M Der Lnztäler. ^

^ ss.

Neuenbürg, Mittwoch den 5. April 1905.

63. Jahrgang.

Aus StaSt. Bezirk uns Umgebung.

Neuenbürg, 3. April. Ueber den gegenwärtigen Holzhieb im Schloßwäldchen wird einer auswärtigen Zeitung berichtet, daß der Spaziergänger zu seinem Erstaunen wahrnehmen mußte, daß die schönsten Bäume, unter denrn im Hochsommer schon mancher Ausflügler im kühlen Schatten geruht hatte, durch Holzhauer gefällt worden seien. Es soll dies nicht unwidersprochen bleiben, denn nach unserer Auschau- ung sind es gerade die schönsten und größten Bäume, die auch diesmal geschont werden. Es handelt sich lediglich um eine ebenso gründliche als sorgfältige, sachverständige Durchforstung, wie solche von der Forstvirwaltuog von Zeit zu Zeit in allen ihren Waldigen vorgenommen und wie sie dem übrigen Beftano nur zugut kommen wird. Unserer letzten diesbez. Mitteilung wollen wir nachtragen, daß unter den etlichen 30 Holzhauern nicht nur Dobler, sondern auch Neusätzer und Rotensoler zu nennen sind. Sie werden die ganze Arbeit im Schloßwäldchen vielleicht noch diese Woche bewältigen.

Neuenbürg, 3. April. Mit. dem sonst so launischen April ist endlich auch freundlicheres Wetter eingezogen, und wenn auch morgens und abends die Temperatur fast auf den Gefrierpunkt herab­finkt, so beginnt es jetzt überall in der Pflanzenwelt zu knospen und zu blühen. Die ersten Baumblüten find wieder in der Gegend und Umgebung von Gräfenhausen zu sehen. Heute erhielten wir durch den Niebelsbacher Postboten eine schöne Pflaumen­blüte. Bald dürften wir auch mit anderen Baum- blüten erfreut werden.

-s-Ottenhausen, 3. April. Die in Nr. 53 des Enzt. enthaltene Notiz von hier ist dahin zu berichtigen, daß Herr Erich Weiß nicht als Be­werber um die hiesige Schultheißenstelle aufgetreten ist, sondern daß ihm die Kandidatur von einer größeren Anzahl hiesiger Bürger angetragen wurde. Herr E. Weiß genießt allgemeines Vertrauen und man erhofft von seiner Wahl, daß die seit einiger Zeit wieder geordneten Zustände in unserer Gemeinde auch ferner fortdauern werden zum Wohl und Gedeihen derselben. (Anm. d. Red. In der betr. Notiz in Nr. 53 ist nicht gesagt, daß Hr. E. W. als Bewerber ausgetreten, sondern nichts anderes, als daß Hr. Keßler und Hr. Weiß als Bewerber in Betracht kommen.)

