gefahren find, eine männliche Leiche in der Enz gesehen haben wollten. Heute müsse« wir Mitteilen, daß nach Mitteilung des Schultheißenamts Engelsbrand vom 4. März die betreffenden Gold­arbeiter nicht einen Leichnam, sondern einen Regenschirm gesehen haben wollen. ES würde hienach ein grober Mißbrauch der Presse vorliegen.

Wildbad, 5. März. In der gestrige« General- Versammlung der hiesigen Vereinsbank wurde u. a. beschlossen, dem neugegrüudeten Kurverein einen Jahresbeitrag von 400 Mark zu verwilligen. Die Abfassung des Wildbadführers, der zunächst in 10000 Exemplaren hergestellt werden soll, wurde vom Kur­verein Reallehrer Kirschmer übertragen. Hof- Photograph Blumenthal erfreute uns gestern abend wieder mit einer Vorführung von prächtigen Licht­bildern aus dem Schwarzwald »ach eigenen Auf­nahme».

Herrenalb, 5. März. (Korr.) Die Leser erinnern sich eines Ausschreibens im .Enztäler', in welchem die Bienenzüchter von Herrenalb, Bern- bach, Rotensol, Neusatz, Dobel und Loffenau zu einer Besprechung über die Gründung eines Vereins eingeladen wurden. Die Versammlung war gestern im Gasthaus zum »Hirsch- und wurde durch Schul- lehrer Schrade von Bernbach mit einer erklärenden Ansprache eröffnet. Er folge einer Anregung, die von verschiedenen Seiten, insbesondere von Ge- meinderat A. Walther, ausging. Die geographische Lage der betreffenden Gemeinden »da hinten herum' erschwere es den Bienenzüchtern ungemein, an den Versammlungen und Ausstellungen der bestehenden Bezirksvereine teilzunehmen. Der neue Verein wolle durch gemeinsame Einkäufe und Verkäufe, durch Ab- Haltung populärer Vorträge rc. den Interessen der Mitglieder dienen. Forstwart Gußmann von Rotensol sprach in beredten Worten den Dank der Versammlung aus und forderte zum Beitritt auf- 22 Mitglieder zeichneten sich in die Liste ein. Nur die Loffenauer Bienenzüchter waren ferngebliebeu -