s Der Enztäler.

Zweites

Statt.

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Reuenbürg, Samstag den 3. Februar 1906.

64. Jahrgang.

Run-schau.

Berti», 27. Jaunar. Einen Beweis für den .Fortschritt" der Kultur in Südwestafrika, zugleich aber auch eine ernste Warnung enthält folgende Nachricht des .Berl. Tagbl": Eine höchst verdächtige Anzeige erschien vor einiger Zeit in mehreren Blättern. Wer junge hübsche Mädchen wurden für Deutsch- Südwestafrika gesucht. Ein Beruf, hieß eS, sei nicht erforderlich. Versprochen wurde» ein gutes Gehalt mit freier Station, sowie Familienanschluß und freie Fahrt. Die Vorstellung der Bewerberinnen sollte m Schöneberg, Borberastraße 8, im Kontor statt« finden. Biele junge Mädchen, die fich meldeten, wurden im Kontor von einem Herrn empfangen. Einige erklärten fich gleich bereit nach Afrika zu fahren, andere waren mißtrauisch und gingen zur Kriminalpolizei. Die Zentralstelle zur Bekämpfung deS internationalen Mädchenhandels sah fich daS Unternehmen genauer an und stellte fest, daß die Mädchen eine in Windhuk zu errichtende Schießbude bedienen sollen. DaS wird aber wohl nicht die Hauptsache sein.

Berlin, 3S. Januar. In Berlin trieb seit November vorigen Jahres ein Zopfabschueider sein Unwesen, der namentlich in der Leipzigerstraße jungen Frauen und Mädchen die heradhäugend ge« tragen« Zöpfe abschuitt. SamStag abend ist er vor dem Operuhause auf frischer Tat ertappt und verhaftet Word«. Der Verhaftete ist der Student der Berliner technische« Hochschule Robert S , der Sohn einer geachteten Hamburger Familie, der bei der Polizei gestand, daß er aus Perveser Neigung die Zöpfe abschneide. Bei einer Durchsuchung seiner Wohuuog wurde» 31 abgeschnittene Zöpft und einige Locken gestruden. S. gab zu, daß er alles den Trägerinnen heimlich abgeschnitten habe. Die Zöpfe, die er von Zeit zu Zeit auf« und wieder Macht, bewahrte er in seinem Schreibtisch auf. Um jeden hatte er ein Bändchen gebunden, das Tag und Datum des Abschueidrus trug, lieber de« Beweggrund za dem seltsamen Treiben befragt, gab er au, daß er schon als Tertianer seiner Schwester den Zopf abgeschuitteu habe. Bemerkenswert ist übrigens, daß der Kriminalpolizei nur acht derartige Me angezeigt find.

Die neuen Halbemarkstücke werden, wie auS Berlin gemeldet wird, von Falschmünzern bereits nachgemacht und anscheinend in größeren Mengen in Umlauf gebracht. Die Verausgabung dieses Fal­sifikates ist für Falschmünzer um so leichter, als die

Kanfleute bei derartigen kleinen Münzen Wohl mei« stenS keine besondere Prüfung vornehmen. Die Ausführung der Falsifikate, von denen mehrere an ösfentlichen Kassen angehalteu wurden, ist gut und dre Prägung scharf. Hierdurch erscheine» die Fälsch­ungen wenig auffällig, da auch die echten Halbemark, stücke noch nicht abgenutzt sind und eine scharfe Prägung aufweisen. Die Falsifikate find aus einer Bleilegierung hergestellt, in der Farbe eine Schattier­ung dunkler als die echten Münzen, und fühlen fich fettrg an.

Friedr. Krupp Akt.-Ges. Wie der .Köln. Bolksztg." mitgeteilt wird, ist die Inanspruchnahme der Kruppsch« Werke in Essen, Rheinhausen, Magdeburg und Kiel für die nächste Zeit so ge- stiegen, daß für Neuaufträge eine Lieferungsfrist von ungewöhnlich langer Dauer ausbedungen werden muß. In allen Betrieben wird Tag und Nacht, zum Teil mit Neberschichteu, gearbeitet. Die Arbeiter­zahl ist größer als je zuvor, der tägliche Zuwachs bedeutend. Besonders überlastet find die Werkstätten für Kriegsgeräte und Eiseubahvbaustoffe. Um fich eine Vorstellung von der außerordentlich starken Be­schäftigung zu machen, erwäge man die Tatsache, daß für die nächsten zwei Jahre monatlich durch- schnittlich 50 Batterien zu je 6 Geschützen, gleich 300 Geschützen, mit vollständiger Munition und Protzen abgeliefert werden müssen. Beteiligt find an den Aufträgen bei Krupp außer Deutschland, Japan, die Schweiz, Argentinien, Holland, Schweden und Norwegen, Rumänien, Bulgarien, die Türkei und China.

