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^ 154.

Neuenbürg, Mittwoch den 27. September 1905.

63. Jahrgang.

Württemberg.

Die Verfassnngskommission des württ. Landtags ist nunmehr auf 5. Oktober nachmittags 4 Uhr einberufen worden.

Stuttgart, 26. Sept. Wie derSchw. Merk.« vernimmt, hat der König die Zustimmung zur Vor­lage des von der Generaldirektion der Staatseisen­bahnen ausgearbeiteten Plans für den Bahn hof­umbau (Schloßstraßenprojekt) an die Stände zunächst nicht erteilt und die Ausarbeitung weiterer Pläne angeordnet.

Stuttgart, 25. Sept. Auf das Telegramm, daS von der Landesversammlung des Evaug. Bunds in Neuenbürg (an den König abgesandt worden ist, ist an den Vorstand Professor Dr. Hieb er auS dem kgl Kabinett, gegenwärtig in Bebenhausen, folgende telegraphische Antwort ergangen:Seine Kgl. Majestät, sehr erfreut über die von der Landes­versammlung des württ. Hauptvereins des Evavg. Bundes dargebrachte Huldigung, lassen hiefür freundlich danken.«

Ulm, 25. Sept. Pfarrer Mahnert aus Mar­burg, jener Stadt an der Drau, wo die Los von Rom-Bewegung einen solchen Umfang genommen hat, daß die Gemeinde einen zweiten Geistlichen berufen mußte, sprach heute abend im Saalbau in frischer, packender Weise über Kämpfe und Siege des Evange­liums in Steiermark.

Stuttgart. Die Zentralstelle für Gewerbe und Handel beabsichtigt, im kommenden Winter wieder Handwerkerkurse abzuhalten. Es sind vorläufig in Aussicht genommen Kurse für Schreiner in Maschinen­behandlung, sowie in Beizen, Färben und Maserieren, für Maler in Maserieren und in Schriftenmalen und Glasvergolden, Kurse für Installation von elektrischen Schwachstrom, und Starkstromanlagen, Kurse für Flaschner in Handtreibarbeiten, für Schneider im Zuschneiden und für Schuhmacher in verschiedenen Techniken ihres Handwerks.

Stuttgart, 23. Sept. Ein Beamter, vor dem ein Testament errichtet werden soll, hat die erforder­liche Sorgfalt anzuwenden. Es hat nun neuerdings das Reichsgericht eine Entscheidung dahin getroffen, daß der Beamte, der diese Pflicht vernachlässigt und dadurch die Ungültigkeit des Testaments bewirkt, denen, die der Erblasser bedenken wollte, schadenersatzpflichtig ist. Nach der Bestimmung in § 839 Abs. 1 des B. G. B. hat ein Beamter, der fahrlässig die ihm einem dritten gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt, den diesem dritten daraus entstehenden Schaden zu

ersetzen. Es kommt also darauf an, ob einem Beamten, der verpflichtet ist, alle Sorgfalt auf­zuwenden, damit bei den vor ihm zu errichtenden Testamenten die gesetzlich.erforderliche Form beobachtet werde, diese Pflicht nicht blos dem Testator gegenüber obliegt, sondern noch denjenigen gegenüber, die der Testator letztwillig bedenken will. Diese Frage hat das Reichsgericht bejahend entschieden, dabei ging es davon aus, daß die Pflicht, daß bei einem Geschäft alle Sorgfalt zu geschehe» habe, lediglich verhindern wollen, daß die Anstellung dieser Beamten auf jederzeitigen Widerruf oder "ans Kündigung erfolge.

Das Zentrum bemüht sich, für die Landtagsersatz' Wahl in Tuttlingen eine Arbeiterkandidatur zu finden; doch sind die Bemühungen insofern auf Schwierigkeiten gestoßen, als im Bezirk selbst eine nach jeder Richtung geeignete Kraft kaum vorhanden ist.

