Der Lnztälsr.

Anzeiger für das Enztal und Umgebung.

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Fernsprecher Nr. 4.

Neuenbürg, Mittwoch den 12. Juli 1905.

63. Jahrgang.

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^ ii«.

KunSschau.

In einem soeben dem amerikanischen Staats- departement in Washington zugeschickten Berichte bezeichnet der amerikanische Generalkonsul in Berlin, Mason, die stetigen Fortschritte Deutschlands auf dem Gebiete der Landwirtschaft als eine der Hauptursachen der nationalen Prosperität Deutsch­lands. Unter anderem heißt es in dem Berichte, daß die deutsche Landwirtschaft während der letzten 30 Jahre ununterbrochene und wichtige Fortschritte ge­macht habe, und dieses trotz dem Ümstande, daß das Klima durchschnittlich ungünstig und der Boden von Natur arm sei. Als Geheimnis der Blüte der Land­wirtschaft bezeichnet Herr Moson den Umstand, daß Regierung und Landwirte Hand in Hand gehen und letztere nach wissenschaftlichen, intelligenten und pro­duktiven Methoden das Land bebauen.

Die Jaures-Affäre wächst sich nachgerade zu einer Staatsaktion aus. Nicht genug damit, daß der Reichskanzler in einem besonderen Erlaß an den deutschen Botschafter in Paris, Fürsten Radoli», diesen ersuchte, Hrn. James zum Verzicht auf seine beabsichtigte Berliner Reise zu bestimme», nein, der Botschafter des deutschen Reiches hat dem französischen Sozialistenführer auch einen offiziellen Besuch ab- gestattet, der dann von letzterem in aller Form erwidert wurde mehr kann man doch nicht gut verlangen! DerVorwärts" bringt jetzt de» Text der Rede, welche James vor den deutschenGe­nosse»' halten wollte.

I» Berlin fand am Sonntag in derNeuen Welt" eine Protestversammlung der sozial­demokratischen Partei betreffs des Redeverbots für James statt. In der Versammlung gelangte ein Telegramm James an die BerlinerGenossen" zur Verlesung, in welcher er den Gedanken der einen und unteilbaren internationalen Sozialdemokratie betont. Referent Fischer-Berlin kritisierte dann in längerer Rede den Erlaß des Kanzlers au Radoli» höchst abfällig. Schließlich genehmigte die Ver­sammlung eine Resolution, welche gegen das Bülow sche Redeverbot protestierte, und sandte ein Sympathietelegramm an James.

Jaures in Südwestdeutschland? Allem An­scheine nach wollen die deutschen Genossen in der nächsten Zeit nachholen, was in Berlin versäumt wurde. Am Sonntag war große internationale Heerschau in Konstanz, allwo die Bebel, Adler, Greulich und Cabrini den in Sklavenketten schmachten­den Völkern den Weg zum wahren Frieden, zur Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit zeigten, und im Anschluß daran soll falls nichts dazwischen kommt in Straßburg und in Mannheim ein Jaures-Gastspiel inszeniert werden, damit das deutsche Volk noch nachträglich höre, was der französische Sozialistenführer ihm zu sagen hat. Wenn dieser schöne Plan nur nicht inS Wasser fällt! Die Straß- ourger Genossen behaupten zwar, die Erlaubnis zur Abhaltung einer großen öffentlichen Versammlung in der Festhalle, die eigens für den im nächsten Monat hier stattfindenden Katholikentag (!) errichtet wurde, schon zu besitzen. Allein wir glauben noch nicht daran, denn gegen ein Auftreten Jaures lassen sich doch in Straßburg und auch in Mannheim mindestens dieselben Bedenken geltend machen, wie gegen sein Auftreten in Berlin. Warte man also emmal ab.

^ Der Vize-Zar. Der General- Gouverneur von

Petersburg, General Trepow, ist zum Stell­vertreter des Zaren ernannt. Er hatte schon früher als Oberpolizeimeister von Moskau durch sein schroffes Auftreten viel Haß und Erbitterung unter dem Volke nweckt, hoffentlich bewahrheitet sich nicht in diesem Falle auch mal wieder das Sprichwort: Allzu straff gespannt, zerspringt der Bogen.

