sei doch am Wiener Hofe bei aller Etikette an herzliche verwandschaftliche Beziehungen gewöhnt. In Dresden gebe niemand seine eigene Verschlossenheit auf. Bezüglich der Kinder sagte sie, unsereins kann die Kinder ja doch nicht behalten, erst kommen die Jesuiten und dann die Erzieher.
Meran, 3. Jan. Nach hier eingetroffenen Meldungen wird der Kronprinz von Sachsen, falls es der Gesundheitszustand des Königs zuläßt, demnächst mit seinen 5 Kindern zu längerem Aufenthalt hier eintreffen.
Aus Tirol, 1. Jan. Starke Schneesä l l e in den letzten Tagen des alten Jahres verursachten empfindliche Verkehrsstörungen. An den Telephonleitungen, an Bäumen rc. wurde durch Schncedruck vielfacher Schaden angerichtet; der Telegraphenverkehr ist vollständig unterbrochen, was namentlich in internationalen Kurorten wie Meran, Bozen rc. schwer empfunden wird. Auf den umliegenden Bergen liegt massenhaft Schnee. In den jüngsten Tagen wurde die Lodnerhütte der Alpen- vereiusseklion Meran (2250 w) von zwei Herren nach lOstündigem, äußerst schwierigem Steigen glücklich erreicht. Im Sommer rechnet man zum Ersteigen 4 Stunden.
Belgrad, 3. Jan. In ganz Serbien herrscht andauernd starker Frost bei heftigem j Schneefall. Die Verbindungen sind vielfach unterbrochen. Bei Nisch wurden eine Anzahl Schulkinder erfroren aufgefunden.
Rom. 4. Jan. Wie im Vatikan versichert wird, hat Prinz Max von Sachsen die Weisung erhalten, vorläufig weitere Versöhnungsversuche zwischen dem sächsischen Kronprinzenpaare zu unterlassen, damit die Thätigkeit des vom Könige eingesetzten Ehescheidungsgerichtes nicht gestört werde.
Ladysmith, 3. Jan. Zu Ehren Cham- berlains wurde gestern ein Bankett veranstaltet, bei welchem Chamberlain eine Rede hielt, in der er die Notwendigkeit der Einigkeit auf sozialem Gebiet betont. Chamberlain warnte sodann davor, das Boykottieren in Südafrika einzuführen, sprach die Hoffnung aus, daß die Holländer wie die Engländer bereit sein würden, das Vergangene zu vergessen und forderte zur Geduld auf hinsichtlich der Erfüllung aller Entschädigungsforderungen.
Ueber den Krönungs-Durb ar, die Ausrufung des Königs Eduard VII. zum Kaiser von Indien, wird ausDelhi, 31.Dezember, gemeldet: Unter größter Prachtentfaltung wurde heute die Krönung des Königs in dem herrlichen Amphitheater verkündet, in dem seiner Zeit die Königin Viktoria zur Kaiserin ausgerufen worden war. Ungefähr 15000 Personen nahmen an dem Durbar teil. Nachdem der Vizckönig Lord Curzon auf dem mit goldenen Löwen verzierten Throne Platz genommen hatte, verlas ein Herold die Proklamation. Der Vizekönig hielt dann eine Ansprache, in der er sagte,
auf dem Durbar sei fast ein Fünftel der ganzen Menschenrasse vertreten; alle beugten sich vor dem einzigen Throne. Eine solche Herrschaft zu gewinnen, sei ein großes Werk gewesen, sie aber zu einem einzigen Ganzen zusammenzuschweißen, sei das größte Werk. Der Vizekönig verlas dann eine Botschaft des Königs, in der der König dem Wohlwollen, das er für Indien hegt, und der Anerkennung der von den indischen Truppen geleisteten Dienste Ausdruck giebt und die zuversichtliche Hoffnung ausdrückt, daß der Prinz und die Prinzessin von Wales binnen kurzem Indien besuchen werden. Der König wäre selbst gerne nach Indien gekommen, wenn es möglich gewesen wäre, er habe indessen seinen Bruder geschickt. Nach der Verlesung der Botschaft verkündete der Vizekönig, daß die Regierung für drei Jahre keine Zinsen von den Anleihen beanspruche, die die indische Regierung den Eingeborenenstaaten aus Anlaß der Hungersnot gewähre. Nachdem der Vizekönig dann noch auf die unbegrenzte Leistungsfähigkeit Indiens hingewiesen, wurde ein dreifaches Hoch auf den König ausgebracht. Hierauf wurden die indischen Fürsten dem Vizekönig und dem Herzog von Connaught vorgestellt. Die Fürsten baten den Herzog, dem Könige ihre Glückwünsche zu überbringen.
