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Neueubürg, Samstag den L4. Juni 1905.
63. Jahrgang.
Aus Stasi, Bezirk uns Umgebung.
Neuenbürg, 24. Juni. Der Klavierkünstler Lamborg produzierte sich gestern abend hier, nach- dem er Tags zuvor in Wildbad eine seiner originellen Abendunterhaltungen gab. Der Künstler vereint mit einer natürlichen Komik glücklichen Humor, große Schlagfertigkcit und ungewöhnliches Darstellungstalent. Als Musiker setzt er durch seine fabelhafte Geläufigkeit, sein riesiges musikalisches Gedächtnis und durch eine Menge von Fertigkeiten in Erstaunen, welche weit über das Maß des Alltäglichen hinausgehcn. Er spielt bei verdeckter Klaviatur mit einer Kleider- bürste, ohne Fehlgriff, er läßt sich von den Zuhörern die Namen von Opern, Operetten, Liedern und Tänzen nennen und verbindet alles im Fluges zu reizenden Potpourris. Immer aber bleibt er Komiker, und wenn auch seine Darbietungen nicht allseitig richtig verstanden werden, so daß sie nicht ungeteilten Beifall finden, so hat man es doch mit einem eigenartigen Künstler zu tun, der die erstaunten Zuhörer in heiterste Laune versetzt.
Neuenbürg, 22. Juni. (Einges.) Kinemato- graph. Wie aus dem Anzeigeteil ersichtlich, ist in den nächsten 4 Tagen hier auf dem Turnplatz ein Elektro-Bivscope (Theater lebender Photographien) aufgestellt. Wie aus Zeitungen anderer Städte und Empfehlungsschreiben hervorgeht, wird der Kine- matograph wirklich schönes bieten; die Vorführungen aus der Passionsgeschichte erregen große Bewunder- ung. Ebenso die Szenen aus dem russisch japanischen Kriege und vieles andere wird den Besucher dauernd unterhalten. Der Betrieb geschieht durch eigene Lichtmaschine (Motor) und kann ein Besuch nur empfohlen werden.
Pforzheim, 22. Juni. Anläßlich des am 9. Juli und den folgenden Tagen hier stattfindenden Schützenfestes, welches hier sehr glanzvoll gefeiert zu werden verspricht, sind bereits auf dem Schützenhaus umfassende Aenderungen vorgenommen zur Herstellung von Schießstünden und namentlich einer großen Festhalle, sowie eines Festplatzes.
Neuenbürg, 24. Juni. Dem heutigen Schweine- markt zugeführte 25 Stück Milchschweine wurden zu 36—40 pro Paar verkauft.
vermischtes.
Warnung. Die Firma A. Winther u. Cie. in Lörrach vertreibt „echte hygienische Nährsalze", die gegen alle möglichen, auch unheilbare Krankheiten in Prahlerischer Weise empfohlen werden und aus einem Gemenge von Salzen bestehen, das weder
Die Falschmünzer'.
Erinnerungen eines Criininalisten.
Bon Gebh. Schätzler-Perasini.
- (Nachdruck verboten.)
— Schluß.-
Wieder muhte ich eine lange Zeit warten und meine wiederholten Schläge schollen laut durch die Nacht.
Endlich näherten sich Schritte, durch eine schmale Ritze des schadhaften Tores fiel ein Lichtschein. Jetzt krachte das Tor und drehte sich pfeifend in den Eisen - angeln. Der mürrische Alte stand vor mir.
„Ich dachte sie hätten sich eines Besseren besonnen und blieben draußen," sagte er. „Wenn ein Unglück geschieht, ich kanns nicht verhüten."
..Das verlange ich auch gar nicht."
Er schien mir unruhiger als am Vormittage.
„Führet mich nur gleich in den Rittersaal hinauf," sagte ich bestimmt.
Schweigend ging er mir über die knarrende Holztreppe voran. Die Flügeltüren vor dem Rittersaale waren nicht fest zu verschließen, nur einzuklinken, mir war dies ganz recht so. Der Tür gegenüber zog sich ein Stück weißgetünchte Wand hin, die in der Beleuchtung des vom Flurfcnster hereindringenden Mondlichtes grell von dem übrigen Dunkel abstach.
Gleich nachdem wir eingetretcn waren, sagte ich: .Laßt mich jetzt allein."
außerhalb der Apotheken verkauft, noch auch öffentlich zum Verkauf angekündigt oder angepriesen werden darf. DaS Publikum wird vor dem Bezug dieser Präperate dringend gewarnt; der Verkauf und die öffentliche Ankündigung der „hygienischen Nährsalze" zur Heilung von Krankheiten ist nach 8 367 N.St.G.B und tz 84 P.St.G B. strafbar.?
