Zweites
Zweites
Blatt.
Der «nztäler.
Neuenbürg, Mittwoch den 16. November 1904.
^ 17S.
Nus Stavt. Bezirk unv Umgebung.
Neuenbürg. Postsache. Drei', vier-und mehrteilige Drucksachenkarten dürfen nach einer Entscheidung des Reichspostamtes im allgemeinen, da sie des Zusammenhaltes entbehren und infolgedessen den Dienstbetrieb, besonders das Sortiergeschäft zu erschweren geeignet sind, ohne Umschlag oder Kreuzband nur dann versandt werden, wenn sie, um das Auseinauder- sallen zu verhüten, mit einer leicht löslichen Verschlußeinrichtung. etwa einer Heftklammer oder einer emsteckbaren Klappe, versehen oder mit einer Gummischnur oder einem Heftfaden verschnürt sind. Im anderen Falle müssen die Drucksachen so beschaffen sein, daß ein Auseinanderklappen während der Be- förderung ausgeschlossen ist. Auf vier- und mehrteiligen Karten findet die Ausnahme nach der deutschen Verkehrszeiturig keine Anwendung, bei diesen muß vielmehr bei offener Versendung stets ein leicht löslicher Verschluß vorhanden sein.
Calw, 13. Nov. Die Geslügelzuchtvereine in Calw, Nagold, Rottenburg, Freudenstadt und Horb haben sich zu einem Gauverbande zusammengeschlossen, dessen Zweck die Zucht und Pflege des Nutzgeflügels und der Schutz der einheimischen Singvögel sein wird. Zum Vorsitzenden des Verbandes wurde Uben-Freudenstadt gewählt. Die Mitgliederzahl beträgt etwa 800. Die Geflügelzucht ist eines der wenigen Gebiete, auf denen der deutsche Landwirt mit bescheidenen Mitteln noch sichere Erfolge erreichen kann. Man denke nur an die vielen Millionen Eier, die Deutschland heute noch aus dem Auslande, namentlich aus Italien und Galizien beziehen muß.
Bayerisches Brauhaus Pforzheim A.-G. Der seit mehreren Jahren zurückgehende Bierabsatz hat in 1903/04 sich wieder etwas vermindert, wie der Bericht bemerkt, infolge eines durch die frühzeitige
Obst- und Weinernte im September eingetretenen Minderverkaufs. Der diesjährige Reingewinn beträgt 124,330 -/E Die Gegenüberstellung der Gewinnergebnisse zeigt gegenüber dem Vorjahre eine Steigerung der Einnahmen um 1000 wogegen für Braumaterialien 14,700 ^ mehr aufzuwenden waren und für Unkosten 3500 <^! mehr. Der Ausfall am Bruttogewinn wird dadurch ausgeglichen, daß für Abschreibungen 15,200 weniger verwendet werden. Der Reingewinn fällt danach nur um 1000 -Ki kleiner aus. Die mit 6^/s pCt. unverändert gebliebene Dividende erfordert wieder 97,500 auch im übrigen zeigt die Verwendung wenig Abweichung gegen das Vorjahr. Zu der Bilanz bleibt zu bemerken, daß durch Hinzutritt zweier im Zwangsweg übernommener
Der Ahnensaat.
Erzählung von Rudolph Wustrow.
2f - (Nachdruck verboten.)
Er war ein starker und mutiger Mann, aber er sah ein, daß man die unheimlichen, unbekannten Mächte, die in jedes Menschen Seele ruhen, nicht zu sehr aufreizen dürfe.
.Einerlei," sagte er sich, .ob jene Mächte eine wirkliche Existenz haben in der Welt, die so viele unersorschUche Wunder baut, deren Anfang und Ende in Raum und Zeit verschleiert sind, oder ob sie nur in gräßlichen Eindrücken beruhen, die falsche Erziehung uns in der Kindheit einprägte — einerlei, jene Mächte sind da, sie leben in uns selbst. Wir alle spotten der Gespenster, so lange die Sonne scheint, und doch, wie wenige würden es wagen, bei Nacht allein in eine Totengruft hinabzusteigen! Entsetzlich ist es und doch wahr: die Gespenster leben, wenn auch nur in unserer Brust. Jeder aber soll sie mannhaft bekämpfen, so weit er kann. So weit er kann!" wiederholte er stockend.
Mit dem unlustigen Gefühl, den finsteren Mächten nicht obgesiegt zu haben, suchte er sein Lager auf. Lange aber lauschte er noch dem Heulen des Windes, dem Kreischen der Wetterfahnen, dem Knistern der ersterbenden Flammen, bis ihn endlich ein unruhiger Schlummer voll wirrer Traumgebilde umfing.
Als am andern Morgen der Helle Sonnenschein ms Zimmer schien, klopfte es an die Tür.