Schömberg, 1. April. Zu dem Lieb'esdrama in Oberlengenhardt vom 28. März schreibt dieHeidelb. Zeitung", daß der mit seiner Geliebten in den Tod ge­gangene erst 20jährige Leutnant Bloem der Sohn eines Majors in Jüterbog ist. Er war ein sehr befähigter junger Mann, denn schon mit 17 Jahren wurde er Offizier. Am I. März wurde er von Heidelberg nach Mannheim versetzt. Das Liebespaar scheint sich schon längere Zeit mit Selbst­mordgedanken getragen zu haben, denn es wird erzählt, daß Frl. Schwarz vor etwa 4 Wochen einmal fragte, ob man zum Ankauf eines Revolvers eines Erlaubnisscheines bedürfe. DasHeidelb. Tagblatt" schreibt: Es erregt immer menschliches Mitleiden, wenn junge, zarte Menschensprossen dem Rauhreif des Lebens frühzeitig zum Opfer fallen, wenn junges, hoffnungsvolles Leben auf kaum Geschrittener Bahn jählings zusammcnbricht. Die Katastrophe, die einen jungen Offizier und ein zartes Mädchen verschlang, ist ge­eignet, durch ihre Erscheinungen mehr wie die übliche Teil­nahme zu finden. In diesem Einzelsall, der aber durchaus ihpisch ist, hat das Leben mit fast dichterischer Kühnheit ivlnbiniert. Da stand bei den hiesigen Kaisergrenadieren ein junger sympathischer Leutnant Karl Bloem, gleich beliebt bei seinen Kameraden wie bei seinen Untergebenen. Mit Vorliebe besuchte der Offizier das Theater und entdeckte da in dem Opernchor ein auffallend schlankes Mädchen, eine junge Heidelbergerin, Margarete Schwarz, armer Leute Kind aus dem Stadtteil Schlierbach. Wie das so geht, suchten und fanden sich die beiden. Aber nicht die gewöhn­liche Theaterliebelei mit dem üblichen Schlußrefrain:Be­hüt' dich Gott" entspann sich, sondern eine offenbar tief wurzelnde Liebe verband das Paar. Der Leutnant trug so unverhohlen seine Neigung selbst in des Kaisers Rock zur Schau, daß es Kameraden und Vorgesetzten unangenehm beängstigend auffiel. Eine Zwangsversetzung nach Mann- heim sollte den Liebeskranken Hecken. Aber auch hier blieb Bloem, wie sich zeigte, seiner Liebe treu, was zur Folge hatte, daß man ihn veranlaßte, sein Ehrenwort schriftlich zu geben, mit der schönen Choristin nicht mehr zu verkehren. Auf eine diesbezügliche Mitteilung des jungen Offiziers an das Mädchen, erwiderte dieses in einem längeren Schreiben ebenso charakteristisch als logisch: auch sie besitze sein Ehren- wort, ob dies weniger bedeute, als das andere? Und die Liebe erwies sich stärker, als die Achtung vor dem Ehren- lodcx. Bloem sah im nahen Friedrichsfeld die Geliebte wieder und brach somit das verpfändete Ehrenwort. Hier­

mit war der Roscnmontagskonflikt gegeben und er wurde blutig ausgetragen. Während der Held Hartlebens in dem bekannten Drama unter dem Zwang der Entdeckung sich richtet, hat Bloem aus freien Stücken die Konsequenz ge­zogen. In Zivil traf er in Heidelberg mit der Geliebten am vorigen Samstag zusammen und die Wiedervereinigten traten eine Reise in den württembergischen Schwarzwald an. Nachdem sie in einem Hotel in Schömberg einige Tage zu- ebracht halten, sandten sie ihre Photographie und Abschieds­riese an Verwandte und begaben sich dann in den Wald, wo Bloem zuerst das Mädchen und dann sich selbst erschoß. Im Walde bei Oberlengenhardt im Oberamt Neuenbürg, nicht allzu weit von der badischen Grenze, wurden die Lei­chen aufgefunden,die kalten Hände noch verschlungen". Man wird sagen:jugendliche Ueberspanntheit",eine sensationelle Doppelmordtragödie", wie sie sich hundertmal ereignet. Und doch gibt der Fall zu denken. Ist dieses Paar der Ueberschwänglichkeit jugendlicher Empfindung oder grausamen Standes- und Berusssatzungen zum Opfer ge­fallen? Ueber den Stägigen Aufenthalt hier kann noch erwähnt werden: Nachdem die beiden Liebenden sich am Samstag im Hotel angemeldet hatten, besuchten sie am Sonntag den Vormittagsgottesdienst und besuchten alsdann eine dem Frl. Schwarz von ihrem früheren hiesigen Aufent­halt her befreundete Familie, mit der sie abends im Hotel vergnügt beisammen waren. Sie sollen auch die Absicht gehabt haben, sich hier noch kirchlich trauen zu lassen. Nach dem einfachen Mittagstisch am Dienstag begaben sie sich in den Wald, von wo aus sie nicht mehr zurückkamen, da sie den letzten Gang angetreten hatten. Das Testament des Leutnants befindet sich in den Händen eines Kameraden in Mannheim. Die Unglücklichen sollen auch lctztwillig den Wunsch geäußert haben, in Heidelberg zusammen begraben zu werden. Dieser Wunsch konnte nicht erfüllt werden, da sich das Eintreffen einer Nachricht von dem in Jüterbog befindlichen Major, wie auch vom Regiment in Mannheim verzögerte und so fand die Beerdigung auf dem Friedhof zu Oberlengenhardt statt. Auch in ein gemeinsames Grab sollten die mit einander aus dem Leben Geschiedenen nicht kommen. Der Stiefvater des Selbstmörders, der mit zwei Brüdern und Heideiberger und Mannheimer Offizieren zur Beerdigung eingetroffen war, bestimmte für den Sohn nicht das bei seinem Eintreffen bereits hergerichtete Doppelgrab, sondern ein von dem elfteren ein Stück weit entferntes Grab. So liegen die beiden auf so tragische Weise der Welt ent­rückten unglücklich Liebenden in fremder Erde auf dem Fried­hof des Schwarzwalddorses gebeitet.

