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allein au Stuttgarter Bier etwa 2200 Hektoliter auf den Wasen gebracht wurden. Auch die Poststelle auf dem Festplatz hatte täglich eine reich bemessene Arbeitslast zu bewältigen. Allein am Sonntag wurden an den beiden Schaltern des Postamts auf dem Wasen etwa 25000 Stück 5 Marken verkauft; dazu sind aber noch die verschiedenen Tausende 3 und 2 ^f-Marken zu rechnen. Die Sanitätswache mußte mehrmals eingreifen, doch in den meisten Fällen handelte es sich nur um leichte Verletzungen. Schwere Fälle waren es nur 3; ste habe» sich sämtlich am Montag abend ereignet. Eine Kellnerin wurde von ihrem Geliebten, weil sie ihm eine Geldzuwendung verweigerte, in die Brust gestochen; doch ist die Verletzung nicht lebensgefährlich. Der Personenverkehr, sowohl bei der Eisenbahn als auch bei der Straßen- bahn, hat sich in jeder Beziehung glatt abgewickelt. Die Stadlgemeinde hat für die Volksfestplätze rund 30000 ^ eingenommen.
Tübingen, 27. Sept. Am 9. Okt. wird das neue Landgerichtsgebäude eingeweiht werden. Zu der festlichen Einweihung wird sich der Justizminifter einfinden.
Tübingen, 26. Sept. Die Strafkammer verurteilte den 17jährigen Fabrikarbeiter Steinhilber von Mössingen, welcher einem taubstummen Nebenarbeiter mit einem Weberschiffchen ein Auge ausschlug, zu 6 Monaten Gefängnis. Trotz seines Protests wurde der Bursche sofort in die Strafanstalt abgeführt. Dem Beschädigten wurden 1000 ^ Entschädigung zugesprochen.
Tübingen, 27. Septbr. Nunmehr wird auch hier ein Seefischmarkt abgehalten ; ein hiesiger Kaufmann wird in einer städtischen Marktbude ein- mal in der Woche billige Seefische feilbieten.
Heilbroun, 26. Sept. Die Schwurgerichtsverhandlung gegen Mogler wird, wie die „Neckar- zeitung" hört, am Montag den 9. Oktober beginnen. Zum Offizialverteidiger ist Rechtsanwalt Dr. Bücking bestellt; Verhaudlungsleiter ist Landgerichtsdirektor Barth; die Anklage vertritt Oberstaatsanwalt Fetzer.
Nürtingen, 28. Sept. Der kürzlich in Augsburg verstorbene Kommerzienrat Louis Feßmaun, ein geborener Nürtinger, hat in seinem Testament die Summe von 5000 ^5 für die Armen der Stadt Nürtingen bestimmt.
Gmünd, 24. Sept. Der verstorbene Fabrikant Gustav Hauber hat dem evang. Kirchenbaufonds 10000 dem Blindenasyl 2000 der Diakonissen- statio« 1000 c/M und dem Gewerbemuseum 2000><E testamentarisch vermacht. Hauber war auch ein sehr wohlgesinnter, opferwilliger Arbeitgeber und hat sich in allen Kreisen ein ehrendes und dankbares Andenken gesichert.
Freudental, 28. Sept. Stud. Forst. Maisch hier, halte das Glück, im Hofkammerwald Altshan einen Steinadler von 2,20 Meter Flügelspannweite und fast 1 Meter Länge zu erlegen. Der Adler trug in seinen Fängern noch Wolle von einem frisch geschlagenen Hasen.
Herrenberg, 25. Sept. Behufs Einführung elektrischer Kraft in sämtliche Gemeinden unseres Bezirks und dazu noch in 15 andere benachbarte Gemeinden wurde heute eine Genossenschaft mit be- schränkter Haftpflicht gegründet, die zunächst ihren Sitz in Unterjesingen hat, weil dort die Vorstandsmitglieder Landtagsabg. Guoth und Schultheiß Wizemann ihren Sitz haben. Vorsitzender des Aufsichtsrats ist Stadtschullheiß Haußer hier. Be- souderes Verdienst um das Zustandekommen dieses »ach Umfang in Anlage einzigartigen Werkes in Württemberg hat sich Hr. Oberamtmann Wiegand durch seine unermüdliche Tätigkeit erworben. Die elektrische Kraft wird von dem Neckar - Wasserwerk bei Kiebingen bezogen; die Anlagekosten werden sich auf 1000000 belaufen. Ca. 1200 Interessenten versprechen sich von dieser Einrichtung eine wesentliche Hebung ihrer landwirtschaftlichen und gewerblichen Betriebe.
