Bei der zunehmende« Verwendung des Auto» mobilS, auch im Postdienst, hat die Verwaltung der Deutschen Reichspost, der die deutsche Sprache schon viele glückliche Verdeutschungen von Fremd- Wörtern verdankt, jetzt auch das Fremdwort .Auto- mobil" verdeutscht, und zwar durchSelbstfahrer", wie aus einer kürzlich erfolgten Ergänzung zur Dienst­anweisung hervorgeht.

Das neue Rathaus in Leipzig ist am 7. ds. Mts. feierlich eingeweiht worden. Es erhebt sich an der Stelle, auf der 350 Jahre lang die Pleißenburg gestanden hatte.

Kappelrod eck. 13. Okt. Zur Affäre Haas teilt dasBad. Tagbl." weiter mit: Vor einigen Tagen find zwei Geschäftsleute aus dem Achertal, welche mit der Vorschußkasse Kappelrodeck Geschäfte abge- wickelt hatten, in Offeuburg beim Untersuchungsrichter gewesen, um sich über ihre Angelegenheit zu erkundigen. Was sie da erfuhren, war für sie geradezu nieder­schmetternd. Drei Geschäftsleute im Achertal müssen allein 95000 ^ noch einmal bezahlen, welche sie der Kasse schon bezahlt hatten. Nach einer Aeußerung deS Untersuchungsrichters belaufen sich die Unter­schlagungen, soviel bis jetzt festgestellt wurde, auf 600000

Kappelrodeck, 16 Oki. Der Vorschußverein hat die Vertretung seiner Juteressen einem Anwalt übertragen. Wie den .Mittelbad. Nachr." mitgeteilt wird, beträgt die unterschlagene Summe 725000 o/E; wahrscheinlich wird sie die Höhe von 800000 ^ erreichen. Der Auffichtsrat hat sich bereit erklärt, 100000 zur Verfügung zu stellen.

Appenweier, 16. Okt. Der Ortenauer Bote meldet von hier: Der Kaufmann Müller ist wegen Wechselfälschungen in Höhe von 35000 flüchtig gegangen. Wie nun aus Pforzheim gemeldet wird, hat sich Müller in einem dortigen Gasthaus mit Opium vergiftet.

Mannheim, 13 Okt. Ein Brauerei-Direktor als Weinpantscher! Vor der Strafkammer stand gestern der Direktor der Gräfl. v. Oberndorfs - scheu Brauerei, A.-G., in Edingen, Friedrich Leon- hard und der Küfer Wilhelm Lohn ert wegen Weinfälschung. Nach Angabe des kaufmännischen Sachverständigen, Kaufmann Ziegler, hat der ange- klagte Direktor mit rührender Offenheit alle die Produkte, die er zur .Fabrikation" brauchte, sogar daS Wasser sorgfältig in den Büchern registriert, und so war er in der Lage, festzustellen, daß der Ange­klagte u. a. aus 742 Liter Rotwein 1870 Liter, aus 1670 Liter Moselwein 4270 Liter, aus 1900 Liter Most 11100 Liter Wein, aus 9000 Liter Mosel­wein 13000 Liter, aus 3000 Liter Schrießheimer 5910 Liter, aus 210 Zentner Trauben 15 210 Liter Wein .gemacht" hat. Der Wasserzusatz belief sich bis zu 40 Proz Dieses sein Produkt bekamen die Zäpflerwirte der Brauerei zu demselben, ja noch teuereren Preisen als von anderen Weinhandlungen, während den Herrn Direktor der .Wein" auf 68 Mark per 100 Liter stand. Die Kantine bekam das schlechteste Zeug, den sogen. Nachwein, aber ebenfalls mit Gewinn Der Angeklagte will die Weine nur zur Verbesserung gezuckert haben. Der Offizial- Sachverständige Dr. Graaf aber bemerkte, daß ein solches Produkt schon nicht mehr Wein genannt werden könne. Dem Angeklagten stand als Sachverständiger Herr Prof. Fresenius-Wiesbadeu zur Seite. Er hält aber ein Strecken des Weins, wie von 570 Liter auf 1300 Liter für ganz ungeheuerlich. Das Gericht verurteilte nach längerer Beratung den angeklagten Brauerei-Direktor zu einer Geldstrafe von 1000 ev. 160 Tage Gefängnis uud wegen Uebertretung des Weingesetzes zu 20 -/L Geldstrafe; der Mitangeklagte Küfer wurde freigesprochen. Die 1000 Geld­strafe hat der Herr Direktor durch die Fälschungen Wohl mehr als zehnfach schonherausgeschmiert"; das Urteil ist deshalb keine Strafe!

