Sack mit Pulver, auS dem ennge Körner heraus« rieselten. Er versuchte sie mit einem Streichholz an« zuzünden. Im nächsten Augenblicke explodierte die ganze Pulvermenge; die vier jungen Leute wurden tötlich verletzt Der Materialschaden ist bedeutend.

Saasenheim (bei MarkolSheim), 2. Januar. Den Generalstreik haben hier die Treiber be­schlossen. Sie forderten eine Erhöhung des Treiber» zagdlohns, die ihnen von den Jagdpächtern nicht gewährt wurde; darauf traten fie nach berühmten Mustern in de» Streik.

Grandfontaine i Elf., 30. Dez. Eine bei- spielSlose Dreistigkeit legte gestern ein Hühnerhabicht auf einem hiesigen Forsthause an den Tag. Die Geschichte bietet gleichzeitig eine» interessanten Bei- trag zur Psychologie der Tiere. Die Bewohner des genannten Hauses hatten sich gerade zum Mittags- mahl angesetzt, als unmittelbar vor dem Fenster ein Raubvogel ein Huhn schlug. Um das Huhn noch zu retten, sprang man eiligst hinaus und verscheuchte den frechen Räuber, dem Huhn war jedoch nicht mehr zu helfen. »Huhn ruhig liegen lassen, der kommt wieder" sagte der Förster, und richtig: mau hatte sich kaum wieder hingesetzt und weiter gegessen, als die dem Fenster zunächstfitzende Försterin den Hühnerhabicht wieder auf dem geschlagenen Huhne sah, das er eifrigst rupfte. Der Förster konnte eines 1.50 na hohen Zaunes wegeu erst schießen, als die Entfernung schon ziemlich weit geworden war. So kam es. daß der Raubvogel zwar aus seiner Flug­bahn geriet und Federn fallen ließ, im übrigen aber doch weiterstrich. Man setzte sich wieder zum ver« lasseuen Mittagstisch nieder, das halbgerupfte Huhn ruhig liegen lassend. .Wenn die Schrote ihn nicht zu sehr gekitzelt haben, kommt er wieder". Der Drilling wurde iu unmittelbarer Nähe des Tisches gestellt. Keine 5 Minuten dauerte es, da meldete die Försterin leise: .Er ist wieder da und rupft, guckt aber sehr nach Fenster und Tür." Der Förster avancierte diesmal im .marsch, marsch" bis zum Zaun und holte nun mit Leichtigkeit den obstreichen- den Hühnerdieb mit Nummer 4 herunter. Die Försterin mit ihrem starken Hühnerhof war sehr auf­gebracht über den Räuber, besonders als sich noch herausstellte, daß das geschlagene Huhn ein junges war. Der Hühnerhabicht, ein ziemlich starkes Exemplar, wurde einem Präparator übersandt.

Lahr, 3 Jan. Ein drastischer Fall von Selbst- Hilfe ereignete sich lt.Lahrer Zig." in der Neu- jahrsnacht. Ein Mann kam in Strümpfen auf die Polizeiwache und gab zu Protokoll, daß ihm in der Schlosserstraße seine Schuhe gewaltsam von den Füßen gerissen wurden, ohne daß ihm sonst etwas geschehen sei. Ein Diebstahl liegt aber hier nicht vor; der Schuhmacher, dem der Mann den Betrag für die gelieferten Schuhe nicht bezahlt hatte, hatte zwei Gipsern den Auftrag gegeben, die Schuhe um jeden Preis wieder herzuschaffen, den diese auch auf das Beste ausführteu. Wir möchten aber diesen Fall nicht zur Nachahmung empfehlen und wollen hoffen, daß die beiden Gipser für ihre Gutmütigkeit nicht noch bestraft werden.

Benediktbeuren (Oberbayer«), 30. Dezember. Wie die .M. N N." berichten, starb hier der Privatier G. Neumryer im Alter von fast 104 Jahren. Er war früher Hammergutsbesitzer in Neuenkirsch, dorf. Neumeyer hat als sechs bis siebenjähriger Junge noch Napoleon I. gesehen; er lernte die Schlosserei, wurde dann Soldat und brachte es in seiner späteren Geschäftstätigkeit zu großen Erfolgen. So hatte er alle einschlägigen Arbeiten für die Fest­ung Ingolstadt auszuführen. Er hat sich zum Groß- gruudhefitzer mit eigener Försterei, Mühle, Säge, Stewbruch, Gipsmühle usw, aufgeschwungen, erlitt auderseits aber auch große Verluste, so beim Bau der Festung Ulm einmal 80000 Gulden. Zu An­fang 1905 war er körperlich und geistig noch ziem- lich frisch, wenn auch Hör- und Sehvermögen ge- schwächt war. Aber er ging damals täglich früh 7 Uhr noch allein in die Kirche und war gut bei Appetit. Er ließ sich noch ein Stück Schweins- braten und eine Schüssel Salat schmecken, ohne Be­schwerden dadurch zu haben. In seiner frühesten Jugend hatte er infolge der Kriegsnöte große Ent- Lehrungen zu ertragen, lebte auch später sehr mäßig; Bier zu trinken fing er erst mit 30 Jahren an und da nur sehr mäßig.

