Berlin, 4. Febr. Während offiziell die Krankheit des Königs Eduard als ein leichter Jnfluenzaanfall bezeichnet wird, meldet der Lokalanzeiger" aus London von angeblich zuver­lässiger Seite, der Gesundheitszustand des Königs werde in seiner nächsten Umgebung viel ernster an­gesehen, als man zugeben wolle. Die Erkrankung sei diesmal ebensowenig ganz plötzlich eingetreten wie im letzten Sommer. Das Allgemeinbefinden habe schon seit einiger Zeit zu wünschen übrig gelassen.

Berlin, 4. Febr. Nach einer Meldung aus Paris wird im nächsten Ministerrat entschieden werden, ob das Z ar e n p a a r, das sich Anfangs April in Reval zur Seereise nach Italien einschifft in Dünkirchen oder im Mittelmeer von einem fran­zösischen Geschwader begrüßt werden soll. Das Zarenpaar soll am 11. April in Nom eintreffen.

Berlin, 4. Febr. Der Redakteur deS AnarchistenblattesNeues Leben", Schlosser Gustav Gladasch, wurde von dere rsten Strafkammer des Landgerichts I wegen Beleidigung der Beamten der politischen Polizei zu drei Monaten Gefängnis verurteilt. Der Staatsanwalt hatte vier Monate und die sofortige Verhaftung beantragt. Von der so­fortigen Verhaftung wurde jedoch Abstand genommen.

Berlin, 4. Febr. In der Michaelkirch- straße ist gestern ein vierstöckiges Fabrikgebäude vollständig niedergebrannt. Bei der Katastrophe fand ein Arbeiter den Tod, 6 Personen wurden schwer und 12 leicht verletzt. Ferner sind 12 Feuerwehrmänner an Rauchvergiftung erkrankt.

Berlin, 4. Febr. Wie aus Washington gemeldet wird, bestand in der gestrigen Konferenz der Gesandte Bowen auf der Annahme eines Kom­promisses oder auf der Ueberwelsung der venezo­lanischen Entschädigungsfrage an das Haager Schiedsgericht. Die Washingtoner Regierung leugnet jede Beeinflußung, aber Bowen konferiert fortwäh­rend mit dem Staatssekretär Hay.

Berlin. DieNationalztg." meldet unterm 4. ds. MtS.: Der sozialdemokratische Agster machte in einem Anfall von Geistesstörung heute mittag im Reichstagsgebäude einen Selb st Mordversuch. Agster hatte seinem hiesigen Logiswirt brieflich mit­geteilt, daß er sich am 4. Februar im Reichstag das Leben nehmen werde, und hatte von dieser Absicht auch einer Anzahl Reichstagsabgeordneter brieflich Kenntnis gegeben. Der Wirt sandte den Brief sofort dem Direktor des Reichstags. Bevor aber noch Maßnahmen getroffen werden konnten, hatte Agster seine Absicht auszuführen versucht. Man hörte aus einem Umkleidezimmer heraus einen Schuß, eilte herbei und fand Agster bewußtlos am Boden. Der nationalliberale Abgeordnete Sanitäts­rat vr. Endenmann, der mit dem Abgeordneten Singer sofort herbeigerufen wurde, konnte aber fest­stellen, daß keineVerletzung erfolgt war. Agster hatte, bevor er den Schuß abgab, die Kugel aus der Patrone entfernt, so daß nur seine Weste in der Gegend des Herzens vom Pulver verbrannt war. Agster ist vorläufig in die Charitä verbracht worden. Das seltsame Gebühren des Abgeordneten Agster hat schon oft die Aufmerksamkeit der Mit­glieder und der Besucher des Reichstags auf sich

gelenkt. Er ging stets wie geistesabwesend und traumverloren umher, oft lächelnd oder ein Liedchen vor sich hinsummend. In den Badezellen des Reichs­tags soll er sogar oft laut gesungen und durch den Inhalt seiner Gesänge die Benützer der Nebenzellen verletzt haben. Wie in sozialdemokratischen Reichs­tagskreisen erzählt wird, trägt er sich mit verschie­denen Wahnideen. Von der sozialdemokratischen Fraktion ist Agster schon seit längerer Zeit im Hintergrund geholten worden. Er war Abgeordneter für Pforzheim und hatte lange Zeit seinen Wohnsitz in Stuttgart.

