stattfinden, daß die englischen Beziehungen zu einer imaginären (gedachten) Macht getrübt und gespannt find; erst im nächsten Jahre sollen den Flotten- bewegungen die Bedingungen zugrunde gelegt werden, welche nach Ausbruch eines wirklichen Krieges Platz greifen würden.

Der erste Teil der bisherigen Manöver hat so­eben an der Küste von Portugal, und zwar in der Bai von Lagos begonnen. Der Zweck dieser Manöver ist, entsprechend der neuen englischen Flottendislokatio», die drei Geschwader, das Kanalgeschwader, das atlantische und das Mittelmeer-Geschwader, mit den drei ihnen beigebenen Kreuzergeschwadern zu einer gemeinsamen Operation zusammenzufassen.

Es ist demnach au der portugiesischen Küste gegen- wärtig eine gewaltige, in der Gefechtswirkung die bei weitem stärkste Flotte zusammengebracht, die jemals in moderneu Zeiten zu Uebungszweckeu ver­einigt wurde.

Das Programm der Flottenübungen ist veröffent- licht; es werden aber nicht, wie in früheren Zeiten, Korrespondenten irgend welcher Art zugelasfen. Die vereinigte Flotte steht unter der obersten Leitung des Admirals Sir Arthur Wilson. Die Seemacht selbst besteht aus 30 Schlachtschiffen und 20 Kreuzern. Für die laufende Woche ist der Angriff eines Teiles der Flotte auf den anderen Teil der vereinigten Ge- fchwader vorgesehen, dabei werden die Kombinationen verändert und die jüngeren Flaggoffiziere treten als Kommandanten in Tätigkeit.

Wie man glaubt, wird bei einigen dieser Heb­ungen die Taktik der Seeschlacht bei Tschuschima zu­grunde gelegt werden. Dabei soll insbesondere durch den praktischen Versuch die Frage der höheren Ge- schwindigkeit der einzelnen Schiffsklassen geprüft werden. Unter allen Umständen darf mau, zumal mit Rücksicht auf die gewaltige vereinigte Flotten- macht, sehr interessante Erfahrungen erwarten.

Von noch größerem Interesse werden die großen Manöver sein, welche im Juni dieses Jahres statt- finden sollen und bei denen das Zusammenwirken der britischen Geschwader und Stationsschiffe zum Schutze des englischen Handels über die ganze Welt in Aktion gesetzt werden soll. Wie bereits bemerkt, werden dabei nurgespannte Verhältnisse zu einem imaginären Feinde', noch nicht die wirkliche Kriegs­lage, supponiert werden. Die englische Admiralität hat bereits jetzt Unterhandlungen mit großen eng- lischen Reedereien und Versicherungsfirmen ange­knüpft, um unter Hereinbeziehung der in Fahrt de- findlichen Handelsschiffe die Verhältnisse während des Manövers möglichst der Praxis näher zu bringen.

Anzahl und Umfang dieser Manöver lassen, wie man steht, nichts zu wünschen übrig und entsprechen der gewaltigen Macht, welche England zur See zu entfalten in der Lage ist.

Württemberg.