Ulm, 25. Septbr. Der Bezirksverein Ulm des Deutschen Buchdrucker-Vereins hielt gestern Sonntag den 24. ds. Mts. unter dem Vorsitz des Hrn. Direktors Herrschaft-Ulm in Aulendorf seine Herbstversammlung ab, welche sich eines sehr zahl- reichen Besuches zu erfreuen hatte. Die Borstand­schaft des Kreises 4 des Deutschen Buchdrucker- Vereins war durch Hrn. Kommerzienrat Egon Werlitz aus Stuttgart vertreten. Zur Beratung standen geeignete Maßnahmen zur Wahrung der Interessen der Zeitungsverleger und die Durch­führung eines gemeinsamen Tarifs für Druckarbeiten. Zn den Bezirken soll durch Umfrage Material zur Regulierung der Abonnements- und Inseratenpreise gesammelt werden. Ebenso wurde Stellung ge­nommen zu der Amtsblattfrage und zu dem Ver­hältnis zwischen den Zeitungen und der Postverwaltung in Bezug auf Beförderung der Extrablätter. Der Bezirksausschuß wird bis zur Hauptversammlung im Frühjahr 1906 einen gemeinsamen Druckpreis-Tarif durcharbeiten, welcher laut Beschluß der Versammlung gedruckt den Mitgliedern des Vereins zugestellt werden soll, damit die Frühjahrsversammlung end- gültig mit der Beschlußfassung über diesen Punkt sich beschäftigen kann. Der einmütige Geist, welcher die gestrige Versammlung beherrschte, berechtigt zu den besten Hoffnungen für die Zukunft. Im Interesse des für das kulturelle und wirtschaftliche Leben des Volkes so bedeutungsvollen Gewerbes ist es aber auch nur zu begrüßen, wenn dasselbe durch ein- wütiges Zusammengehen einer wirtschaftlich besseren Zukunft entgegengeführt wird.

Tübingen, 25. Sept. In Kusterdingen ist in das Rathaus eingebrochen worden. Der

Dieb entwendete einige tausend Mark Staats­obligationen, lies aber die Zienskoupons liegen, so daß die Obligationen unanwendbar sind.

Dr. M. von Möhringen a. F. hat sich in einem Anfall von Geistesstörung den Bauch aufgeschlitzt. Für sein Aufkommen besteht keine Hoffnung.

Stuttgart. lLaudeSprodukteubökse.I Bericht vom 25. Septbr. von dem Vorstand Fritz Kreglinger. Auch in der abgelaufenen Woche war die Stimmung sür Getreide sest und die Forderungen sür Weizen weiter erhöht. Rußland ist mit Offerten für spätere Lieserungen zurückhaltend, während Amerika zunächst unrentabel bleibt. Die Landmärkte sind gleichfalls etwas sester. Mehlpreise per IVO Kilogramm inkl. Sack: Mehl Nr. 0: 29 50 bis 30 ^ 50 Nr. 1: 27^450^

bis 28 50 Nr. 2 : 26 bis 27 <k, Nr. 8:

24 so bis 25 -/k 50 Nr. 4: 21 50 -l bis 22

50 Suppengries 29 50 bis 80 «4t 50 Kleie

9 ^ 75

verwischtes.

Friedrichshafen, 23. Sept. Viel gelacht wird über einen unfreiwilligen Scherz, den mau sich von einer Lindauer Kellnerin erzählt. Der König von Württemberg hatte einen Ausflug nach Lindau gemacht, wo er eine Kleinigkeit zu sich nahm, was er mit einem größeren Geldstück bezahlte. Als er das herausbekommene Geld der Kellnerin zurückgab, platzte die Erstaunte heraus:Aber Sie send au ett aus Stuegert!«

In Köln fuhr Montag vormittag gegen 8 Uhr eine vom Bahnhof Kalk kommende Lokomotive auf dem Bahnübergang, wo die Barriere nicht geschlossen war, in einen von Deutz kommenden Straßenbahn- zug, der mit Schulkindern und Beamten dicht besetzt war. Der Triebwagen wurde gänzlich demoliert vom Geleise geschleudert, während der Anhängewagen nach der anderen Seite flog. Eine Person ist tot, sieben wurden schwer verletzt.

Würzburg, 21. Sept. Heute abend sollte ein wegen Heiratsschwindeleien verhafteter Heilgehilfe namens Graf vom Untersuchungsrichter vernommen werden. Während des Verhörs riß er Plötzlich die Aktenscheere vom Tische des Richters und stach sich die eine Hälfte so heftig in die Brustseite, daß die Spitze etwa drei Zentimeter lang abbrach und stecken blieb. Der Selbstmordkandidat wurde ins Spital gebracht; er dürfte mit dem Leben davonkommen.

In Obertsroth (Baden) wurde der 43 Jahre alte Farrenhalter Joseph Götz beim Füttern, von einem Stier an die Wand gedrückt, so daß ihm das eine Horn tief in den Leib drang. Der Tod trat

anderes dazu angetan find, ein tieferes Gefühl als Freundschaft zu erwecken und zu befestigen. Ich fühle mich frei von Schuld. Ich wußte in meiner geistigen Blindheit nichts von einer anderen Braut, obgleich mich der Gedanke, daß ich verheiratet sein könnte, oft beunruhigt hat.«