Die Piratenfahrt des russischen PanzersKnjäs Potemkin" hat mit der bedingungslosen Ergebung

j des Rebellenschiffes an die Behörden des rumänischen j Hafens Konstanza recht prosaisch geendet. Am Sonn­tag früh erschien dort ein russisches Geschwader, welchem dann nach Erledigung der notwendigen Förmlichkeiten das Schiff, das bis dahin eine rumä­nische Wache an Bord gehabt hatte, auf Befehl König Carols für den russischen Zaren übergeben wurde. Das ebenfalls rebellierende russische Torpedoboot 267, das mit dem Potemkin in Konstanza angekommen war, hat die rumänischen Gewässer verlassen müssen, da es sich weigerte, zu kapitulieren und lieber nach ; Sewastopol zurückkehren wollte. Die Agence Rumäne meldet: Die Lösung, welche die Angelegen­heit des Potemkin gefunden hat, wird allgemein als eine sehr glückliche angesehen, und man beglückwünscht einmütig die rumänische Regierung, daß sie unter Beobachtung der Vorschriften des Völkerrechtes und ohne zu Gewaltmaßregeln schreiten zu müssen, der überaus Peinlichen Lage ein Ende gemacht hat.

Konstanza, 11. Juli. Das Schlachtschiff Potemkin" ist gestern früh 40 em unter Normal­stand gesunken. Es stellt sich jetzt heraus, daß die Mannschaft vor Verlassen des Schiffes ein inneres Ventil geöffnet hat, so daß Wasser eindrang. Jetzt wird das Wasser ausgepumpt und das Schiff flott gemacht.

Moskau, 11. Juli Während des Empfangs von Schriftstellern beim Stadthauptmann feuerte einer derselben 2 Schüsse ab, welche den Stadthauptmann töteten. Der Mörder wurde verhaftet.

Ein Bilse-Roman ist nun auch in Rußland erschienen: er heißtDas Duell" und hat den Schriftsteller Kuprin zum Verfasser. Das Merk­würdige ist, daß die russischen Offiziere mit diesem Roman, in dem das Offizierkorps an den Pranger gestellt wird, recht zufrieden zu sein scheinen. Das kann man daraus schließen, daß zahlreiche Offiziere aller Waffengattungen an Kuprin eine Dank- adresfe gerichtet haben, in der es u. a. heißt:Die Eiterbeulen, die unser Offiziersleben verpesten, be- dürfen einer radikalen Heilung; diese Heilung ist aber nur möglich bei voller Gesundung des gesamten russischen Lebens."

Einer der bedeutendsten Mediziner der Gegenwart, Hofrat Professor Dr. Nothnagel, ist in Wien an Arterienverkalkung gestorben. Er wurde am 28. Sept. 1841 in Ält-Lietze-Göricke in Preußen geboren, studierte in Berlin und war von 1865 bis 1868 als Assistent Leydens an der Universität Königsberg tätig. Von 18681870 war er in Berlin. Während des Feldzugs 1870/71 war er Leiter eines Militärlazaretts in Chalons-sur-Marne. Nach dem Kriege kam er nach Breslau, von da als ordentlicher Professor an die Universität Freiburg im Breisgau und dann nach Jena. 1882 wurde er nach Wien berufen, welcher Stadt er bis an sein Lebensende treu blieb, und wo der Gelehrte wegen seines humanen Charakters und seiner idealen und philantropischen Bestrebungen allseitig verehrt wurde. Seinen wissenschaftlichen Weltruf begründete Noth­nagel durch sein Werk: Die topische Diagnostik der Gehirnkrankheiten. Das wissenschaftliche Hauptwerk Nothnagels ist die unter seiner Leitung erschienene vielbändigeAllgemeine Pathologie und Therapie". Nothnagel, der sich schon am Donnerstag abend unwohl fühlte, händigte, ehe er zu Bette ging, dem Diener einen Brief an seinen Assistenten Wechsberg ein, worin er die Befürchtung von seinem nahen Ende ausspricht. In einem zweiten auf seinem Nachtkästchen Vorgefundenen Brief verzeichnet« Noth­nagel fast bis zur letzten Stunde in genauester Weise Beobachtungen, die er an sich machte. Er hat die Zahl der Pulsschläge und die Stärke der­selben in verschiedenen Stadien sowie alle Symptome des Leidens, das ihm den Tod brachte, genau beobachtet, und für seinen Assistenten ausgezeichnet. Weiter traf er im Briefe vermögensrechtliche Ver­fügungen.