Bissingen a. Enz, 26. Sept. Die schon häufig gerügte Unsitte, im Ofen größere Geldbeträge aufzubewahren, hat dem Landwirt Scholl auf dem nahen Egartenhofe mehrere hundert Mark gekostet, indem ihm der Betrag, wahrscheinlich von einem seither verschwundenen Knecht, der von dem eigenartigen Aufbewahrungsort Kenntnis erhalten haben muß, gestohlen wurde.
Vom Bodensee, 25. Sept. Enorme Regen- mengen find in der letzten Zeit in der Bodensee- gegend niedergegangen. Rhein und Bregenzer Aach, Schüssen und Argen, auch die Radolfzeller Aach weisen einen außergewöhnlichen Wasserstand auf. Im Bodensee stieg der letztere binnen kurzem um über 25 cm.
Aus StaSt. Bezirk uns Amgedung.
Tie Landesversammlung des württ. Hauptvereins des Evang. Bundes in Neuenbürg.
Neuenbürg, 25. September 1905.
II.
Unmittelbar an den Festgottesdienst schloß sich die Hauptversammlung an. In langen Zügen ging's hinaus zur festlich gerichteten Turnhalle. So übergewaltig war der Andrang, daß dieselbe nicht genug Raum bot. Es mußte darum im Gasthaus zum „Anker" eine zweite Versammlung veranstaltet werden. Auch der dortige Saal wurde überreichlich voll, so daß noch eine dritte Parallelverjammlung sich bildete im Gasthof zur „Sonne." Letztere stand unter der Leitung von Pfarrer Schüle und war leider nicht so stark besucht, da die „Sonne" ziemlich abseits von der Turnhalle liegt und nicht wie die beiden anderen von den übrigen Festrednern besucht werden konnte. Um so ruhiger konnten in der „Sonne" die Festteilnehwer den gemütvollen Ausführungen des beredten Hr». Pfarrer Schüle lauschen, in denen er zuerst den evang. Bund mit seinen Zielen und Zwecken, seinen Kämpfen und Erfolgen schilderte und darauf von der „Los von Rom "-Bewegung in Oesterreich, wo sein Sohn längere Zeit als Vikar tätig gewesen, erzählte. Die Versammlung im „Anker" stand unter der Leitung des Hrn. Stadtpfarrers Traub von Stuttgart. Dieselbe ist wohlbefriedigend verlaufen. Sie nahm ihren Anfang mit dem anfangs etwas unsicheren, allmählich immer fester und energischer werdenden Gesang des Schlachtliedes der Reformation: „Ein'feste Burg ist unser Gott." Wie hier bei unserem Lied — so lautete die Eröffnungs- ansprache von Stadtpfarrer Traub — ging's auch bei der Reformation, die aus kleinen Anfängen zum mächtigen Baum wurde. Die Feinde meinen uun, er sei ausgewachsen und morsch geworden. Aber sie werden sich täuschen. Der Lebenssaft, das Evangelium bleibt in ihm. Zwar ist gewaltig der ultramontane Heerbann. Während in Deutschland, das zu ^/z evangelisch ist, nur 17 000 evangelische Geistliche sind, gibt es 19 300 katholische Priester, 40000 Mönche und Nonnen; dazu noch die Jesuiten. Bei uns in Württemberg kommen auf 520 Katholiken je ein Priester, während auf einen evang. Geistlichen 1280 Evangelische kommen. Sie könnten zufrieden sein.
