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Der «nztäler.
Anzeiger für das Enztal und Umgebung.
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Fernsprecher Nr. 4.
^ 196
Neuerrbnrg, Freitag den 16. Dezember 1904.
62. Jahrgang.
RunSschcm.
Berlin, 15. Dez. Dem Reichstag ging von konservativer Seite ein Antrag zu, wonach alle Feldzugsteilnehmer von 1870 oder früher einen Unterstützungsbeitrag von jährlich 120 o/L erhalten sollen, wenn sie über 60 Jahre alt find, oder weniger als 600 c/A jährlich verdienen oder wenn sie nicht mehr ein Drittel ihres früheren Lohnes verdienen.
Berlin, 14. Dez. Der Kaiser hat den Unter- staatssckretär im Reichsschatzamt v. Fischer (Württem- berger) zum Wirklichen Geheimrat mit dem Prädikat .Exzellenz" ernannt.
Berlin, 14. Derz. Die Frage der Einführung von Einzelkelchen bei der Abendmahlsfeier im Bereich der preußischen evangelischen Landeskirche bildet seit längerer Zeit den Gegenstand eingehender Erwägungen innerhalb des Evangelischen Oberkirchenrats und der Generalsynode. Die Verhandlungen darüber konnten noch nicht zum Abschluß gebracht werden.
Am 1. Januar 1905 soll auf sämtlichen deutschen Bahnen im inneren deutschen Güterverkehr ein vereinfachtes Abfertigungsverfahren in Kraft treten. Gleichzeitig werden zum Frankieren der Sendungen mit Frachtbeträgen bis zur Höhe 1 Eisenbahnmärken im Werte von 5, 30, 40, 50, 60, 70, 80, 90 und 100 eingeführt, die jedoch nicht von den Versendern, sondern von der Güterabnahmestelle auf die Frachtbriefe aufzukleben sind. Ein Versuch, diese Marken dem Publikum zur Selbst- srankatur der betreffenden Sendungen käuflich zu überlassen, ist in Preußen und Sachsen, wo das Verfahren schon vor einiger Zeit eingeführt wurde, miß- glückt, da die wenigsten Versender darauf eingegangen sind. Die Vereinfachung besteht darin, daß alle mit Marken frankierten Sendungen nicht mehr in den für die Kontrollstellen auszustellenden Rechnungen nachzuweisen sind. Man kann die Werte, welche in einer Unzahl kleiner Posten auf diese Weise aus den Rechnungen ausscheiden, allein bei der Reichseisenbahnverwaltung auf jährlich 500000 veranschlagen.
Hamburg, 14. Dezember. Der Argodampfer „Louisiana" ging gestern abend mit Munition und Proviant für die Truppen in Südwestafrika, sowie mit zwei Bugfierdampfbarkassen für Swakopmund ab.
Gotha, 14. Dez. Der seit längerer Zeit an- dauernde Ausstand in der Waggonfabrik wurde durch gütliche Einwirkung des Regenten, Erbprinzen zu Hohenlohe-Langenburg beigelegt.
In Mannheim hat am Samstag die Firma Hermann Schmoller u. Cie. an den Planken in k 1 nach den Plänen des Karlsruher Architekten Kamill Frei einen modernen Warenhauspalast errichten lassen. Gelegentlich der Eröffnung des Neubaus hat sich »un ein scharfer Konkurrenzkampf unter den Warenhäusern entsponnen. Die Firma S. Wormser u. Cie., die ebenfalls einen mächtigen Neubau in der Breiten- ^ 1 errichten läßt, gewährt bis Weihnachten ^0 Prozent Rabatt, wovon nur einige Waren aus- genommen sind, und vergütet den auswärtigen Kunden teilweise die Eisenbahnfahrt. Die Firma Kander verschenkte am Samstag bei Einkäufen von 3 ^ em halb Pfund Kaffee und bezahlt bis Weihnachten ? . " ^""den aus einem Umkreise von 20 Kilometern bei Clnkäufen von 10 ^ das Retourbillet dritter Kasse! —Wer hat den Schaden dieser großkapitalistischen Schleuderkonkurrenz? Nur der kleine und mittlere Gewerbetreibende. Ihnen wird das Weih- Nachtsgeschäft gründlich verdorben und mancher von ihnen wird mit Bangen der Zukunft entgegensehen.
