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Kapitän tzerbold's Tächter.
Novelle von K. Krrrmau«.
I> - (Nachdruck verboten.^
Die B.straße zu Hamburg ist eines
jener engen, vielfach gekrümmten Gäßchen, an denen in den inneren Teilen der alten Handelsstadt trotz aller Verbesserungen und Verschönerungen noch immer kein Mangel ist. Ueber die spitzen Dächer der ehrwürdigen, altmodischen Wohnhäuser, bereu zerbröckelnde Mauern klaffende Risse zeigen und die hier und da merklich aus ihren Fugen zu weichen scheinen, sind schon Jahrhunderte hinweggezogen, und eS bedarf wahrscheinlich nur eines geringen Aufwandes an Phantasie, um sich angesichts dieser mittelalterlich anmuteuden Bauten zurückzuträumen in die längst entschwundene Blütezeit der mächtigen Hansa.
Aber das rege und geschäftige Leben, welches
einst auch in der B.straße Pulsiert haben
mag, ist längst verstummt. Der Verkehr hat sich andere, bequemere Wege gesucht, und die Kinder der armen Leute, welche hier neuerdings vornehmlich ihr Quartier aufgeschlagen haben, können ungefährdet auf dem holperigen Pflaster des Fahrdammes ihr Wesen treiben. Es gilt als ein bemerkenswertes Ereignis, wenn einmal hierund da in schwerfälligem Trabe irgend ein Fuhrwerk vorüberrasselt.
Ungefähr in der Mitte der Straße, in einem der ältesten und baufälligsten Häuser befand sich, wie daS hölzerne Türschild verkündete, die See- und Reiseouchhandlung des' Kapitän Herbold, und das kleine, zur ebenen Erde gelegene Verkaufslokal mußte um seiner - eigenartigen Ausstattung willen notwendig die Aufmerksamkeit jedes Vorübergehenden auf sich ziehen.
Die Helligkeit, welche da drinnen herrschte, war auch selbst während der' heitersten Sommertage von einer so zweifelhaften dämmerige» Art, daß eine im Hintergründe des Ladens von der Decke herab- hängerwe Petroleumlampe schon vom frühen Morgen an zu brennen pflegte. Was sie beleuchtete, war freilich kaum einer besonderen Bewunderung wert. In braun gestrichenen Regalen, die voni Fußboden bis- zur niedrigen Decke reichten, waren die Bücherschätze deS Kapitäns Herbold aufgestapelt, und wenn ihr Wert ihrer Anzahl auch nur annähernd gleich gekommen wäre, so hätte die sonderbare Bibliothek in der Tat ein ganzes Vermögen repräsentieren müssen.
-Aber dieser Reichtum war von einer überaus fragwürdigen Art, und sicherlich hatte bei der An- sammlung der erstaunlichen Vorräte der Zufall eine viel größere Rolle gespielt, als das Verständnis und der kritische Scharfblick des glücklichen Besitzers.
Kapitän Herbold war in der ganzen B.straße
eine wohlbekannte und hochgeachtete Persönlichkeit. In seinem Aeußern machte er nun eigentlich durchaus nicht den Eindruck eines Stubenhockers und Bücherwurms. vielmehr war er noch in jeder Linie der rechte Typus- eines knorrigen, wetterfesten Seemannes. DaS dunkrlgrbräunte Antlitz war von einem kurzen, grauen Barte umrahmt, und auch das graue, borstige Haupthaar war ganz kurz geschoren, unter den den starken Brauen hervor blitzten zwei klare, durchdringende Augen, die weder für die Nähe noch für die Ferne eines Brillenglases bedurften, und auf deren Grunde auch dann, wenn sie sich bemühten, recht zornig- dreinzuschauen, jederzeit etwas wie ein Schimmer unverwüstlicher Gutmütigkeit und Biederkeit zurückblieb.
