Zweites

Zweites

Blatt.

Der Lnztäler.

Blatt.

^ iss.

Neuenbürg, Freitag den 16. Dezember 1904.

62. Jahrgang.

Württemberg.

Stuttgart, 14. Dezember. Die blutbefleckte Manchette, welche bekanntlich in der Angelegenheit des Cannstatter Mordes bisher eine Handhabe für die Auffindung des Mörders zu bieten fchien, scheidet nunmehr gänzlich aus der Untersuchung aus. Ein Stuttgarter Tierarzt hat sich nämlich bei der hiesigen Staatsanwaltschaft gemeldet und angegeben, die blutbefleckte Manchette habe ihm gehört. Da er aber am Mordtage in Cannstatt eine Operation an einem Tier habe vornehmen müssen, wobei die Manchette stark blutbefleckt worden sei, habe er sie beim Wegfahren vom Cannstatter Bahnhof zum Fenster hinausgeworfen. Die Richtigkeit seiner An­gaben hat der betreffende Tierarzt in einwandfreier Weise nachgewiesen. Man fahndet bis jetzt leider vergebens nach weiteren Anhaltspunkten zur Ermitt- lung des Täters. Die gesamte Stuttgarter Polizei hat sämtliche jüngere Zimmermieter in ganz Stutt­gart einer Kontrolle zu unterziehen.

Stuttgart, 13. Dezbr. Aus Stuttgart und Umgebung ist jetzt täglich über Mord und Totschlag zu berichten. Ueber dem Cannstatter Mord ruht noch ein Schleier und mit jedem Tage, der verstreicht, wird erfahrungsgemäß die Wahrscheinlichkeit geringer, durch Indizien den Täter zu überführen. Hier ist die Polizei noch in fieberhafter Tätigkeit und schon werden neue Bluttaten aus Feuerbach und Kaltental gemeldet. In Feuerbach kam die Tat glücklicherweise nicht zur Ausführung. Hier würgte ein Handwerks- bursche, der bettelte, eine Frau und bedrohte sie, als sie um Hilfe rief, mit einem in der Nähe liegenden Beil. Gerade zur rechten Zeit kamen Nachbarsleute der bedrohten Frau zu Hilfe und es gelang, des frechen Bursche», der die Flucht ergriffen, habhaft zu werden. Gestern morgen wurde unter einer Böschung am Friedhofsweg in Kaltental der geistesschwache 54 Jahre alte Arbeiter Abraham Elsässer aus Rohr aufgefunden. Er blutete aus mehreren Kopfwunden, gab auch noch Lebenszeichen von sich, starb aber bald darauf. In der Nähe lag ein blutiger Prügel. Die Urheber dieser Tat sind zwei zwanzigjährige Fabrikarbeiter von Kaltental, Karl Bernlöhr und Wilhelm Metzger, die festgenommen wurden und auch bereits ein Geständnis abgelegt haben. Sie wollen betrunken gewesen sein und den älteren Mann im Streite erschlagen haben. Wohin man blickt, Verbrechen, Roheit und Gewalttätigkeit.

Tübingen, 13. Dez. (Schwurgericht.) Der 20 Jahre alte Gipsergeselle Heinrich Thumm von Bonlanden, O.A. Stuttgart, war zweier Verbrechen

Achtirndvierzlg Knöpfe.

Humoreske von Adolf HHieke. is - (Nachdruck verboten.)

Die Hochzeitsgäste waren imSalon" des Aktuar Hoppe versammelt, dessen Tochter Sabine heute mit dem Fabrikbesitzer Emil Neuber für das Leben ver­bunden werden sollte.

Die Ziviltrauung, der sich die kirchliche anschließen sollte, war auf halb eli Uhr angesetzt.

Die Anwesenden standen in kleinen Gruppen bei­sammen und unterhielten sich.

Es schlug ein Viertel auf elf. In der Tür des Nebenzimmers erschien die Frau Aktuar, begrüßte die Gesellschaft und ersuchte den Bräutigam, ihr zu folgen.

Emil hatte den Wunsch ausgesprochen, seiner Braut guten Morgen zu wünschen.

Der ersehnte Augenblick war jetzt gekommen und freudigen Blickes betrat Emil das Nebenzimmer:

Der Empfang, der ihm zu teil wurde, enttäuschte ihn indes Wohl sah Sabine im Brautkleide sehr hübsch aus, doch begrüßte sie ihren Bräutigam nur sehr flüchtig und hatte für seine Zärtlichkeit kein Auge. Sie schien ganz von der Sorge für ihren Anzug erfüllt zu sein und es gern zu sehen, daß sich Emil bald wieder entfernte.