Stuttgart, 2. März. Die Kammer des Abgeordneten hat heute eine nur anderthalb- stündige Sitzung abgehalten und zunächst nach Wahl des Abg. Scheurlen (Volksp.) in die Kommission für Gegenstände der inneren Verwaltung debattelos die Anträge der Justizgesetzgebungskommission auf Zustimmung zu den abweichenden Beschlüsse» des anderen Hauses zum Bahneinheitsgesetz ange­nommen. Darauf wurde noch eine Eingabe des deutschen Vereins enthaltsamer Eisenbahner beraten und nach einem Referat des Vizepräsidenten Dr. v. Kiene und nach längeren Ausführungen des Staatsrats v. Balz, der darauf hinwies, daß die Eisenbahnverwaltung als das wirksamste Mittel der Bekämpfung des Älkoholmißbrauchs eine besondere Aufmerksamkeit für die Verpflegung des Personals ansche und dem Beispiele Preußens und Sachsens, die den Alkoholgenuß während des Dienstes gänzlich verboten haben, in der Beschränkung der persönlichen Freiheit nicht folgen, sondern die Erfahrungen dieser Verwaltungen erst abwarten wolle, umsomehr, als das Verbot zu Denunziationen und bedenklichen Wirkungen führen könnte, entsprechend dem Antrag der Finanzkommission beschlossen, die Bitte um Be­willigung einer jährlichen Beihilfe von 1000 -Kl zur Entfaltung einer umfassenden wirksamen Vereins­tätigkeit der Regierung, abgesehen von der Festsetzung einer bestimmten Summe, zur Berücksichtigung, die Bitte um Erlassung eines ausnahmslos für das Eiscnbahnpersonal einschließlich der oberen Beamten geltenden Verbots des Genusses alkoholischer Ge­tränke während des Dienstes und mindestens 8 Stunden vor Antritt des Dienstes zur Kenntnisnahme, die Bitte um Aussetzung von Belohnungen für die freiwillige völlige Alkoholenthaltsamkeit beim Eisen- bahnpersoual zur Erwägung und die Bitte um Aus­

dehnung der Fürsorge für gute und billige Wohn- unge«, angemessene Aufenthalts- und Uebernachträume, zweckmäßige Verpflegung und Beschaffung guten Trinkwassers und billiger alkoholfreier Erfrischunge» zur Berücksichtigung mitzuteilen, sowie die Kammer der Stavdesherren zum Beitritt einzuladen. Da der Beratungsstoff für die Kammer zur Neige geht, wurde die nächste Sitzung auf Dienstag anberaumt, in der der Stuttgarter Bahnhofumbau und andere Bahnbaukreditforderungen auf der Tagesordnung stehen.

Stuttgart, 3. März. Die Kammer der Standesherren erledigte heute ohne Debatte die Art. 200241a der Gemeindeordnung, die größten- teils ohne wesentliche Aenderungen in der Fassung der Kammer der Abgeordneten angenommen wurden. Bei Art. 200 wurde jedoch eine Bestimmung ange­fügt, wonach, wenn Gründe gegen den OrtSvorsteher vorliegen, welche seine Dienstentlassung im Wege des Disziplinarverfahrens rechtfertige» würden, ihm ein Anspruch auf Ruhegehalt überhaupt nicht zusteht. Darüber, ob die Dienstentlassung gerechtfertigt wäre, entscheidet auf Anrufen der Beteiligten und nach Anhörung der betreffenden körperschaftlichen Penstons- kasse der Disziplinarhof für Körperschaftsbeamte in der vollen Besetzung von sieben Mitgliedern, falls ein dahingehender Ausspruch derselben nicht schon erfolgt ist. Nach Erledigung einiger Petitionen wurde die Sitzung nach kaum zweistündiger Beratung ge- schlossen. i,

Stuttgart. Vom Landjägerkommando werden seit einigen Wochen Versuche über die Verwendbar­keit des deutschen Schäferhundes beim nächtlichen Streifdienst usw. gemacht. Von dem Ergebnis dieses Versuchs wird es abhängen, ob Hunde auch in diesem Zweig des öffentlichen Sicherheitsdienstes in größerer Zahl verwendet werden sollen, wie dies bei der Polizei da und dort bereits geschieht.

Reutlingen, 3. März. Am 10. und 11. Juli ds. Js. soll hier die Hauptversammlung der Gustav- Adolf-Vereine Württembergs stattfinden.

Tübingen. Die hier neugegründeteWürtt. Fleischwaren-Fabrik (G. m. b. H.), welche nach den neuesten Errungenschaften der Technik eingerichtet ist und über eigenes Schlachthaus, Kühlanlage, bio- logische Kläranlage, Blechdosenfabrikation rc. verfügt, bat nun ihren Betrieb eröffnet. Sie ist die einzige Fabrik in Württemberg, welche neben Fleischbeschau auch regelmäßige Trichinenbeschau unterhält und wird ihre vornehmste Aufgabe darin erblicken, nur tadellos reine und beste Ware in den Handel zu bringen. Um dem großen Publikum möglichst schnell Gelegen­heit zu geben, sich von der Vortrefflichkeit ihrer Er­zeugnisse zu überzeugen, beabsichtigt die Fabrik, auch 5 Kilopakete an Private zu versenden.