Shanghai, 3. Jan. Unter lebhafter i Teilnahme der deutschen und der übrigen auswärtigen Niederlassungen, sowie der Konsulate und sämtlicher Behörden erfolgte heute nach einer Ansprache des Generalkonsuls Knappe die Ein- - schiffung der letzten deutschen Truppen.
Nermischles.
— Das Neujahrsschießen. Am Neujahrsmorgen ereignete sich in Birkenfeld ein Unglücksfall, der als Folge des Neujahrsschießens anzusehen ist. Wie der „Pforzh. Anz." meldet, bekam die 8'/- Jahre alte Tochter des Taglöhners Hertz den mit scharfen Patronen geladenen Revolver in die Hand, mit dem ihr Vater kurz vorher das Neujahr angeschossen hatte. Als das Kind mit der Waffe spielte, entlud sich diese und die Kugel traf den 3 Jahre alten Sohn des Hertz in den Kopf, so daß der Knabe nach 3 Stunden starb.
— Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: Die Beschädigungen des Linienschiffes „Wittelsbach" sind nicht so erheblich, wie sie von einigen Zeitungen angegeben wurden. Der Schiffsboden ist auf beiden Seiten eingebeult, der vordere Teil des Ruderplatzes ist abgebrochen, der Hintere Nuderteil ist hochgeschoben; die Schiffsschrauben erhielten geringe Beschädigungen. Der Körper blieb vollständig dicht; das Schiff konnte die Fahrt nach Kiel mit eigenen Maschinen gut machen.
— Die „Münchener Jugend" teilt folgenden Soldatenbrief mit: „Liebe Eltern! Ich danke Euch sehr für die Morscht. Ich habe mich über die Worscht sehr gefreit. Die Worscht
hat ser gut geschmeckt. Es war ser vil Worscht. Ich Hab der Karline auch von der Worscht gegeben. So gute Worscht hat sie noch nie nich gegessen. Meine Worscht ist bald wek. Eßt doch nich alle Wurscht auf, damit ich zu Neujahr auch noch Worscht kriege. In der Hoffnung, daß Ihr mir wieder Worscht schickt, bleibe ich Euer teurer Sohn Ignaz.
Briefmar ken-Ansich ts -Postkarten. Die Kunstanstalt Gebr. Metz in Tübingen haben im März vor. I. eine Serie Briefmarken-Ansichts- postkarten ausgegeben, wovon uns heute einige Exemplare vorliegen. Die Karten zeigen je 1 Marke aus den Ausgaben von 1851, 1857, 1869 und 1875 in trefflicher Wiedergabe, mit Anschluß von hübschen Gedichten. Die Ausgabe ist bis heute unerlaubt gewesen, da die letzte der Marken erst mit 1. Jan. ganz außer Kurs gekommen ist.
Liiterarisches.
Um das Geschäft zu heben, den Absatz seiner Waren und Erzeugnisse zu vergrößern und neue Handelsbeziehungen anzuknüpfen, besitzt der Kaufmann verschiedene Hilfsquellen; doch ist unstreitig eins der vornehmsten Mittel die Zeitungsreklame. Diese Art der Reklame bedarf jedoch zur geschickten und zweckentsprechenden Ausführung langjähriger Hebung und großer Fachkenntnis. Um den Interessenten nun eine allgemeine Ueberstcht über die in Frage kommenden Tages- und Fachzeitschriften zu verschaffen, hat die Firma Haasenstein und Vogler A.G. auch für das Jahr 1903 ihren altbewährten Zeitungskatalog herausgegeben, der sich durch seinen gediegenen Inhalt ganz besonders auszeichnet. Mit hervorragender Sorgfalt und Sachkenntnis sind in dem elegant und praktisch ausgestatteten großen Zeitungskatalog die Zeitungen und Zeitschriften der ganzen Welt zusammengestellt. An das allgemein gehaltene Vorwort schließt sich ein Tages- und Notizkalender; dann folgt ein ausführliches Eingehen auf die Reichsbank und deren Geschäftsverkehr, das Post-, Telegraphen- u. Fernsprcchwesen; ferner das Agenten-Verzeichnis der Annoncen-Expe- dition Haasenstein und Vogler A.G. (Deutschland, Schweiz, Italien und Oesterreich) und das Ortsregister der politischen Zeitungen. Eine ganz besonders umfangreiche Zusammenstellung aller Tageszeitungen ermöglichen eine schnelle Orientierung; ebenso zweckmäßig und von größtem Vorteil ist die bei jedem Orte vermerkte Einwohnerzahl. Dann^ folgen die nach Branchen aufgeführten Fachzeitschriften, ferner die Kurs- und Reisebücher-Kalender und empfehlenswerte Anzeigen vieler Zeitungen. Die Firma Haasenstein und Vogler A.G. hat ihrem Kundenkreise ein willkommenes Neujahrs-Geschenk gebracht, das sowohl eine Zierde, als auch ein unentbehrlicher Ratgeber für jedes Bureau geworden ist.