Seine Verstimmung unter einer heiteren Miene verbergend, trat der geduldige Bräutigam wieder in den Salon hinaus.

des versuchten Totschlags beschuldigt, verübt in Aich und Neckartailfingen dadurch, daß er auf zwei Per­sonen scharfe Revolverschüsse abgab, um sie, nach seiner Angabe, davon abzuhalteu, daß sie ihm an­läßlich des Besuchs seiner Liebschaft in Aich wie früher Schläge zuteil werde» lassen. Die Schüsse gingen fehl. Der Angeklagte bestritt die Tötungs­absicht. Nachdem die Geschworenen den Angeklagten nur zweier Vergehen der Bedrohung schuldig ge- sprochen, wurde er zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt.

Tübingen, 14. Dez. (Schwurgericht ) Wegen Brandstiftung hatte sich der 29 Jahre alte Karl Gustav Kübler, lediger Säger in Calmbach, O.-A. Neuenbürg, zu verantworten. Am Sonntag, den 23. Oktober ds. Js., nachmittags, trieb sich Kübler in verschiedenen Wirtschaften in Calmbach herum. Er trat erst Nachts halb 1 Uhr in ziemlich ange­trunkenem Zustande den Heimweg an. Er bewohnte eine Kammer im Dachstock eines Hauses, das seinem Bruder, dem Holzhauer Kübler, sowie dem Gemeinde­rat Rau und dem Fabrikarbeiter Schanz gemeinsam gehörte und von deren Familien bewohnt war. Nachts Vr2 Uhr brach in dieser Dachkammer Feuer aus und das ganze Gebäude brannte ab. Auch die Nachbar- gebäude fingen Feuer, wurden aber gerettet. Der Verdacht der Brandstiftung lenkte sich alsbald auf den Kübler. Er leugnete aber und wollte vor dem Brandausbruch überhaupt nicht zu Hause gewesen sein. Später aber räumte er ein, daß er nach seinem Nachhausekommen sich mit der brennenden Zigarre aus sein Bett gesetzt habe, beim Ausziehen der Stiefel eingeschlafen sei und daß die ihm entfallene Zigarre das Bett in Brand gesteckt haben könne. Das Bett habe wenigstens bei seinem Erwachen gebrannt, und da seine Löschversuche vergeblich gewesen seien, so habe er sich entfernt und vor dem Hause Lärm ge­schlagen. Vor den Geschworenen räumte er ein, daß er das Haus mit Absicht angezündet habe. Aus dem Heimweg von der Wirtschaft sei ihm der Ge- danke gekommen, den 3 Frauen, Rau, Schanz und Kübler, einen Possen zu spielen und das Haus an­zuzünden, weil diese schon oft über ihn gescholten hätten. Er habe ein brennendes Zündholz an das Stroh seines Strohsacks hingehalten, das dann mit der Bettdecke sofort Feuer gefangen habe. Dann sei er so rasch und leise als möglich die Treppe hinunter und ins Freie gegangen, habe dann seine Stiefel wieder angezogen, habe Feuer gerufen und sei dann ins Dorf hineingesprungen. Hierauf habe er dem Brand von der Ferne zugeschaut. Er sei angetrunken gewesen, sonst hätte er nicht angezündet. Der Brandschaden beträgt gegen 14,900 ^

Nun, lieber Neuber," fragte ihn sein künftiger Schwiegervater,wie steht es drinnen? Ist Sabine bald bereit?"

Die Frage schien mehrere der Anwesenden zu interessieren, denn ihre Augen hingen an Emils Munde.

Gleich ist cs so weit," antwortete der Gefragte freundlich.Nur noch der Schleier und der Kranz fehlt."

Die Gäste schienen mit dieser Nachricht sehr zu­frieden zu sein, denn ihre Mienen erheiterten sich und sie setzten ihre Unterhaltung fort.

Der Bräutigam stellte sich ans Fenster und blickte auf die Straße hinab. Trübe Gedanken zogen durch sein Haupt. Mit welcher egoistischen Kühle ihn seine Braut empfangen! Und leider war es nicht das erste mal, daß er Grund hatte, über sie zu klagen.

In einer Ecke des Zimmers unterhielt sich die alte Tante Schlummermeier mit einem Vetter dritten Grades, der zur Hochzeitsfeier hergereist war und nun mit aufmerksam gespitzten Ohren lauschte.

Sie erzählte, daß Neuber sich vor etwa einem halben Jahre in Sabine verliebt habe, daß später allerdings mancherlei Zwistigkeiten zwischen ihnen vorgekommen seienwie dies ja bei Liebesleuten keine Seltenheit ist", fügte die Tante entschuldigend hinzu und daß nun, wie der Herr Vetter wissen, die Hochzeit stattfinden solle, worauf sich das junge Paar sogleich nach des Bräutigams Heimatstadt begeben würde.