Aus SlaSt» Bezirk uns Umgebung.

Neuenbürg, 5. März. Der so unerfreulichen Witterung der letzten Woche ist am gestrigen Sonn- tag mit einem Schlage ein prächtiges Frühlings- Wetter gefolgt. Wer hätte dies noch in den voraus­gegangenen Tagen gedacht, da der März sich mit Schnee, Sl.urm und Regen einführte. Um so mehr freute und erquickte man sich an dem gestrigen herr­lichen Sonntag. Auch heute ist es gleich sonniges Wetter, und man hofft gerne, daß es so noch eine ganze Zeit lang bleiben möge.

Neuenbürg, 2. März. Beschädigtes Geld be­findet sich gegenwärtig sehr viel im Umlauf. Biele Leute machen sich ein besonderes Vergnügen daraus, Geldstücke zu beizen, anzufeileu, zu zerbeulen und dergleichen. Wir machen darauf aufmerksam, daß die öffentlichen Kassenämter derartiges Geld nicht an- nehmen und daß für Kaufleute, die diese Geldstücke ihren Käufern nicht anbieten können, oft Verluste dadurch entstehen. Wir möchten daher das Publikum darauf Hinweisen, solche beschädigte Geldstücke einfach nicht anzunehmen, von welcher Seite sie auch kommen mögen. Wenn man streng darauf hält und nicht etwa glaubt, daß sich doch wieder Gelegenheit finden würde, es loszuwerden, so erspart man denen, die keine Absatzquellen für solche entwertete Stücke haben, Verluste, weitere Unkosten und Verdruß. Die aber, die aus Uebermut sich den Scherz leisten, das Geld zu beschädigen, mögen auch dafür selbst aufkommen.

Vermischtes.

Mülhausen i. Eis-, 27. Febr. Ein Glück- Wunschtelegramm ganz besonderer Art ist dem Kaiserpaar zu seiner silbernen Hochzeit heute von hier aus gesandt worden, nämlich von der alten Frau Grandmougin, die hier kürzlich in voller geistiger und körperlicher Rüstigkeit und Frische ihren l 100. Geburtstag feiern konnte, wozu sie bekanntlich