Berlin, 5. Febr. In dem Revolver, den der Abg. Agster benützte, steckten noch mehrere scharfe Patronen. Der Unglückliche litt in letzter Zeit an religiösen Wahnvorstellungen; in diesem Zustand hat er wirre Briefe an den Kaiser, die Kaiserin, den König von Württemberg geschrieben. Man hatte schon vor längerer Zeit seine Entmündig­ung erwogen, davon aber in der Hoffnung Abstand genommen, daß sein Zustand bis zum Ende der Tag­ung keinen bedenklichen Charakter annehmen werde.

Berlin, 5. Febr. DieBerliner Morgen­post" meldet aus Wien: Die gestern Mittag mit Giron in Genf eingetroffene Kronprinzessin von Sachsen sandte von dort ans eine umfang­reiche Depesche an den Kronprinzen. Sie protestiert darin, daß alle ihre Anfragen über das Befinden ihres erkrankten Sohnes bisher unbeantwortet blieben und erklärte, daß sie auf ihr Mutterrecht keines­wegs verzichte. Die Prinzessin beabsichtigt heute nach Salzburg abzureisen, um mit ihren Eltern die Modalitäten ihres künftigen Lebens und Verkehrs mit ihren Kindern zu besprechen. Vorläufig ist auf ihre Anfrage aus Salzburg keine Antwort erteilt worden. In hiesigen Hofkreisen verlautet, der tos­kanische Hof verweigere den Empfang der Prinzessin. Der Aufenthalt in Genf wird eine Woche dauern.

Berlin, 5. Febr. DerLokalanz." meldet ausLondon: Aus den amerikanischen Nachrichten geht hervor, daß die Stimmung in der Union sich seit Speck von Sternburgs Ankunft entschieden zu Gunsten Deutschlands geändert hat. Der britische Botschafter Sir Michael Herbert hat sich mit Bowen überworfen, während Sternburg sich vorzüglich mit den amerikanischen Staatsmännern stellt und ihnen volles Vertrauen einflößt. Der NewyorkerTimes"- Korrespondent meldet, der britische Botschafter habe gegen Bowens sofortige Veröffentlichung der Ant­wort der Verbündeten protestiert. Nach einer Meldung aus Washington erhielt Speck von Stern­burg eine wichtige Mitteilung von der deutschen Regierung, die er sofort Bowen übermittelte. Ihr Inhalt ist noch unbekannt, doch glaubt man, sie sei einer Beilegung des venezolanischen Streites günstig. Sternburg erklärte nach Empfang der Depesche, er hoffe auf eine schnelle Erledigung der Angelegenheit.

Berlin, 5. Febr. Ueber die Schwierig­keiten in Venezuela berichtet der Lokalanzeiger aus Newyork: der Vorschlag Speck v. Sternburg geht auf eine dreimonatliche Bevorzugung der Alli­ierten. Die Vertreter der anderen Mächte stimmten zu. Bowen ist bereit zur Annahme des Vorschlages, wenn die Regierungen einverstanden sind. Caracas

ist von den Rebellen bedroht trotz des angeblichen Sieges Castros, dessen Lage anscheinend kritisch ist. Nach dem Berliner Tageblatt befürchtet man in Washingtoner Regierungskreisen eine Abnahme des amerikanischen Prestige in Südamerika bei Zuer­kennung von Vorzugsrechten für die Alliierten. Die längere Anwesenheit einer großen europäischen Flottenmacht verursacht entschiedenes Unbehagen.

Aus La Guayra wird berichtet: Die Be­fehlshaber der Blockadegeschwader beschwerten sich bei den Zivilbehörden von La Guayra wegen der Anwesenheit vene­zolanischer Truppen in der Stadt und teilten mit, daß die Kriegsschiffe die Forts bombardieren würden, wenn sich wieder vene­zolanische Truppen in der Stadt zeigen sollten.

Zürich, 2. Febr. Gerolsteiner Sprudel wurde in dem Oertchen Fischenthal, dem hintersten Winkel des Kantons Zürich, von 2 spekulativen Männern in größerer Menge aus Kohlensäure und dortigem, recht gutem Quellwasser fabriziert. Die Etikette und die Verkorkung waren auf das Täusch­endste nachgemacht und bereits sollte der Artikel als echtesGerolsteiner" in den Handel kommen, als die Sache entdeckt und die Täter abgefaßt wurden. Leider konnten diese nur wegen Uebertretung des Markenschutzgesetzes vom Gericht mit 150 Fr. Geld­strafe belegt werden. Doch wurde der gesamte Vorrat an Flaschenetiketten und Korken vernichtet.

