Zweites
Blatt.
Der
täten
Zweites
Blatt.
^ 29.
Neuenbürg, ^Mittwoch den 21. Februar 1906.
64. Jahrgang.
Württemberg.
Stuttgart, 17. Februar. Konsumvereine und Metzgerorganisation. Dem Landtag ist dieser Tage eine Eingabe des Konsumvereins Göppingen zugegangen, in welcher die beiden Kammern gebeten werden, darauf hinzuwirken, daß die Bestimmungen über den-Schlachthauszwang einer Revision in dem Sinne unterzogen werden, daß der Schlachthauszwang künftighin in Württemberg nur eingeführt und aufrechterhalten werden darf, wo und soweit für ein Schlachthaus gesorgt ist, dessen Benützung jedermann unter gleiche» Bedingungen offen steht. Der Schlachthauszwang soll aber jetzt schon insbesondere da (wie in Göppingen) aufgehoben werden, wo er mit dem bestehenden Recht (Gewerbefreiheit) unvereinbar geworden ist. Die Sache liegt gegenwärtig so, daß Fleischerinnungen und Genossenschaften in verschiedenen Städten (Göppingen, Hall. Gmünd usw.) ihren Mitgliedern bei Strafe des Ausschlusses verbieten, mit den Konsumvereinen Verträge über Lieferung von Fleisch an deren Mitglieder abzuschließen. Dieser Ausschluß bedeutet eine recht beträchtliche materielle Schädigung zunächst der betreffenden Metzgermeister, denen der 1 ^/ 2 —5fach höhere Schlachtgebührensatz zugemutet wird, und zwar überall da, wo das Schlachthaus im Besitz oder in der Verwaltung von Metzgerorganisationen sich befindet. Durch Reichsgerichtsentscheidung hat zwar der Konsumverein Göppingen nach 7 jährigem Prozessieren die Feststellung herbeigeführt, daß nicht mehr als die l^sache Schlachtgebühr von den der Innung nicht mehr angehörigen oder ausgeschlossenen Metzgermeistern erhoben werden darf, aber in den meisten Fällen werden die Betreffenden um ihr Recht zu prozessieren genötigt sein. Man kann den Verhandlungen über die Eingabe des Konsumvereins Göppingen jedenfalls mit Spannung entgegensehen.
Stuttgart, 19. Febr. Einem Metzgermeister in der Torstraße wurden in vergangener Nacht aus der Ladenkasse etwa 1000 gestohlen.
Stuttgart, 19. Februar. In der Nacht vom Freitag auf Samstag ist ein Reisender in einem hiesigen Gasthaus in seinem Zimmer an Gasvergiftung gestorben. Die Untersuchung hat ergeben, daß am Gasofen das Ventil nicht vollständig verschlossen war und dadurch eine heftige Gasausströmung statt- gefunden hat.
Gmünd, 19. Febr. Vorgestern nachmittag erhängte sich in der Kaserne ein Unteroffizier der hiesigen Militärkapelle. Seiner Braut soll er ein Vermögen von 12000 hinterlassen haben.
Kirbe und Gold!
Kriminalerzählung von Gustav Loessel.
13) - (Nachdruck verboten.)
11. Kapitel.
Eine Ochseujagd und ihre Folgen.
Zwei Wochen Ware» seit jener so bedeutsamen Unterredung verstrichen. Das Kühlhaus näherte sich seiner Vollendung. Man mußte daran denken, die Maschine aufzustellen, deren Teile inzwischen aus Adelaide cingetroffen waren. Damit war dann Roberts Tätigkeit hier beendet. Er sah mit Bangen diesem Zeitpunkt entgegen. Was sollte werden, wenn er nun fort von hier mußte, »och ehe die gefürchtete Antwort auf Toms Brief an den Rechtsanwalt aus Berlin eintras? Er forschte Laukwitz vorsichtig aus. Derselbe machte keine Miene, ihn noch länger oder anderweit zu beschäftigen. In Wahrheit wünschte jener jetzt, den Fremden wieder los zu werden. Die Begegnung im Busch war von einem Kuhjuvgen gesehen und gemeldet worden. Er hatte seine Spione überall. Das war nun Wasser auf seine Mühle Er stachelte Laukwitz von neuem auf, empfahl ihm aber, sich nichts merken zu lassen. Eine besondere Intimität war bei jenem Zusammentreffen von dem außer Hörweite lauschenden Burschen nicht bemerkt worden, aber der Umstand, daß beide Betroffene darüber kein Mort verlauten ließen, war verdächtig genug.
Dieser allseitig drückend empfundenen Spannung,
Cleebronn. Der Bauer Arnold von hier wollte am Sonntag von Nordheim nach Lauffen fahren. Er stieg versehentlich in ein Abteil 2. Klasse und als er sich von dort in das Abteil 3. Klasse begeben wollte, stürzte er auf die Schienen herab und wurde überfahren. Man brachte den Schwerverletzten in das Krankenhaus nach Heilbronn, wo er noch in derselben Nacht gestorben ist.