Der unter dem Verdachte der Teilnahme an dem vor einiger Zeit ausgeführten Diebstahl von Brillanten und Schmucksachen im Werte von etwa 15000 ^ verhaftete Teilhaber Diederichs von der Firma Wallmann und Diederichs in Köln hat nunmehr den Diebstahl eiugestanden und das Versteck
angegeben, an welchem die Wertsachen begraben waren. Der Angeklagte vollführte den Diebstahl, um sich zur Deckung begangener Unterschlagungen in den Besitz der Versicherungssumme zu setzen.
Petersburg, 14. Dez. Während eines Balles im technologischen Institut kam es zu großen Demonstrationen. Gegen 10000 Personen waren auf dem Feste anwesend, das sich zu einem regelrechten Kongreß herausgebildet hatte. Die Teil- nehmer vertrieben die tanzenden Paare und schrien und tobten: Nieder mit der Selbstherrschaft, nieder mit dem Zaren, nieder mit dem Krieg! Es gärt ganz unglaublich unter der studierenden Jugend, wie in Arbeiterkreisen.
Antwerpen, 10. Dezbr. Ein deutscher Auswanderer machte hier vorgestern „zufällig" die Be- kanntschaft von 2 Landeleuten, die ihn mit in ein Wirtshaus nahmen, ihn dort zu einem Spielchen verleiteten und ihm hierbei seine ganze Barschaft, in 200 Franks bestehend, abnahmen. Der also Geprellte begab sich nach dem nächsten Polizeibureau, um dort sein Leid zu klagen, und daraufhin wurden sofort zwei Geheimpolizisten beordert, den Auswanderer zu begleiten und mit ihm nach den Betrügern die Stadt zu durchsuchen. Das Wirtshaus, in dem der Raub vor sich gegangen war, vermochte der Deutsche trotz der polizeilichen Hilfe nicht wieder zu finden, Wohl aber hatte er das Glück, einem der beiden Betrüger auf der Straße zu begegnen, der dann auch von den Polizeiagenten sofort festgenommen wurde. Auf dem Polizeibureau gab er an, Hans Otto zu heißen und ein möbliertes Zimmer m einer Straße der Stadt zu bewohnen. Als die Polizei sich dorthin begab, um Vach den 200 Franks zu recherchieren, traf sie in dem betreffenden Zimmer zwei andere Deutsche an, die ihr verdächtig vorkamen und daher ohne weiteres mitgenommen wurden. Bald stellte sich heraus, daß sie hiermit einen vortrefflichen Fang gemacht hatte. Die zuletzt verhafteten Deutschen, Schenkler und Bode mit Namen, vornämlich berüchtigte Bauernfänger, die nach Antwerpen gekommen waren, um sich hier auf das Ausplündern ihrer durchreisenden Landsleute zu verlegen. Beide sind auch bereits in Deutschland vorbestraft. Das saubere Kleeblatt wird demnächst vor dem Zuchtpolizeigerichte erscheinen und nach Verbüßung seiner Strafe über die Grenze gebracht werden.
St. Pölten (Niederösterreich), 10. Dez. Mit 17 Jahren vierfacher Raubmörder. Vor dem Schwurgericht hatte sich am Samstag der nicht ganz 17 Jahre alte Knecht Josef Grader zu St. Pölten wegen vierfachen Raubmordes zu verantworten. Der Angeklagte hat geständigermaßen am 28. April im Kendlgraben eine Krämerin und deren 7 Jahre alte Tochter, ferner am 17. August, nur einige Schritte vom früheren Tatort entfernt, eine Hausiererin und deren 14jährigen Sohn ermordet und beraubt. Während der Untersuchungshaft verweigerte der Angeklagte jede Annahme von Nahrung und mußte eine zeitlang zwangsweise gefüttert werden. Der Gerichtshof verurteilte Grader zu 18 Jahren schweren Kerkers, verschärft durch einen Fasttag vierteljährlich und durch Dunkelhaft am 28. April und 17. August jeden Jahres. Der Verurteilte nahm den Urteilsspruch entgegen ohne mit einer Wimper zu zucken.
Der russisch-japanische Krieg.
Petersburg, 14. Dez. Ein Offizier, der von der Front zurückgekehrt ist, erklärt, man erwarte rusfischerseits nicht vor dem Februar einen offensiven Vorstoß der Japaner.
Petersburg, 14. Dezbr. Nach verläßlichen Meldungen find bis jetzt 110000 Soldaten vom Kriegsschauplatz zurückgekehrt, davon 54000 Ver- wundete 'und 56000 Kranke. Außerdem liegen noch viele tausende Verwundete und Kranke in sibirischen Hospitälern.