! Zum Gordon-Bennet-Rennen schreibt der Tgl. Rdsch." ihr Pariser Mitarbeiter: Das er­staunlichste Ergebnis des in der Auvergne veran­stalteten Automobilrennens um den Gordon-Bennet- Pokal ist nicht der Sieg Thmys auf seinem französi- schen Richard - Brasier - Wagen. Dieser Sieg wurde zum Teil mit gutem Grunde erhofft. Ec kam auf keinen Fall wirklich überraschend. Völlig über- raschend aber war die absolute Niederlage der deut­schen Mercedes-Wagen, die alle sechs außer Kampf blieben. Das kommt nach den früheren Erfahrungen mit den Wagen der rühmlichft bekannten Fabrik so unvorbereitet, daß man sich fragt, ob hier nicht Er­wägunge» mitgesprschen haben, die mit Sport und Technik nichts mehr zu tun haben. Ich will nicht tiefer graben, kann es auch nicht. Vielleicht kommen aus Cannstatt Erklärungen, die uns dies Resultat begreiflich machen. Ich bin aber mit dem .Journal" der Meinung, daß die Mercedes-Wagen bei dem großen Rennen in einer Weise abschnitlen, die schon nicht mehr natürlich ist. Jedenfalls entspricht daS Ergebnis auf keinen Fall der Stellung, die sich die Mercedes-Wagen bisher bereits in der Automobil- Industrie zu erringen verstanden halten. Im ganzen rannten 18 Wagen aus Deutschland, Frankreich, Italien, Oesterreich, England und Amerika. Mit den deutschen Wagen blieben auch die amerikanischen und englischen Wagen im Hintertreffen. Und die eigentliche Schlacht wurde zwischen Frankreich und Italien geschlagen. Der Brasier-Wagen 1905 ist ganz und gar verschieden von dem Wagen 1904. Brasier hat seinen neuen Wagen, scheint es, mit dem größten Raffinement gerade auf alle die Schwierig, keiten hin gebaut, die ein Rennen in einem gebirgigen und sehr schwierigen Terrain finden muß. Die Rundfahrt ging über Clermont-Ferrand, Rochefort, Bourg-Lastic, Herment, Poutaumur und Pontgibaud. Es ist ein Wegedreieck mit scharfen Kurven, gräß­lichen Steigungen und Gefällen, so daß den Wagen wirklich alles zugemutet werden muß, was sie nur irgend leisten können. Dazu kommt, daß Thory wirklich ein Fahrer von verblüffender Kaltblütigkeit und einem Mut ist, der nirgends an unnütze Toll­kühnheit grenzt, sondern sich mit vollster Beherrschung der Nerven in den Grenzen hält, die die Maschine vorschreibt, damit sie nicht überheizt und überan­strengt wird und ihre Höchstleistung liefert, ehe der Endpunkt erreicht ist. Hierin ist Thöry unerreichter Meister. Und das hat Lancia auf seinem italienischen Fiat-Wagen, der der gefährlichste Konkurrent Thörys war, nicht genügend berücksichtigt. Lancia zog nur seine Tollkühnheit und Fahrergeschicklichkeit zu Rate, die beide Nummer eins find, die aber nicht den end­gültigen Sieg gewährleisten. Trotzdem er bei der ersten Rundfahrt die schnellste Fahrt machte und für die 137 Kilometer die außerordentliche Zeit von 1 Stunde 34 Minuten 57 Sekunden lieferte, wo- durch er alle Rekords der Auvergne schlug, brach er doch schließlich vor dem Ziele zusammen. Er hatte seinen Wagen bereits in der zweiten Rund­fahrt über die Höchstleistung gespannt und ihn in allen wesentlichen Organen überheizt. Seinem anderen italienischen Kollegen ging es ähnlich. Infolgedessen blieb Lancia unheilbar stecken. Die Maschine ver­sagte eben. Thöry wurde ein geradezu triumph­artiger Empfang von den 30000 Zuschauern zuteil, die sich auf dem Plateau von Laschamps versammelt hatten. Alle wollten ihm die Hände drücken, die Frauen stürzten auf ihn zu und küßten den von Staub und Oel bedeckten nationalen Helden und der Minister Clümentel heftete dem Ueberglücklichen selbst eine nationale Auszeichnung auf die Sieger- brust.

Der frühere Vorsitzende der Allgemeinen Orts­krankenkasse Baden-Baden, Josef Haßlach, und der Kassier Gut mann wurden verhaftet. Bekanntlich wurde vor einiger Zeit in der Ortskravkenkasfe ein Defizit von 18000 festgestellt.