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Neuenbürg, Montag den 3. Juli 1905

63. Jahrgang.

/tunSsehau.

Berlin, 30. Juni. Eine Kabinettsorder des Kaisers ordnet an, daß die Degen und Säbelscheiden dunkel gefärbt werden. Die Felddienstordnung hat bei Ziffer 624s, (Feuerwirkung der Maschinen­gewehre) eine Ergänzung erfahren.

Paris, 1. Juli. Ministerpräsident Rouvier übermittelte heute dem deutschen Botschafter Fürsten Radolm die Antwortnote in der Marokko-Ange­legenheit, wonach Frankreich die anfänglichen Be­denken fallen läßt und im Prinzip die Konferenz annimmt.

Berlin, 1. Juli. Im Gegensatz zu der Meldung des Wolsf'schen Bureaus, wornach das Schlachtschiff .Potemkin" sich unmittelbar nach dem Eintreffen des Geschwaders von Sewastopel, ohne einen Schuß abzufeuern, ergeben habe, erhält die ,N. Fr. Pr." auS Odessa folgende Nachricht: In bestimmter Form tritt das Gerücht auf, daß die Mannschaft des ganzen Geschwaders, das von Sewastopol nach Odessa abgesandt worden ist, meutert. All­mählich treffen militärische Verstärkungen in Odessa ein. Die Aufständischen werfen Bomben selbst in die fremden Konsulate. Der .Fürst Potemkin" liegt noch im Hafen. Die meuternde Mannschaft erhält die Bevölkerung in Aufregung.

Libau, 1. Juli. Während des Zusammenstoßes mit den Matrosen wurde ein Schiffsfähnrich ver­wundet, zwei Matrosen getötet und 3 verwundet. Die Meuterei der Matrosen ist* infolge schlechter Kost veranlaßt. Es geht das Gerücht, daß eine große Anzahl Matrosen sich verborgen halten, nachdem sie sich der Feuerwaffen des Zeughauses bemächtigt haben. Kosaken find geschickt worden, sie aufzusuchen.

Kronstadt, 1. Juli. Ein Ausstand der Hafenarbeiter ist ausgebrochen, woran mehrere Tausend Arbeiter beteiligt sind. Sie verlangten Lohnerhöhung. Es kam zu Ruhestörungen. Die Truppen wurden herbeigerufen, doch ereigneten sich keine Zusammenstöße mit der Polizei und dem Militär. Alle Branntweinläden und Wirtshäuser sind geschlossen.

Lohnausfall während des Bergarbeiter- ausstandes. Nach der Fachzeitschrift .Glückauf" find im Ruhrrevier am 19. Januar, der den Höhe­punkt der Bewegung bezeichnet, 205000 Bergarbeiter im Ausstande gewesen. Die unterirdische Belegschaft war viel stärker an dem Ausstande beteiligt als die Arbeiter über Tage; am 19. Januar befanden sich von elfterer 87,43 v. H. und von letzterer dagegen nur 41,60 v. H. im Ausftande. Während desselben betrug der Schichtenausfall für die unterirdische Belegschaft rund 4136000 und für die über Tag beschäftigten Arbeiter rund 485000 ^ Legt man bezüglich der Zusammensetzung der Gesamtbelegschaft des Oberbergamts Dortmund die amtlichen Ermitt- lungen für das vierte Quartal 1904 zugrunde, so ergibt sich für die unterirdisch beschäftigten Arbeiter, die eigentlichen Bergarbeiter, ein LohnauSfall von 12617 000 für die sonstigen unterirdischen Arbeiter ein solcher von 5062000 für die über Tag beschäftigten erwachsenen Arbeiter von 1 385000 Mark und für die jugendlichen Arbeiter von 89000 Mark. Der Gesamtlohnausfall stellt sich demnach auf rund 19 Millionen Mark.