(Eine Millioncuerbschafk verschmäht) Man be­richtet uuS aus New-Dork: Die Annahme einer Erbschaft im Werte von 4 Millionen Mark hat Mr. I. Eads How ausgeschlagen. Er will keinen Pfennig davon behalten, weil er das Geld nicht selbst erworben hat. Er verbringt jetzt 16 Stunden täglich in den .Slums" von St. Louis, befürwortet eifrig die all­gemeine Verbrüderung der Menschen, schläft in einem Heim der Heilsarmee und bereitet sich seine Mahl- zeite» auf einem billigen Petroleumofev. Seinen Lebensunterhalt verdient er als Papierverkänfer oder er trägt Depeschen für Telegraphengesellschafte» aus und verrichtet ähnliche untergeordnete Arbeiten.

(600 kerpetua mobilia) Die Hoffnung, eine Maschine zu erfinden, die, einmal in Gang gesetzt, in ständiger Bewegung bleibt, läßt auch heute den Erfindergeist nicht ruhen. Die überraschende Tat­sache erfährt man auS einem Artikel iuCasfiers Magazine", in dem mitgeteilt wird, daß iu den Jahren 1901, 1902 und 1903 iu England 13, 10 und 9 Anmeldungen von Patenten, die ein kerpe- tuum mobil« darstellen sollten, an das Patmtbureau gelangt find. Vom Jahr 1617, in welchem das erste Patent gegeben wurde, bis zum Jahre 1903 find schon über 600 Anträge auf Ausstellung eines solchen Patents bei diesem Bureau eingelaufen. Diese Zahlen gestatten einen kleinen Einblick in eine merkwürdige Geisteswelt. Wie viel Geisteskraft ist in der langen Zeit aufgewandt worden, ein unlösbares Problem zu lösen, wie viel stolze Träume haben die Arbeit dieser Erfinder begleitet, und wie viel zerstörte Hoff­nungen waren das traurige Ergebnis!

Eine neue Mode kommt aus London: Die Photographie auf den Fingernägeln. Man hat ein neues Verfahren erfunden, durch das man winzige Bilder auf die Fingernägel zaubern kann.

Alle schönen Damen wollen jetzt das Porträt des von ihnen Meistbegünstigten in dieser Form haben, und ebenso sind die jungen Stutzer darauf erpicht, die Züge der Geliebten auf dem Zeigefinger, dem Ringfinger oder dem kleinen Finger ihrer linken Hand zu tragen. Diese Mode wird jedenfalls leichter ausge­nommen werden, als eine andere seltsame, die vor einigen Jahren von Engländerinnen aus Kairo ge­bracht wurde. Diese Damen hatten sich in Egypten als Mumien photographieren lassen. Ausgestreckt in einem Sarkophag ruhend, mit Bändern beschnürt. erschienen sie als Mumien, nur lebend und lächelnd, in den Albums ihrer intimsten Freundinnen.

«echsel-RStfel.

Kennt ihr das Großherzogtum der Name besteht aus neun Lettern

DaS zum Herzogtum wird, ändert zwei Lettern man um.

Auflösung des Krebsrätsels iu Nr. 207. Rettig Gitter.

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Bestellungen

auf de»

KnZtä 5 e r"

für das I. Quartal 1906

werden von allen Postanstalten und Postboten, von der Expedition und von unseren Austrägerinuen ent- gegengeuommen.

Auieiueit müssen um noch Aufnahme zu L -L I finden längstens vormittags 8 Uhr aufgegeben werden.

LW- Größere Anzeigen tags vorher.

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Briefkasten d. Red.

/> t- A -k- Aach unseren Erkundigungen werden die angekündigten, vielfach gewünschten württ. Jubiläums- freimarken für den amtliche« Verkehr erst in ca. 8 Tagen in Stuttgart beim Postamt I zu haben sein. Bestellungen hierauf werden durch die Postanstalten vermittelt. Was die Privat-Briefumschläge und -Karten mit aufgedruckten Mailen zu 2, 3, ü und 10 ^ anbetrifft, so geschah die diesbezügliche Ankündigung selbst im Siaatsanzeiger in voreiliger Weise, denn diese Briefumschläge werden lediglich im Berlage der bekannten Stuttgarter Briesmarkenhandlung Redwitz ausge­geben und es wird uns dazu heute schon verraten, daß das Markenbild mit3 Königen" umgeben sei, während die amtlichen Briefmarken zu beiden Seiten die Jahreszahlen 1808 und 1S06 und eine Krone tragen. Vielleicht ver­mittelt die obengenannte Firma auch den Bezug von amt, lichen Jubiläumsfreimarken.

Aus schwerer Zeit.

Nach einer wahren Begebenheit erzählt von Franz Hirsch.