Karlsbad, 14. Okt. Ein Felssturz durchschlug das Dach des Gasthauses .Schwedischer Hof"; ein Stubenmädchen wurde getötet, ein anderes schwer verletzt.

Saarbrücken, 10. Oktober. Der pensionierte Bergmann Lambert aus Münchwies, der am 1. Aug. ds. Js. seine Frau totgeprügelt hatte, wurde heute von der Strafkammer zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Strafmildernd kam in Betracht, daß die Frau, die schon seit zwölf Jahren auf der Trinker- ltste stand, an jenem Tage einen großen Teil der von ihr aufgehobenen Pension des Mannes ver­trunken hatte.

Der Winter setzte in der Rhön mit 3 Grad Kälte ein und ließ die umliegenden Höhenzüge in dichter Schneehülle erscheinen, die au exponierten Stellen mehr als fußhoch ist. Die arme Bevölkerung der hohen Rhön leidet schwer unter dem vorzeitigen

Eintritt der kalten Witterung. Im Allgäu herrscht so heftiges Schneegestöber, daß jetzt das ganze Alpen- Vorland unter einer Schneedecke liegt In verschiedenen Ortschaften fährt man schon Schlitten und in Höhen- lagen von 14001500 Meter lagert der Schnee schon mehr als meterhoch

Metz. 14 Okt. Wir lese» in der .Lothr. Ztg.": Das große LoS von 20000-/A. der ersten Ziehung der Metzer Dombau-Lotterie ist einem Arbeiter von Straßburg, namens Kuntz, zugefallen. Die beiden anderen Hauptgewinne zu 5000 und 3000 ^ sind vom Hauptkollekteur selbst gewonnen worden. (Str. P.)

New-Uork, 14. Okt. Der Zentralverband der deutschen Krieger- und Veteranenvereine von Nord­amerika beschloß, dem Kaiser Wilhelm als Geschenk zur silbernen Hochzeit eine silberne Pnnschbowle nebst einem Begleitschreiben zu übersenden.

New-Jork, 14. Okt. Eine schwere Sturzwelle, die am Mittwoch den Dampfer Campania traf, riß 5 Zwischendeckpassagiere über Bord, die ertranken, und verletzte 30 andere Zwischendeckpassagiere, da­runter einige schwer.

Antwerpen. 14. Okt. Auf der Schelde trat heute eine Springflut ein, die den Fluß über die Ufer drängte. Große Verwüstungen wurden auge­richtet; mehrere Personen sind ertrunken.

Pest, 14. Okt. Abends 9 Uhr stürzte im Hotel Union der Plafond des Stiegenhauses und einiger angrenzender Zimmer des ersten Stocks ein. Eine Person wurde schwer, 2 leicht verletzt; die Gäste des Hotels wurden von der Feuerwehr durch die Fenster gerettet.

Kritik des Zenaer Parteitages.