Wirtschaften (zum .Mayerhof" und zum .Kühlen Grund") das Häuser-Konto um 131,986 auf 1,os Mill. sich erhöht hat, gleichzeitig das Hypothekenkonto Wirtschaftshäuser von 501,098 Mark auf 556,026
Pforzheim, 14 Novbr. Zwischen Pforzheim und Eutingen ließ sich heute früh um 5 l /2 Uhr ein 30 Jahre alter unbekannter Mann vom Personenzug überfahren. Der Körper wurde mitten entzweigeschnitten. Der Ueberzieher und die Uhr waren sorgfältig beiseitegelegt. Der Selbstmörder ist der Schlosser Wunderlich bei der Eisenbahnreparaturwerkstätte.
Pforzheim, 15. Nov. Vergangene Nacht kurz vor 2 Uhr brach in der in dem cnggebauten Stadtteil .obere Au" gelegenen Scheune des Landwirts Wilhelm Katz Feuer aus, welches sich sofort über das ganze Gebäude ausdehnte. Der raschen Hilfe der Feuerwehr gelang es, das Feuer auf seinen Herd zu beschränken. Ein Pferd verbrannte, 3 Kühe und einige Schweine konnten mit Mühe gerettet werden.
Vermischtes.
Neuenbürg, 12. Nov. Die Straßb Zeitungen melden: Auf Veranlassung des Norddeutschen Lloyd und des Stangenschen Reisebureaus veranstaltet das Straßburger Verkehrsbureau von Straßburg aus vom nächsten Frühjahr ab regelmäßige Automobil sahrten in das Gebiet der Vogesen und des Schwarzwaldes. Gedacht sind regelmäßige Sonntagsfahrten und mehrtägige Reisefahrten; bei allen Touren ist die Verpflegung in den besten Hotels inbegriffen. Da die Zahl derjenigen Reisenden, die auS Bequemlichkeit oder Zeitmangel nicht dazu kommen, die schönsten Punkte der Vogesen und des Schwarzwaldes kennen zu lernen, eine recht große ist, wird das neue Unternehmen bei diesen schon Anklang finden. Andererseits sind wieder manche Punkte, die gern und viel besucht werden, entlegen und für den Durchschnitts- rcisenden nur nach einer größeren Wagenfahrt zu erreichen; gerade hier helfen die gedachten Fahrten einem Verkehrsbedürfnis ab.
Neuenbürg, 12. Nov. Die künstlich „aufge- besserten" Nahrungsmittel sind für unsere Hausfrauen längst ein Gegenstand der Sorge und ein Gegenstand zur Betätigung ihres Scharfsinns. Trotz aller Strafgesetze scheint das Gebiet des Nahrungs Mittelschwindels immer größer zu werden, so daß am Ende alle unsere Frauen chemische Studien machen und neben der Küche sich ein Laboratorium anlegen müssen. Auch die gewöhnlichen Hülsenfrüchte scheinen jetzt schon vor der Fälschung nicht mehr sicher zu sein Wie die „Bad. Landesztg " berichtet, wurden
Rudolf fuhr auf und fragte, wer da sei. Der alte Bertram erkundigte sich, ob der Herr Assessor den Kaffee wünsche.
Es war am gestrigen Abend doch Wohl nur ein körperliches Unwohlsein gewesen, das den Alten so Plötzlich befallen, denn heute zeigte er sich nicht bewegt, als er sich in seiner demütigen Art unter häßlichem Grinsen wegen des Übeln Empfanges entschuldigte. Hatte nun auch der heitere Morgen die nächtlichen Schauer verscheucht, so empfand Rudolf dennoch beim Anblick der hämischen, listigen Züge des devoten Alten Abscheu und Grauen.
Dies hielt ihn indessen nicht ab, jenem das Nötige milzuteilen. „Ich bin der Assessor Falk," sagte er, „und komme, wie Sie wissen, im Aufträge des Berliner Rechtsanwalts, dessen Klient der verstorbene Freiherr von Rosselstein war. Heute vormittag erwarte ich den Notar aus der einige Stunden entfernten Stadt, um mit seiner Bestätigung die Erbschaft im Namen des abwesenden jungen Frei- Herrn anzutreten und das Inventar des Schlosses und Rittergutes aufzunehmen."
Der alte Bertram begleitete jede dieser Mitteilungen mit einer Verbeugung. Als ihn der Assessor endlich fragte, ob eines von den Zimmern des Freiherrn instand gesetzt sei, so daß er mit dem Notar darin arbeiten könne, antwortete der Alte: „Der verstorbene gnädige Herr wohnte drüben im andern Flügel nach dem Park hinaus, ich habe drum das an dieser Seite liegende Archivzimmer gereinigt und geheizt."