Einen Fehler aber hatte Kapitän Herbold's kernige Gestalt dennoch aufzuweisen, und dieser Fehler war sogar empfindlich genug, um die sonder- bare Verwandlung des beweglichen Seemannes in «inen seßhaften Bücherkräwer vollkommen erklärlich zu machen. Wohl zeichneten sich unter dem linken Aermel seines leichten Rockes mit voller Deutlichkeit die in Kampf und Arbeit gestählten eisenfesten MuSkeln ab, aber die Rechte hing schlaff und leer herab — Kapitän Herbold war ein Krüppel, oder, wie er selber nicht ohne einigen Stolz zu sagen pflegte, ein Invalide. Hatte sich auch im Laufe der Zeit der gebliebene linke Arm nach und nach einiges von der Geschicklichkeit deS verloren gegangenen rechten angeeignet, und verfügte er auch sicherlich über eine viel größere Kraft, als sie die meisten normal gebauten Menschen in ihren beiden Armen aufweisen können, so war der Kapitän doch immerhin in gar vielen Fällen recht unbeholfen und schwer- füllig geworden, und eS würde schlimm um ihn bestellt gewesen fein, wenn ihm der gütige Himmel nicht ein Wesen an die Seite gegeben hätte, das ganz darnach angetan war, ihm den fehlenden Arm zu ersetze». ____
Es war um die Mittagszeit eines warmen Spät- sommertages, als Herbold an seinem gewöhnlichen Platze unter der brennenden Lampe saß und sich mühsam durch die etwas schwerfällige Ausdrucksweise eines im Jahre 1796 erschienenen, überaus gelehrten, naturwissenschaftlichen Werkes hindurcharbeitete. Er pflegte bei solcher Beschäftigung sehr wenig auf dasjenige zu achten, was in seiner Umgebung geschah, und erst als er ein verlegenes Hüsteln ganz nahe an seiner Seite vernahm, wurde er auf seinen Besucher aufmerksam, welcher schon seit einer geraumen Weile vor dem Ladentische stand. Mit einem einzigen Blick hatte Kapitän Herbold das Aeußere des Mannes erfaßt und, aus der Langsamkeit, mit welcher er sich aus dem Stuhle erhob, hätte man schließen können, daß die Musterung nicht eben sonderlich zu Gunsten des Fremden ausgefallen sei.
In der Tat war sehr wenig Vorteilhaftes und Einnehmendes in der Erscheinung desselben. Er war kaum mittelgroß, schmalbrüstig, schmächtig und ein wenig verwachsen. Zwischen den eckigen Schultern saß ein Kopf von unvcrhältnismäßiger Größe und von seltener Häßlichkeit. Aas strohblonde Haar fiel in langen, glatten Strähnen zu beiden Seiten herab, und das hagere Gesicht war von einer krankhaften Blässe, die nur noch stärker hervorgehoben wurde durch die Unzahl von Sommersprossen, welche es bedeckten. Wohlgebildet war nur die breite, hoch- gewölbte Stirn, hinter welcher Klugheit und Energie ihren Sitz zu haben schienen, und auch in dem bescheidenen, beinahe zaghaften Blick der großen hellblauen Augen konnte wohl etwas rührend Hilf- loses, Mitleidflehendes gefunden werden.
„Was steht dem Herrn zu Diensten?' fragte Kapitän Herbold, der den jungen Mann fast um doppelte Haupteslänge überragte, in seiner gewohnten Weise. Und der Besucher brachte mit einer dünnen, unsicher«, vielfach stockenden Stimme sein Anliegen vor.
.Ich wohne seit gestern in Ihrer nächsten Nachbarschaft,' sagte er, .und es hat mir große Freude gemacht, zu sehen, daß es hier eine Buch- Handlung gibt. Sie haben unter Ihren Vorräten gewiß sehr vieles, was mich interessieren würde, und wenn ich auch nicht reich genug bin, um große Ein- käufe zu machen, so erweisen Sie mir doch vielleicht die große Güte, mich ein wenig Umschau bei Ihnen Hallen zu lassen.'