Berlin, 15. Dez. Aus London meldet das
„Berl. Tagebl.": Augenzeugen der Kämpfe um den 203-Meter-Hügel find entsetzt über die verheerende Wirkung der Dynamithandgranaten Ein Eintreten der Genfer Konvention sei dringend geboten.
Württemberg.
Stuttgart, 14.Dez. Abgeordnetenkammer. Die fortgesetzte Beratung der Gemeindeordnung hat noch einmal den größeren Teil der Sitzung aus- gefüllt mit einer Debatte über den Art. 185, der die Zuständigkeit zwischen Gemeinderat und Ortsvorsteher auf dem Gebiete der Ort-Polizei abgrenzt. Auch die gestrigen Erörterungen zeigten wieder, daß die Meinungen in dieser Frage noch sehr weit auseinandergehen. Von den Gegnern der Fassung des Entwurfs bezw. der Kommissionsbeschlüsse, den Abgg. Konrad Haußmann, Liefching, Rembold-Gmünd und Kloß, wurde hervorgehoben, daß diese Bestimmungen in vielfacher Hinsicht eine Verschlechterung des geltenden Rechts wären und daß bei Annahme der Kommisstonsanträge der Gemeinderat in vielen und wichtigen Fragen der Gemeindeverwaltung ein entscheidendes Wort nicht mitzusprechen hätte. Diesen Ausführungen traten Minister Dr v. Pischek, der Berichterstatter Nieder und die Abgg. Hang, v. Kiene und Graf Uxkull entgegen. Der Minister wies darauf hin, daß die Kommisflonsbeschlüsse eine durchaus klare Abgrenzung in der Zuständigkeit des Ortsvorstehers und des Gemeinderats ermöglichen, insofern, als alle andauernden und ständigen Verfügungen, Einrichtungen und Anstalten, sowie auch alle sonstigen Polizeimaßregeln, die mit'Kosten für die Gemeinde verbunden sind, der Beschlußfassung des Gemcinderats unterliegen, während andererseits alle polizeilichen Einzelanordnungen allerdings nur vom Ortsvorsteher erlassen werden können, weil dieselben nach der ganzen Natur der Sache von einem einheitlichen zielbewußten Willen, also von einer einzelnen Persönlichkeit ausgehen müssen, die auch die Verantwortung dafür trage. Bei der Abstimmung wurden die Kommissionsanträge angenommen, nachdem alle anderen Anträge abgelehnt worden waren. Für den Antrag Hildenbrand. der die ganze Polizeiverwaltung dem Gemeinderat übertragen will, stimmten nur die Sozialdemokraten. Der Antrag Rembold-Gmünd, welcher dem Gemeinderat eine beschränkte Ueberwachung der Ortspolizei einräumen will, wurde in namentlicher Abstimmung mit 41 gegen 32 Stimmen und ein Eventualantrag Haußmann, welcher dem Gemeinderat wenigstens die Ueberwachung der Ausführung der von ihm gefaßten Beschlüsse und auch die lieber- wachung der unteren Polizeiorgane übertragen wissen wollte, gleichfalls in namentlicher Abstimmung mit 44 gegen 29 Stimmen abgelehnt. Ein bemerkenswertes Moment, das die dreistündige Debatte brachte, war die Jungfernrede des Abg. Mittnacht von Mergentheim. Er suchte die Kontrolle des Orts- Vorstehers durch den Gemeinderat bei der Handhabung der Ortspolizei mit dem Hinweis zu begründen, daß der Ortsvorsteher eines größeren Dorfes im Mergentheimer Bezirk sich einmal an einer nächtlichen Ruhestörung beteiligt habe. Minister Dr. v. Pischek erwiderte darauf, daß man auf solche Ausnahmefälle doch nicht wohl eine generelle gesetzliche Regelung aufbauen könne.
Die Kammer der Abgeordneten hat in den letzten Tagen die Beratung der Gemeindereform fortgesetzt. Einschneidende Aenderungen des bisherigen Rechts wurden aber nicht beschlossen; doch erhalten die Verwaltungsaktuare nunmehr eine bessergesicherte Stellung und auch die Teilgemeinden deutlicher als bisher festgestellte Rechte gegenüber den Gesamtgemeinden. In dieser Woche kommt auch noch der an die Kommission zurückverwiesene Teil der Gemeinde- ordnung, die zunächst nur für Stuttgart Praktische Stadtordnung, zur wiederholten Beratung. Eine äußerst lebhafte Debatte entstand über die Eingemeindung des Salons bei Ludwigsburg in die Stadt-