vom Kaiser beglückwünscht und beschenkt worden war. Ihre Dankbarkeit und Glückwünsche für daS Kaiserpaar hat sie nun in einen kleinen Vers ge­kleidet, den der Telegraph heute mittag von hier nach Berlin trug. Die alte Frau ist eine ganz Prächtige Person, von echt christlichen Grundsätzen beseelt, denen sie in den vielen Prüfungen treu blieb, die das Leben ihr brachte. Sie steht jetzt sozusagen ganz allein in der Welt, denn alle, die ihrem Herzen nahe und am nächsten standen, sind ihr im Tode lange voraus gegangen. Als junge Frau kam sie von Leimen, ihrem Geburtsort, mit ihrem Mann 1834 nach Mülhausen. Die einzige Tochter starb im Alter von 27 Jahren nach nur zweijähriger Ehe; ihr Mann starb vor 40 Jahren, und der einzige Sohn, der unverheiratet geblieben war und mit seiner Mutter wohnte, starb im Alter von 43 Jahren. So war sie allein zurückgelassen; nur ein Enkel, der Sohn ihrer Tochter, ein Hr. Rückert, der eine an- gesehene Stellung bekleidete, lebte noch; er war ver­heiratet und starb auch vor zwei oder drei Jahre», seine Frau mit vier Kindern im Alter von 3 bis 12 Jahren zurücklasfend. Diese vier verwaisten Kinder sind somit die einzigen lebenden Nachkommen der Hundertjährigen, doch sie besuchen und lieben ihre alte Urgroßmutter, wie auch die Witwe des Enkels sich der alten Ahne ihres verstorbenen Galten treu annimmt. Ihren Lebensunterhalt verdiente sich Frau Grandmougin viele Jahre hindurch durch Waschen; noch bis zu ihrem 89. Lebensjahr ging sie täglich in die Kundeohäuser, daun fühlte sie, daß die Beine sie nicht mehr recht tragen wollten, und jetzt ist sie fast ganz auf ihren Sessel angewiesen, doch kocht sie sich ihr Mittagessen noch selbst im Stubenofen. Am liebsten sitzt sie still für sich allein, betet viel und denkt an die Vergangenheit zurück. Geschwätz mit den Nachbarinnen, die gern kommen und bei ihr fitzen würden, liebt sie nicht. Sie ist eine sehr sympathisch aussehende alte Frau mit freundlichen Gesichtszügen. Ihr hohes Alter schreibt sie, nächst dem gesunden Körper, den sie mit auf die Welt brachte, der Mäßigkeit zu, die sie in allen Dingen stets geübt hat. »Bete und arbeite!' hat ihr dabei stets als Devise auf ihrem Lebenswege vorgeschwebt. Eine Episode des Schreckens war für sie auch vor einigen Jahren, als sie noch ansgehen konnte, ei» Diebstahl. Mühsam hatte sie sich 80 einen Sparpfennig für Tage der Krankheit oder Not, zusammengespart, da, o Schreck, drangen Diebe in ihr Zimmer, erbrachen die Kommodenschublade und raubten den Sparpfennig. Das war gewiß bitter für eine Alle, die nicht mehr arbeiten kann und durch Entbehrungen aller Art einen Notgroscheu erübrigt hat. Die alte Frau steht jeden Morgen um 7 Uhr auf und geht erst um 10 Uhr abends zu Bett, ohne tagsüber zu schlummern oder ein Schläfchen zu halten. Eine Näherin, die tagsüber auf die Arbeit geht, wohnt mit Frau Grandmougin im gleichen Zimmer, so ist sie doch wenigstens nachts nicht ganz allein.

Im Narrenkleide vom Tode ereilt wurde in Essen ein 18jähriger Arbeiter. Er versuchte, mit einigen Bekannten allerlei Allotria treibend, ein mit Ziegelsteinen beladenes Fuhrwerk, das die Straße passierte, zu besteigen. Dabei stürzte er ab, und die Räder gingen ihm über den Leib. Der Arbeiter war auf der Stelle tot.

(Aus der Kinderstube unsres Kaiserhauses.) Hofprediger Geßler, der frühere Erzieher der kaiser­lichen Prinzen und zwar der beiden ältesten in der Zeit, als sie noch ganz junge kindliche Knaben waren, teilte vor einigen Jahren folgenden lieblichen Zug mit, an den am heutigen Tage wohl erinnert werden darf Als wir 'mal im Religionsunterricht an den Spruch kamen: Wir sind allzumal Sünder und mangeln des Ruhmes, den wir an Gott haben sollen, da äußerte Prinz Fritz sein Bedenken und sagte: DaS kann ich kar nicht glauben, Papa und Mama sind keine Sünder.'Aber lieber Fritz, hier steht es doch: Wir sind allzumal Sünder, also auch Papa und Mama.' Prinz Fritz besinnt sich eine Weile und meint dann triumphierend:Ja, Papa, das mag Wohl sein. Aber Mama ist kein Sjmder.'Aber Sie müssen doch glauben, waS in der Bibel steht, Paulus sagt es doch: Wir sind allzumal Sünder.' Ach, Paulus hat ja Mama gar nicht gekannt.'

Aus der Faschingsnummer der MünchenerNeuesten Nachrichten". London, 23. Febr. Kaum ist die deutsche Marinewelt durch den Stapellauf des S00 Fuß langenDreadnought" in Grund und Boden geschmettert, da kommt auch schon die Nachricht von einem neuen Stopellauf eines neuen Kriegsschiffes, desGreatmouth", welches in sechs Wochen gebaut wurde. Wie lange es ist, konnte trotz der fieber-