An eine so gewühlte Ausdrucksweise war Kapitän Herbold bei seinen Käufern keineswegs gewöhnt, und im Vergleich mit der äußerst bescheidenen Kleidung des schüchtern vor ihm stehenden Männchens hatte sie jetzt etwas doppelt Ueberraschendes für ihn. Aber es gab kaum irgend etwas in der Welt, das ihm in gleich hohem Maße imponierte als Gelehr- samkeit, und er hatte überdies Lebenserfahrungen genug, um zu wissen, daß die gelehrtesten Leute nicht immer die vom Glücke am meisten begünstigten sind. Darum nahm sein biederes Gesicht einen erheblich freundlicheren Ausdruck an, und er sagte mit seiner tiefen, etwas rostigen Stimme:
.Dazu kann wohl Rat werden, mein Herr! Aber meine Buchhandlung ist eigentlich mehr für das Volk als für die studierten Herren, und wenn Sie ein Studierter find, werden Sie Wohl nicht allzuviel finden I'
Der Fremde schüttelte mit einem wehmütigen Lächeln den Kopf.
.Nein, ich habe nicht studiert,' erwiderte er noch leiser als vorher, .sondern ich bin von Haus aus nur ein Handwerker und Mechaniker gewesen. Aber ich verletzte mir einmal bei meiner Arbeit die rechte Hand dergestalt, daß mir drei Finger steif geblieben sind. Seitdem kann ich mich nur noch als Schreiber beschäftigen.'
Kapitän Herbold machte eine ungläubige Miene.
.Als Schreiber? Mit drei steifen Fingern?' fragte er, indem er auf die in der Tat sichtlich verkrüppelte Hand des vor ihm Stehenden blickte.
Das Gesicht des Kleinen überzog sich mit einer lebhaften Röte. Der Zweifel des Kapitäns brachte ihn offenbar in Verlegenheit.
.Jawohl,' versicherte er eifrig. „Ich habe mich eben darauf eingeübt, mit der linken Hand zu schreiben, und ich brauche kaum 14 Tage, um es bis zu einiger Fertigkeit darin zu bringen. Jetzt geht es ganz so gut wie ehedem mit der rechten, und seitdem die alte Großmutter tot ist, für die ich bis vor kurzem zu sorgen hatte, verdiene ich mehr als ich brauche.'
In der kindlich offenen Weise, in der er ohne eigentliche Aufforderung von seinen Verhältnissen sprach, war etwas, was dem alten ehrlichen See- manne augenscheinlich rech wohl gefiel.
„Das ist in Wahrheit, wunderbar!' meinte er .Wie Sie sehen, habe ich auch nur noch diese linke
li.'b-siion, Druck and Verlag von L. Meeh in Rruenbürg,
Hand übrig behalten, und ich meine, mir schon recht gut damit helfen zu können, aber so etwas, nein, wahrhaftig — so etwas würde ich nie in meinem Leben fertig bringen!'
Und seine vorherige Geringschätzung des un- bedeutenden, schwächlichen Menschen hatte sich nn. verkennbar in ein Gefühl der Achtung und Sympathie verwandelt. Er machte ein paar Schritte gegen eine kleine, zwischen dem mächtigen Bücherhaufen kaum sichtbare Seitenlür und sprach, indem er dieselbe vorsichtig öffnete, mit gedämpfter Stimme in den dahinter liegenden Raum hinein:
.Komm doch einmal vor, Elsbeth, wenn Du nicht gerade was Eiliges unter den Fingern hast! Da ist-ein Herr, der sich ein wenig unter unfern Büchern umsehen möchte.'
Schon in der nächsten Minute trat die Gerufene über die Schwelle, und selbst ein im gesellschaftlichen Verkehr viel gewandterer Mann, als der kleine Schreiber war, hätte bei dem unerwarteten Anblick von so viel Lieblichkeit und Anmut wohl in einige Verlegenheit geraten können.
— (Fortsetzrmg folgt.) —
Vermischtes.