Eia neues lenkbares Luftschiff soll gebaut werde», trotz der verunglückten Versuche des Grafen Zeppelin, die über 1 Million Mark gekostet haben. Die Motorfabrik vou Heinle und Wegelin in Oberhausen am Rhein hat die Ausführung über- nommcn, zn der Major v. Parseval io Augsburg die Pläne geliefert hat. I« einigen Wochen dürfte dieses Luftschiff fertig sein. Nach den Urteilen vou Fachleuten soll es Aussichten auf Erfolg bieten. Major von Parseval bezieht vom bayerischen KriegS- ministerimn eine Unterstützung.

Zu den Plänen des Majors v. Douat, die Wasserkraft der Isar auszunutzen, erklärt der Ober­baurat Stengler im Ministerium deS Inner», Mit­glied der obersten Baubehörde, lautFranks. Ztg", daß es sich bei diesem Plan, der 2300000 Pferde­kräfte schaffen soll, vorerst nur um Ideen, nicht um ein Projekt im technischen Sinne handle. Es be- ständen Hauptschwierigkeiteu technischer Natur, recht­

liche, soziale und wirtschaftliche Bedenken. Er selbst sei auf Grund technischer Untersuchungen zu der Ueberzeugung von der UuauSführbarkett der Idee gekommen.

Meinerzhagen, 30. Jan. Der seit langem geplante Bau einer Talsperre im Listertale ist nunmehr gesichert. In einer unter dem Borfitz des Laudrats Thoms-Altena abgehaltenen Versammlung von Interessenten wurde die Gründung einer Lister- taler - Talsperren - Genossenschaft beschlossen. Die Sperre war anfangs auf Millionen Kubikmeter Rauminhalt berechnet, nach eingehender Berechnung hat fich ergeben, daß fich der Rauminhalt ohue de- sondere Schwierigkeiten auf 22 Millionen Kubik- meter erhöhen laßt. Regieruugsbaumeister a. D. Link-Essen erläuterte die beiden Projekte, worauf ihm die Ausarbeitung übertrage» wurde. Der Rahr- talsperre-Verein hat fich bereit erklärt, für die Dauer der Verzinsung und Tilgung deS Kapitals eine jähr­liche Beihilfe von 52 000 zu bewilligen. Gleich­zeitig wurde die Errichtung eines Elektrizitätswerks beschlossen, dessen Baukosten mit 420000 ver­anschlagt find. DaS TurbiaenhauS wird direkt unter der Sperre gebaut werden.

Aus München wird berichtet: Der StaatSauwalt Dr. Mäkler wurde im Justizpalast während einer Verhandlung vou einem Angeklagte», der eiuea als Beweisgegenstand vorliegenden Hammer uach ihm warf, schwer verletzt.

Die »Bost. Ztg." meldet auS Köln: Der Lölua Kriminalpolizei ist es geluugeu, den Eisenbahn- räuber zu verhaften, der iu Wagruabteileu 2.Klasse während der Fahrt emstirg «ud uach AuSlösche» deS Gaslichts die Reisenden überfiel uud beraubte. Der Täter ist ein ehemaliger Lokomotivheizer, der auf de» Waggons kletternd, daS Licht auSlöschte uud daun dir im dunkeln Abteil fich befindlichen Reisend« überfiel.

Bühl, 28. Jan. Als heute abeud 6 20 Uhr der von Offenbura kommende Schnellzug auf der hiesigen Station einfuhr, wollte ein Manu, bevor der Zag stillestand, auSsteigen. wurde aber dabei unter den Zug gerissen. Dem Aermsteu ward« vou den über ihu gehenden Rädern beide Füße abge> fahren. Der Anblick deS Vorganges, der fich mit Blitzesschnelle abspielte, war ein schrecklicher. Im Wartesaal wurde dann der Verunglückte alsbald ver- bundm, wobei er sein volles Bewußtsein behielt, uud alsbald inS Spital befördert. Der Bühler Bahnsteig, wo das Unglück fich ereignete, war gerade für diese» Zug gedrängt voll Touristen und Skifahrer, welche von den Höhen kamen und meist uach Karlsruhe fuhren.

Klebe »ud Gold!

KrimlnalerzShlung von Gustav Loessel.

S) - (Nachdruck verboten.)

Robert hatte fie reden lass«, um Zeit zum Nach­denken zu finden. Nun sah er, wo er dm Hebel aozusetz« hatte.