Nun hielt Hr. Dekan Hermann die Festrede über den „Toleranzantrag" des Zentrums. In klaren, einfachen Worten führte er aus, auf welchen Grund- lagen der ganze Antrag beruhe, wie rücksichtslos die Wünsche der Evangelischen in ihm behandelt seien, wie hinsichtlich der verschiedenen Organisationen, hinsichtlich der Mischehen und Uebertritte in ihm entschieden die Rechte unserer Kirche verletzt werden und wie auch das Verhältnis von Kirche und Staat durch ihn sich wesentlich zum Schaden des letzteren verändere. Berechtigte Wünsche der kathol. Kirche wolle niemand ihr abschlagen, allein das sei zu stark, daß ste unbeschränkte Freiheit im Reich für sich begehre. Darum, wenn der Antrag wieder eingebracht wird, möge es entschlossen von allen Seiten heißen: Nimmermehr! Stadtpfarrer Traub dankte dem Redner und brachte seine eigene Ansicht über diese katholische „Toleranz" zu kräftigem Ausdruck.
Es folgte nun der eindrucksvolle Gesang des Kirchen- chors: „Ich suche dich", worauf Dekan Uhl folgende warmempfundene Ansprache hielt: „Von dem Ber- treter der evangelischen Kirchengemeinde erwarten Sie Wohl heute an diesem Festtag der evangel. Volksgemeinde auch ein Wort der Gemeinschaft und eine Bezeugung teilnehmender Mitfreude an dem Werke, das nun seit 18 Jahren so viel Tausende evangelischer Herzen verbindet. Und ich erfülle einen ausdrücklichen Auftrag des evang. Kirchengemeinderats, wenn ich den werten Festgenossen allen, die von nah und fern heute hieher gekommen find, den Gruß der Liebe und des stammverwandten Geistes entbiete. Die hiesige Kirchengemeinde wie unsere ganze Diözese wissen es als besonder« Freude und Ehre zu schätzen, den württ. Hauptverein des evangel. Bundes auch einmal hier begrüßen und seine Redner mit dem Hellen Klang ihrer Posaunen hören zu dürfen, gehört doch unsere Gemeinde zu den kleinen in Juda, und unsere Diözese ist eine Grenzdiözese, die den Verdacht der Entlegenheit gegen sich hat. Aber ich darf Sie versichern, auch am kleinen Orte ist Raum für große Gedanken und auch an der Grenze des Landes Pulsiert etwas vom Herzblut evangelischer Treue und Protestantischen Geistes. In unseren Wäldern und Tälern wohnt ein Geschlecht, das keineswegs so „hinterwäldlerisch" ist, das vielmehr auf dem Laufen- den sich zu erhalten weiß mit Welt und Zeit, mit Geschichte und Gegenwart. Und wenn in unserer
Oberamtsbeschreibung zu lesen steht: „aller Orte» brechen frische, klare Wasser hervor," so gilt das nicht allein im natürlichen Sinn, sondern auch im geistigen. Die „Festgabe" des „Enztälers" überrascht uns mit einer sprudelnden Fülle von Ergüssen und Genüssen, und wenn auch im Gaistal drüben das ersehnte warme Wasser meines Wissens noch nicht gefunden worden ist trotz aller Bohrversuche, so bringt uns doch die „Festgabe" die Kunde, daß das warme, heiße Wasser der Begeisterung auch dort im Gaistal auS Herz und Feder sprudelt, wie der „Festgruß" von „Rudolf Müller" Ihnen verrät.