Wo Witterung und Bodenverhältnisse ein Befahren der Felder gestatten, wird im Winter auf die Schläge, welche die kommenden Frühjahrssaaten aufnehmen sollen, Stallmist gebracht. Bei schlechtem Wetter, besonders kurz nach erfolgten Niederschlägen, weiß man dagegen mit den vorhandenen Arbeitskräften oft nicht viel anzufangen, und doch könnten in solchen Zeiten mit besonderem Vorteil Arbeiten ausgeführt werden, die man gar zu oft bis zu der arbeitsreichen Zeit der Frühjahrsbestellung verschiebt, z Versuche, die in großer Zahl angestellt worden sind, lehren, daß ein frühzeitiges Ausftreuen von Thomasmehl auf die rauhe Furche, auch wenn eine leichte Schneedecke liegt, die ausgezeichnetsten Erfolge ergibt. Daher ist nur zu empfehlen, das Ausstreuen von Thomasmehl an Winterlagen vorzuuehmen, an denen ans dem Felde andere Arbeiten nicht ausgeführt werden können. ;
(53 Zahltage.) Das zu Ende gehende Jahr 1904 . bringt für alle Arbeiter, die im Wochenlohn arbeiten, ein erfreuliches Kuriosum, es hat nämlich 53 Zahltage. Dieser Fall tritt nur alle 6 Jahre ein . und zwar dann, wenn der Neujahrstag auf einen Sonn- tag fällt; das nächste mal ist dies im Jahre 1910 , der Fall. Das gewöhnliche Jahr hat bekanntlich 365 Tage, also immer einen Tag mehr als 52 Wochen L 7 Tage. Jeder Wochentag wiederholt sich 52mal im Jahre, nur einer kommt 53mal vor und das ist in gewöhnlichen Jahren immer derjenige Wochentag, auf den Neujahr fällt. Ist der Neu- jahrstag ein Samstag, so ist auch der Sylvester ein Samstag. Die Schaltjahre machen eine Ausnahme von dieser Regel. In den Schaltjahren gibt eS immer zwei Wochentage, die 53mal im Laufe des Jahres Vorkommen, das Jahr 1904 ist ein solches. Neujahr fiel auf einen Freitag und Sylvester ist der Samstag. Freitage und Samstage gibt es im Jahre 1904 je 53. Der seltene Fall, daß der Zahltag SamS4ag 53mal ein Werktag ist, kann nur eintrete», wenn — wie im Jahre 1904 — ein Schaltjahr ist, das mit einem Freitag beginnt.
(Aengstlich) .Warum hast Du denn die große Eiche im Forste gekauft und sie fällen lassen?' — „Ich halte früher ne Liebschaft und da habe ich damals unsere Namen eingeschnitten . . . meine Alte könnt' mir drauf kommen.'
(Reizendes Zusammentreffen.) Arzt (nach drei- monatiger Ehe zu seiner kranken Frau): „Aber das ist doch zu reizend, Amalie, daß Du krank wurdest — nun bist Du gleich meine erste Patientin.'
Gedankensplitter.
So mancher meint ein gutes Herz zu haben und hat nur schwache Nerven. M. v. Ebner-Eschenbach.
Der Reichtum gleicht dem Seewasser; je mehr man davon irinkt, desto durstiger wird man. A. Schopenhauer
Delphischer Spruch.
Richte zur Erde den Blick, dort siehst Du lieblich
sie schimmern.
Kopslos erhebt es den Sinn, richte zum Himmel
den Blick.
Auflösung des WechselrStsrls i» Nr. 202. Manual — Januar.
Mutmaßliches Wetter am 1. und 2 Januar.
Für Sonntag und Montag ist wiudiges, größtenteils bewölktes und auch zu mehrsachen Regen- oder Schn-e- süllen geneigtes Wetter zu erwarten.
Erscheint
lllontog, INittroo Freitag u. Samsta
Htreis Vierteljahr! inNeuenbürg.Ll.t Durch d. Post bezog, im Vrts- u. Nachb orts-verkehr 1.: im sonstigen inlch Verkehrs 1.25; bi, je 20 «l Bestellgcl
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Eckernförd und während de; weststurmes dc am Hafen wohn ihre Wohnungen Borby stehen vo steigt noch.
Saßnitz, 3 hier angerichtete Strandpromenad Hafenbahnen fii geschwemmt. In rend zwei anbei dem fälligen P, jetzt jede Nachric treiben an.
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