.In diesem Lichte Hab ich es freilich noch nicht gesehen," sagte er sinnend, ohue ihre Zärtlichkeit« zu erwidern. .Man könnte sich ja allerdings erst einmal rrdmdig«, um was es sich handelt, und v«n Du da für Deiue kranke Freundin einspringst, um ihr eine Gemütserschütteruug zu ersparen, so wird Dir daS niemand als Verbrechen anrechueu könne». Du kannst ihr ja dann noch immer bei Zeit uud Gelegenheit Mitteilung von dem Geschehen« machen. Deine Entschuldigung, daß Du das aus Schonung für fie getan, kann uur gut ausgenommen werde». Wenigstens soll eiue Belohnung für unsere gut« Dienste Herausschau«, die wir dem Vater leisten. Und dafür laß mich nur sorgen. Handelt es sich, wie ich vermute, um ein großes Vermögen, uud bist Du selbst nicht Willens, die Rolle der Erbin weiter zu spiel«, so müssen wir unser Kenntnis deS Ge­heimnisses nutzbar machen. Es genügt, daß wir jeden Augenblick die Vereinigung zwischen Vater und Tochter hnbeisühr« können. Wir werden uns aber nicht mit einem .Schön Dank!" abspeism lasten, sondern unsere Bedingung« stelle». Das werde ich daun tun als Manu zum Manne. So geschieht niemand« ein Unrecht, nnd wir haben wich unser

Glück gemacht. Wir wären Narren, wenn wir anders handeln wollt«."

»DaS erscheint mir schon aunrhmbarrr," lenkte Helene ei«. .Aber wozu mich dann überhaupt erst für Marie auSgeben?'

.Weil der RechtSauwalt jedem Dritten gegenüber fich sehr reserviert zeigen wird. Wir aber müsst» alles wissen, um unsere Maßnahmen zur Sicherung wenigstens eines Teiles deS Gewinnes darnach tr«ff« zu können. Sei versichert, einem Fremden wird er aus Furcht vor Ausbeutung, auch nicht einmal die Adresse des Vaters nennen. Und die müssen wir haben. Auf Mariens Dankbarkeit allein rechne nicht. Geld macht hart und hochmütig. Sie möchte fich Deiner schäm« uud Dir einen Ring oder dergleichen ,zum Andenken" schenken. Du selbst würdest Dich am meisten ärgern uud es Dein Leben lang bereuen, meinem klugen Rate nicht gefolgt zu sein."

Helene war schwankend gewordeu. Der Gedanke, daß Marie ihr ihre Liebe mit Undank lohnen und fich ihrer schämen könnte, bohrte fich ihr wie ein giftiger Stachel ios Herz. Auch winkte beim Ge­lingen die baldige Vereinigung mit Robert und ein Leben im Wohlstände. Anderseits drohte seine gänz­liche Abwendung und Entfremdung, wenn fie seine neuerlich« Vorschläge ebenfalls ablehnte. Sie kämpfte uur noch schwach.

.So ei« Rechtsanwalt hat scharfe Augen."

.Die ihu diesmal aber gar nichts nützen. Die Echtheit der Dokumente ist für ihn allein bestimmend. Nach Weiterem hat er nicht zu forschen. Selbst der

Vater, wem» eS späier einmal zu einer Bearguung kommt, kann nicht sagen: .Dies ist meine Tochter, diese ist eS nicht." DaS Bild der zweijährig«, welches iu seiner Erinnerung lebt, kann für die Achtzehn- jährige k-ineu Maßstab abg'beu. Ju d« erst« Sechzehn Jahren verändern fich die Züge deS Messch« vollständig. Aber dazu wird es uach unser« ueuere» Disposition« ja gar nicht kommen. Du trittst uur jetzt als Marie Laukwitz auf, damit wir uns deS Geheimnisses voll und gauz bemächtigen. Nachher verschwindest Du und ich allein habe mit dem Alt« zu tun, der nach Erfüllung gewisser annehmbarer Be­dingungen sein rechtes Kiud in die Arme schließen soll."

Helene willigte endlich, weuu auch zögernd, ein. Sie wünschte in ihrem Herzen, daß Marie noch vou anderer Seite vou dem Aufruf Kenntnis erlangt haben möchte, wodurch fie danu ihrer Teilhaberschrfft au dem Betrüge evthobeu würde.

Robert war wieder gauz der glühende Liebhaber, aber ihre Lippen blieben kalt. Durch die stille Pforte der Liebe war fie sonst auf Augenblicke diesem elend« Leben entschlüpft, wie ein Gefangener, dem ab und zu ein kurzes Berweile» im Frei« vergönut ist; »uu fand sie fie verschlossen. Der neue Bund hatte deo alten vernichtet. Sie fand den frei«, herzliche» Ton nicht wieder, in dem fie früher miteinander verkehrt hatte». Wie sonst schieden sie mit einer Verabredung für den nächsten Tag, aber der Gedanke au dieses Wiedersehen erfüllte sie mit Grauen. Schon jetzt flatterte daS Gespenst der Schuld mit ihr zum Hause hinein und folgte ihr auf den Fersen.

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