62. Jahrgang.
in zahlreichen Geschäften Mannheims gefälschte Erbsen gefunden. Die chemische Untersuchung ergab, daß minderwertige Erbsen mit Anilin aufgefrischt oder gefärbt worden sind, nachdem sie vorher zur Glättung mit Gummi oder Speckstein behandelt worden waren. Die Fälschung ist leicht daran zu erkennen, daß bei längerem Liegen im Wasser die letztgenannten Stoffe sich auflösen und das Wasser trüben; die Anilinfarbe bleibt haften. Da die Fälschung wahrscheinlich von Grossisten vorgenommen wird, ist es Sache der Einzel- Verkäufer, künftig ihre Hülsenfrüchte zu prüfen, um sich vor Schaden und Unannehmlichkeiten zu bewahren.
In einer Versammlung erklärte nach dem „Vorw." Bebel, die Frau werde immer mehr einsehen, »daß dies irdische Jammertal einem irdischen Himmelreich weichen müsse." In einem solchen muß es aber schon anders zugehen als auf dem Dresdener Parteitag. Und mit der Bebelschen Aufforderung: „Mehr Haß, mehr Leidenschaft, mehr Galle!" wird man die Menschheit auch nicht vorbereiten für das „irdische Himmelreich".
Rummelsburg, 14. Nov. Das Dienstmädchen Auguste Radke versuchte die drei Kinder ihrer Herrschaft mit Blausäure zu vergiften. Die Person wurde in Haft genommen.
Dunzen heim (Kanton Hochfelden), 8. Novbr. Beim Abreißen des alten Ofens des Schreiners Herrmann fanden sich, wie die „Neueste Nachr." melden, zwei braune Ofenkacheln aus dem 16. Jahr- hundert. Die eine zeigt die Arche Noah auf den Fluten schwimmend. Im Wasser steht man eine Anzahl von Tieren, wovon ein Pferd, ein Eichhorn, ein Hase und ein Hund zu erkennen find. Auf der Arche sitzen vier riesige Tauben, und in den Lüften fliegen noch mehrere Vögel. Ueber den Wolken thront auf dem Regenbogen Gott der Herr im Strahlenkranz und aus einer Wolke quillt der Regen in großen Tropfen nieder. Unten kniet neben einer zweiten Arche Noah mit gefalteten Händen und emporgerichteten Blicken vor einem Weinstock mit zierlichen Trauben und Ranken. Die andere Kachel zeigt die beiden Kundschafter aus dem Lande Kanaan, die an einem über die Schultern gelegten Stock eine Riesentraube tragen. Vor ihnen stehen ein Granatapfel und ein Feigenbaum, hinter ihnen ein Weinstock, nebenher läuft ein Hund. Beide Kacheln sind mit Renaissanceornamenten eingerahmt und gehörten früher einem sogenannten Bibelofen an. Sie wurden für das elsässtsche Museum angekauft.
In Tübingen wurde ein erst 4jährigeS Rind geschlachtet, das Unschlitt im Gewicht von 172 Pfund hatte, was eine außergewöhnliche Menge bedeutet.
Rudolf entnahm nun seinem Koffer eine Anzahl Papiere, trug sie in das große, behagliche Zimmer hinab und erwartete den Notar. Dieser, ein schlichter, ruhiger Mann, der nicht viel Worte machte, kam denn auch bald, und beide begannen ihre Arbeit.
Der etwas verschlossene, doch sehr tüchtige Oberinspektor des großen Rittergutes ging ihnen eifrig an die Hand, so daß sie am späten Nachmittag bereits fertig waren. Nur Rudolf hatte noch etwas auszuarbeiten, das der Notar später bestätigen mußte. Beide kamen daher überein, daß Rudolf nach Voll- endung seiner Arbeit am nächsten Tage jenen in seinem Wohnort aufsuchen solle. Darauf stieg der Notar in seinen Einspänner und fuhr davon.
Rudolf fühlte, daß er einer Erholung bedürfe. Zudem war er begierig, auch den andern Teil des Schlosses kennen zu lernen. Er ließ sich daher von Bertram durch die widerhallenden Gänge in den Garten geleiten, der das Schloß von drei Seiten umgab und an einen schilfumwachsenen, von Föhren umgebenen kleinen See grenzte.
Rudolf entließ den Alten und blieb allein. Noch nie hatte er etwas so Verwildertes gesehen wie diesen Park. Seit Jahrzehnten schien hier keine ordnende Hand gewaltet zu haben. Ueberall wucherte üppiges Unkraut, dunkle dichte Büsche hemmten den Blick durch ein Wirrsaal von Zweigen, die oft auch den Weg versperrten, die steinernen Bänke und die Figuren waren mit Moos überwachsen und von Larbengängen waren nur noch zerstreute Trümmer vorhanden.