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ich einstweilen zufrieden bin. Es ist nicht gar so selten, daß aus einem Verbrecher noch einmal wieder ein ordentlicher Mensch wird, ein nützliches Mitglied der menschlichen Gesellschaft. Vielleicht hören wir von Hugo Kramer noch einmal Besseres als bisher."
„Das würde mich freuen, wenn ich es auch vielleicht nicht mehr erfahre," meinte Mister Grant. „Sie gestatten mir aber vielleicht, Herr Staatsanwalt, daß ich dem Verein für entlassene Sträflinge vor meiner Abreise für seine Zwecke noch eine Geldsumme zur Verfügung stelle."
„Sie wollen abreisen?" fragte der Staatsanwalt.
„So bald wie möglich."
„Sie sind in merkwürdiger Weise in die alte Clous Kramer'sche Geschichte hinein verwickelt," bemerkte der Staatsanwalt plötzlich und warf auf den ihm gegenüber Sitzenden einen scharfen Blick.
„Sehr gegen meinen Wunsch," antwortete Mister Grant kurz. Er wäre gern aufgestanden, aber der Blick des Staatsanwalts bannte ihn ja wohl auf seinen Platz.
„Sie haben den Kramer in Milwaukee nie gesehen?" forschte der Staatsanwalt weiter.
„Nie I"
„Es muß ihm drüben doch gut gehen," warf der Staatsanwalt hin. „Der Spruch des Dichters, daß alle Schuld sich auf Erden rächt, scheint doch nicht immer wahr zu sein. Kramer muß in glänzenden Verhältnissen leben, wenn er so handeln kann, wie es zur Freude der Lenzheimer geschieht. Haben Sie auch seinen Namen drüben nie gehört?"
„Nie!"
„Die ganzen letzten Erlebnisse — Hugo Kramers Verhaftung, die Nach
richt über Claus Kramer, die Bezahlung der alten Kramer'schen Schulden — alles das hat mich ein wenig aufgeregt," fuhr der Staatsanwalt fort. „Ich habe mir die alten Kramer'schen Strafakten wieder heraussuchen lassen und darin gelesen.
Er blätterte in den Akten. Mister Grant wollte sich erheben und das Zimmer verlassen; es benahm ihm fast den Atem, eine unerträgliche Schwüle herrschte darin. Aber seine Füße versagten den Dienst, und die Schwüle legte sich drückend auf seinen Kopf. Mechanisch folgten seine Augen den Handbewegungen des Staatsanwalts, der offenbar in den Akten etwas suchte.
„Hier der Steckbrief," rief dieser plötzlich und betrachtete den Amerikaner wieder mit dem scharfen Blick, der diesem schon vorhin so impertinent erschienen war. „Der Steckbrief geht so ins Einzelne — mir ist's, als sähe ich Claus Kramer vor mir."
„Wie meinen Sie?" rief Mister Grant zusammenfahrend.
Der Staatsanwalt las den Steckbrief wieder, und dann betrachtete er den Amerikaner nochmals. .Er schlug um. „Und hier — sehen Sie — ist seine Photographie. Im Lauf der Jahre freilich ein wenig verblaßt, aber noch recht deutlich. Wollen Sie das Bild einmal ansehn?" Er zog aus dem Couvert eine alte, vergilbte Photographie heraus und übergab sie Mister Grant. Dann lehnte er sich in den Sessel zurück und schaute prüfend in des anderen Antlitz, auf welches das volle Tageslicht fiel.
Mister Grant betrachtete das Bild. Doktor Mohlmann sah, wie seine Hand zitterte — wie er den Mund öffnete — wie er sprechen wollte — wie kein Wort zwischen den Zähnen hindurch wollte.
(Fortsetzung folgt.)