Am Schulhause mußte ich vorüber. ES brannte kein Licht in dem Giebelstübchen, das Rose einge­räumt war. War fie noch nicht schlafen gegangen? 9 Uhr war vorüber, und der Wächter hatte schon seine erste Runde gemacht. Ich hielt den Schlitten au und lauschte. Alles war still. Eine uubezwing- bare Lust, der Mulw'lle eines Knaben, irgend einen tollen Streich zu begehe», kam über mich. Ich war 20 Jahre alt und Student. Und ich dachte au das liebliche Kind, das nicht mehr auS meinem Gedächtnis kam Ich knallte laut mit der Peitsche. Ein Hund schlug an; eS war der des Nachbars. In der Straße war sonst alles still. Da ging eine Tür. Eine weibliche Gestalt trat auf die Steinstnfen. Sie hatte kein Licht, aber der Mond stand voll am Himmel, und ich erkannte fie wohl, obgleich fie sich mit einem Tuch verhüllt hatte. Es war Rose. Offenbar hatte fie der Peitschenknall erschreckt. Sie wollte die Tür schließen. Da rief ich:Bitte, Mamsell Rose, er- schrecke» Sie nicht. Ich bin's, der Reinhold ans dem Pfarrhaus«. Ich will Ihnen nur Guten Abend sagen, dann geht's auf die Reise."

Sie war ganz ohne Ziererei, als fie mich erkannte. Ach, der junge Herr." sagte fie.Wollen der Herr schon wieder nach Königsberg zurück?"

Sie wußte also von mir, man hatte im Schul- Hause von mir gesprochen. Wir kamen i» ein Ge­

spräch. Ich stieg vom Schlitten, wickelte die Leine um einen Pfahl vor der Tür und trat auf di» Stein - stufen zu ihr. Ich war sehr höflich und sehr artig, aber in mir steckte der Fuchs. Als ich ihr von meiner Fahrt erzählte, ward sie erst sehr traurig.

So eine Fahrt ach, Herr Reinhold, ich möchte Sie fast beneiden!"

Wirklich?" sagte ich, und, mein Herz war voll Tücke,nun, dann kommen Sie doch mit. Platz ist für unS genug da. auch wenn der Doktor mitkommt."

Sie lachte lustig.Das wäre ein Abenteuer. Ich schwatze aber hier so dumm, und derweil kann der Vater und die Geschwister aufwachen."

Die schlafen also schon alle?" fragte ich, und meine Keckheit wuchs, indem ich eine Stufe höher zu ihr hinauftrat.

Natürlich,' erwiderte fie, mit einem Schritt zurücktretend,um 9 Uhr schläft alles, außer am Samstag, denn wir müssen schon um 6 Uhr heraus."

Sehen Sie," sagte ich,da können wir dreimal nach Bartenstein hin und zurück fahre», ohne daß es jemand merkt. Lassen Sie sich die schöne Gelegen- heit zu einer solchen Schlittenfahrt nicht entgehen und kommen Sie mit Sie können um Mitternacht wieder in Ihrem Bett liegen."

Gute Nacht," sagte sie und ihre Zähnchen blitzten in ihrem herzlichen Lachen,Sie find ja ein böser Geist!"

Aber einer, der Fleisch und Bein hat," rief ich, und ehe fie die Tür schließen konnte, hatte ich sie im Arm und tmg fie zum Schlitten.

Sie wehrte sich, aber sie schrie nicht. .Schäme» Sie sich, Herr Reinhold,' rief sie, während sie sich mir zu entziehen suchte,wenn das der Herr Pfarrer wüßte!"

Seien Sie vernünftig, liebe Rose, es geschieht Ihnen nichts, aber Sie sollten mir und sich die Freude einer Schlittenfahrt machen."

Lassen Sie mich los!" Und sie wollte vom Schlitten springen, aber es war zu spät Der Braune sauste, von einem Peitschenhieb beflügelt, mit uns in die Winternacht.

Pfeilschnell schoß der Schlitten dahin auf der mondhellen Straße. Rose war still geworden. Sie saß zusammengekauert da und achtete es nicht, daß ich sorglich die Decke um ihre Schultern legte.Es ist ja wirklich nicht so schlimm, liebe Mamsell," sagte ich beschwichtigend.Solch eine Spazierfahrt haben fie sich ja lange gewünscht, und daß gerade bei Nacht­zeit Ihr Wunsch erfüllt wird, das ist vielleicht nicht ganz nach der Sitte, aber schön ift's doch, und Sie wissen. Sie können mir vertrauen. Denn wen» ich auch sehr jung bin, sehen Sie, ein Student muß seine Ehre haben, und ich weiß, was sie einer sittsamen Jungfrau schuldig ist." Keine Antwort. Nur ein leises Schluchzen.Das hätte ich nicht gedacht," fuhr ich beharrlich fort,daß Sie so kleinlich sind. Weiß ich doch, wie groß Sie denken, wie Sie ur-sere Dichter verehren uad wie innig Sie unsere ehrwürdige» Choräle auf der Orgel begleiten, wenn die rauhen Stimmen unserer Gemeinde emsetzeu." Da hatte ich fie, wohin ich fie haben wollte. (Forts, folgt.)

Drruk und verleg von L. Mreh in Ne»endür->