Sie macht eine sehr gute Partie," flüsterte sie

Kübler wurde zu einer Zuchtbausstrafe von 3 Jahren verurteilt und zum Verlust der Ehrenrechte auf die Dauer von 5 Jahren.

Horb, 12. Dez. Im Gasth. z. Schwarzen Adler tagte gestern eine zahlreich besuchte Versammlung von Körperschaftsbeamten aus dem SchwarzwaldkreiS. Den Hauptgegenstand der Tagesordnung bildete ein Bericht des Verwaltungs-Aktuars Standenmaier- Calw über die Besteuerungsrechte der Amtskörperschaften und der Gemeinden. Eine lebhafte Erörterung ent­stand nach dem Schw. B. über die Frage, ob der Staat oder die Gemeinde den Einzug eines allen­falls einzuführenden Gemeindezuschlags auf die Ein­kommensteuer besorgen solle. Dem Selbstverwaltungs- recht der Gemeinden zuliebe entschied die Versammlung sich für den Einzug durch den Gemeindepfleger.

Binsdorf, 9. Dez. Oberförster v. Bibersteiu in Rosenfeld machte gestern den durch die bekannte Feuersbrunst beschädigten Mitgliedern deS hiesigen Militärvereins die erfreuliche Mitteilung, daß zu ihrer Unterstützung bereits 4200 ^ eiugelaufen sind. Diese Summe findet ihre Verwendung in der Weise, daß jedes Mitglied einen Kleiderschrank, einen Tisch und mehrere Stühle erhält. 5 Wittfrauen von ehe- maligen Mitgliedern des Vereins erhalten eine Spende von je 100 Außerdem kamen die Schenkungen eines Offiziers aus Berlin zur Verteilung und zwar so, daß jedes Mitglied einen vollständigen Bettüber­zug erhielt, ferner wurden als Gaben von jener Stelle Stoff für 7 neue Anzüge und verschiedene Kleidungs­stücke verlost.

Ulm, 14. Dezbr. Ueber die Dauer der Messe wurden hier 69 Personen festgenommen, worunter 11 steckbrieflich Verfolgte waren.

Ulm, 15. Dezember. Die Einnahmen für den Münsterbesuch betrugen Heuer vom April bis Oktober 8231 im Vorjahr 8207 ^ Der Kirchen- gemernderat beschloß, die Münsterbaulotterie 1905 wieder Ende Mai stattfinden zu lassen.

Reutlingen, 14. Dez. Bei den Grabarbeiten an dem Gminder'schen Arbeiterdorf stieß man wieder auf Funde, die römischen Ursprungs zu sein scheinen. Man fand Goldmünzen, Scherben von Gläsern rc. Bereits vor einiger Zeit hatte man eine Römerstraße aufgedeckt, auf der man gleichfalls wertvolle Funde gemacht hat.

Kornwestheim, 12. Dez. Der Pächter der hiesigen Gemeindejagd hat gegen die hiesige Gemeinde lt.Ludwigsb. Ztg." Klage beim K. Landgericht auf 1000 ^ Schadenersatz eingereicht wegen des durch die 14tägigen Kavallerieübungen auf hiesiger Mark­ung verursachten Jagdschadens.

mit zufriedenem Kopfnicken, während dem Herrn Vetter vor Spannung die wasserblauen Augen hervorquollen.

Eine Viertelstunde war indes vergangen. Der Bräutigam blickte nicht mehr zum Fenster hinaus auf die stampfenden Pferde vor dem Hochzeitswagen, sondern sah ein Album an, auS dem ihm die mehr oder weniger geistreichen Physiognomien der Familie Hoppe entgegenstarrten. Die Gesellschaft war etwas unruhig geworden und blickte mit Spannung auf die Tür des Nebenzimmers. Endlich öffnete sich diese und das Dienstmädchen schoß blitzartig durch den Salon, um in einer andern Tür zu verschwinden. Bald kehrte sie zurück mit einem Päckchen in der Hand und belehrte die eifrig Forschenden, es sei nun bald so weit, es fehlten nur noch die Handschuhe.

Man tröstete sich gegenseitig und wartete weiter. Der Bräutigam hatte indessen das Album zugeklappt und ging wie ein Tiger im Käfig auf und nieder.

Als sich der Geladenen wieder einige Unruhe bemächtigte, glaubte Herr Revisor Lange, ein Freund des Herrn Aktuar, seine Stunde gekommen.

Herr Lange war in den Fünfzigern, machte jedoch ein so kluges Gesicht, daß man ihm unter Brüdern gern die Weisheit von hundert Jahren zugestanden hätte.

Verehrte Anwesende!" begann der Herr Revisor. Bitte nur noch um eine kleine Geduld! Sie wissen, gut Ding will Weile haben."

Hier wurden seine gewählten Worte unterbrochen, denn zu aller Freude öffnete sich die verheißungS-