Berlin, 30. Juni. Nachdem es schon heute morgen hier recht warm gewesen, hat das Thermo­meter im Laufe des Tages eine Maximaltemperatur von 43° Celsius angezeigt und damit das Höchst­maß der bisher beobachteten Sommerhitze erreicht. Die Schüler Berlins und der Vororte wurden denn auch schon um 10 Uhr morgens aus den Klassen­zimmern entlassen. Die Straßenbahnschienen haben sich infolge der Hitze mehrfach geworfen und größere Verkehrsstörungen veranlaßt

Mannheim, 1. Juli. Die gestrige Verhandlung gegen den Schreiner Georg Becker wegen Er-

s mordung des Dienstmädchens Susanns Senges I fand unter gewaltigem Andrang des Publikums statt. Es waren über 50 Zeugen geladen. Der Angeklagte blieb bis zum Schluß dabei, daß er einen Helfer gehabt habe, der zuerst gegen die Senges vor- gegangen sei; er habe sich erst später an der Ab­schlachtung des Opfers beteiligt. Durch die medi­zinischen Sachverständigen wurde festgestellt, daß der Kopf der Leiche der Ermordeten 32 Wunden auf­wies. Die furchtbarste Wunde zog sich quer über das Gesicht von einem Ohr zum andern und war ! so tief, daß man bis zur Schädelbasis blicken konnte- Die medizinischen Sachverständigen waren der festen Ansicht, daß die Tat nur von einer Person aus­geführt worden sei. Besonders verdächtigt hat sich der Angeklagte durch Aeußerungen gegenüber zwei Zellengenossen gemacht, die man absichtlich bei ihm untergebracht hatte. Die Geschworenen sprachen den Angeklagten im Sinn der Anklage schuldig. Das Urteil, welches um 11 Uhr nachts gesprochen wurde, lautete demgemäß auf Todesstrafe und dauernden Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte.

Der rrrsstsch'japauische Krieg.

Tokio, 30. Juni. Das Bureau Reuter meldet: Das vor Port Arthur gesunkene Linienschiff .Perewsjet" ist gehoben worden.

In Washington verlautet an .glaubwürdiger Stelle", es seien Verhandlungen wegen eines Waffen­stillstandes in der Mandschurei im Gange. Man glaubt, daß der Waffenstillstand zwischen Linewitsch und Oyama, den beiderseitigen Oberbefehlshabern, werde vereinbart werden. Auffällig ist es allerdings, daß man seit mehreren Tagen von der längst .un­mittelbar bevorstehenden großen Schlacht" gar nichts mehr hört.

Admiral Skr yd low, der nicht weit von Peters­burg in der Sommerfrische weilt, sprach sich über Wladiwostok wie folgt aus: Wladiwostok ist vor- züglich befestigt, doch ist es bekanntlich keine Festung, die uneinnehmbar ist. Alles hängt von der Jntension ab, mit der die Japaner Wladiwostok belagern wer­den. Mir scheint, daß bis zu der erwarteten großen Schlacht zwifchen Oyama und Linewitsch eine energische Aktion gegen Wladiwostok nicht unternommen werden wird. Die Japaner sind zu vorsichtig. Skrydlow bedauert, daß Rußland es seiner Zeit versäumte, mit Japan ein Bündnis zu schließen. Wir haben es verschlafen und unterschätzten die Ja- paner. Allerdings, wir Seeleute haben die Japaner immer als eine starke Seemacht angesehen.

Bo« der Lütticher Weltausstellung.

Bon unserem Antwerpener Korrespondenten.

Endlich ist sie fertig geworden und bis auf einige unbedeutende Einzelheiten, die jedoch durch ihren noch immer mangelhaften Zustand den Gesamteindruck der Ausstellung in keiner Weise zu beeinflussen ver- mögen, präsentiert sich jetzt alles auf ihr im Zustande der Vollendung. Alle die verschiedenen Anlagen im Parke, die dazu bestimmt sind, das Publikum zu unterhalten und es um einiges Kleingeld zu erleichtern, befinden sich im Betriebe, und mit froher Miene erwarten ihre Besitzer jetzt endlich die Früchte ihres Unternehmungsgeistes.

Die deutsche Industrie hat es sehr weit ge- bracht, so lautet das einstimmige Urteil aller Besucher der Maschinengalerie, und dieses Urteil ist um so erfreulicher, als die deutsche Abteilung in den Jndu- striehallen weit davon entfernt ist, ein ähnliches Gefühl der Hochachtung zu erwecken. Nicht als ob die bekannten großen Firme», die dort vertreten sind, irgend etwas ausgestellt hätten, was sich mit den konkurrierenden Produkten in den übrigen Abteilungen nicht ruhig messen könnte. Aber man ist doch heute, wo die Ausstellung ganz fertig ist, zu dem Geständ- nis gezwungen: gegenüber der belgischen und der l französischen Abteilung und teilweise sogar gegenüber i