Der Füllstrich bei Biergläsern. Der Strafsenat des Kammergerichts hat kürzlich eine Entscheid- ung gefällt, die für Gastwirte wie für Biertrinker von Interesse sein dürfte. Ein Berliner Restaurateur hatte neue Biergläser in Gebrauch genommen, ohne sie vorher nachgemessen zu haben. Er hatte sie von einer angesehenen Glasfabrik bezogen und war im guten Glauben, daß der Füllstrich an der richtigen Stelle angebracht worden sei. Da dieser tatsächlich an falscher Stelle stand, wurde gegen den Restaura- teur auf Grund des Gesetzes vom 20 Juli 1881, welches den Rauminhalt der Schankgefässe zum Gegenstände hat, Anklage erhoben. Das Berufungsgericht hat den vom Angeklagten erhobenen Einwand der Gutgläubigkeit verworfen und ist zu einer Verurteilung des Restaurateurs auf Grund des § 4 des gedachten Gesetzes gekommen. Danach sei er als Schankwirt verpflichtet gewesen, die Schankgefässe auf die Gesetzmäßigkeit ihrer durch den Füllstrich bezeich- neten Ranmangabe zu prüfen, bevor er sie im Schankgeschäft verwandt habe. Gegen das Urteil der Strafkammer legte der Angeklagte Revisiion ein, die jedoch vom Kammergericht als unbegründet zurückgewiesen wurde. Dieses führte aus, daß die Entscheidung der Vorinstanz ohne jeden Rechtsirrtum ergangen sei. Die vom Berufungsgericht aufgestellte Pflicht des Schankwirts, die Biergläser auf ihren Füllstrich hin zu Prüfen, folge aber auch aus allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen. Denn die Vorschriften des Gesetzes vom 20. Juli 1881 sind polizeilichen Cha- rakters; Verfehlungen dagegen sind daher schon beim Vorliegen einer Fahrlässigkeit strafbar.
Während früher die Behandlung der Herzkrankheiten sich auf die Verordnung von Arzneien und die Anordnung von Ruhe beschränkt hat, wird heute die „Bewegung" als vorzüglichstes Heilmittel gegen diese immer mehr zunehmenden Leiden angesehen. Das Herz darf nicht geschont, sondern muß geübt werden, und wie bei allen Körpermuskeln die Uebung ihre Entwicklung fördert und sie kräftiger macht, so ist dies auch beim Herzen der Fall. Durch das Training wird seine Kraft und seine Ernährung gehoben. So bessern sich die Herzfehler dadurch, daß das Herz an Masse und Umfang zunimmt und sich vergrößert; und Professor de Rentzi, der Direktor
Er wollte noch etwas sagen, unterließ es jedoch und ging mit einem gezwungenen: „Gute Nacht."
Einen mitgenommenen Wachsstock hatte ich schon früher angezündet und auf einer Stuhllehne befestigt. Das Licht war sehr schwach, aber doch genügend für den nächsten Umkreis. Als Standpunkt wählte ich für mich die Ecke, wo in vergangener Nacht der Mord geschah. Schwarze Schatten lagerten sich über die Ecken und Nischen, kaum, daß ich die geharnischten Figuren erkennen konnte. Nach einer Weile schien der Mond wieder, und, da es im Zimmer unerträglich schwül wurde, öffnete ich den einen Fensterflügel. Nun wurde es etwas Heller. Langsam brannte mein Wachslicht herunter, bald mußte ich's auffrischen. Im Schlosse herrschte noch immer absolute Ruhe. Ich ging in dem Saale hin und her, hohl klangen meine Schritte und einer der Eisenritter klirrte leise. Dann nahm ich mir einen Stuhl und rückte ihn in die Ecke vor das Lager.
Von welcher Seite war der Mörder wohl gegen sein Opfer geschlichen? Meinen vorzüglichen Revolver nahm ich aus der Brusttasche und legte ihn auf meine Knie. Da ich nun ziemlich lange saß, ohne daß sich etwa ereignete, fiel mich ein bleierner Schlaf an. Gewaltsam erwehrte ich mich dessen und es war gut. da ich gleich darauf unter mir ein ver- dächtiges Geräusch vernahm, das jedoch bald wieder aufhörte. Es war, als ob eiserne Stangen sich aneinander rieben. Jeder Schlaf war vergessen, ich wartete in fieberhafter Spannung.
Da war es mir, als ob draußen auf dem Gange
der medizinischen Klinik iu Neapel, ist von dem Werte der Bewegung bei Herzkrankheiten so begeistert, daß er sie mit der modernen Freilichtkur bei Tuberkulose in eine Linie stellt.