Zavelstein, 3. April. Gestern hatte unsere grünbewachsene Ruine zahlreichen Besuch aus nah und fern; allgemeine Bewunderung erregte die jetzt herrlich stehende Krokusblüte und manch schöne Hand zierte ein Sträußchen mitKroküßle".

Das Wichtigste aus den neuen Steuergesetzen.

Bon G. Sch.

II.

.4. Die Staatssteuern.

4. Die Kapitalsteuer.

Dieser Steuer unterliegen:

a. die Zinse und Erträgnisse aus Kapitalien und Ausständen jeder Art, auS unverzinslichen Zieler­forderungen einschließlich unverzinslicher Lotterie- Anlehenslose;

b. Dividenden, Zinse und Gewinnanteile von Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Berggewerkschastrn und von einer stillen Ge­sellschaft;

o. Renten jeder Art wie Leibrenten, Leibgedinge, Zeitrenten u. dergl.;

ä. die Zinse aus den Einlagen (einschließlich der gutgeschriebeuen Zinse) in die Württ. Sparkasse in Stuttgart und andere unter öffentlicher Ver­waltung stehende Sparkassen (Oberamtssparkasse), sofern die Einlage mit den angewachsenen Zinsen im ganzen die Summe von 1000 übersteigen. Diese Kassen selbst sind mit ihrem Reservefonds ebenfalls steuerpflichtig.

Zinse und Renten, welche mit Rücksicht auf ein früheres Dienstverhältnis gewährt werden, ebenso Zinse aus den zum landwirtschaftlichen oder gewerb- lichen Betriebskapital gehörigen Forderungen und Wertpapieren find der Kapitalsteuer nicht unterworfen, elftere fallen unter die Einkommensbesteuerung, letztere gelten als Erträgnisse des Grundeigentums und des Gewerbebetriebs.

Bei Leibrenten und Leibgedingen wird nur die Hälfte als steuerbarer Jahresertrag angenommen; für unverzinsliche Lotterieanlehenslose wird als Zins 4°/» in Rechnung genommen, ebenso im ZweifelSfalle bei unverzinslichen Zielern und Zeitrenten.

Frei von der Kapitalsteuer bleiben Witwen, ge- schiedene und verlassene Ehefrauen, vaterlose Minder­jährige, sowie gebrechliche Personen, deren gesamtes, nach dem Einkommensteuergesetz in Württemberg steuerbares Jahreseinkommen weniger als 500 ^ beträgt.

Die unrichtige Steuererklärung (Fasfion) oder gänzliche Unterlassung derselben ist neben Nachholung der hinterzogenen Steuer mit der Geldstrafe des sieben- bis zehnfachen Betrags der gefährdeten Steuer bedroht.