! der italienischen und der japanischen tritt die deutsche stark in den Hintergrund. Der Gesamteindruck der beiden erstgenannten ist, insofern sie die Bsdeutung der betreffenden nationalen Industrie im allgemeinen veranschaulichen, einfach überwältigend großartig, und die beiden andern enthalten viele Einzelheiten von einer solchen bewunderungswürdigen Vollendung und Vollkommenheit, wie sie die deutsche Abteilung so weit das fast ganz aus Laien zusammengesetzte Publikum dies zu beurteilen imstande ist nun > einmal nicht oder nur ganz ausnahmsweise aufzu- weisen vermag. Ein näheres Eingehen auf den In­halt dieser Abteilungen müssen wir uns für später Vorbehalten. Dagegen wollen wir nicht verfehle», schon heute speziell auf die vortreffliche japanische Abteilung besonders aufmerksam zu machen. Ganz wundervolle Dinge sind dort zu erblicken, wie z. B. die mit einer geradezu unbegreiflichen Kunstfertigkeit hergestellten Stickereien auf Seide, die herrlichen Porzellausachen, Broncefiguren:c., alles Gegenstände, die ganz unverkennbar eine frappante Neigung nach europäischem Geschmacks hin aufweisen und die be­sonders die dort weilenden Damen in Helles Ent- zücken versetzen. Wir nehmen keinen Anstand zu be­haupten: es gibt in der japanischen Abteilung gar manches, in dessen Herstellung jenes intelligente Jnselvolk die alten Kulturstaaten bereits weit über­flügelt hat. Und wenn man sich vergegenwärtigt, daß Japan diese bedeutenden Fortschritte in einzelnen seiner einheimischen Industriezweige doch eigentlich erst in den letzten Dezennien gemacht hat auf der letzte» Antwerpener Ausstellung im Jahre 1894 z. B. sah es mit der Industrie und dem Kunstgewerbe Japans noch ganz anders, weit weniger gut aus so drängt sich einem unwillkürlich die von Besorgnis nicht ganz freie Frage auf, wie weit es diese Vor­kämpfer der gelben Rasse wohl noch bringen werden, wenn sie nach Beendigung des jetzigen Krieges erst einmal während einer längeren Reihe von Jahren auch auf anderen Gebieten der europäischen und amerikanischen Industrie Konkurrenz zu machen ver- sucht haben sollten.

Württemberg.

Stuttgart, 1. Juli. Die Kammer der Ab» geordnen wählte in ihrer heutigen Sitzung zunächst die 16gliedrige Kommission zur weiteren Behandlung der Berfassungsrevision. Die Wahl hatte insofern etwas bemerkenswertes, als von der Ritterbank die Abg. Uxkull und Frhr. v. Seckendorfs, die nächst dem Frhr. v. Breitschwert die konservativste Nuance der Ritterschaft darstellen, in die Kommission delegiert wurden. Nach der auf ein Entgegenkommen hin­weisenden Erklärung, welche Graf v. Uxkull selbst in der Freilagssitzung abgab, darf man aber wohl hoffen, daß die Vertreter der Ritterschaft in der Kommission zu einer Verständigung die Hand bieten werden. Außer den Genannten wurden in die Kommission folgende Abgeordnete gewählt: Von der Volkspsrtei Haußmann-Balingen, Haußmann-Gerabronn, Käß, Reihling, Liesching; von der Deutschen Partei: Dr. Hieber, Schnekcnburger; vom Zentrum: Domkapitular Berg. Gröber, v. Kiene, Rembold-Gmünd; von der Sozialdemokratie: Keil; von der Freien Vereinigung: Kraut, Sandberger. Sodann wurde dem Staats- vertrag zwischen Württemberg und Bayern über die Herstellung weiterer Eisenbahnverbindungen, nämlich Weikersheim-Röttingen zum Anschluß an die Lokal­bahn Nöttingen-Ochsenfurt, Jsny-Seltmanns zum Anschluß an die Lokalbahn Kempten-Sibratzhofen, vom Brenztal zum Donautal und von Ballmertshofen nach Dillingen, die verfassungsmäßige Zustimmung erteilt. Hierauf wurde in die Beratung des Eisen» bahnbaukreditgesetzes für die Finanzperiode 1905/06 eingetreten. Das Gesetz erfordert einen Aufwand von 23807 750 vorgesehen ist für die Finanz­periode 1905/06 der Bau der Bahnen Tübingen- Herrenberg, Kirchheim-Weilheim u. Teck, Schorndorf.