Die bitteren Mandeln sind giftig, ebenso wie die inneren Kerne des Steinobstes. Ein löjähriger Lehrling in einer Dogerie in Halle hatte nach einem heftigen Streit in seiner Erregung eine Hand voll bitterer Mandeln geschluckt. Er wurde sofort in das Krankenhaus gebracht und man spülte ihm dort mehrere Male ergiebig den Magen; aber schon zwei Stunden nach seiner Einlieferung verschied er. Der Tod war durch die in den bitteren Mandeln enthaltene Blausäure verursacht worden. Bei der Sektion rochen denn auch alle Organe stark nach Mandeln. Der Tod erfolgt übrigens bei der Blausäurevergift, ung durch innere Erstickung; dafür sprechen die ausgedehnten Blutungen in den verschiedenen Organen.
Ein schönes Wort. Kronprinz Wilhelm nahm dieser Tage Gelegenheit, sich darüber auszulassen, wie sich sein und seiner Gemahlin künftiges Leben gestalten dürfte. „Ich hoffe", so sagte er, „daß mir der liebe Gott meinen Vater noch recht, recht lange erhält. Meine Frau und ich. wir beide haben uns als Ziel gesteckt, uns aus dem weiten Gebiete der Volkswohltätigkeit, der Krankenpflege, der Religion, des Unterrichts und der schönen Wissenschaft und Kunst zu betätigen. Wir wollen lernen und unseren Wissenskreis weiten, damit wir später einmal befähigt sind, zu urteilen und Anregungen zu geben. Wir find jedem dankbar, der uns hilft, dies Ziel zu erreichen."
Der Sultan von Marokko besitzt einen Photo- graphischen Apparat, dessen Kamera aus Gold ge- fertigt ist und 40000 ^ kostet.
(Die Vergeßlichkeit der Damen), so schreibt ein Freund dem „Berl. Lokal.-Anz.", wird durch einen Besuch im Fundbureau der Großen Straßenbahn in Berlin in das rechte Licht gerückt. Ich hatte es übernommen, Ermittelungen nach dem Verbleib eines Sonnenschirmes anzustellen, der auf dem Rückwege von einem Kaffeekränzchen in der Hasenheide in Verlust geraten war. Als ich dem Beamten des Fundbureaus den Nachmittag nannte, an welchem der Schirm abhanden gekommen, brachte er zu meinem größten Erstaunen ein großes Paket Schirme. Ich bemerkte hierauf, daß nur diejenigen Schirme, die am 2. ds. Mts. in einem Wagen der Großen Straßenbahn gefunden wurden, in Betracht kämen. „Aber das sind sie ja!!' Es waren ihrer — 22! Ms ich meiner Verwunderung über die Vergeßlichkeit der Berliner an dem gesegneten Nachmittage Ausdruck gab, meinte der freundliche Herr, daß just der Rekord
etwas über die Steinfließen schleiche. Ich horchte schärfer und noch einmal vernahm ich das Geräusch.
Einen Moment überlegte ich, ob ich rasch hinaus- stürzrn solle, blieb jedoch ohne Bewegung, das Hereinkommen der „Geister" erwartend.
Im Dorfe unten fing es an zwölf zu schlagen. Nur verschwommen trug der Nachtwind den Schall herüber.
Furcht hatte ich auch jetzt noch nicht, konnte mich jedoch eines unangenehmen Schauders nicht erwehren. Ganz natürlich; der Boden, auf welchem ich stand, war durch einen geheimnisvollen Mord befleckt, dann die Erzählungen der Leute, des alten Ccstellan selbst, dies alles erregte meine Nerven. Mein Licht flackerte unruhig hin und her.
Schon vor einer halben Stunde war im Forst der Ruf eines Nachtvogels aufgestiegen. Er hatte mir gesagt, daß jemand in's Schloß geschlichen war. Wann immer, mußten sie mir jetzt zu Leibe gehe».
Kaum war der zwölfte Schlag der Dorfglocke verklungen, so wurden beide Saaltürflügel aufgerissen. Ich sprang auf und hielt den Revolver bereit. Aber ich sah keinen Menschen. Der Zugwind blies mir das winzige Licht auch noch aus. Die Türflügel prallten nun wieder zusammen, doch nicht schnell genug, als daß ich nicht einen Menschen bemerkt hätte, der an der fahlbeschieneneu Wand draußen lehnte.
Einen Moment trat Ruhe ein. Ich griff nach meiner heftig pochenden Schläfe. WaS war das