Auch bei der Kapitalsteuer ist eine Veränderung des Steuersatzes von bisherigen 4,8 auf 2 vom Hundert des Jahresertrags in Aussicht genommen.

Wir kommen nun zu der

allgemeinen Einkommensteuer.

Die Steuer wird künftig in Württemberg die Hanptsteuer bilden, was daraus hervorgeht, daß die Regierung in einer Denkschrift für das Steuer­jahr 1905 den mutmaßlichen Ertrag zu 14800000 Mark angenommen hat. Sie wird allgemeine Ein- kommensteuer genannt, weil sie das gesamte Ein- kommen eines Steuerpflichtigen aus Grund einschließ­lich der Land- und Forstwirtschaft, aus Gefällen, ans Gebäuden, einschließlich des Mietwerts der Wohnung im eigenen Hause, aus Handel und Gewerbe, aus Spekulations- und Differenzgeschäfteu, aus Kapitalien und Reuten, aus Dienst-, Berufs- und Arbeits­verhältnissen, aus wissenschaftlichem und künstlerischem Beruf und aus anderer gewinnbringender Beschäftig­ung und Rechten auf wiederkehrende Bezüge erfaßt. Naturalbezüge find nach den örtlichen Mittelpreiseu zu veranschlagen.

Steuerfrei sind Personen mit weniger als 500 -/A Jahreseinkommen. Eine Einschränkung er- leidet diese Bestimmung dadurch, daß nicht in Wärt- temberg wohnende Personen, welche auS Württem- berg Einkommen aus Grund, Gebäuden, Gewerben oder Besoldungen beziehen, schon mit Einkommen von 200 -/L an steuerpflichtig sind.

Den Maßstab für die Besteuerung bildet das gesamte steuerbare Jahreseinkommen (Reineinkommen) des Steuerpflichtigen aus den bezeichnetcn Steuerobjekten nach dem Stand der Ber- mögens-, Besitz- und Einkommenverhältnisse bei Be- ginn deS Steuerjahrs.

Feststehende Einnahmen aus Kapitalien u. Renten, sowie aus Dienst und Beruf sind nach dem Stande vom 1 April des Steuerjahres mit ihren zu er­wartenden Jahreserträgen, unbestimmte und schwan- kende aus Kapitalen und Renten, sowie aus Dienst und Beruf und die Einnahmen aus den übrigen Steuerquellen (also von Grund, Gebäuden und Ge- werben) sind unter der Voraussetzung, daß die Steuer quelle am 1. April des laufenden StcuerjahrS noch besteht, nach dem Ergebnis des vorausgegangenen Steuerjahrs in Rechnung zu nehmen.

Das Einkommmen wird ermittelt: a) beim Grundertrag und dem Ertrag auS Land- und Forstwirtschaft.

Es sind in Einnahme zu stellen:

1. die Erlöse aus allen gegen bar oder auf Kredit veräußerten Erzeugnissen und vermieteten Wirtschaftsmitteln, sowie aus Nebenbetrieben (Sand. Kies. EiS u. s. w).

2. der Geldwert aller Wirtschaftserzeugnisse, welche zur Bestreitung deS Haushalts des Steuer- Pflichtigen, seiner Angehörigen und des beschäftigten Personals verwendet worden sind,

3. die Zinse und sonstigen Bezüge aus den zum landwirtschaftlichen Betriebskapital gehörenden For- deruvgen und Wertpapieren,

4. der Wert des am Schlüsse des Wirtschafts- bezw. Steuerjahrs vorhandenen Bestands an Wirt- schastserzeugnissen und Vorräten, lebenden und toten Jnventarstücken.

Hievon kommen die Bewirtschaftungskosten bereits bezahlte und noch rückständige in Abzug.

Buchführenden Landwirten ist gestattet, ihrer Reinertrags-Berechnung den Abschluß ihrer Bücher zu Grunde zu legen, sie haben aber den Bestand, die Veränderungen und den Wert des Betriebs- kapitals (Kassenbeftand, Forderungen, abzüglich der

<