Stuttgart. lLaudeSproduktenbörse.I Bericht vom 19. Februar von dem Vorstand Fritz Kreglinger. In der letzten Woche nahm das Getreidegeschäft einen ruhigen Verlauf. Für greifbare Ware blieben die Preise behauptet, während auf Abladung die Unternehmungslust noch fehlt. — Mehlpreise pro 100 Kilogramm inkl. Sack: Mehl Nr. 0: 30 -4L — ^ bis 31 -4L - Nr. 1: 28 — ^ bis 29 <4t — Nr. 2 26 -4L 50 ^ bis 27 «4L 50 «! , Nr. 3 : 25 -4L — ^ bis 26 -4L — ^ , Nr. 4: 22 50 ^ bis 23 50 Suppengries 80 -4L — »!
bis 31 -4L — Kleie 10 -4L 75
Vermischtes.
Berlin, 17. Febr. Wenn man die folgende Nachricht nicht in der .Nordd. Allg. Ztg.' gelesen hätte, würde man glauben, es handle sich um eiuen schlechten Scherz oder um ein Erlebnis aus einem ganz verlassenen Erdenwinkel im ^Vilel aber
nicht um die Geheimnisse eines königlich preußischen Eisenbahnwagens. Das Blatt schreibt: Einen toten Fahrgast hat 5 Wochen lang der Eisenbahnwagen Nr. 1105 auf seinen Reisen mitgeführt. Der Wagen befand sich gestern in dem Zuge, der aus Sachsen um 2^2 Uhr auf dem hiesigen Anhalter Bahnhof eintrifft. Unterwegs hatten Fahrgäste vergeblich sich bemüht, die Tür des Abortes zu öffnen, daher ver- anlaßte nach der Ankunft in Berlin der Fahrbeamte die gewaltsame Oeffnung. Das Rätsel der Sperrung fand nun eine überraschende Lösung. Ein Selbstmörder hatte sich vor seinem freiwilligen Ende eingeriegelt. Der Mann hing an dem Kleiderhaken. Die Leiche in halb sitzender Stellung sah bereits mumienartig aus. Der Bahnarzt stellte nun fest, daß der Mann schon sehr lange tot sein müsse. Aufklärung gaben die Papiere, die man in den Kleidertaschen fand. Darnach war der Selbstmörder der 45 Jahre alte Gastwirt Albert Volland aus der Waldstraße 80 zu Leipzig. Eine Fahrkarte und ein Abschiedsbrief, den er an seine Familie geschrieben, zeigen, daß er sich am 8. Januar in Berlin aufhielt und sich dann auf der Fahrt von Berlin nach Wittenberg das Leben nahm. Seitdem hing die Leiche in dem Wagen. Unbegreiflich ist, daß man bei der Reinigung des Wagens nicht daran gedacht hat, den Raum zu öffnen. Welche Reisen der Wage» gemacht und wann und wie lange er irgendwo auf
welche auf den Bewohnern der Laukwitz. Station lastete, wurde unerwartet ein Ende gemacht. Der Krieg mit Transvaal war ausgebröchen. England rüstete große Heere zur schnellen Beendigung des- selben. Diese mußten verproviantiert werden. Große Fleischliefcrungen wurden eiugefordert. Die Laukwitz- Station allein hatte eine Bestellung auf sechstausend Ochsen. Nun hieß es, diese, welche auf unabsehbaren Flächen frei weideten und gänzlich verwildert waren, aufzubringcn. Das war keine leichte Arbeit. Um sie zu bewältigen, mußten nicht nur alle Männer auf Laukwitzstation und ihren Außenstatioven, sondern auch die Bewohner im Umkreise von 20—30 englischen Meilen mobil gemacht. Auch Tom mußte ins Feld, und Robert schloß sich freiwillig an. Jetzt oder nie sagte ihm eine innere Stimme, werde er die Gelegenheit zu einer gründlichen Durchforschung der Außcnstation und Helene ebenso zu einem Einblick in Laukwitz's geheime Papiere finden.
Die Jagd war zu Pferde, denn anders durfte man gar nicht wagen, den wilden Ochsen sich zu nahen, welche, wenn hart bedrängt, oft zu Angreifern wurden und die einzelnen Reiter verfolgten.
Die Arena, in welcher dieser eigenartige Stierkampf vor sich ging, erstreckte sich über Hunderte von Meile». Ter Schauplatz wechselte beständig, wie auch die Tiere, welche herdenweise eingekreist und den hoch und fest umzäumten Hürden zugetrieben wurden. Erst in den Hürden wurden die für den Kauf bestimmten Tiere ausgesucht, mit dem Brandzeichen versehen und einzelne in andere Umfriedigungen ab-
einem Rangierbahnhof oder im Schuppen gestanden hat, darüber ist von der Bahnbehörde eine Untersuchung eingeleitet worden. Die Leiche wurde nach dem Schauhause gebracht. Was den Mann zum Selbstmord veranlaßt, steht noch nicht bestimmt fest; es scheint aber, daß es unglückliche Familienverhält- niffe waren.