Ein Gewerkschaftsblatt, der LeipzigerCorrespon- dent der Buchdrucker", der der sozialdemokratische» Partei schon sehr oft recht unangenehme Wahrheiten gesagt hat. übte kürzlich an den Jenaer Beschlüssen über die Maifeier und den Generalstreik eine geradezu vernichtende Kritik. Das Blatt schrieb u. a.:Auf der schiefen Ebene, die die Partei in Dresden be- treten hat, mußte sie freilich ganz folgerichtig in Jena dort aulangen, wo die Ultras des Marxismus sie haben wollten. Der in Jena beschlossene revo- lutionäre Massenstreik ist die logische Konsequenz des von Bebel in Dresden vertretenen Standpunktes:Ich will der Todfeind dieser bürgerlichen Gesellschaft und dieser Staatsordnung bleiben, so lange ich lebe und existiere, um sie in ihren Existenzbedingungen zu untergraben und sie, wenn ich kann, zu beseitigen." Damit hatte die Sozialdemokratie nicht nur den ge- samten bürgerlichen Parteien, sondern auch der sozial- reformerischen Bewegung der Gewerkschaften den Fehdehandschuh hingeworfen. Die ganze Tätigkeit der Gewerkschaften und die Vorteile, die sie für die Arbeiter erzielt haben, beruhen auf einem Kompromiß mit den gegebenen politischen Verhältnissen und Parteien. Durch die feierliche Lossagung von jedem Kompromiß mit der bürgerlichen Gesellschaftsordnung war der Boden für die revolutionären Beschlüsse in Jena geschaffen. Die Gefahr, gegen welche sich die Partei mit Hülse des Massenstreiks wehren will, hat sie selbst heraufbeschworen! Eine Partei mit drei Millionen Stimmen und 80 Abgeordneten kann sich nicht sektiererhaft abschließen, sondern hat sich mit beiden Beinen mitten hinein in die politischen Dinge zu stellen. Bebel sagte vor 15 Jahren einmal:Die Taktik ist mir wichtiger als das Prinzip'" Nun gut, hätte es die Taktik nicht erfordert, mit den gegebenen Verhältnissen zu rechnen? Vorbedingungen waren nach 1890 genügend vorhanden, eine nützliche Mit- arbeit der Sozialdemokratie in reformerischem Sinne zu gestatten. Das wollte man aber nicht und richtete statt dessen die Dresdener Kriegserklärung an Staat und Gesellschaft. Und nun tut man höchlichst ver­wundert, daß von dort auch geschossen wird!" Das ist ein höchst verständiges Urteil. Leider sind solche Stimmen zu vereinzelt in der modernen Arbeiter­bewegung, um den gehörigen Einfluß auszuüben.

Württemberg.

Stuttgart, 14. Okt. Die heute mitgeteilten Meldungen derKölnischen Zeitung" über die am 11. Oktober in Berlin stattgehabte Beratung der Deutschen Eisenbahnverwaltungen, die Betriebs­mittelgemeinschaft betreffend, werden im heutigen Staatsanzeiger" wie folgt ergänzt:Auf der Tagesordnung stand die Besprechung neuer von den bayerischen Kommissären aufgestellter Vorschläge, die schließlich zur weiteren Behandlung an Sonder­ausschüsse verwiesen wurden. Auf die Begrüßungs­ansprache des preußischen Ministers der öffentlichen Arbeiten, v. Budde, gab der württembergische Ver- treter eine Erklärung in dem Sinne ab, daß nach Ansicht der württembergischen Verwaltung die Grund-

läge der bisherigen Verhandlungen durch die batzeri- scheu Vorschläge vollständig verlasse» werde. Die Bedenken, die gegen die seitherigen Verhandlnvgs- grundlagen vorgebracht worden seien und die sich einerseits auf die staats- und etatSrechtliche Seite der Frage, andererseits insbesondere auf die Schwierigkeit der Ermittlung eines allen Wünschen entsprechenden Schlüssels für die Verteilung der Aus- gaben der Gemeinschaft beziehen, wären bei all- seitigem guten Willen nicht unüberwindbar. Wenn die bayerischen Vorschläge in ihrer jetzigen Fass, ung angenommen würden, könnte eigentlich von keiner Betriebsmitlel-Gemeinschaft, höchstens von eine« erweiterten Wagenübereinkommen nach Art des preußi- schen Staatsbahnwagenverbands die Rede sein. Die württ. Eisenbahnverwaltung nehme daher an der Be- ratung der bayerischen Vorschläge nur unter dem Vorbehalt teil, auf ihre früheren Vorschläge wieder ! zurückzukommen. In ähnlichem Sinn sprach sich dann ! auch der badische Vertreter aus." !