Mentone, 1. Febr. Ernste Nachrichten kommen, der Augsb. Abdztg. zufolge, aus der Villa Gesa, wo Präsident Krüger mit seiner Tochter, Madame Eloff, ihrem Sohn, den beiden Sekretären Bock und Bredel und dem Leibarzt vr. Heymons wohnt. Der einstige Chef der Transvaal­republik ist von einer schweren Gemütsdepression ergriffen worden und eine vollständige Apathie hat sich bei ihm eingestellt. Er sträubt sich, die täglichen Spaziergänge zu unternehmen und liegt ausgestreckt in einem Klappstuhl, regungslos, ohne ein Wort zu sprechen, den ganzen Tag. Selbst seine Btbellektüre hat er aufgegeben. Man fürchtet, daß dieser Zu­stand bald einer trostlosen Melancholie Platz machen wird. Jeder Besuch wird abgewiesen.

Paris, 5. Febr. Laut Mitteilung des Ko­lonialministeriums beläuft sich die Gesamtsumme der für die Opfer der Katastrophe auf Marti- nique eingegangenen Gelder auf 9141114 Franken.

Caracas, 4. Febr. Nach dreimonatlichem Abwarten sind die revolutionären Truppen des Generals MatoS, befehligt von dem General Du­charme geschlagen worden. 200 Soldaten und 12 Offiziere gerieten in Gefangenschaft. Aus Mara­caibo wird berichtet, daß die Revolutionäre, welche an den Ufern des Maracaibo-Sees operierten, sich den Regierungstruppen ergeben haben. Zahlreiche Truppen unter General Ferrara sind gegen die Truppen des Rebellengenerals Rollando marschiert. General Ferrando ist bei Camatacua geschlagen worden. 200 Gewehre und 3000 Patronen wurden von den Regierungstruppen erbeutet. In Caracas sind sämtliche Bäckerläden geschlossen, da der Mehl­vorrat nunmehr völlig erschöpft ist.

Amtliche und Mvatinyeigkll. Obewmtsstadt Calw.

Versteigerung eines Herrschuftshauses und nun Grundstücken.

Im Auftrag der Liquidatoren der Ttaelin'schen Firme« in Calw bringe ich auf meiner Kanzlei im Rathaus in Calw am

Montag, den 1«. Februar 1SV3, nachmittags 4 Uhr,

zur öffentlichen Versteigerung:

I. das Anwesen in der Led erstratze,

bestehend aus:

Geb. Nr. 160, 2 a 80 qm Wohnhaus (Villa),

2 01 .. Hofraum,

4 L 81 qm an der Lederstraße.

Dieses Gebäude enthält: nm Souterrain: die Luftheizungsvorrichtung, im Parterre: 5 Zimmer und 1 Loggia, im I. Stock: 5 Zimmer, 1 Dienstbotenzimmer, Küche und Speisekammer,

im II. Stock: 3 Zimmer, 2 Kammern.

Geb. Nr. 160 L, 89 qm gewölbter Keller mit Istock. Uebergebäude hinter

Gebäude Nr. 160,

P. Nr. 247, 3 a 17 Gemüsegarten an der Lederstraße,

254, 1 45 desgleichen an der Nonnenstraße,

255, 2 06 desgleichen hinter der Lederstraße.

Amtlicher Schätzungswert 70 000

II. Wettere Grundstücke.

Markung Calw:

Geb. Nr. 159, 1 a 91 qm dreistock. Oekonomiegebäude mit einem einstöckigen

und einem dreistöckigen Anbau und Stallung für 5 Pferde,

22 Treppenhaus,

1 09 Hofraum,

11 Winkel nördlich, gemeinschaftlich mit Geb. Nr. 160, 3 a 33 qm an der Lederstraße,

amtlicher Schätzungswert 12 000

P. Nr. 423. 1 Im 12 L 67 qm Garten und Acker mit Bäumen am Ruders­berg, Tanneneck genannt,

Anschlag 2 250

Markung Stammheim.

P. Nr. 5620. 28 a 03 qm Wiese am Killesrain, Anschlag 300

5660. 45 90 Wiese im Schleifthal

III. Das Hofguk Waldeck,

bestehend aus:

800

Geb. Nr. 1 a.

1 a 99 qm Wohnhaus,

1b.

5 27 Scheuer,

1c.

31 Backhaus,

06 Hühnerhaus,

1L.

07 Schweinstall,

48 Mauer,

22 64 Hofraum,

30 a 82 qm der Waldecker Hof.

P. Nr. 1. 6 a 90 qm Gras- und Baumgarten beim Haus,

2. 6 10 Garten und Mauer bei der Brücke,

3». 17 90 desgleichen an der Scheuer,

Brandvers.-Anschlag der Gebäude vom Jahr 1902 20 200 ^ Anschlag 20 000 ^