Das Münchener Abgeordnetenhaus beschäftigte sich kürzlich mit den Geheimnissen des Hofbräuhauses. Die Sitzung dauerte lange, allein daS Haus ließ sich den Aufwand von Zeit nicht verdrießen. Das Hofbräuhaus liegt eben jedem der Herren im Herzen und im Sinn. Alle waren sich darüber einig, daß es eines Staatswirtshauses unwürdig sei, die Kellnerinnen lediglich auf die Trinkgelder anzuweiseu, und selbst wenn eS dem Staat jährlich 30 000 koste, solle den Kellnerinnen noch ein Barlohn gegeben werden. Große Heiterkeit bemächtigte sich des Hauses, als der sozialdemokratische Abgeordnete Timm die Geheimsprache zum Besten gab, deren sich die Schankkellner bedienen, wenn ein Gast ein volles Glas beansprucht oder mit einem Quantum Schaum zufrieden ist. .Auf gehts!' ist der Schlachtruf, wenn vollgeschenkt werden soll, d. h. wenn eine bekannte Persönlichkeit kommt, auf die man besondere Rücksicht nehmen muß. .Auf'n Leim" bedeutet ganz voll, ohne Schaummaß, daS nennt man auch .Oberprior' oder .Schwerverbrecher.' (Heiterkeit.) Der Ausdruck .Spitzbua' bedeutet, daß einer von den sogen. Draufdruckern kommt, das find die Herren vom Verein gegen schlechtes Einschenken. Der Ausdruck ,Eahm selber' wird gebraucht, wenn ein Magistratsrat, ein Schutzmann, ein Offiziant oder eine ähnliche Persönlichkeit kommt, .Rahmelmaß' bedeutet, wenn ein Wirt oder Schenkkellner oder dergleichen kommt, da weiß der Schenkkellner, daß diese Herren mit einem guten Schaummaß zufrieden sind, weil sie selber vom Gewerbe find, und sie werden entsprechend bedient.
Ein ganzes Bataillon in Haft genommen — dieses merkwürdige Schauspiel hat sich soeben in Sissek zugetragen. Die beiden Bataillone des dort liegenden Regiments hatten den Befehl erhalten, in der Umgebung der Kaserne Schnee wegzuschaufeln. Das eine Bataillon hatte die Arbeit rasch beendet, um in die Kaserne zu kommen, doch wurde ihm der Befehl erteilt, der zweiten Partie zu helfen. Dieser Befehl wurde von der Mannschaft mit Murren ausgenommen, worauf das ganze Bataillon Kasernen- arrest erhielt. Es wurde militärgerichtliche Untersuchung wegen Gehorsamsverweigerung eingeleitet. Das Bataillon, das infolge der ungarischen Wirren
getrieben, in denen sie bis zum Abtrieb nach dem Einschlachtort, in diesem Falle Adelaide, verblieben. Da unterwegs noch viele der Hitze und Strapazen erlagen, wurde stets eine größere als die verlangte Zahl ausgesucht und zwar meist junge, Widerstands- fähige Tiere.
Solche Ochsenjagd ist in Australien ein Ereignis und in Wahrheit die einzige, bei welcher man Jagd- abenteuer erlebt und in wirkliche Gefahr gerät, ist doch dieses Gebiet gänzlich frei von reißende» Tieren. Das größte wilde Tier, das Känguruh, setzt sich in ganz seltenen Fällen zur Wehr, und ein flinkes Pferd oder ein Baum genügen, um seiner Wut zu entgehen. Unter den Hufen und Hörnern der australischen Ochsen sind schon die verwegensten Viehtreiber verendet.
Eine solche Jagdzeit mit all ihrer Aufregung, ihrem Halloh und Hetzpeitschenknall, der annähernd einem Gewehrschuß gleichkommt, war für die Laukwitz. Station jetzt angebrochen und das drängte selbst die so hoch gespannten innere» Angelegenheiten ihrer Bewohner in den Hintergrund. Nur in zweien blieben diese lebendig. Helene und Robert waren entschlossen, die Gelegenheit zur Verfolgung ihrer Privaten Interessen auszuvützcn. Während der Dauer der Ochsenjagd kampierten die Teilnehmer im Freien wie echte Buschmänner und brieten das zu diesem Zwecke erlegte junge Tier am Spieß. Fleisch, Tee und in der Asche gebackene Brolfladen waren in dieser Zeit die einzige Nahrung.
Robert fand schon in den nächsten Tagen Ge-