Stuttgart, 13. Oktbr. Durch den Tod des gestern verstorbenen Geheimen Kommerzienrats Gustav Siegle hat Württemberg einen seiner besten Männer verloren. Er war so betont dieKöln. Ztg." nicht nur einer unserer bedeutendsten Industriellen, der sich durch eigene Kraft zu einer hohen Stufe emporschwang, nicht nur ein Wohltäter, der mit Zehntausenden nicht kargte, wo er Not zu lindern und Gutes zu tun irgend Anlaß hatte, nicht nur cm Kenner und opferwilliger Förderer von Kunst und Wissenschaft, deren erste Vertreter als Gäste und Freunde namentlich auf seinem Landsitz am Starn­berger Sec und in seiner Stuttgarter Villa bei ihm aus- und eingingen. Er war vor allem auch, und das soll hier mit besonderem Dank anerkannt sein, von seinen jungen Jahren an ein warmherziger Patriot, der für Deutschlands Einheit und Freiheit erglühte und, wo es not tat, mit Geld und Gut und mit Einsetzung der eigenen Person für seine Ideale kämpfte. Jahrelang hat er den Brauch geübt, von größeren Ausgaben der nationalliberalen Partei die Hälfte schlankweg auf sich allein zu nehmen und die gewissenhafte Verwaltung seines Reichstagsmandats, das Stuttgart ihm dreimal nacheinander von 1887 bis 1898 übertrug, hat ohne Frage dazu beigetrage», daß seine lange aufs äußerste angespannten Kräfte endlich versagten und er 1895 zusammenbrach. Nach langem Hinsiechen ist er nun aus diesem Leben ab­gerufen: wenn aber von einem, so gilt von ihm: Seine Werke folgen ihm nach. Die Beisetzung gestaltete sich zu einer erhebenden Trauerkundgebung.

In dem Trauergefolge befanden sich Prinz Ernst von Sachstn-Weimar, hervorragende Vertreter der Kunst und der Wissenschaft, des Handels und der Industrie, der Vereine mit ihren Fahnen, Abordnungen der Meister und Arbeiter der Metallwarenfabrik Geislingen, zahlreiche Beamte und Arbeiter der Fabriken des Verstorbenen in Stuttgart, Feuerbach und Friedenfels in Bayern. Unter den Klängen des Beethovenschen Trauermarsches, gespielt von der Kapelle des Inf -Regts. 145, bewegte sich der Trauer­zug nach dem reichgeschmückten Grab, wo Stadtpfarrer Gerok, nach einem vom Siegle'ichen Gesangverein vorgetragenen Trauerlied in tiefempfundener Rede die reichen Charaktereigenschaften des Dahingeschie- denen würdigte. Mit dem Verstorbenen sei ein Leben dahingegangen, reich an Arbeit uud reich an Erfolge», geadelt durch einen hohen Sinn für alles Schöne und Große. Sein Herz habe in tiefes soziales Empfinden beseelt, das in seinem öffentlichen Wirken als Abgeordneter, wie in seinem privaten als Geschäftsleiter, aufs schönste zum Ausdruck gekommen sei. Nach der Rede des Geistlichen wurden zahlreiche Kränze niedergelegt. Mit dem LiedeSüß und ruhig ist der Schlummer" schloß die ernste Feier. Der König und die Königin ließen den Hinterblie­benen ihre Teilnahme aussprechen.

Stuttgart, 13. Oktober. In dem bekannten s Stromlieferungsprozeß zwischen der Stadt- gemeinde und der Straßenbahngesellschaft verkündigte heute der I. Zivilsenat des Oberlandesgerichts das Urteil dahingehend, daß die Straßenbahngesellschaft . zu anderen Zwecken als zur Fortbewegung und Beleuchtung der Wagen Strom aus der Oberleitung nicht entnehmen darf. Die Forderung der Stadt auf Bezahlung des Normalpreises von 60 bezw. 20 Per Kilowattstunde wurde abgewiesen.

Heilbronn, 14. Oktbr. Zur Störung der Neckarschiffahrt erfährt derSchw. M.', daß die Hindernisse soweit beseitigt werden sollen, daß am nächsten Dienstag eine Fahrgasse freigegeben werde» kann uud zwar so lange, bis die bereitliegenden Schiffe talabwärts und -aufwärts durchgefahren sind.

In den nächsten Tagen soll eine Versammlung von Interessenten stattfinden, die das Weitere beraten soll.