Seit Jahren schon haben die großen Gedanken des evang. Bundes, dieses jüngeren Bruders und Gehilfen des Gustav-Adolf.Vereins, Anklang und Widerhall hier gefunden und es hat je und je auch in unserer Stadt und in unserem Bezirk nicht an Männern gefehlt, die warmen Herzens und mit be- geisterter Zunge sich die Losung erwählten:
„Wir wollen nicht weichen vom Evangelium,
Wir steh'n wie Deutschlands Eichen,
Uns weht der Sturm nicht um!" —
Als am Anfang der neunziger Jahre ein Sturm in deutsche Herzen gefahren war, weil die finstere Wetter- Wolke der Zulassung der Jesuiten das Vaterland be- drohte, da standen die Neuenbürger mit Bekenntnis und Protest in vorderster Reihe, und nicht vergessen sei es unserem allverehrten Grafen von Uxkull, daß er damals so mannhaft und so ritterlich das Panier protestantischen Freimuts und evangelischer Treue hochgehalten hat als ein rechter Vertreter des „christlichen Adels deutscher Nation." Allerdings sind mit der Zeit auch andere Stimmen unter uns laut geworden, Stimmen, die beklagen zu müssen glaubten, daß im großen und ganzen das tatsächliche Ergebnis der Rührigkeit des evang. Bundes vorwiegend eine Verschärfung der konfessionellen Gegensätze und eine Erschwerung des friedlichen und vertrauenden Zu- sammenlebens der einzelnen Bevölkerungsteile unter einander geworden sei, und wo sich solche Stimmen vernehmen ließen und von zaghaften Gemütern auf- genommen wurden, da haben sie die Frage hervor- gerufen, ob denn überhaupt die Bestrebungen des evang. Bundes ihr gutes Recht behalten und einen dauernden Anspruch erheben können aufs Mittun jedes evangelischen Mannes. Allein die Erfahrung hat bewiesen, daß diese Anwandlungen des Zweifels und der Bedenklichkeit nicht die Oberhand gewonnen haben: Die Zahl der Mitglieder des evang. Bandes in unserer Diözese ist nicht nur nicht zurückgegangen, sondern ste hat sich allmählich verdoppelt und ver- dreifacht; namentlich in den letzten paar Jahren hat es uns den Eindruck gemacht, die Sache des evang. Bundes werde auch hier mehr und mehr als eine Sache der evang. Volksgemeinde empfunden und gewertet, wie es sein soll, und es ist dies eigentlich nur die Gegengabe dafür, daß ja auch, wie wir beobachten zu dürfen glauben, der evang. Bund seinerseits immer engere Fühlung sucht mit der Kirche als der seit Jahrhunderten organisierten, offiziell berufenen Hüterin der evangelischen Interessen. Ich für meinen Teil schätze an der Arbeit des evang. Bundes hauptsächlich seine literarische Tätigkeit, denn hier war entschieden eine Lücke auszufüüen, und wen» die „Germania" einmal verdrießlich klagte: „Der evang. Bund hat seine Augen überall," so ist mir dies gerade das höchste Lob, das dem Bund widerfahren konnte. Neben der literarischen Tätigkeit, welche die Augen offen hält und andern die Augen auftut, fällt ins Gewicht die Positive Vertretung der evangelische» Interessen im öffentlichen Leben, in den Parlamenten, denn wir müssen uns doch klar machen, daß wir uns nicht begnügen dürfen mit persönlicher Privatfrömmigkeit, daß wir vielmehr mitzuhelfen berufen sind an dem großen, heiligen Werke, das Reich Gottes hineinzubauen in unser Volksleben und den Lebenskräften des Evangeliums die Kanäle freizuhalten für ihre sauerteigartige Wirksamkeit, dann aber müssen wir einem Verein, der das will, der seine Existenz dafür einsetzt, die Bruderhand reiche» und „Grüß Gott" zu ihm sagen. Mögen unsere modernen Epikuräer, die in der Fleischessreiheit ihr Evangelium und im Evangelium ihren Todfeind sehen, uns verlachen, mögen die Satten dieser Welt ihren zweifelhaften Ruhm darin suchen, ihre Gleichgiltigkeit gegen alles, was mit Religion und Kirche zu tun hat, geflissentlich zur Schau zu tragen, mögen die Ultraliberalen, die hinter jeder energischen Regung kirchlichen Lebens und hinter jeder Zumutung evang. Bekenntnispflicht ein Attentat auf die persönliche Freiheit oder pfäffische Anmaßung und Bevormundung wittern, in weiter Ferne bei Seite stehen — „wir wollen nicht weichen vom Evangelium", denn wir wissen: Hier allein ist Salz und Licht, hier allein ist Heil und ewige Kraft, hier allein sind die