Ich muß Ihnen recht geben. Im übrigen glaube ich, daß auch der beste Dramatiker keine kompliziertere Sachlage hätte ausdenken können. Die arme Miß Lambert hat augenscheinlich nicht mehr den geringsten Platz in Ihrem Herzen, und doch waren Sie auf dem Wege zur Hochzeit mit ihr, als daS Unglück Sie betraf. Ich nehme den innigsten Anteil an Ihnen Dreien und hoffe, daß sich alles zum Besten wenden wird. Und wie viel Geld wollen Sie haben, Raw- don?«Können Sie mir 100 Pf. St. leihen?« Und zwar ohne mich ganz auszubeuten,' lachte der Australier, während er einen Schrank öffnete und Rawdon die gewünschte Summe anfzählte. Der junge Mann nahm das Geld und fragte, ob er dafür und für einige kleinere Summen, die ihm Mr. Hartree zur Anschaffung einiger notwendiger Toilettengegen­stände gegeben hatte, einen Schuldschein ausstelleu sollte, aber Mr. Hartree wollte nichts davon wissen.

Geben Sie es mir wieder, wenn es Ihnen Paßt,« sagte er.Und wann wollen Sie uns nun verlassen, doch hoffentlich noch nicht heute oder morgen.« Wenn Sie gestatten, bleibe ich noch eine Nacht bei Ihnen und sehe mich morgen nach einer Wohnung um. Hoffentlich habe ich noch Gelegenheit, Ihnen alles zu vergelten, was Sie an mir getan haben.«

Unter einer Wolke.

DieGeschichte eines entschwundenen Gedächtnisses

von K. Uirffek.

tls - (Nachdruck verboten.)

10. Kapitel.

Die Entwicklung des Dilemma.

Da Cecil Rawdon nun wieder in jeder Hinsicht hergestellt war und sich jeden Umstandes, der mit seiner Familie, seiner sozialen Stellung und seinen geschäftlichen Verpflichtungen zusammenhing, erinnern konnte, hielt er es zunächst für seine Pflicht, seine liebenswürdigen Wirte von seiner andauernden Gegen- wart zu befreien. Als er sich von Marian getrennt hatte, suchte er daher sogleich Mr. Hartree auf, um >hw zu sagen, daß er sich ihm nicht länger aufdrängen wolle.Aufdrängen!« rief dieser, und sah den jungen Mann in gutgespieltem Zorne an.Was meinen Sie damit? Sie geben mir mit diesen Worten ein schlechtes Zeugnis.«Ich kann Ihnen niemals genug danken,« sagte Cecil,oder jemals daran denken, die enorme Schuld abzutragen, in der ich bei Ihnen und Ihrer Frau Gemahlin stehe. Halten Sie mich nicht sür undankbar, weil ich Sie jetzt verlassen will, mein Pflichtgefühl verbietet mir, Ihre Güte und Großmut in Anspruch zu nehmen.«

Sehr hübsch ausgedrückt für einen Mann in «ohrer Lage,« bemerkte Mr. Hartree, sich lächelnd die Hände reibend.Ich weiß ja auch, wie sehr Sie unsere kleinen Bemühungen, es Ihnen behaglich zu

machen, ausnutzten. Aber nun sagen Sie ernstlich,« fuhr er fort,wo wollen Sie denn hin? Sie haben vorläufig kein Geld in Händen, und wenn Sie uns verlassen, so kann das nur zu dem Zweck sein, in das Haus eines anderen Bekannten zu gehen.« Ich wollte Sie bitten, das Maß Ihrer Güte voll zu machen und mir etwas Geld zu leihen, bis ich mich aus England damit versorgt habe.«Sehr gern, und was wollen Sie zunächst beginnen?«

Ich will mir hier in der Nähe eine Wohnung besorgen.«Daraus entnehme ich, daß Sie zu­nächst in Sydney zu bleiben gedenken.«Ganz recht; mein Geschäft daheim erlaubt mir allerdings nicht, mich länger aufzuhalteu, als dringend nötig ist.«Verzeihen Sie, wenn ich es wage, diesen Punkt zu berühren, aber ich finde, daß Sie den beiden jungen Damen gegenüber in einer höchst Peinlichen Lage sind.«

Ich fühle es tief, Mr. Hartree. Aber Sie, der Sie meine ganze Geschichte kennen, werden auch be­urteilen können, daß diese schwierige Sachlage aus einem Zustande, über den ich keine Gewalt hatte, hervorgegangen ist. Sie werden sich erinnern, wie aufopfernd Miß Marston mich gepflegt hat; nach Dr. Collins Ausspruch habe ich nächst Gott ihrer Gewissenhaftigkeit allein mein Leben zu danken. Sie werden sich befinnnen, daß sie meine einzige Gesell­schaft war, als mein unnatürlicher Zustand mich die Gesellschaft der anderen Passagiere meiden ließ. Dann sprang ich ihretwegen über Bord, was ich nur er- wähnen will, weil derartige Ereignisse wie nichts